Neue psychoaktive Stoffe Gesetz (NpSG)

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Mit dem Neue psychoaktive Stoffe Gesetz (NpSG)[1] soll die Verbreitung der sog. Neuen psychoaktiven Stoffe (NPS) in Deutschland bekämpft [2] werden. Das Gesetz enthält verwaltungsrechtliche Verbots- und Strafvorschriften und regelt deren Anwendung im Umgang mit den neuen psychoaktiven Stoffen. Die Stoffe und Stoffgruppen die derzeit als NPS definiert sind, werden in einer Anlage zum Gesetz aufgeführt. Das Gesetz wurde am 21.11.2016 im Bundestag verabschiedet und ist mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt seit 25.11.2016 in Kraft getreten.[3]

Ziel des Gesetzes

Das übergeordnete Ziel des Gesetzgebers ist – analog zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) - der Schutz der allgemeinen (Bevölkerungsgesundheit) und der individuellen Gesundheit.[4] Die NPS stellen nach Auffassung des Gesetzgebers eine Gefahr für diese Rechtsgüter dar. Deswegen soll der Verfügbarkeit und der Verbreitung von entsprechenden Substanzen entgegengewirkt werden. Das Anliegen, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene vor den von NPS ausgehenden Gefahren zu schützen, wird dabei hervorgehoben.[5] Hinsichtlich der drogenpolitischen Zielsetzung folgt das NpSG dabei im Wesentlichen den repressiven Ansätzen im BtMG und ist in dem entsprechenden Kontext zu verstehen. Davon ausgehend, dass sich Verbotsvorschriften und eine Strafandrohung grundsätzlich einschränkend auf die Verfügbarkeit und die Verbreitung der jeweiligen Stoffe auswirken (s. Punkt 3.1), bildet das NpSG die rechtliche Grundlage, um den Umgang mit NPS zu kontrollieren und zu sanktionieren. Das verwaltungsrechtliche Verbot bezieht sich auf den allgemeinen Umgang mit den NPS. Strafbewehrt ist der auf eine Weitergabe abzielende Umgang. Bei Konsumenten aufgefundene NPS werden demnach beschlagnahmt, der Endverbraucher ist aber alleine durch Besitz und Erwerb von NPS nicht unmittelbar von Strafe bedroht. Beim Erwerb von NPS über ausländische Bezugsquellen können Konsumenten jedoch wegen Inverkehrbringen strafrechtlich belangt werden.

Auswirkungen und Erfahrungen hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes sollen im Rahmen eines geförderten Forschungsprojektes evaluiert werden. Das Förderprojekt wurde im Januar 2017 vom Bundesministerium für Gesundheit ausgeschrieben und soll im Mai 2017 starten, vorgesehen ist eine Laufzeit von bis zu 24 Monaten. Die Evaluation soll der weiteren Bewertung des Gesetzes dienen.[6]

Inhalt und Aufbau des Gesetzes

Titel der Vorschrift Inhalt
§1 Anwendungsbereich Definition des Anwendungsbereiches, Abgrenzung zu Arznei- und Betäubungsmitteln
§2 Begriffsbestimmungen Definiert NPS und die strafbewehrten Handlungen
§3 Unerlaubter Umgang mit NPS Verwaltungsrechtliche Verbotsvorschriften und Ausnahmen
§4 Strafvorschriften Strafvorschriften bzgl. Handel, Inverkehrbringen, Verabreichen, Herstellung, Einfuhr
§5 Einziehung und erweiterter Verfall Regelt die Einziehung von Gegenständen bei Straftaten
§6 Datenüberermittlung Regelt den behördlichen Austausch von personenbezogenen Daten
§7 Verordnungsermächtigung Regelt die Erweiterung und Neuaufnahme von Stoffgruppen per Rechtsverordnung
Anlage Definiert die als NPS klassifizierten Stoffgruppen

Die Strafzumessung reicht beim Grundtatbestand von einer Geldstrafe bis 3 Jahre Freiheitsstrafe, der Qualifikationstatbestand sieht 1 bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe vor:

  • bei Abgabe von NPS an Personen unter 18 Jahren als Person über 21 Jahre
  • bei Gewerbs- oder bandenmäßigen Verstößen
  • bei schweren und/oder viele Menschen betreffenden Gesundheitsgefährdungen

