Jugendbanden

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Etymologie

Jugend

Der Begriff Jugend (mittelhochdeutsch: jugent; althochdeutsch: jugund; niederländisch: jeugd; englisch: youth) beruht auf einer Substantivbildung zu dem indogermanischen Adjektiv jung, steht zunächst in Opposition zu ‚alt’ und wird ferner im Sinne von „frisch, neu, unreif, unerfahren“ und zeitlich im Sinne von „letzt, spät“ gebraucht. g

Bande

Der Begriff Bande („[Gauner]schar“) wurde im 17. Jahrhundert aus dem französischen Wort bande für „Truppe, Schar“ (entstanden aus dem altprovenzalischen banda) entlehnt, das vielleicht auf das gotische bandwa für „Feldzeichen“ zurückgeht. Damit sind diejenigen bezeichnet, die sich unter einem gemeinsamen Zeichen (Fahne) zusammenrotten. Näher verwandt sind ‚Banner’ und ‚Banderole’, interessanterweise aber nicht ‚Bande’ (i.S. von „Rand“, „Einfassung“) und ‚Bandit’, die auf das westgermanisch binda (zur Sippe von) zurückgeht. de

Definition(en)

Jugend

Die Jugend ist eine relativ eigenständige, biologisch mit-bestimmte, aber sozial und kulturell überformte Lebensphase mit zugestandenen Spielräumen des Handelns. Sie ist im Abendland seit der Antike bekannt (bis Beginn des 20 Jhdts. jedoch nur für Jungen privilegierter städtischer Schichten) und ist die Zeit während der das Individuum die Voraussetzungen für ein selbständiges Handeln in allen gesellschaftlichen Bereichen erwirbt. Im Zuge immer länger dauernder Bildungs- und Ausbildungswege hat sich das Ende der Jugendphase immer weiter nach hinten verschoben, sodass sich heute eine Unterteilung in folgende (biologisch und entwicklungspsychologisch mit-bedingte) Altersgruppen empfiehlt. Pubertäre Phase (13 bis 18 Jahre, Jugendliche im engeren Sinn), nachpubertäre Phase (18-21 Jahre, Heranwachsende) und die Postadoleszenz (21-25 Jahre, junge Erwachsene, die ihrem sozialen Status und ihrem Verhalten nach zum großen Teil noch als Jugendliche anzusehen sind.

Bande

Obwohl die Erforschung von Gangs bzw. Banden – zumindest in Nordamerika – einer langen Forschungstradition unterliegt, besteht über eine begriffliche Abgrenzung der Bande immer noch weitgehend Uneinigkeit. Empirische Wissenschaften – wie die Kriminologie – bringen es häufig mit sich, dass auf „Vorab-Definitionen“ verzichtet wird und Phänomene auf Basis durchgeführter Untersuchungen beschrieben werden. Viele Wissenschaftler gelangen also je nach untersuchter Bande zu unterschiedlichen Definitionen.

Gerade im alltäglichen Sprachgebrauch werden die unterschiedlichen Bedeutungen, was unter einer Bande verstanden wird, deutlich. Zum einen herrscht in der Bevölkerung die Vorstellung von Gruppen mit fester Organisation und Struktur sowie gewissen Gebietsansprüchen, die durch starke delinquente Handlungen (-> Delinquenz) auffallen. Zum anderen wird aber gerade in den Medien der Begriff der Bande oft leichtfertig verwendet, sobald mehrere Jugendliche sich gemeinsam an einer Straftat beteiligten, auch, wenn es sich dabei um ein zufälliges und einmaliges Ereignis handelt. Zusätzlich existiert die Vorstellung von einer Bande im Sinne einer „Rasselbande“, also Gruppen jüngerer Jugendlicher bzw. Kinder, die gemeinsam „Unsinn“ anstellen, der zwar auch strafrechtlich relevant sein kann, aber üblicherweise von der Bevölkerung toleriert wird.

Juristisch setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen.

In soziologischem Verständnis ist eine Bande eine jugendliche peer-group, deren Mitglieder gemeinsam, in kleinen Gruppen oder allein, wiederholt und mit einiger Regelmäßigkeit Gesetzesverletzungen begehen. Diese Gesetzesverletzungen beruhen auf der Kooperation und/oder moralischen Unterstützung der Gruppe oder zumindest wichtiger Teile von ihr. Im Vergleich zur juristischen Definition soll das soziologische Bandenkonzept deutlich machen, dass in der Regel bei jugendlicher Bandenbildung nicht davon ausgegangen werden kann, es handle sich um gezielte Zusammenschlüsse. In der Regel geht eine „normale“ peer-group über verschiedenen Stufen in eine Jugendbande über. Während dieses Prozesses werden die äußeren Grenzen der Gruppe sichtbarer und undurchlässiger, die interne Strukturierung und Hierarchisierung nimmt zu und deviante (->Devianz) Normen spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.

