Kriminalprävention im Städtebau: Unterschied zwischen den Versionen

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===Handlungsebenen am Beispiel des "erweiterten Lingener Verfahrens" einer `'''Sicherheitspartnerschaft'''` [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C50167062_L20.pdf]===
===Handlungsebenen am Beispiel des "erweiterten Lingener Verfahrens" einer `'''Sicherheitspartnerschaft'''` [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C50167062_L20.pdf]===


Unter Berücksichtigung der auf Landesebene etablierten "'''Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen'''" [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C14126285_L20.pdf] sieht das '''''erweiterte `Lingener Verfahren'''`'' in den '''''Sicherheitspartnerschaften zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei''''' vier kommunale Handlungsebenen städtebaulicher Kriminalprävention vor:
Unter Berücksichtigung der auf Landesebene etablierten "'''Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen'''" [http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C14126285_L20.pdf] sieht das '''''erweiterte `Lingener Verfahren'''`'' "''Sicherheitspartnerschaften''" zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei' auf vier kommunalen Handlungsebenen städtebaulicher Kriminalprävention vor:


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Das erweiterte Lingener Verfahren bildet eine Gesamtstrategie, in der die Einbruchsprävention unter Beteiligung geeigneter Handwerksbetriebe ("'''Sicherheitspartnerschaft zwischen Handwerk und Polizei'''") eingebettet ist.
Das erweiterte Lingener Verfahren bildet eine Gesamtstrategie, in der die Einbruchsprävention unter Beteiligung geeigneter Handwerksbetriebe ("'''Sicherheitspartnerschaft zwischen Handwerk und Polizei'''") eingebettet ist.


==Präventions- und Interventionsmodelle==
==Präventions- und Interventionsmodelle==

Version vom 19. Februar 2010, 16:17 Uhr

(wird bearbeitet von Klaus H.)

Definitionsansatz

Kriminalprävention im Städtebau“ kennzeichnet einen multidisziplinären Ansatz, „städtebauliche Sicherheit“ in den Wirkungsräumen städtebaulicher Kriminalprävention beim Planen, Gestalten oder Sanieren von Wohnquartieren, öffentlichen Räumen, Flächen und Gebäuden zu beeinflussen, um Wohlbefinden und Lebensqualität von Bewohnern bzw. Nutzern zu fördern und sozialen Benachteiligungen sowie Devianz, Delinquenz und Kriminalitätsfurcht entgegenzuwirken.


Städtebauliche Sicherheit“ umfasst in diesem Zusammenhang nicht nur bauliche und räumlich-gestalterische, sondern auch soziale Kriterien, um den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung, der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen sowie den sozialen und kulturellen Befürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Dies umfasst Maßnahmen, die die materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Sozialisationseffekte eines Quartiers oder anderer öffentlicher Räume betreffen. Dazu gehören insbesondere Faktoren, wie sozialräumliche und kulturell nachteilige Polarisierung (räumliche Konzentration sozialer Benachteiligung auf Indvidual- und sozialstruktureller Ebene durch Armut bzw. Arbeitslosigkeit), Baustruktur, symbolische Barrieren, Quartiersimage, Mobilität, historische Gesellschaftsentwicklungen, Bautechnik und soziale Kontrolle.


Wirkungsräume städtebaulicher Kriminalprävention sind Stadtplanung, Architektur, Bautechnik, Stadtteil-/Quartiersmanagement, Wohnungsverwaltung, Bewohnerzusammensetzung, Bewohnerintegration, Bewohnerselbstorganisation, lokale Netzwerke sowie Sicherheitsbehörden und –einrichtungen.


Handlungsebenen in diesem Zusammenhang sind Landes-, Kommunal-, Stadteil-, Quartiers-, Baugebiets-, Gebäude- sowie Individualebene.


Entwicklungen

Die Wurzeln städtebaulicher Kriminalprävention im Hinblick auf Wechselwirkungen zwischen menschlichen Gemeinschaften und ihrer physisch-räumlichen Umwelt sind innerhalb der Chicago School in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu finden. Erhöhte Kriminalitätsraten in den Übergangszonen wurden damit erklärt, dass durch die stadträumlichen Wandlungsprozesse das soziale Gefüge desorganisiert werde und der Norm- und Wertekonsens, auf dem das alltägliche Miteinander aufbaut, fehle.