Aktuell erfasst das Gesetz 2 Stoffgruppen:

  • Von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen inkl. Cathinone (Substanzen die hinsichtlich ihrer Wirkung und chemischen Struktur Amphetaminen ähneln)
  • Synthetische Cannabinoide (Synthetische Varianten der Wirkstoffe von Cannabis)

Nach offiziellen Schätzungen werden mit diesen beiden Stoffgruppen etwa 83% der aktuell auf dem Markt befindlichen NPS erfasst.[7]

Über die Rechtsverordnung (§7) ist gewährleistet, dass das Gesetz um weitere Stoffgruppen ergänzt werden kann, wenn von einer missbräuchlichen Verwendung als Rauschmittel und einer konkreten Gefährdung für die Gesundheit auszugehen ist. Erforderlich für eine Erweiterung ist die Zustimmung des Bundesrates im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz und der Finanzen. Außerdem sind Sachverständige einzubeziehen.

Hintergründe des gesetzlichen Regelungsbedarfs

Mit der Resolution 55/1 [8] vom 16. März 2012 wurde auf internationaler Ebene durch die Global commission on drug policy der Begriff Neue psychoaktive Substanzen (NPS) definiert. In Anlehnung daran versteht die Bundesregierung unter NPS „meist synthetische Substanzen, die gelegentlich auch als "Designerdrogen", "Research Chemicals" oder auch "Legal Highs" bezeichnet werden“ . Dazu zählen Substanzen, die eine psychoaktive Wirkung haben und zum Zeitpunkt ihres erstmaligen Auftretens und Bekanntwerdens formal unbekannt sind bzw. keiner staatlichen Kontrolle unterliegen.

Größere Aufmerksamkeit und Thematisierung in den Medien[9] erfuhren die NPS in Deutschland erstmals im Jahr 2008 mit dem als Kräutermischung angebotenen synthetischen Cannabinoid Spice. Bis der darin enthaltene Wirkstoff -JWH-018- chemisch identifiziert, analysiert und dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt wurde, war Spice frei erhältlich und vor allem unter jugendlichen Konsument*innen verbreitet (Eggers/Werse 2015, S.105). Neben Spice und wirkungsähnlichen Produkten, die zumeist als Kräutermischung angeboten werden und in Aussehen und Wirkung Cannabis imitieren sollen, etablierte sich auch ein Markt für diverse pulverförmige, kristalline Produkte die z.B. als Badesalz angeboten und unter diesem Begriff öffentlich bekannt wurden.[10] Ein bekannteres Beispiel hierfür ist Mephedron, ein Cathinon welches als legaler Ecstasy und Kokain-Ersatz gehandelt wurde, bevor es 2010 dem BtMG unterstellt wurde. Die als Badesalze bezeichneten Produkte werden in kristalliner Form angeboten und können somit intranasal (gesnieft) konsumiert, geschluckt oder injiziert (gespritzt), in selteneren Fällen auch geraucht werden. Der Vertrieb der NPS wird überwiegend mittels Bestellungen über das Internet bei professionellen, spezialisierten Händlern und Headshops abgewickelt (Morgenstern/Werse 2011, S.49f). Das Internet bzw. entsprechende Foren im Internet, spielen zudem beim Austausch und der Information über Wirkungen eine wichtige Rolle (ebd.). Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) berichtet von derzeit 560 bekannten Substanzen, jährlich kommen etwa 100 neue dazu.[11]

