Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns''' wurde von Prof. Dr. jur. [[Hendrik Schneider]] im Rahmen seiner Antrittsvorlesung am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht der [[Universität Leipzig]] erstmalig am 09.05.2007 der Öffentlichkeit präsentiert. Das (dreistufige) Modell "[...] analysiert den Prozesscharakter wirtschaftskrimineller Handlungen und die in den jeweiligen Stadien bedeutsamen handlungsleitenden Faktoren" (Cleff et al., 2008, 14). Es integriert zudem als mehrfaktorieller Ansatz verschiedene Teilaspekte bestehender Kriminalitätstheorien und erklärt dem ätiologischen [[Paradigma]] folgend das Zustandekommen von [[Wirtschaftskriminalität]]. Das Modell wurde mit dem Hintergrund entwickelt, dass bislang kein kriminologischer Ansatz existiert, welcher speziell die Entstehungsbedingungen von Wirtschaftskriminalität adäquat und vollständig erklärt. "Der "Tatsachenblick" wird maßgeblich von der jeweiligen Bezugswissenschaft geprägt, der der Wissenschaftler oder die Forschungsgruppe angehört. Untersuchungen von Psychologen konzentrieren sich daher auf bestimmte Dimensionen der Persönlichkeit, während die überwiegend am [[Paradigma]] quantitativ-statistischer Sozialforschung orientierten Untersuchungen von Kriminologen oder Wirtschaftswissenschaftlern auf leicht sichtbare und messbare soziodemographische Variablen aus dem [[Hellfeld]] der registrierten Wirtschaftsdelinquenz beschränkt sind. Die Untersuchungen sind ferner nicht an bestimmten (wirtschafts-)kriminologischen Theorien orientiert und operieren allenfalls mit Versatzstücken der kriminologischen Forschungen" (Schneider, 2009, 5). Schneider setzt sich in seinem Modell insbesondere mit den situativen und personalen Risikofaktoren für Wirtschaftskriminalität auseinander unter der Zugrundelegung der Annahme, dass es sich bei Wirtschaftskriminalität um "[[Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit]]" handelt. Der Tatsache, dass die Kriminologie der Wirtschaftskriminalität für den deutschsprachigen Raum als ein bisher vernachlässigter Forschungsgegenstand anzusehen ist, steht der in der Wirtschaft vorhandene Bedarf an nachhaltigen und praxisbezogenen Präventionsprogrammen für unternehmensinterne Bekämpfungsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität, welchen neben dem [[Fraud Triangle]] ([[Betrugsdreieck]]) von [[Donald R. Cressey]] nunmehr im besonderen Maße das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns als wissenschaftliches Fundament dient, gegenüber.  
Das '''Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns''' wurde von Prof. Dr. jur. [[Hendrik Schneider]] im Rahmen seiner Antrittsvorlesung am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht der [[Universität Leipzig]] erstmalig am 09.05.2007 der Öffentlichkeit präsentiert. Das (dreistufige) Modell "[...] analysiert den Prozesscharakter wirtschaftskrimineller Handlungen und die in den jeweiligen Stadien bedeutsamen handlungsleitenden Faktoren" (Cleff et al., 2008, 14). Es integriert zudem als mehrfaktorieller Ansatz verschiedene Teilaspekte bestehender Kriminalitätstheorien und erklärt dem ätiologischen [[Paradigma]] folgend das Zustandekommen von [[Wirtschaftskriminalität]]. Das Modell wurde mit dem Hintergrund entwickelt, dass bislang kein kriminologischer Ansatz existiert, welcher speziell die Entstehungsbedingungen von Wirtschaftskriminalität adäquat und vollständig erklärt. "Der "Tatsachenblick" wird maßgeblich von der jeweiligen Bezugswissenschaft geprägt, der der Wissenschaftler oder die Forschungsgruppe angehört. Untersuchungen von Psychologen konzentrieren sich daher auf bestimmte Dimensionen der Persönlichkeit, während die überwiegend am [[Paradigma]] quantitativ-statistischer Sozialforschung orientierten Untersuchungen von Kriminologen oder Wirtschaftswissenschaftlern auf leicht sichtbare und messbare soziodemographische Variablen aus dem [[Hellfeld]] der registrierten Wirtschaftsdelinquenz beschränkt sind. Die Untersuchungen sind ferner nicht an bestimmten (wirtschafts-)kriminologischen Theorien orientiert und operieren allenfalls mit Versatzstücken der kriminologischen Forschungen" (Schneider, 2009, 5). Schneider setzt sich in seinem Modell insbesondere mit den situativen und personalen Risikofaktoren für Wirtschaftskriminalität auseinander unter der Zugrundelegung der Annahme, dass es sich bei Wirtschaftskriminalität um "[[Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit]]" handelt. Der Tatsache, dass die Kriminologie der Wirtschaftskriminalität für den deutschsprachigen Raum als ein bisher vernachlässigter Forschungsgegenstand anzusehen ist, steht der in der Wirtschaft vorhandene Bedarf an nachhaltigen und praxisbezogenen Präventionsprogrammen für unternehmensinterne Bekämpfungsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität, welchen neben dem [[Fraud Triangle]] ([[Betrugsdreieck]]) von [[Donald R. Cressey]] nunmehr im besonderen Maße das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns als wissenschaftliches Fundament dient, gegenüber.  