Die Ursprünge über Zusammenhänge von Raumgestaltung und Kriminalität, die auch Gegenstand der Environmental Criminology sind, führten nach Kritik von Jane Jacobs an die Städteplaner in ihrem Buch `The Death an Life of Great American Cities` (1961) zu einer neuen Perspektive des Raumes im Kontext von Nutzung, Wahrnehmung und Verhaltensbeeinflussung durch Funktionsmischung und menschlichen Aktivitäten im Stadtgefüge.


Crime Prevention Through Environmental Design (CPTED)

C. Ray Jeffery entwickelte 1971 das Konzept Crime Prevention Through Environmental Design (CPTED) als Grundlage u. a. für europäische bzw. deutsche Konzepte, innerhalb der die situationale Kriminalprävention Anwendung findet.


Das übergeordnete CPTED-Konzept enthält im Wesentlichen drei Ansätze, die einzeln oder kombiniert - unter Vernachlässigung sozialräumlicher Faktoren - durch räumlich-gestalterische Aspekte den öffentlichen Raum sicherer machen sollen:

1. Steigerung der informellen sozialen Kontrolle (Jane Jacobs): Klare Abgrenzung des privaten vom öffentlichen Raum, Nutzungsmischung und Beeinflussung der Frequentierung des Raumes.

2. Veränderung der physikalischen Umwelt (Jeffery): Beeinflussung der Abwägung zugunsten einer Tat durch physikalische bzw. räumlich-gestalterische Maßnahmen.

3.Täterorientierter Raum-Selektionsansatz: Nach Paul und Patricia Brantingham (1975) selektieren Täter nach einem Muster innerhalb ihrer persönlichen Aktionsradien geeignete Tatorte für Einbruchdiebstähle in einer "Raum-Selektionstheorie" : Sie stellen bei der Auswahl ihrer Opfer oder Objekte rationale Überlegungen an, wobei das Motiv des Täters, ein geeignetes Ziel und die Zugänglichkeit eine besondere Rolle spielen. Täter wählen Schritt für Schritt ihr Opfer sehr bewusst nach ökonomischen Kriterien: Entdeckungsrisiko, Nutzen aus der Tat, Überwindung von Hindernissen, pp.


Defensible Space

Zeitgleich mit Jeffery entwickelte der amerikanische Architekt Oscar Newman vier Planungsansätze, die er 1972 in seinem unter dem gleichnamigen Titel seines Buches `defensible space`, veröffentlichte, mit denen die Überschaubarkeit und „Verteidigungsfähigkeit“ des Wohnumfeldes verbessert werden sollte:


1. „Territorialität“: Zonierung in öffentliche, halböffentliche und private Räume, die für Fremde Barrieren schaffen und soziale Kontrolle erleichtern soll;

2. „Natürliche Überwachung“: Bauliche Maßnahmen, die eine soziale Kontrolle ermöglichen soll (z. B. Fenster zur Straßeseite);

3. „Milieu“: Bildung kleinräumiger Nachbarschaften;

4. „Image“: Gestaltungsqualität von Gebäude(n) bzw. des Quartiers


Defensible space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält zwei Komponenten: Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen.


Deutschland

Lag bzw. liegt der Schwerpunkt im Zusammenhang mit sicherem Wohnen in Deutschland bislang überwiegend in der technischen Sicherung, so sind zunehmend Entwicklungen festzustellen, die das Wohnumfeld, Quartier, Stadtteil oder die Stadt / Gemeinde [1] bzw. die Landesebene [2] betreffen. Hierbei sind Tendenzen erkennbar, die nicht ausschließlich auf räumlich-gestalterische Aspekte verharren, sondern auch sozialräumliche Faktoren berücksichtigen [3].


Seit den 1990er Jahren werden in Deutschland Zusammenhänge von Städtebau und Sicherheit, die Übertragung des Defensible-Space-Ansatzes sowie die kriminalpräventive Siedlungsgestaltung analog des CPTED-Designs thematisiert. Es entwickelten sich innerhalb der situationalen bzw. situativen Kriminalprävention zunehmend Verlagerungstendenzen von einem täterorientierten Ansatz zur Beeinflussung von Tatgelegenheitsstrukturen. Analog der Trends in den USA ("community policing") sowie in Skandinavien wurden kooperative Sicherheitskonzepte auf lokalen Ebenen entwickelt. Es entstanden in Deutschland über 2000 Präventionsräte, der Schwerpunkt im Kontext städtebaulicher Kriminalprävention lag (bzw. liegt) allerdings in der technischen Einbruchsprävention. So entstanden zunächst Netzwerke, die - nach niederländischem Vorbild ("Veilig Wonen") - lediglich auf technische Einbruchssicherheit begrenzt waren bzw. sind.