Begriffsgeschichte

Der Begriff Bande wurde im Mittelalter für einen Söldnerhaufen verwendet. In der Neuzeit sind damit Gruppen bewaffneter Landeseinwohner gemeint, die Kampfhandlungen gegen die Streitkräfte eines eingedrungenen Feindes führen, obwohl ihre Organisation und Kampfweise nicht den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung entsprechen. Der Kampf gegen diese als „Guerillas“, „Franktireurs“ oder „Partisanen“ bezeichneten Gruppen, der „Bandenkrieg“, ist meist durch besondere Härte auf beiden Seiten gekennzeichnet.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Jugendgangs

Gang ist der englische Begriff für Bande und steht eigentlich für das gleiche Phänomen. Im deutschen Sprachgebrauch wird er jedoch häufig vermieden, um auf diese Weise deutlich zu machen, dass sich Ausmaß und Erscheinungsformen solcher jugendlicher Gruppierungen in Deutschland und Amerika nicht miteinander vergleichen lassen.

Subkultur

Als Lebensform eines Personenkreises mit bestimmten Auffassungen, Werten, Normen, sozialen Strukturen und Verhaltensweisen (Lebensstil), die von jenen der jeweiligen Mehrheitskultur oder dominanten Kultur erheblich und ggf. in konfliktträchtiger Weise abweichen, hat der „Subkultur“-Begriff eine besondere Bedeutung für das Konzept der Jugendbande. Zu erwähnen ist (sind) in diesem Zusammenhang die Subkulturtheorie(n), die ausgehend von der Analyse jugendlicher Banden zur Erklärung abweichenden Verhaltens (-> Abweichendes Verhalten) entwickelt wurde(n).

(Jugend-)Clique

In der Soziologie mehrdeutig benutze Bezeichnung für eine informelle Gruppe weniger Personen, die in direktem Kontakt miteinander innerhalb einer formalen Gruppe oder Organisation andere Werte, Ziele und Normen vertreten als von ihrer sozialen Umgebung vorgegeben sind. Auch informelle Gruppen, die sich nicht gegen die formale Ordnung selbst richten, sondern durch Rivalitätskämpfe gegen andere Gruppen lediglich die Ordnung stören.

Jugendkulturen

Unter Jugendkulturen werden Normen, Werte, Vorstellungen und daraus resultierende Verhaltensweisen, die sich von denen der Erwachsenen systematisch und typisch unterscheiden, verstanden. Jugendkulturen können sich zu Jugendbanden entwickeln, sind aber nicht damit gleichzusetzen. Im Unterschied zu Jugendbanden sind Jugendkulturen eher als Freizeitbewegung, die zu einem großen Grad über Konsum vermittelt wird, zu verstehen.

Zusammenhänge in der materiellen Realität

Verbreitung und Erscheinungsformen von jugendlichen Banden

Jugendliche Banden sind vorwiegend ein Phänomen großer urbaner Zentren (besonders in Elendsvierteln), aber auch in Kleinstädten oder auf dem Land ist Bandenbildung zu beobachten. Als gängige Klassifikation (weitgehend orientiert an typischen Deliktformen) sind folgende Bandentypen zu erwähnen, die jedoch in Anbetracht der großen Vielfältigkeit der Gruppierungen lediglich als vorsichtige Annäherung zu betrachten sind und eher idealtypischen Charakter haben. a) vermögenskriminelle / diebstahlsorientierte Banden, b) konflikt- / gewaltorientierte Banden, c) ethnische Banden, d) Rückzugsbanden / drogenorientierte Banden. Darüber hinaus gilt in der Jugendsoziologie allgmein die Überzeugung, dass Bandenmitgliedschaft weitgehend ein Phänomen von Jugendlichen aus Unterschichten ist. Es können keine eindeutigen Angaben darüber gemacht werden, wie viele jugendliche Gruppierungen, die als Bande bezeichnet werden können, in Deutschland existieren. Bedeutsam ist der Prozentsatz von Jugendstraftaten, die in der Gruppe verübt werden (40 bis 80 Prozent). Bandenkriminalität ist insgesamt sozial sichtbarer als Individualdelinquenz und zudem sind (vor allem führende) Bandenmitglieder meist strafrechtlich vorbelastet und zuständigen Kontrollbehörden bekannt. Durch die damit striktere informelle und formelle Kontrolle unterliegen die durch Jugendbanden begangenen Delikte einem höheren Entdeckungsrisiko.