Version vom 24. Februar 2010, 20:08 Uhr

Wird bearbeitet von Benjamin W.


Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns wurde von Prof. Dr. jur. Hendrik Schneider im Rahmen seiner Antrittsvorlesung am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht der Universität Leipzig erstmalig am 09.05.2007 der Öffentlichkeit präsentiert. Das (dreistufige) Modell "[...] analysiert den Prozesscharakter wirtschaftskrimineller Handlungen und die in den jeweiligen Stadien bedeutsamen handlungsleitenden Faktoren" (Cleff et al., 2008, 14). Es integriert zudem als mehrfaktorieller Ansatz verschiedene Teilaspekte bestehender Kriminalitätstheorien und erklärt dem ätiologischen Paradigma folgend das Zustandekommen von Wirtschaftskriminalität. Das Modell wurde mit dem Hintergrund entwickelt, dass bislang kein kriminologischer Ansatz existiert, welcher speziell die Entstehungsbedingungen von Wirtschaftskriminalität adäquat und vollständig erklärt. "Der "Tatsachenblick" wird maßgeblich von der jeweiligen Bezugswissenschaft geprägt, der der Wissenschaftler oder die Forschungsgruppe angehört. Untersuchungen von Psychologen konzentrieren sich daher auf bestimmte Dimensionen der Persönlichkeit, während die überwiegend am Paradigma quantitativ-statistischer Sozialforschung orientierten Untersuchungen von Kriminologen oder Wirtschaftswissenschaftlern auf leicht sichtbare und messbare soziodemographische Variablen aus dem Hellfeld der registrierten Wirtschaftsdelinquenz beschränkt sind. Die Untersuchungen sind ferner nicht an bestimmten (wirtschafts-)kriminologischen Theorien orientiert und operieren allenfalls mit Versatzstücken der kriminologischen Forschungen" (Schneider, 2009, 5). Schneider setzt sich in seinem Modell insbesondere mit den situativen und personalen Risikofaktoren für Wirtschaftskriminalität auseinander unter der Zugrundelegung der Annahme, dass es sich bei Wirtschaftskriminalität um "Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit" handelt. Der Tatsache, dass die Kriminologie der Wirtschaftskriminalität für den deutschsprachigen Raum als ein bisher vernachlässigter Forschungsgegenstand anzusehen ist, steht der in der Wirtschaft vorhandene Bedarf an nachhaltigen und praxisbezogenen Präventionsprogrammen für unternehmensinterne Bekämpfungsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität, welchen neben dem Fraud Triangle (Betrugsdreieck) von Donald R. Cressey nunmehr im besonderen Maße das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns als wissenschaftliches Fundament dient, gegenüber.

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Leipziger Verlaufsmodell - Gesamtübersicht Quelle: Cleff et al., 2008, 15

Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit

Die Beschreibung des überwiegenden Teils der Wirtschaftskriminalität durch Schneider als "Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit" resultiert aus verschiedenen empirischen Untersuchungen, in welchen festgestellt wurde, dass

  • das Einstiegsalter des Wirtschaftsstraftäters in die Delinquenz höher ist als das anderer Straftäter ("latecomer to crime"),
  • das Spektrum der verwirklichten Delikte des Wirtschaftsstraftäters weniger vielseitig ist als das anderer Straftäter,
  • Wirtschaftsstraftäter zumeist nur eine geringe oder überhaupt keine Vorstrafenbelastung aufweisen,
  • Wirtschaftsstraftäter über eine bessere Bildung als andere Straftäter verfügen,
  • Wirtschaftsstraftäter seltener allgemeine Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. übermäßigen Drogen- und Alkoholkonsum aufweisen.

"Danach ergibt sich aus dem Sozialprofil, dass Wirtschaftsdelinquente nicht dem sozialen Stereotyp des Kriminellen entsprechen" (Schwind, 2009, 448). In seinen Erläuterungen zu seinem Leipziger Modell stellt Schneider insbesondere dar, dass auf Kriminalitätstheorien, welche zur Erklärung von Straßen- und Elendskriminalität entwickelt wurden, für die Erklärung von Wirtschaftskriminalität nicht vollständig zugegriffen werden kann. Allgemeine Kriminalitätstheorien ("General Theories of Crime"), welche den Anspruch erheben, jegliche Erscheinungsformen von Kriminalität erklären zu können, werden, so Schneider, dem kriminologischen Sondererklärungsbedarf bei Wirtschaftskriminalität nicht gerecht. "Neue empirische Untersuchungen lassen allerdings erkennen, dass sich die in diesen Ansätzen zu Grunde gelegte Verneinung eines kriminologischen Sondererklärungsbedarfs bei Wirtschaftsstraftaten als Denkblockade erwiesen hat" (Schneider, 2007, 557). „No influential theory of white collar crime has developed, let alone an attempt to link such work to wider sociological theory“ (Braithwaite, 1985, 5, zit. in Schneider, 2008b, 136). Wirtschaftskriminalität, so Schneider, kann in ihrer Ursache nur erklärt werden, indem deren kriminologische Betrachtung sowohl die sozialstrukturellen als auch die personalen Ausgangslagen hinsichtlich des Konzeptes der Neutralisationstechniken umfasst. Dieser wissenschaftliche Zugang erzeugt den entsprechenden Rahmen, in welchem Wirtschaftskriminalität sowohl unter Aspekten situativer als auch personaler Risikofaktoren erklärt wird.