Seit 2003 finden weitergehende Ansätze städtebaulicher Kriminalprävention in Niedersachsen ("Sicheres Wohnen ist planbar...") sowie zunehmend auch in anderen Bundesländern (Hessen: "Sicher Wohnen in Hessen") Berücksichtigung. In Niedersachsen bildeten sich Kooperationen auf Landesebene sowie kommunalen Ebenen ("Sicherheitspartnerschaften"[4]), in denen sich die Kooperationspartner zum Ziel setzten, in ihren Disziplinen städtebauliche Kriminalprävention zu etablieren.


Städtebau und Kriminalprävention

Städtebau als Begriff

Der Begriff „Städtebau“ [5] bezeichnet die bauliche Entwicklung von Städten und schließt im Zusammenhang mit behördlichen Aufgaben die Nutzung von Grund und Boden sowie die örtliche Planung ein. Instrumente der städtebaulichen Planung sind der Bauleitplan [6], zu dem der Flächennutzungsplan [7] und Bebauungspläne (§§ 5 – 10 BauGB) [8] sowie Regelungen von Beteiligungen, die Zusammenarbeit mit Privaten (§§ 11 – 13 BauGB) und insbesondere die Beachtung von Grundsätzen (§§ 1 – 4 c BauGB) gehören. Zu den Grundsätzen zählen 24 Belange (§ 1 BauGB)[9], die einem Abwägungsgebot unterliegen und berücksichtigt werden müssen (§ 7 BauGB). Innerhalb welcher Entscheidungen die Gewichtung von Belangen vorgenommen wird, obliegt einer politischen Gewichtung.

"Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere (gem. § 1 Abs. 6 BauGB). zu berücksichtigen:

1. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,

2. die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen Kosten sparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,

3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung.'"


Handlungsebenen am Beispiel des "erweiterten Lingener Verfahrens" einer `Sicherheitspartnerschaft` [10]

Unter Berücksichtigung der auf Landesebene etablierten "Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen" [11] sieht das erweiterte `Lingener Verfahren` "Sicherheitspartnerschaften" zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei' auf vier kommunalen Handlungsebenen städtebaulicher Kriminalprävention vor:

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1. Ebene: Stadt bzw. Gemeinde - "Sicherheitspartnerschaft"

Ein strategischer Ansatz, d.h. die Entwicklung eines Langzeitplanes, der auf einer situativen Analyse basiert und von den Werten und Perspektiven beeinflusst sowie auf die Erreichung der vereinbarten Ziele angelegt ist, ist der beste Weg zu effektiven und nachhaltigen Reaktionen, die die knappen Ressourcen optimal ausnutzen. Der erste Schritt muss dabei die Mobilisierung der wichtigsten Stakeholder sein. Zu ihren wichtigsten Mitgliedern gehören insbesondere der Bürgermeister und der Polizeichef (vgl. EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).

Die Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der historisch gewachsene „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ kennzeichnen folgende vier kombinierte Faktoren (Stummvoll, 2008: S. 18):


1. Bereitschaft zur Beteiligung an einer Sicherheitspartnerschaft

2. Integration der Bevölkerung durch Kommunikation

3. Dezentralisierung und Lokalisierung

4. Verbindlichkeit


Die Bildung von interdisziplinären Kooperationen (z. B. "Sicherheitspartnerschaften") auf kommunalen Ebenen zwischen Polizei und Städten bzw. Gemeinden wird als Erfolgsfaktor zur Umsetzung der „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ betrachtet.

Das erweiterte `Lingener Verfahren` sieht einen informell-formellen 5stufigen Dialog von einer frühen (informellen) kommunalen Planungsphase ("Startergespräch") bis zur Ebene Bestand vor. Hierbei zielt die "Sicherheitspartnerschaft" auf eine Stadtplanung im weiteren Sinn, in der nicht ausschließlich räumlich-gestalterische sondern auch sozialräumliche Aspekte Berücksichtigung finden. Die Vereinbarung beinhaltet neben gemeinsamen Zielen, Handlungsfeldern sowie Aktivitäten insbesondere ein vereinbartes Dialogverfahren sowie eine Methodik zur Erstellung eines kleinräumigen Lagebildes zur städtebaulichen Kriminalprävention.