Aufgrund der Vielzahl der Stoffe, des daher allgemein schwierig einzuschätzenden, im Einzelfall oftmals hohen Risikopotentials, sowie des leichten Zugangs und der Verfügbarkeit der NPS, erfuhr das Thema auch auf gesundheits- und drogenpolitischer Ebene zunehmend Aufmerksamkeit. Im Sucht- und Drogenbericht 2016 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wird von 39 Todesfällen in Zusammenhang mit dem Konsum von NPS für das Jahr 2015 ausgegangen. Das Bundeskriminalamt habe für das selbe Jahr Kenntnis von „mehreren hundert, teilweise lebensbedrohlichen Intoxikationen".[12] Die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) weist darauf hin, dass bundesweit verlässliche Daten hinsichtlich des Konsums und der Verbreitung von NPS fehlen. Die vorliegenden Informationen würden auf eine Lebenszeitprävalenz von 2,8% bei der Allgemeinbevölkerung und 2,2% bei den 18-25jährigen hinweisen, mit leicht steigender Tendenz.[13] Werse und Morgenstern haben bei ihrer Befragung von NPS-Konsumenten herausgefunden, dass mit der Legalität zusammenhängende Faktoren beim Konsum von NPS vor allem bei regelmäßigen Konsumenten relevant sind (S. 36ff). Demnach werden NPS konsumiert, weil sie verhältnismäßig leicht und preisgünstig beschafft werden können. Für die Gelegenheitskonsumenten spiele es hingegen keine gewichtige Rolle, ob es sich um eine legale oder illegale Substanz handelt (ebd). Aus Sicht des Gesetzgebers bestand Handlungsbedarf weil davon ausgegangen werden muss, dass die NPS ein vergleichbares gesundheitliches Gefahrenpotential besitzen wie die offiziell bekannten und durch das Betäubungsmittelgesetz oder Arzneimittelgesetz regulierten Substanzen und Stoffe.

Aufgrund der Feststellung, dass eine effektive Strafverfolgung mittels BtMG und/oder Arzneimittelgesetz (AMG) nicht gewährleistet werden konnte (s. Punkt 3.2, erkannte der Gesetzgeber eine Regelungs- und Strafbarkeitslücke, die er mit dem NpSG zu schließen beabsichtigte.

Der Entwurf des Gesetzes wurde am 6.5.2016 durch die amtierende Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit eingebracht.

Drogenpolitischer Hintergrund

Die 2012 beschlossene und seitdem verfolgte sucht- und drogenpolitische Strategie der Bundesregierung basiert auf dem sog. 4 Säulen Modell. Sie beinhaltet neben Prävention, Behandlung (Therapie, Beratung etc.) und Schadensminderung auch repressive Maßnahmen.[14] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass repressive Maßnahmen das Angebot und die Nachfrage reduzieren können. Dieser generalpräventive Effekt soll auch die auf Drogen bezogene Meinungsbildung, Schädlichkeitsbewertung und Konsumorientierung im Sinne des Gesetzgebers beeinflussen und dazu führen, dass möglichst wenig Drogen konsumiert werden.

Mit der Zustimmung zum Suchtstoffübereinkommen der vereinten Nationen von 1988[15] hat sich die Bundesrepublik zudem im Rahmen internationaler Zusammenarbeit verpflichtet, den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln in allen Erscheinungsformen umfassend strafrechtlich zu verfolgen. Das BtMG nimmt mit seinen Strafvorschriften auch Bezug auf diese Verpflichtung. Ergänzend zum BtMG bildet das NpSG die normative Grundlage für die Umsetzung dieser repressiven Elemente im sog. Kampf gegen die NPS.

Über die Effektivität der aktuellen drogenpolitischen Strategie und möglichen Alternativen wird auf nationaler und internationaler Ebene diskutiert und gestritten.

Abgrenzung zu BtMG und AMG

Vor Inkrafttreten des NpSG konnten Stoffe mit einer psychoaktiven Wirkung grundsätzlich über das Betäubungsmittelgesetz und das Arzneimittelgesetz reguliert werden. Nach Auffassung des Gesetzgebers hatte sich dabei gezeigt, dass die vorhandenen Gesetze hinsichtlich einer Regulierung und Kontrolle der NPS unzureichend geeignet sind.

Die Anwendung des Betäubungsmittelgesetztes hatte sich in der strafrechtlichen Praxis als problematisch erwiesen. Das Verfahren, neu auf den Markt gekommene Substanzen unter das BtMG zu stellen, gestaltet sich insgesamt zeitaufwendig. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert die eindeutige chemische Benennung einer konkreten Substanz. Das für eine Neuaufnahme einzelner Stoffe erforderliche Verfahren beinhaltet dazu i.d.R. Sachverständigenanhörungen und die Zustimmung durch den Bundesrat. Hinsichtlich der NPS wurde die Erfahrung gemacht, dass deren wirksame Inhaltsstoffe von Herstellern minimal verändert werden, sobald ein Inhaltstoff in das BtMG aufgenommen wurde. Entsprechende Veränderungen der synthetischen Struktur der NPS können in der Herstellung einfach und ohne großen Aufwand vorgenommen werden. Das Ergebnis ist, dass der veränderte Inhaltsstoff dann nicht mehr unter das BtMG fällt und die strafrechtliche Verfolgung und Ahndung auf diesem Weg nicht mehr möglich war. Da das NpSG nicht mehr auf einzelne Stoffe sondern auf Stoffgruppen abstellt, verspricht sich der Gesetzgeber eine Unterbindung dieser Vorgehensweise der Hersteller.[16]