Ausführungen zur Begriffsfindung und Definition von "Wirtschaftskriminalität"

Schneider lehnt einen Zugang zur Definition über das Strafrecht unter Rückgriff auf § 74c GVG (Gerichtsverfassungsgesetz), welcher lediglich die deliktische Zuständigkeit der deutschen Wirtschaftsstrafkammern regelt, ab. Die kriminologische Aussagekraft bleibe bei diesem Zugang auf das nationale Recht begrenzt und berge zudem die Gefahr der eingeschränkten Gewährleistbarkeit der Integration des internationalen Forschungsstandes. "Das Vertrauenskriterium ist zum Zweck der kriminologischen Begriffsbildung zu ungenau und zieht der Wirtschaftskriminologie ebenso wie die an Status knüpfenden Ansätze, die Fallkonstellation der "Betriebskriminalität" ausklammern, zu enge Grenzen“ (Schneider, 2007, 556) Es wird deshalb auf eine international verbreitete Definition des "occupational crime" zurückgegriffen. "Occupational crime wird hier in Anlehnung an Braithwaite als Subkategorie von "White Collar Crime" im Sinne der ursprünglichen Definition von Sutherland verstanden: "The concept is shaped an understood by ordinary folks … in the conclusion of this review, I argue, that we should cling to Sutherland´s overarching definition, but then partition the domain into major types of white collar crime which do have theoretical potential". (Braithwaite, 1985, 1,3, zit. in Schneider, 2007, 556) "[...] White-collar Crime can be definied as "a violation against the law committed by a person or group of persons in the course of an otherhwise respected and legitimat occupation or financial activity" (Coleman, 1987, 408, zit. in Schneider, Hendrik, 2008b) Wirtschaftsdelikte sind demnach "[...] Straftaten, die von einer oder mehreren Personen im Zusammenhang mit der Ausübung einer legitimen Berufstätigkeit oder legalen wirtschaftlichen Betätigung begangen werden" (Coleman, 1987, 408, zit. in Schneider, 2007, 556). Bezug nehmend auf den Wirtschaftsstraftäter als "Späteinsteiger" ("latecomer to crime") und ergänzend zur dargestellten Definition der Wirtschaftskriminalität "[...] lässt sich das Spezifikum der Wirtschaftsdelinquenz daher als Späteinstieg in die Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit kennzeichnen." (Schneider, 2007, 558)

Empirische Grundlagen

Teilaspekte der nachfolgend aufgeführten Kriminalitätstheorien bilden den Hauptteil der empirischen Grundlage des Leipziger Verlaufsmodells:

  • Der "Routine- Activity- Approach" (Routine Activity Theory) von Lawrence E. Cohen & Marcus Felson stellt die Ausgangsbasis des Leipziger Modells dar, nach welchem die Grundvoraussetzung des Eintritts einer Situation im Sinne einer günstigen Gelegenheit für delinquentes Verhalten auf dem Vorhandenseins eines "suitable target" und der "absence of a capable guardian" beruht.
  • Die Anomietheorie von Robert K. Merton geht davon aus, dass abweichendes Verhalten aufgrund der Ausprägung eines Verhaltensmusters der „Innovation“ als Folge „anomischen Drucks“, hervorgerufen durch eine gesellschaftliche Ziel- Mittel- Diskrepanz, auftreten kann.
  • Die "General Strain Theory" (Allgemeine Belastungstheorie) von Robert Agnew, nimmt den empirischen Ansatz der Anomietheorie auf und erweitert die Varianten "sozialer Belastung" ("strain") um zwei weitere Typen; die des Erlebens des Entzugs positiv bewerteter Stimuli und der Konfrontation mit negativen Stimuli. Die hieraus resultierenden „negative emotions“ spiegeln sich im Leipziger Modell insbesondere in den kriminovalenten Faktoren der Frustration und Kränkung wider. Wirtschaftskriminelles Handeln kann bezogen auf die General Strain Theory die Bedeutung einer Coping- Strategie erhalten, also einer Strategie, welche das Individuum nutzt, um mit negativen Emotionen, welche durch "strain" verursacht sind, umzugehen.
  • Aspekte der “Integrated Theory of White-Collar-Crime” von James W. Coleman werden von Schneider insbesondere bei den Neutralisationstechniken aufgegriffen, der Entstehung von arbeitsplatzbezogenen Subkulturen und der damit einhergehenden Auswahl und Beschränkung von Kontakten durch das Individuum sowie der Argumentation hinsichtlich des Sondererklärungsbedarfs von Wirtschaftskriminalität. „Der Ansatz Colemans ist verdienstvoll, weil er den kriminologischen Sondererklärungsbedarf bei Wirtschaftsstraftaten sowohl in sozialstrukturellen als auch – hinsichtlich des Konzeptes der Neutralisationstechniken – in personalen Ausgangslagen verortet“ (Schneider, 2008b, 138).
  • Es werden Ansätze der Halttheorien und Bindungstheorien von Albert J. Reiss, Walter C. Reckless und Travis Hirschi hinsichtlich der Relevanz der verschiedenen Ebenen des "äußeren und inneren Halts" ("social bonds") sowie Ansätze der Kontrolltheorien, darunter die der "Age- Graded Theory" ("Theorie der altersabhängigen informellen Sozialkontrolle") von Robert J. Sampson und John H. Laub hinsichtlich der Annahme von "turning points" (Biografische Wendepunkte) im Lebens eines Menschen und der Relevanz von Art und Intensität persönlicher Bindungen und Kontakte zu anderen Individuen für bzw. gegen die Ausprägung kriminellen Verhaltens, aufgegriffen.
  • Die Forschungsergebnisse der Studie "Are white- collar and common offenders the same? An empirical and theoretical critique of a recently proposed general theory of crime" von Michael L. Benson und Elisabeth Moore werden sowohl für die Widerlegung der Erklärbarkeit von Wirtschaftskriminalität durch “Allgemeine Kriminalitätstheorien” angeführt, als auch für die Darlegung des Sondererklärungsbedarfs bei Wirtschaftskriminalität aufgrund der in der Studie festgestellten Unterschiede zwischen Tätern der Straßen- und Elendskriminalität und denen des White Collar Crime.
  • Befunde aus der Untersuchung "Spezifische Einstellungen und Werte von Strafgefangenen und der Durchschnittspopulation" von Dr. Sybille Fritz-Janssen werden im Zusammenhang mit der Annahme eines Wahrnehmungsfilters beim Individuum aufgrund einer besonders ausgeprägten Orientierung an Konformitätswerten („puristische Wertorientierung“) interpretiert.