Dialogsystem (Sicherheitsverträglichkeitsprüfung / Scoping)

Zur verbindlichen Berücksichtigung relevanter Faktoren städtebaulicher Kriminalprävention werden bestehende rechtliche Verfahrensabläufe innerhalb der Bauleitplanung (z.B. Behördenbeteiligung gem. §§ 3, 4 BauGB) genutzt, die um solche Abläufe erweitert wurden, welche eine Berücksichtigung in weiteren relevanten (Planungs-)Phasen bewerkstelligen.

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2. Ebene: Ortsteil, Quartier, Bezugsraum (Quartiersmanagement, Analysen, Audits, Lagebilder zur städtebaulichen Kriminalprävention)

Eine hohe Bedeutung hat der Raum, der in einem engen räumlichen Bezug zueinander steht und z. B. ein Quartier bzw. Wohngebiet bildet. Wahrnehmung, Orientierung, Zustand, Mobilität, Frequentierung, Mischung, Image, soziale Netzwerke und Infrastruktur wirken auf Bewohner, Nutzer sowie tatgeneigte Personen, erzeugen Rückkoppelungseffekte und können benachteiligende Prozesse sowie Devianz beeinflussen.

Die Analyse ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16).

Ob und in welchem Umfang Indikatoren auf Kriminalität begünstigende Umstände bzw. Benachteiligungen deuten, wird in bestimmten Planungsfällen nach kleinräumigen Analysen in einem kriminalpräventiven Lagebild zur städtebaulichen Kriminalprävention - ähnlich der Kriminalgeographie - dargestellt.


Kriminalpräventives Lagebild

Arbeitsschritte Lagebild.png



3. Ebene: Baugebiet, unmittelbare Nachbarschaft (Partizipation, soziale Netzwerke, Informationssteuerung)

Prinzipien eines integrativen (nachbarschaftlichen) Miteinanders, Identifizierung mit dem unmittelbaren Wohnumfeld, Verantwortung für das Wohnumfeld, Aufenthaltsqualität, Frequentierung, Orientierungsmöglichkeiten, Instandhaltung, Konfliktregulierungsmöglichkeiten, Mobilität und soziale (informelle) Kontrolle sind zentrale Faktoren, die bestehende Problemlagen und Konfliktsituationen beeinflussen aber auch situative Bedingungen für Devianz unmittelbar beeinflussen können. Diese Faktoren bilden relevante Informationen, die in dem Dialogsystem als Grundlage für mögliche unterstützende Interventionsmaßnahmen eingebettet werden können.


4. Ebene: Gebäude, Haus, Wohnung (Einbruchsprävention)

Auf dieser (Mikro-)Ebene kommt die Einbruchsprävention, also die Vermeidung von Einbruchdiebstählen [12] in Wohnungen, Häusern oder Gebäuden [13] zur Anwendung. Relevante Faktoren sind Verhaltensprävention, eine Gestaltung des Gebäudes bzw- Grundstückes unter Wahrung von Sichtbeziehungen auf das Wohnumfeld, gesicherte Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge, Beleuchtungsaspekte, Überschaubarkeit und "Verteidigungsfähigkeit" des Wohnumfeldes (vgl. defensible space) sowie technische Einbruchhemmungsmechanismen für Gebäudeöffnungen (Fenster, Türen, pp.) sowie Brandschutz (Rauchmelder). Siehe dazu Informationsangebot der Polizei: [14].

Das erweiterte Lingener Verfahren bildet eine Gesamtstrategie, in der die Einbruchsprävention unter Beteiligung geeigneter Handwerksbetriebe ("Sicherheitspartnerschaft zwischen Handwerk und Polizei") eingebettet ist.

Präventions- und Interventionsmodelle

Eine Sicherheitsanalyse muss nicht nur Kriminalität und Viktimisierung untersuchen, sondern auch deren Beziehung zu sozioökonomischen Faktoren und bestehenden öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, ebenso wie den breiteren politischen und institutionellen Zusammenhängen, in denen Probleme auftreten (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 9).


Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen [15]

Der Leitfaden wurde in Anlehnung an die EU-Leitlinien zur Kriminalprävention vom Europäischen Forum für urbane Sicherheit primär für die Unterstützung der Präventionsarbeit im städtischen Umfeld entwickelt und hat im Kontext mit Kriminalprävention einen ganzheitlichen Ansatz, der sich nicht auf die engen Bezüge situativer Kriminalprävention begrenzt. Zu einer stadtweiten Analyse gehört:

  • Umfelddarstellung mit einer Übersicht städtischer Eigenschaften
  • Kriminalitäts- und Gewaltanalyse einschl. Disorder (Störung der öffentlichen Ordnung) und Incivilities (Phänomene wie Vandalismus, Graffiti, Bettelei etc.), einschließlich des Ausmaßes, der Entwicklung, Verteilung und Auswirkungen ihres Auftretens
  • Struktur von Risikofaktoren zur Auftretenswahrscheinlichkeit von Kriminalität und Gewalt
  • Effektivität von Projekten und Programmen der Prävention, z.B. Gesundheits-, Wohnungs-, Sozialdienste, Erziehung und Bildung;
  • Bewertung der institutionellen Bewertung
  • Chancen, Stärken und Potentiale der Gegend ermitteln (einschl. Grad des sozialen Zusammenhaltes)


CEN (TR) 14383-2 - Norm für eine Kriminalprävention durch Raumplanung und Architektur [16]

Die Norm ist Sie eine Zusammenfassung der CPTED-Standards für eine Kriminalprävention durch Raumplanung und Architektur. Sie ist Teil eines Bündel ineinander greifender Normen und dient als Planungsinstrument und Nachschlagwerk für Planer, Architekten, Polizisten und Politiker. Da sie nicht als einheitliches europäisches Instrument (EN) etabliert wurde, findet sie als Technical Report (TR) Anwendung.


ISIS-Modell der präventiven Stadtgestaltung [17]

Integrationsmaßnahmen: Im Zentrum - auf der mikrosozialen Ebene - stehen sozialpädagogische Präventionsansätze zur Integration und Aktivierung gefährdeter Personen und Personengruppen.

Sozialmanagement: Auf dieser Ebene ist die Belebung der Nachbarschaften wichtig, damit eine natürliche, d.h. informelle soziale Kontrolle entstehen kann. Wenn beispielsweise die Wohnbevölkerung vom Sozialmanagement der Wohnungsgesellschaften aktiviert und beteiligt wird, stabilisieren sich Sicherheit fördernde Kräfte im Wohnumfeld.

Intermediäre Kooperation: Auf der kooperativen Ebene entwickelt sich aus der Zusammenarbeit zwischen Professionellen, Organisationen und Institutionen ein präventives Milieu im Wohnquartier und im Stadtteil. Exemplarisch sind hier kommunale Präventionsräte, aber auch Netzwerke zwischen Polizei, Wohnungswirtschaft und Stadtplanung zu nennen.

Städtebauliche Gestaltung: Diese Ebene bezieht sich auf den gesamten Siedlungsraum. Nach dem situativen Präventionsansatz kommt es hier darauf an, den städtischen Raum so zu gestalten, dass Tatgelegenheiten minimiert und Angst erzeugende Bereiche planerisch ausgeschlossen werden.


SARA-Problemlösungsmodell[18]

Scanning, Analysis, Response, Assessment (SARA) ist ein Problemlösungs-Modell, welches durch die Polizei als integraler Bestandteil der Philosophie des Community Policing angewendet werden kann.

Es ist eine Standardmethodik für den Umgang mit bestimmten wiederkehrenden Straftaten und Störungen der öffentlichen Ordnung in vier Phasen:

  • Scanning (Bestandsaufnahme)
  • Analysis (Analysieren)
  • Response (Reaktion/Maßnahme)
  • Assessment (Bewertung)


Der Weg zur Problemlösung durch Kriminalitätsanalyse. In 55 kleinen Schritten[19]

Hierbei handelt es sich um ein Handbuch problemorientierter Polizeiarbeit (POP) in 55 "kleinen Schritten".


"Beccaria: In 7 Schritten zum erfolgreichen Präventionsprojekt"

In einem 7-Schritte-Konzept des Beccaria-Projekts [20] werden praxisnahe und nützliche Hilfen zur Planung, Umsetzung und Überprüfung auf dem Weg zu einem erfolgreichen Präventionsprojekt sowie Arbeitsmaterialien und –hilfen angeboten.


Städtebauförderprogramm Soziale Stadt [21]

Das Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“ ist ein reaktiver Ansatz. Es wurde 1999 mit dem Ziel gestartet, die „Abwärtsspirale“ in benachteiligten Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern. Die Soziale Stadt startete im Jahr 1999 mit 161 Stadtteilen in 124 Gemeinden; 2008 sind es 523 Gebiete in 326 Gemeinden.