In der Praxis wurde zudem eine Strafverfolgung über das Arzneimittelgesetz praktiziert. Diese Handhabung wurde zunächst durch den Bundesgerichtshof, und 2014 bestätigt vom Europäischen Gerichtshof, für unzulässig erklärt. Sinngemäß wurde entschieden, dass NPS nicht als Arzneimittel im Sinne des Gesetzes erfasst werden können, da sie nur konsumiert werden um einen Rauschzustand hervorzurufen, darüber hinaus aber keinen, der menschlichen Gesundheit zuträglichen Nutzen haben.[17]

Anders als das BtMG unterscheidet das NpSG nicht zwischen verkehrsfähigen und/oder verschreibungsfähigen Substanzen. Über §3 Absatz 2 soll ein gesetzteskonformer Umgang mit NPS im Bereich Wissenschaft und Forschung gewährleistet werden. Das NpSG ist als eigenständiges Gesetz konzipiert, soll aber strukturell mit den Nachbargesetzen BtMG und AMG zusammenwirken. Einzelne NPS sollen auch weiterhin dem BtMG unterstellt werden, wenn die sachverständige Bewertung ein entsprechendes Gefahrenpotential ergeben hat. Die Zugehörigkeit zu einer der definierten Stoffgruppen vorausgesetzt, soll dann übergangsweise das NpSG greifen, bis das Verfahren zur Aufnahme in das BtMG abgeschlossen ist.

Kritik am Gesetz

Bei der Kritik und Diskussion zum NpSG kann unterschieden werden zwischen Aspekten auf drogenpolitischer Ebene und Aspekten, die sich eher auf die konkrete Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit des Gesetzes beziehen.

Drogenpolitische Positionen im Gesetzgebungsverfahren

Das Gesetz wurde mit den Stimmen der großen Koalition aus SPD und CDU, gegen die Stimmen der Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/die Grünen verabschiedet. Die Diskussion und Thematisierung von geeigneten Maßnahmen zur Regulierung der NPS führte mitunter zu einer Auseinandersetzung über die grundsätzliche drogenpolitische Ausrichtung der Bundesregierung.

Aus Sicht der Fraktion von Bündnis 90/die Grünen verfehlt das NpSG die angestrebten Ziele in mehrfacher Hinsicht:[18] Die Fraktion geht davon aus, dass durch die restriktive Verbotspolitik erst ein Markt für NPS geschaffen wurde. Es sei insbesondere davon auszugehen, dass viele NPS als Ersatz für Cannabis konsumiert würden. Die Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen und/oder Probleme hinsichtlich Fahrerlaubnis/Führerschein seien demnach häufig die Motive für den Konsum von NPS. Statt neuer Verbote wäre eine Regulierung von Cannabis, wie mit dem Cannabiskontrollgesetz von der Fraktion vorgeschlagen [19], daher besser geeignet um der Verbreitung von NPS entgegenzuwirken. Darüber hinaus wurde für eine Stärkung von suchtpräventiven Maßnahmen und einer wissenschaftlichen Überprüfung der Auswirkungen der repressiven Anteile der aktuellen Drogenpolitik plädiert.

Durch die Fraktion der Partei Die Linke wurde sich mittels Antrag „für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen“[20] ebenfalls für ein grundsätzliches drogenpolitisches Umdenken ausgesprochen, insbesondere einer Entkriminalisierung der Konsumenten. Hinsichtlich der NPS sollte sich die Drogenpolitik weniger mit den Folgen, sondern vor allem mit den Ursachen des Konsums befassen. Der Antrag wurde mit den Stimmen der großen Koalition abgelehnt.