Das 3- Stufen- Modell

Ausgehend von der durch James W. Coleman formulierten Annahme, dass alle Marktteilnehmer / Wettbewerber eine individuelle Motivation zur Begehung von Wirtschaftsstraftaten aufgrund struktureller Rahmenbedingungen der "Überschusswirtschaft" und der hieraus hervorgehenden "Kultur des Wettbewerbs" (Culture of Competition) besitzen, müssten diese folglich auch über kriminovalente Neutralisationstechniken als allgemeines Verhaltensrepertoire verfügen. Die logische Schlussfolgerung hieraus würde die Annahme von ubiquitärem wirtschaftskriminellen Handelns am Markt bedeuten. Ausgehend von der Annahme, dass "[…] nur manche am Wirtschaftsleben beteiligten Akteure Wirtschaftsstraftaten begehen und jedenfalls im Bereich schwerer Delikte nicht von einer Ubiquität der Wirtschaftsdelinquenz ausgegangen werden kann […]" (Schneider, 2008b, 139), muss auch die Willens- und Motivbildung und den daraus resultierenden Handlungstrieb für das wirtschaftskriminelle Handeln beim Marktteilnehmer individuell betrachtet werden. Der für wirtschaftskriminelles Handeln ursächliche Handlungstrieb wird im Modell über die Motivlagen / Auslöser "Gier" und "Habsucht" hinaus konkretisiert. Denkbare Motivlagen / Auslöser werden hierbei voneinander abgegrenzt und in Form individueller Risikofaktoren dargestellt. Gleichzeitig werden den Risikofaktoren entgegenwirkende "Protektoren" als kriminoresistente Faktoren gegenübergestellt.

Die kriminogene Situation als Ausgangslage

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Leipziger Verlaufsmodell - "Die kriminogene Situation" Quelle: Cleff et al., 2008, 15

Ausgehend von der Grundannahme des "Routine Activity Approach" wird davon ausgegangen, dass kriminogene Situationen aus alltäglichen Routineaktivitäten heraus entstehen. Dieser Ansatz auf den Deliktsbereich der Wirtschaftskriminalität bezogen bedeutet, dass "[...] kriminogene Situationen durch sicherheitsrelevante Tätigkeiten, die ohne Kontrolle von immer denselben Mitarbeitern durchgeführt werden [...] (Bock, 2007, 314) entstehen. Erste Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Akteur die Situation überhaupt als eine Gelegenheit für die Begehung einer Straftat wahrnimmt.