Kritik

Inwiefern soziales Handeln durch baulich-räumliche Strukturen beeinflusst, bzw. Kriminalität verhindert werden kann, ist umstritten. Eine mittlere Position nennt verschiedene Faktoren, die zu kriminellen Handlungen führen können (Kube, 1982: 9ff)


Während Jeffery erkannte, dass nicht die äußeren Umweltbedingungen allein ursächlich für Kriminalität sein konnte, sondern nach seinem Verständnis auch „psychobiologische“ Effekte und die Wechselwirkungen zwischen beiden, fand diese Erkenntnis in großen Teilen der Literatur sowie auf das urspüngliche CPTED-Konzept aufbauende Ansätze keine Berücksichtigung (Jeffery, 1996, S.1).


Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980, S. 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht gemäß Newmans wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen von `Defensible-space-Merkmalen, ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980, S. 200 ff.).


Urbane Präventionstrategien, die allein auf die Aufrechterhaltung der Ordnung setzen, greifen zu kurz, kurieren die Symptome und vernachlässigen dabei möglicherweise die Ursachen einer negativen Kriminalitätsentwicklung. (Laue, 2002, in: Düsseldorfer Gutachten).


Innerhalb einer postulierten Forcierung einer Neuetablierung und Verlagerung von Sicherheitspolitiken auf die kommunale und subkommunale Ebene durch Projekte wie „Aufmerksamer Nachbar“ (neighbourhood watch) oder „Freiwillige Polizeihelfer“ wird bei vielen dieser Sicherheitspolitiken die Verfolgung raumorientierter Strategien mit dem Ziel, „sichere Räume“ zu schaffen, ohne soziale Ursachen von Unsicherheit und Kriminalität zu bekämpfen, kritisiert. Werden bestimmte Formen abweichender Verhaltensweisen, wie Betteln, Lagern der Obdachlosen verboten, dann ist ihr Alltag in grundlegender Weise beeinträchtigt und die Andersartigkeiten werden zunehmend zu Gegenständen der Kriminalpolitik. Nicht Armut wird bekämpft, sondern Arme, nicht Obdachlosigkeit, sondern Obdachlose. Es gibt Ansätze dafür, dass sich in den Städten Segregation durch Sicherheit überhöht und Kategorien von Personen von der Teilhabe am Leben in bestimmten Räumen der Städte ausgeschlossen werden (vgl. Belinea, 2006: 9 ff).


Den Erkenntnissen über Wirkungen kriminalpräventiver Maßnahmen zufolge wird davon ausgegangen, dass "Sicherheit in einem Stadtquartier nicht über eine einzelne Strategie, sondern über ein integriertes Bündel von Handlungsformen bewerkstelligen lässt". Die bedeutet insbesondere, dass "die Polizei und die anderen am Planungs- und Bauprozess beteiligten Einrichtungen sich nicht damit begnügen können, lediglich unter Sicherheitsaspekten akzeptable Bau- und Gestaltungsstandards umzusetzen" (vgl. H. Pfeiffer in `Die Sichere Stadt als interdisziplinäre Disziplin, 2006: 10 ff).


Kriminologischer Diskurs

CPTED ist im ursprünglichen Ansatz (erste Generation) eine reine situationale Kriminalprävention, die sich im Wesentlichen auf ökonomische Kriminalitätstheorien Routine Activity Theory bzw. Rational Choise Theory [22] begründet. Kriminelles Verhalten ist demnach die Entscheidung der Person gegen oder für eine Tat aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse. Der potentielle Täter fragt sich also, welche Vorteile (Nutzen) und welche Nachteile (Kosten) die Tat mit sich bringt und wägt dann zwischen Risiko und Nutzen ab.


Andere klassische ätiologische Ansätze der Kriminalitätstheorien begründen zwar Handlungsappelle und sind insofern einer Professionalisierung der Praxis förderlich, doch verweisen sie auf Hebel, die die Vertreter bzw. Akteure einer ausschließlich räumlich-gestalterischen Praxis nicht bewegen können. Auch wenn sie Gegenstand der Rechts- und auch Sozialwissenschaften sowie der praktischen Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik sind, bleiben sie bei einem reinen räumlich-gestalterischen Konzept unberücksichtigt.