Seitens der CDU wird davon ausgegangen, dass von dem Gesetz eine Signalwirkung bzgl. der Gefährlichkeit der NPS ausgehen wird. Die Substanzen könnten nun erforscht und bei Bedarf in das BtMG überführt werden. Zudem sei mit dem Gesetz die strafrechtliche Verfolgung von Händlern und Herstellern möglich, unabhängig von einer Aufnahme der Stoffe in das BtMG. Die Fraktion der SPD verwies auf die hohe Notwendigkeit, die hinsichtlich einer strafrechtlichen Regulierung bestanden hätte und nun mit dem Gesetz geschaffen worden sei. Die eindeutige Trennung von Konsumenten und Handeltreibenden, die eine "Entkriminalisierung der Konsumenten" bedeute, wurde als „die Stärke des Gesetzes“ hervor gehoben.[21]

Seitens der Innenminister der Länder wurden durch den Bundesrat Bedenken geäußert, ob eine ausreichend abschreckende Wirkung erzielt werden kann, wenn der Besitz nicht bestraft wird. Es wurde beantragt, dies zu ändern und sich bzgl. des Strafrahmens am Konzept des BtMG statt am AMG zu orientieren. Die Bundesregierung argumentierte dagegen, dass eine Gleichsetzung mit den Betäubungsmitteln nicht verhältnismäßig wäre, zudem würden die gefährlichen Stoffe letztlich in das BtMG überführt werden.[22] Am 14.10.16 hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Es wurde darauf verzichtet, wegen der o.g. Differenzen den Vermittlungsausschuss anzurufen.[23]

Der parlamentarische Beratungsverlauf zum Gesetzgebungsverfahren kann über das Dokumentations- und Informationssystem für parlamentarische Vorgänge (DIP) nachvollzogen werden.[24]

Fachliche Kritik

Kritikpunkte hinsichtlich der Praxistauglichkeit des NpSG (vgl. Fährmann et al 2016, S. 20ff.):

  • Das Stoffgruppensystem löse das Problem der Stoffveränderunug nicht, Hersteller weichen auf andere, womöglich noch riskantere Zusammensetzungen aus. Stoffe, die den beiden Gruppen nicht zugeordnert werden können, bleiben weiterhin unreguliert. Gleichzeitig werden über die Stoffgruppenzuordnung auch ungefährliche, möglicherweise nützliche Substanzen verboten.
  • Angesichts der o.g. Zweifel bzgl. der Wirksamkeit des Gesetzes, sei auch dessen Verhältnismäßigkeit fraglich.
  • Verfassungsrechtliche Bedenken: Der normale Bürger könne kaum nachvollziehen, ob eine konkrete Substanz unter das Gesetz fällt oder nicht. Rechtsunsicherheit bestehe auch für den Bereich wissenschaftlicher Forschung. Mit §3 Abs. 2 wird nicht hinreichend definiert welche konkreten Voraussetzungen für eine legitime Forschung vorliegen müssen.
  • Das Gesetz nehme keinen Bezug auf präventive Maßnahmen.
  • Eine Kriminalisierung der Konsumenten finde weiterhin statt wenn z.B. bei einem ausländischen Händler bestellt wird.
  • Das Problem könne nicht auf nationaler Ebene allein gelöst werden sondern bedarf koordinierter Ansätze auf europäischer und internationaler Ebene.

Darüber hinaus wurde auch auf sachverständiger-fachlicher Ebene die Diskussion um das NpSG genutzt, um für oder gegen die Notwendigkeit eines drogenpolitischen Paradigmenwechsels zu argumentieren. Dabei wurde entweder von einer grundsätzlichen Wirksamkeit der aktuellen drogenpolitischen Strategie (vgl. Thomasius 2016, S.11ff), oder der allgemeinen Notwendigkeit größerer Veränderungen hinsichtlich der Regulierung und Kontrolle im Umgang mit Drogen bzw. psychoaktiven Substanzen ausgegangen (vgl. Eggers/Werse 2015, S. 108ff.).