Wahrnehmungsfilter

Ob eine Situation vom Akteur als Gelegenheit für wirtschaftskriminelles Handeln wahrgenommen oder übersehen wird, ist zum Einen von dessen Kenntnissen über Abläufe bzw. Arbeitsroutinen abhängig und zum Anderen von dem Vorhandensein einer „puristischen“ Wertorientierung. Detaillierte Kenntnisse über Abläufe bzw. Arbeitsroutinen entstehen in der Regel erst nach längerer Unternehmenszugehörigkeit und damit verbunden auch erst die Wahrnehmungsfähigkeit einer Situation als potentielle Tatgelegenheit. Entsprechend kann von dem Akteur aufgrund mangelnder Kenntnisse "[...] schon das Bestehen der kriminogenen Ausgangslage übersehen werden" (Schneider, 2008b, 145). Das Übersehen kann aber auch bei vorliegenden Kenntnissen über sicherheitsrelevante Abläufe stattfinden in dem Fall, wo sich der Akteur besonders stark an Konformitätswerten wie beispielsweise Untadeligkeit, Korrektheit und Rechtschaffenheit orientiert. Dies bewirkt, dass sich der daraus resultierende Wahrnehmungsfilter "[...] wie ein strenges Über- Ich als „Zensor“ zwischen die kriminogene Situation und ihre kognitive Erfassung schiebt" (Schneider, 2008b, 145).

Stufe 1: "Bemerken der Situation"

Insofern die Wahrnehmung des Akteurs nicht durch eine puristische Wertorientierung und aus Gründen der Unkenntnis über Abläufe blockiert ist, kann dieser mit "freiem Blick" die Situation bewerten." Die Bewertung der Situation, also deren Interpretation durch den Akteur "[...] innerhalb der Pole von Sicherheitsrisiko einerseits und günstiger Gelegenheit anderseits [...]" (Schneider, 2008b, 146) ist abhängig von individuellen Risikofaktoren, welche kriminovalente und kriminoresistente Ausgangsbedingungen darstellen, "[...] deren Vorliegen Straffälligkeit trotz der sonstigen sozialen Unauffälligkeit als wahrscheinlich beziehungsweise unwahrscheinlich erscheinen lassen" (Schneider, 2008b, 146).

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Leipziger Verlaufsmodell - "Bemerken der Situation" Quelle: Cleff et al., 2008, 15

Bei den individuellen Risikofaktoren werden

  • die Emotionen,
  • der Lebensstil,
  • das Verhalten in persönlichen Krisensituationen und an biografischen Wendepunkten,
  • die Wertorientierung sowie
  • die Bindungen und Kontakte

sowie die Kumulation und Intensitätssteigerung der Risikofaktoren bei der Person untersucht. „Hendrik Schneider bezieht sich hier auf die MIVEA (Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse), insbesondere auf die einschlägigen K- und D- Kriterien, die Syndrome krimineller Gefährdung und die Relevanzbezüge“ (Bock, 2007, 314). "Die Intensitätssteigerung kann durch den Begriff der „Relevanzbezüge“ näher veranschaulicht werden. Relevanzbezüge sind Grundintentionen und besonders ausgeprägte Interessen, die in der Gesamtheit eine Persönlichkeit kennzeichnen" (Schneider, 2007, 561). Einzelne kriminovalente Aspekte können sich "[...] zu einem Syndrom krimineller Gefährdung verdichten und wechselseitig verstärken" (Schneider, 2008b, 147). Jeder einzelne der kriminalitätsbegünstigenden Risikofaktoren "[…] verstärkt das Risiko, dass unzureichend kontrollierte Situationen als günstige Gelegenheiten interpretiert werden und am Ende zu einer Straftat führen" (Cleff, 2008, 16).

Kriminalitätsbegünstigende Faktoren
Frustration und Kränkung

Frustrationen, Kränkungen und Zurücksetzungen resultieren beispielsweise aus negativ empfundenen Beziehungen zu anderen Individuen wie Arbeitskollegen, Vorgesetzten und Arbeitgebern, aus dem Ausbleiben einer als verdient angesehnen Anerkennung sowie aus dem Ausbleiben einer erwarteten Beförderung oder zusätzlichen Vergütung.

Inadäquates Anspruchsniveau & fehlendes Verhältnis zu Geld/Eigentum

Der Lebensstil einer Person ist gekennzeichnet durch deren persönliches Anspruchniveau und ihrem Verhältnis zu Geld und Eigentum. "Das Anspruchsniveau kann trotz erheblicher Möglichkeiten, sich materielle Wünsche zu erfüllen, inadäquat sein, wenn ein zu Geldknappheit führender Lebensstil gepflegt wird und zusätzlich ein unrealistisches Verhältnis zu Geld und Eigentum vorliegt" (Bock, 2007, 429). Als "Betrügerpersönlichkeiten" bezeichnet Bannenberg diejenigen Wirtschaftskriminellen, welche durch einen „exotischen Lebensstil“ ein inadäquates Anspruchsniveau besitzen und trotz vergleichsweise hohem Einkommen zu Geldknappheit tendieren. Jedoch auch der "durchschnittliche Haushalt" kann in Geldknappheit gelangen, wenn in persönlichen Krisen oder an biographischen Wendepunkten das Anspruchsniveau beibehalten und nicht gesenkt wird.