Die Entscheidung der "International CPTED Association" (ICA)[23], soziale und kommunale Ansätze in das CPTED-Konzept zu integrieren (= 2. Generation), wird als eine der wichtigsten Weiterentwicklungen der CPTED-Konzepte betrachtet. Dadurch weitet sich der kriminologische Ansatz von der Perspektive der situativen Prävention mit dem Ziel der ausschließlichen Beeinflussung der "Tatgelegenheitsstruktur" auf die Perspektive der verhaltensorientierten oder sozialen Prävention.


Bislang bestand die Antwort auf Straftaten im Einsatz von Polizei, Sicherheitsorganen sowie dem Strafrechtssystem. Dies sind wichtige Elemente einer jeden Strategie der Kriminalitätsbekämpfung. Sie sind zwar wichtig, jedoch auch kostenintensiv, befassen sich häufig nicht mit den Beweggründen für die Tat und können zu einer Diskriminierung der Armen und Schwachen führen (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 13).


Literatur

  • Belinea (2006), "Raum Überwachung Kontrolle"
  • Garland (2008), Die Kultur der Kontrolle
  • Häußermann (2008) "Stadtpolitik"
  • Jacobs (1993) "Tod und Leben großer amerikanischer Städte"
  • Landespräventionsrat Niedersachsen/Nds. Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (2008), "Die Sichere Stadt als interdisziplinäre Aufgabe"
  • Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.): Clarke, Ronald V; Eck, John: Der Weg zur Problemlösung durch Kriminalitätsanalyse. In 55 kleinen Schritten, Hannover, 2007
  • Kube (1982), Städtebau, Wohnhausarchitektur und Kriminalität - Prävention statt Reaktion
  • Newman (1972) "Defensible space, crime prevention through environmental design"
  • Newman (1996) "Creating defensible space"
  • Wehrheim (2006), "Die überwachte Stadt"
  • Laue (2002) Taylor / Shumaker / Gottfredson (1985) S. 274 in Düsseldorfer Gutachten
  • Innenministerium Schleswig-Holstein, Landeskriminalamt (2006), Sachstandsbericht Kriminalprävention im Städtebau "Soziale und sichere Stadt - Sozialraum-Management"


Weblinks

https://www.astandis.at/shopV5/Preview.action%3bjsessionid=BCA7996EC5FB77469B5440673C98ED3C?preview=&dokkey=285572

http://www.beccaria.de/nano.cms/de/7_Schritte/Page/1/

http://www.beccaria.de/Kriminalpraevention/de/Dokumente/55steps_deutsch.pdf

http://www.beccaria.de/nano.cms/de/Kriminalitaetsanalyse/Page/1/

http://www.beccaria.de/Kriminalpraevention/de/Dokumente/Leitfaden%20Sicherheitsanalyse.pdf

http://www.bpb.de/publikationen/OSCVRX,0,Sicherheit_durch_pr%E4ventive_Stadtgestaltung_Deutschland_und_Gro%DFbritannien.html

http://www.buergerimstaat.de/1_03/bau.htm

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C3311378_L20.pdf

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C4828461_L20.pdf

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C50167062_L20.pdf

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C14126285_L20.pdf

http://www.cpted.net/

http://www.crimereduction.homeoffice.gov.uk/skills/skills04.htm

http://www.crimereduction.homeoffice.gov.uk/securedesign/securedesign8.htm

http://www.designagainstcrime.org/

http://www.duesseldorf.de/download/dg.pdf

http://www.doca.org.uk/

http://www.e-doca.eu/

http://www.e-doca.eu/content/docs/CrimeLifecycleGuide-German.pdf

http://www.e-doca.eu/content/docs/CPTED_Stummvoll.pdf

http://www.e-doca.eu/content/docs/Hannover060204.pdf

http://www.ms.niedersachsen.de/servlets/download?C=14126285&L=20

http://www.kriminalpraevention.de/downloads/as/techpraev/Wirksamkeit_Kapitel2.pdf

https://www.polizei.schleswig-holstein.de/internet/DE/VorbeugungBeratung/Staedtebau/__download/sachstandsbericht,templateId=raw,property=publicationFile.pdf

http://www.praeventionstag.de/html/GetDokumentation.cms?XID=47

http://www.securedbydesign.com/

http://www.sw.fh-koeln.de/sozial_raum_management/pdf/DokumentationFachtagung_100305.pdf

http://www.theatlantic.com/doc/198203/broken-windows