Werse und Morgenstern hatten auf die paradoxe Situation hingewiesen, dass erfahrene Konsumenten aus rechtlichen Gründen auf Substanzen ausweichen, die zumindest teilweise gefährlicher sind als die bekannten aber illegalen Drogen. Das sei ein Beleg dafür, "dass die Umsetzung des BtMG hier eher negative als positive Folgen mit sich bringt". Davon ausgehend, dass ein Verbot jeglicher neuer Substanzen kaum realisierbar sei, würde "das Legal-High Phänomen eher einen Anlass zum grundsätzlichen Überdenken der derzeitigen Rechtslage bieten."(S.65f)

Einzelnachweise

  1. Neue psychoaktive Stoffe Gesetz (NpSG)[1]
  2. Bundesministerium für Gesundheit(2016):Warum ein Gesetz zur Bekämpfung neuer psychoaktiver Stoffe?[2]
  3. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 55, ausgegeben zu Bonn am 25. November 2016[3]
  4. Bundesverfassungsgericht zu den Aufgaben und Zielen des BtMG, Beschluss des 2. Senats vom 09.03.1994[4]
  5. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe, BT-Drs 231/16[5]
  6. Bundesministerium für Gesundheit (2017): Öffentliche Bekanntmachung zum Thema „Evaluation zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe“. [6]
  7. Europäischer Drogenbericht 2016, S.33 [7]
  8. Resolution 55/1, The commision on narcotoc drugs, 16.3.2012[8]
  9. "Jugend berauscht sich an rätselhafter Biodroge", Spiegel online, Beitrag vom 09.11.2008[9]
  10. "Designer- Drogen breiten sich weltweit aus", Zeit online, Beitrag vom 02.03.2011[10]
  11. Europäischer Drogenbericht 2016 S.32ff [11]
  12. Bundeskriminalamt (2016), Neue psychoaktive Stoffe Gesetz tritt in Kraft. Gemeinsame Presseerklärung mit BMG[12]
  13. Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen- und Drogensucht (2016), Kurzbericht, Situation illegaler Drogen in Deutschland [13]
  14. Bundesministerium für Gesundheit (2012): Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik [14]
  15. Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988, Bundesanzeiger Verlag[15]
  16. Bundesministerium für Gesundheit(2016):Warum ein Gesetz zur Bekämpfung neuer psychoaktiver Stoffe?[16]
  17. Europäischer Gerichtshof, Az. C-358/13 u. C-181/14 Urteil vom 10.07.2014[17]
  18. Entschließungsantrag BT-Drs 18/9708[18]
  19. Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (CannKG) BT-Drs 18/4204)[19]
  20. Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen BT-Drs 18/8459[20]
  21. Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs 18/9699[21]
  22. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung, BT-Drs 18/9129[22]
  23. Plenarprotokoll 949, Top 7 S.414B-414C[23]
  24. Gesetzgebungsverfahren, Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe, DIP[24]

Literatur

  • Egger, D./Werse, B. (2015): Neue psychoaktive Substanzen als Kollateralschaden der Prohibition, in: akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik/Deutsche AIDS-Hilfe e.V./JES e.V. (Hrsg.). Alternativer Sucht- und Drogenbericht 2015
  • Fährmann, J./Harrach, T./Kohl, H./Ott, S.C./Schega, M./Schmolke, R./Werse, B. (2016): Wie mit NpS zukünftig umgehen? Kritik an dem Referentenentwurf zum Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG)
  • Löhner, Benjamin (2016): Synthetische Cannabinoide – Cannabisersatzstoffe mit hohem Risikopotenzial, in: akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik/Deutsche AIDS-Hilfe e.V./JES e.V. (Hrsg.). Alternativer Sucht- und Drogenbericht 2016
  • Thomasius, Rainer (2016): Stellungnahme als Einzelsachverständiger zum Entwurf eines Gesetztes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychiatriere Stoffe. Ausschussdrucksache 18(14)0186(9)
  • Werse, B./ Morgenstern, C.(2011): Abschlussbericht Online-Befragung zum Thema „Legal Highs“, Goethe-Universität Frankfurt, Centre for Drug Research

Weblinks

Gesetze im Internet

Bundesministerium für Gesundheit

Bundesanzeiger-Verlag

Bundesverfassungsgericht

DIP Dokumentations und Informationssystem

United Nations Office on Drugs and Crime

Spiegel online

Zeit online

Bundeskriminalamt

DBDD Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht

Europäischer Gerichtshof

alternativer-drogenbericht

Legal-high-inhaltsstoffe