Moderne materialistische Werte und Neutralisationsstrategien

Als prägnante Beispiele für moderne materialistische Werte sind insbesondere subkulturell- materialistische und hedonistische Orientierungen zu nennen. Der Argumentation von James W. Coleman folgend bestehen für den Wirtschaftsstraftäter insbesondere in den vier nachfolgend aufgeführten Neutralisationstechniken die Möglichkeiten sein Handeln mit den an ihn durch die Gesellschaft gestellten Konformitätserwartungen in Einklang zu bringen:

  • Verneinung des Schadens; z. B. "It´s not really hurting anybody, the store can afford it" (Schneider, 2008b, 138).
  • Ablehnung bestehender Strafvorschriften & Verlagerung von Verantwortung; z. B. "I did what is business“, If I didn´t do it, I felt someone else would“, If you are going to punish me, sweep away the system" (Schneider, 2008b, 138).
  • Berufung auf Reziprozität; z. B. "I felt I deserved to get something additional form my work since I wasn´t paid enough”, “People like me are expected to work full time…" (Schneider, 2008b, 138).
Kriminovalente Bindungen und Kontakte

„Mit Blick auf das Kontaktverhalten ist auch eine besonders intensive Hinwendung zu einer arbeitsplatzbezogenen Subkultur vorstellbar. Die subkulturelle Orientierung kann das Kontaktverhalten sogar derart beherrschen, dass die Wahrnehmung der Umwelt Züge einer mangelnden Realitätskontrolle annehmen kann. Fehlen flankierende Kontakte zu außenstehenden, nicht in die Subkultur involvierten Personen, besteht die Gefahr, überhaupt nicht mehr wahrnehmen und sein Verhalten darauf einstellen zu können, dass die Welt der Subkultur eine besondere Welt darstellt und sich maßgeblich von der „Welt der Anderen“ unterscheidet – ein Aspekt „mangelnder Realitätskontrolle“ (Bock, 2000, 257, zit. in Schneider, 2007, 561). Arbeitplatzbezogenen Subkulturen entstehen durch „[…] eine zeitliche Verschiebung des Tagesablaufs, insbesondere durch die Ausdehnung des Leistungsbereichs in den Freizeitbereich (Störung der work-life-balance) und die Verschmelzung von Leistungs- und Freizeitbereich sowie durch die Auswahl und Beschränkung selbst gewählter Kontakte. Als Folge dieser Umstrukturierung des Tagesablaufs und des Kontaktbereichs konstituieren sich abgrenzbare Werte und Verhaltensweisen, deren abweichender Charakter von den handelnden Individuen of selbst kaum noch wahrgenommen wird. Gleichwohl kann sich das Verhalten bei rein formaler Betrachtung als sozial unauffällig darstellen, weil die subkulturelle Orientierung in ein Berufsleben integriert ist und sich selbst für Familienmitglieder lediglich als berufliche Eingebundenheit oder als Leben ohne Freizeit darstellt (Bock, 2007, 429-430).

Kriminalitätshemmende Faktoren
Zufriedenheit/Wertschätzung durch Andere

Gefühle der Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, "[…] die von der Selbsteinschätzung getragen werden können, vom Arbeitgeber angemessen entlohnt und von ihm und den Kollegen mit Wertschätzung behandelt zu werden […]" (Bock, 2007, 429) stellen kriminoresistente Faktoren dar.

Adäquates Anspruchsniveau & reales Verhältnis zu Geld/Eigentum

Der Lebensstil einer Person ist in Bezug auf das Leipziger Modell genau dann adäquat angepasst, wenn das Individuum ein reales Verhältnis zu Geld/Eigentum sowie ein adäquates Anspruchsniveau besitzt und diese dadurch keine Tendenz zur Geldknappheit aufweist.

Moderne idealistische oder traditionelle Werte

Mit dem Begriff der Wertorientierung beschreibt man allgemein diejenigen Werte, welche das Individuum in seinem alltäglichen Leben leiten. Als moderne idealistische Werte wären beispielhaft der soziale Altruismus sowie politisch tolerante, ökologische und sozialintegrative Wertorientierungen zu nennen. Als traditionelle Werte werden im Leipziger Modell die konventionelle, konservative und normorientierte Leistungsethik sowie die Integrität der Person angesehen.

"Tragende" Bindungen und Kontakte

Vorhandene tragende Bindungen zur Herkunftsfamilie, der Prokreationsfamilie sowie zu Freunden auch außerhalb des Berufslebens bilden das soziale Kapital des Individuums.

Stufe 2: "Bewerten der Situation"

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Leipziger Verlaufsmodell - "Bewerten der Situation" Quelle: Cleff et al., 2008, 15

In der Bewertungsstufe entscheidet das Individuum auf Basis der individuellen Risikofaktoren, ob eine kriminogene Situation als eine Sicherheitslücke interpretiert wird oder aber als eine günstige Gelegenheit. Die dem Individuum zur Verfügung stehenden Verhaltensalternativen stehen dabei dessen „kritischen Relevanzbezü-gen“ gegenüber. Das individuelle Risiko verdichtet sich, wenn beim Individuum neben der „delinquenten“ Verhaltensform keine anderen Verhaltensalternativen handlungsleitend sind oder kriminoresistente Werte für den Handelnden grundsätzlich ohne Bedeutung sind. Tritt dieser Fall ein, „[…] ist die Wirtschaftsstraftat erwartbar. Sie entspricht dann dem Lebenszuschnitt des jeweiligen Handelnden, obwohl dieser bei vordergründiger Betrachtung ein Leben unter der Fassade sozialer Unauffälligkeit geführt hat“ (Schneider, 2008b, 147).