Jugendbanden vs. Organisiertes Verbrechen

Abgesehen von den §§ 127, 129 und 129a StGB (als sog. „opferlose Delikte“), in denen die Bildung bewaffneter Gruppen und krimineller Vereinigungen unter Strafe gestellt wird, wirkt sich bei einigen Delikten die Begehung als Bandenmitglied strafschärfend aus (z.B. §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a, 250 Abs. 1 Nr. 2, 260 Abs. 1 Nr. 2, 260a StGB). Hintergrund ist hierbei die besondere Gefährlichkeit solcher Tätergemeinschaften, die allerdings nicht mit der großen Anzahl der Mitglieder begründet wird, sondern mit der engen Bindung, welche die Mitglieder für die Zukunft eingehen, die wiederum einen ständigen Anreiz zur Fortsetzung bietet. Bei den Delikten, die bei bandenmäßiger Begehung mit schwererer Strafe bedroht sind, handelt es sich – mit Ausnahme von Diebstahl und Raub – allerdings um Strafverstöße, die eher untypisch für Jugendliche sind. Das heißt der juristische Bandenbegriff bezieht sich eher auf das organisierte Verbrechen Erwachsener, und nicht so sehr auf jugendliche Tätergemeinschaften. Der Begriff Jugendbande macht somit deutlich, dass es sich hierbei nicht nur um altersmäßig jüngere Delinquenten handelt, sondern dass sich auch die Qualität der Straftaten deutlich von denen Erwachsener unterscheidet. Der Übergang in eine Bande von Erwachsenen ist möglich, die Entwicklung einer „kriminellen Karriere“ erfolgt jedoch nicht zwangsläufig. In der Regel führen feste Partnerschaften im Leben der Jugendlichen bzw. der Übergang ins Berufsleben dazu, dass die Bande verlassen bzw. auf delinquente Handlungen verzichtet wird.

Kriminologische Relevanz

Das Konzept und die Theorie der Bande können als Antwort auf methodische und theoretische Grenzen gesehen werden, an die eine weitgehend individualisierende Sichtweise in der Kriminologie stoßen muss: „Sie sind einer der analytischen und theoretischen Wege, der Tatsache gerecht zu werden, daß kriminelles Verhalten und Konformität genuin sozial konstituierte Erscheinungen sind (...)“ (Trotha 1985, S. 42). Drei wesentliche Entwicklungen haben (im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts) in Nordamerika zur zunehmenden Relevanz des Bandenkonzepts beigetragen: 1) die soziale Ausarbeitung und wissenschaftliche Entdeckung der Jugend, die zu einem besonderen Interesse an jugendlichen Gruppen von Gleichaltrigen (peer-group) führte, 2) die Bedeutung, die der Gruppe für die gesellschaftliche Integration zugemessen wird und 3) die wichtige Beziehung zwischen Banden und Politik, die auf die Zusammenhänge zwischen Immigration, Integration, Mobilität und Kriminalität in der amerikanischen Gesellschaft verweist. Im Konzept der Bande wurde eine analytische Einheit gesehen, in der sich die verschiedenen Ebenen der sozialen Konstitution von kriminellem Verhalten und Kriminalität verknüpfen lassen. In der europäischen Kriminologie gewann das Bandenkonzept erst nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung, es hat jedoch – mit Ausnahme Skandinaviens und Englands – nie den Stellenwert wie in der amerikanischen Kriminologie erreicht. Wichtige Theorien (bzw. theoretische Ansätze) zur Erklärung von Bandendelinquenz sind: die Subkulturtheorie nach Cohen, die Kontrakultur nach Yinger, die These von der Unterschicht-Kultur nach Miller, das Konzept der Near-Group von Yablonsky, die Social Disability-These von Short und Strodtbeck, die Subkultur der Gewalt von Wolfgang und Ferracuti.

Literatur zum Thema

  • Bundesgerichtshof: Entscheidung des Großen Senats vom 22. März 2001, Pressemitteilung Nr. 28/01 vom 3. April 2001.
  • Förtig, Helene: Jugendbanden. München 2002.
  • Fuchs, Marek: Jugendbanden, Gangs und Gewalt an Schulen, in: Soziale Probleme, 6. Jg., Heft 1, 1995, S. 62-83.
  • Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie, 4. überarbeitete und ergänzte Aufl., Stuttgart 1994.
  • Huhn, Sebastian / Oettler, Anika / Peetz, Peter: Anders, bedroht und bedrohlich – Jugendbanden in Zentralamerika, in: Klimke, Daniela (Hrsg.): Exklusion in der Marktgesellschaft, Wiesbaden 2008, S. 159-171.
  • Kaiser, Günther: Jugendkriminalität. Rechtsbrüche, Rechtsbrecher und Opfersituation im Jugendalter. Weinheim und Basel 1977.
  • Peetz, Peter: "Maras" in Honduras, El Salvador und Guatemala. Die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch Jugendbanden in Zentralamerika, in: Bodemer, Klaus (Hrsg.): Gewalt und öffentliche (Un-)Sicherheit. Erfahrungen in Lateinamerika und Europa, Hamburg 2004, S. 53-94.
  • Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters, 6.Aufl., Opladen 1998.
  • Schwind, Hans-Dieter: Kriminologie. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, 9., neubearb. und erw. Auflage, Heidelberg 1998.
  • Staub, Sylvia: Ursachen und Erscheinungsformen bei der Bildung jugendlicher Banden. Zürich 1965.
  • Strafgesetzbuch und Nebengesetze (erläutert von Herbert Tröndle und Thomas Fischer), München 1999.
  • Trotha, Trutz von: Bande, Gruppe, Gang, in: Kaiser, Günther u.a. (Hrsg.): Kleines kriminologisches Wörterbuch, 2. Aufl., Heidelberg 1985, S. 42-48.