Stufe 3: "Handeln in der Situation"

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Leipziger Verlaufsmodell - "Handeln in der Situation" Quelle: Cleff et al., 2008, 15

„Die Differenzierung zwischen der 2. Stufe des Bewertens und der 3. Stufe des Handelns bezieht sich auf die anzunehmende Schwundrate zwischen denjenigen Akteuren, die die kriminogene Ausgangslage zwar als günstige Gelegenheit interpretiert haben, dennoch aber von ihrer Verwirklichung absehen“ (Schneider, 2008b, 147). Auf der dritten und letzten Stufe entscheidet die Kumulation und Intensität der individuellen Risikofaktoren letztlich darüber, ob das (wirtschafts-)kriminelle Handeln in der Situation tatsächlich erfolgt oder nur in der Fantasie verhaftet bleibt. „Delinquente „Handlungsentwürfe spuken übrigens in den Köpfen der meisten Menschen ganz spielerisch und ohne echte Verwirklichungsabsicht“ (Hess/Scheerer, 2003, 77, zit. in Schneider, 2008b, 147)

Kritik

Aus den, in der Literatur bislang nur fragmentarisch vorhandenen, wissenschaftlichen Kommentierungen zum Leipziger Verlaufsmodell gehen insbesondere folgende Kritikpunkte hervor:

  • Homann sieht im Leipziger Modell zwar keinen neuen Erklärungsansatz für Kriminalität, es "[…] integriert erstmals – wie bereits von Volk gefordert – die verschiedenen vorhandenen Erklärungssysteme in ein Modell und bietet damit möglicherweise einen Anhaltspunkt, zukünftig eine eigene Theorie der Wirtschaftsdelinquenz zu entwickeln" (Homann, 2009, 85). Es wird von ihr bemängelt, dass im Leipziger Modell ökonomischen Erklärungsansätze unberücksichtigt bleiben. Homann dürfte sich hierbei insbesondere auf die theoretischen Ansätze des "Rational Choice" beziehen, insbesondere hierbei zu nennen die "Ökonomische Kriminalitätstheorie rationalen Wahlhandelns" von Gary S. Becker, welchem das Menschenbild des "Homo Oeconomicus" zugrunde liegt und dieser, bezogen auf delinquentes Verhalten, nach einer Kosten- Nutzen- Analyse für bzw. wider die Tat, nach dem subjektiv erwartbarem Nutzen entscheidet.
  • "Neben diesen durch das Leipziger Modell erklärbaren Fällen der Wirtschaftsdelinquenz sind – vor allem im Fall der Unternehmenskrise – Wirtschaftsstraftaten denkbar, die aus Unkenntnis der Grenzen zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten begangen werden und einer kriminologisch- ätiologischen Analyse deshalb nicht zugänglich sind. Diese Straftaten, zu denen z. B. auch Übertretungen von bestimmten Straftatbeständen aus dem ohnehin unübersichtlichen Insolvenzstrafrecht gehörden, sind zumindest auch das Resultat einer kriminogenen Normgebung […]" (Bock, 2007, 431)
  • In den Beiträgen der Hochschule Pforzheim Nr. 128 stellen die Autoren fest, dass die Stärke des Leipziger Modells darin liegt, "[…] dass es wesentliche Moderatorvariablen auf dem Weg zur Wirtschaftskriminalität aufzeigt – so etwa emotionale Faktoren wie persönliche Frustration und Unzufriedenheit sowie soziale Faktoren wie die arbeitsplatzbezogenen Subkulturen, die im Wettbewerb zu privaten sozialen Netzwerken stehen" (Cleff, 2008, 17). Ebenfalls positiv bewertet wird der Versuch des Leipziger Modells den Prozesscharakter wirtschaftskrimineller Handlungen hervorzuheben und "[…] dabei gleichzeitig eine ganze Reihe von Erklärungsansätzen für wirtschaftskriminelle Handlungen integriert" (Cleff, 2008, 17). Als Schwäche wird jedoch der empirisch nicht haltbare Anspruch nach Allgemeingültigkeit gesehen. Konkretisiert wird dies anhand den Beispielen der "üblichen Steuerhinterziehung", "traditionell korrupten Entscheidungsprozessen" und "Wirtschaftskriminalität zugunsten von Unternehmen", welche zwar strafrechtlich normiert sind, jedoch deren Geltung in der Gruppe oder der Gesellschaft fraglich sind. Als Grenze des Leipziger Erklärungsansatzes wird, wie auch bei Bock bereits dargestellt, die Nichterklärbarkeit von wirtschaftskriminellem Handeln gesehen, welches aufgrund von Informationsmängeln hinsichtlich der Grenze zwischen strafbarem und nicht strafbarem Handeln zustande kommt. Als weitere Schwäche wird der Versuch des Leipziger Modells angeführt, "[…] einen allgemeingültigen Verlauf für alle Wirtschaftsstraftaten darzustellen" (Cleff, 2008, 17). Auf Kosten des Anspruchs nach Allgemeingültigkeit gingen individuelle Details, "[…] die zu einem vertiefenden Verständnis beitragen könnten, verloren bzw. verschwinden in einer Art theoretischem "melting pot mit totalitärem Anspruch" (Cleff, 2008, 17). Es wird die Meinung vertreten, dass im Leipziger Modell die kriminogene Situation als eine „vorhandene Gelegenheit“ für wirtschaftskriminelles Handeln und die darauf gerichteten unternehmensethischen Maßnahmen stärker hervorgehoben werden müssten. Zuletzt müsste auch der Zusammenhang zwischen den individuellen Risikofaktoren genauer untersucht werden, welches "[…] in der Systematisierung und Integration des Leipziger Verlaufsmodells nicht geleistet wird" (Cleff, 2008, 17).

Praxisorientiere Anwendung

Zur Erprobung der Praxisrelevanz der im Leipziger Modell formulierten Grundannahmen im Sinne einer "Evidence-Based Crime Prevention" und zur wissenschaftlichen Fundierung bestehender Präventionsprogramme kooperiert Prof. Dr. jur. Schneider mit renommierten Wirtschaftsberatungsgesellschaften wie KPMG und Rölfs WP Partner AG. Als geeignet wird das Leipziger Modell von Schneider auch für die Identifikation von "gefährdeten" Personen, aber auch von Vertrauens- und Führungspositionen im Wirtschafsunternehmen, angesehen. Dies soll durch ein an dem Leipziger Modell orientierten "Screening" der jeweiligen Stärken und kriminoresistenten Aspekte eines Mitarbeiters möglich sein. In diesem Zusammenhang wird auf die "Methode der idealtypisch- vergleichenden Einzelfallanalyse" (MIVEA) verwiesen. Zuletzt unterstreicht Schneider die wichtig Stellung von "business ethics" und gibt Denkanstöße in Bezug auf unternehmensethische Fragen hinsichtlich der Entstehungsgründe von individuellen Risikofaktoren, welche beispielsweise mit einer Überziehung des Zeitbudgets durch Ausweitung des Leistungsbereichs in den Freizeitbereich sowie mangelnder Zufriedenheit der Mitarbeiter und den damit einhergehenden emotionalen Stressoren im Unternehmen einhergehen. Aus den gemeinsamen Zusammenarbeiten entstanden an der Unternehmenspraxis orientierte Präventionsmodelle für unternehmensinterne Bekämpfungsmaßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität. Die hieraus resultierenden Publikationen sind in diesem Artikel unter "Weblinks" abrufbar.

Literatur

  • Bock, Michael (2007): Kriminologie – Für Studium und Praxis, München.
  • Cleff, Thomas et al. (2008): Das Leipziger Verlaufsmodell - Prozessanalyse wirtschaftskrimineller Handlungen, in: Beiträge der Hochschule Pforzheim, Häfner, Ansgar et al. (Hg.): Tätermotivation in der Wirtschaftskriminalität, Pforzheim, 14-17.
  • Homann, Denise (2009): Betrug in der gesetzlichen Krankenversicherung – Eine empirische Untersuchung über vermögensschädigendes Fehlverhalten zu Lasten der Solidargemeinschaft, Mönchengladbach.
  • Schneider, Hendrik (2007): Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns – Ein Integrativer Ansatz zur Erklärung von Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 10, 555-562.
  • Schneider, Hendrik (2008a): Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns, in: Bock, Michael (Hg.): Kriminologie, München, 428-431.
  • Schneider, Hendrik (2008b): Über die Bedeutung personaler und situativer Risikofaktoren bei wirtschaftkriminellen Handeln, in: Löhr, Albrecht & Burkatzki, Eckhard (Hg.): Wirtschaftskriminalität und Ethik, Mering, 135–153.
  • Schneider, Hendrik (2009): Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen, in: Rölfs WP Partner AG (Hg.): Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen - Aktuelle Forschungsergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis, Köln, 4-19
  • Schwind, Hans- Dieter (2009): Kriminologie – Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, Heidelberg.

Weblinks

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http://www.roelfspartner.de/de/wp/leistungsspektrum/wp/files/rp_studie_wikri-studie_final.pdf (Stand 2010-02-15)

http://www.hs-pforzheim.de/De-de/Wirtschaft-und-Recht/Neuigkeiten/Documents/Beitrag_Nr_128.pdf (Stand 2010-02-15)

http://www.pwc.de/fileserver/RepositoryItem/Wirtschaftskriminalitaet_Feb09.pdf?itemId=9112227 (Stand 2010-02-15)

http://www.anwalt-seiten.de/blawg/?p=81 (Stand 2010-02-15)

http://www.uni-leipzig.de/~prozess/PublikationenSchneider.pdf (Stand 2010-02-15)

http://www.kleiner-advokat.de/pdf/dka_39.pdf (Stand 2010-02-15)

http://www.laaw.de/Tagungsbericht1.Forum.pdf (Stand 2010-02-15)

http://www.l-iz.de/Bildung/Forschung/2008/07/Leipziger-Kriminologe-untersuc-200807120005.html (Stand 2010-02-15)

http://www.zv.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/Forschung/allgemein/pdf/fb2007.pdf (Stand 2010-02-15)