Kriminalitätsfurcht

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Etymologie

Zur Etymologie s.a. Kriminalität.

Furcht geht auf das gotische faúrhtei (vgl. engl. fright) zurück. Vom althochdeutschen for[a]hta (8. Jh.) über das mittelhochdeutsche vorht[e] erschien der Begriff mit dem heute üblichen u-Vokal erstmals im 14. Jh. Ab dem 16. Jh. war diese Schreibweise verbreitet, obgleich sich Forcht noch bis ins 18. Jh. hielt. Die genaue Herkunft und außergermanische Beziehungen sind nicht gesichert. Furcht hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Bedeutungen gehabt, die oft parallel existierten. Überwiegend wurde darunter Schreck, Angst, Respekt oder die Erwartung eines Übels verstanden.

Furcht und Angst bezeichnen ähnliche emotionale Zustände. Der Begriff Angst hat jedoch lateinische Wurzeln: angor steht für Beklemmung bzw. angustia für Enge (vgl. engl. anxiety). Parallelen finden sich auch im Isländischen: hræðsla bedeutet sowohl Angst als auch Furcht und ist dem englischen dread verwandt.

Definitionen

Unter einer kriminellen Handlung versteht man eine Verhaltensweise, die zu einer bestimmten Zeit durch entsprechende Gesetze als strafbar definiert ist. Entsprechend ist Kriminalität die Summe aller als kriminell definierten Handlungen, die in einem begrenzten Zeitraum auf einem bestimmten Gebiet begangen werden.

Angst und Furcht werden alltagssprachlich meist synonym verwendet. Seit Kierkegaard, der Angst als Grundstimmung menschlicher Existenz auffasste, wird jedoch zwischen den Begriffen unterschieden: Furcht bezeichnet ein Gefühl des Bedrohtseins, das auf eine konkrete äußere Gefahr hin ausgerichtet ist, während Angst ein diffuses Bedrohungsgefühl darstellt.

Kriminalitätsfurcht wird definiert als Befürchtung, Opfer einer Straftat zu werden. Sie ist Bestandteil personaler Kriminalitätseinstellungen (Boers 1991: 158), die in Anlehnung an die sozialpsychologische Einstellungsforschung in einen affektiven, einen kognitiven und einen konativen bzw. behavioralen Aspekt unterteilt werden. Die affektive Komponente umfasst emotionale Reaktionen auf antizipierte, als bedrohlich empfundene kriminelle Ereignisse. Sie stellt die eigentliche Kriminalitätsfurcht dar. Demgegenüber konzentriert sich der kognitive Aspekt auf die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer einer kriminellen Handlung zu werden. Die konative Komponente bezieht sich schließlich auf manifestes Verhalten, das an den Tag gelegt wird, um einer antizipierten kriminellen Viktimisierung vorzubeugen (Boers 1991: 42 f.). Die Standardfrage ("Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nachts in Ihrem Stadtteil allein unterwegs sind?") löst gelegentlich Zweifel daran aus, daß Kriminalitätsfurcht und nicht etwa diffuse Ängste erhoben werden (z. B. Kury, Obergfell-Fuchs und Würger 2000: 543 f.). Da jedoch auf Nachfrage überwiegend kriminalitätsbezogene Befürchtungen genannt werden, werden der Begriff Kriminalitätsfurcht wie auch seine Operationalisierung weitgehend akzeptiert.

Theoretische Erklärungsansätze

Kriminalitätsfurcht wurde erstmals 1965 in den USA (fear of crime) und Deutschland im Rahmen von Opferbefragungen durch die Frage danach erhoben, ob man sich fürchte, nachts im eigenen Stadtteil allein unterwegs zu sein. In den siebziger Jahren folgten vergleichbare Untersuchungen in europäischen Ländern, in Japan und in Australien.

Es zeigte sich, dass es ein großes Dunkelfeld gab, die Kriminalitätsbelastung der Bevölkerung also wesentlich höher war, als es die Polizeiliche Kriminalstatistik vermuten ließ. Zudem gab ein relativ großer Prozentsatz der Bevölkerung Furcht vor einer Viktimisierung an. Diese Befunde erweckten Interesse an der Kriminalitätsfurcht und am Opfer, auf das sich die kriminologische Forschung zunächst konzentrierte (Boers 1991: 7 ff.).

Es werden drei Ansätze unterschieden, die das Phänomen Kriminalitätsfurcht theoretisch zu erklären versuchten: die Viktimisierungsperspektive, die Soziale-Kontroll-Perspektive und die Soziale-Problem-Perspektive. In jüngerer Zeit unternahm Boers (1991) den Versuch, die in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse in einem neuen interaktiven Verständnismodell der Kriminalitätseinstellungen zusammenzufassen.


Viktimisierungsperspektive

Die Viktimisierungsperspektive ist am Individuum orientiert. Sie geht davon aus, dass Opfer einer kriminellen Handlung eher Kriminalitätsfurcht entwickeln werden als Nichtopfer. Dieser Ansatz erbrachte von Beginn an widersprüchliche Ergebnisse und konnte nie wirklich bestätigt werden. So gibt es Hinweise auf eine teilweise Entkoppelung von Viktimisierung und Kriminalitätsfurcht. Eine Opferwerdung führt beispielsweise nicht grundsätzlich zu Furcht, sondern kann sie im Gegenteil sogar verringern. Auch das sogenannte Nachbarschaftsparadox und das als Kriminalität-Furcht-Paradox in die Literatur eingegangene Phänomen können durch die Viktimisierungsperspektive nicht erklärt werden. Das Nachbarschaftsparadox ist Ausdruck für den häufig replizierten Befund, dass Individuen ihr direktes Wohnumfeld für sicherer halten als andere Ortsteile, selbst wenn sie in einem am stärksten von Kriminalität belasteten bzw. von Viktimisierungen betroffenen Viertel leben. Das Kriminalität-Furcht-Paradox bezeichnet das Phänomen, dass Frauen und alte Menschen die größte Kriminalitätsfurcht aufweisen, obwohl sie am seltensten Opfer krimineller Handlungen werden. Hierzu gab es mehrere Erklärungsversuche.

Differentielles Ausgesetztsein: Eine erhöhte Viktimisierungsgefahr soll dazu führen, daß die betroffenen Gruppen gefährliche Situationen vermeiden und deshalb auch seltener Opfer werden. Diese Erklärung konnte empirisch nicht bestätigt werden. Indirekte Viktimisierung: Individuen erfahren über informelle Kommunikation (Freunde, Nachbarn, Familie etc.) von Viktimisierungen anderer. Durch die soziale Nähe zum Opfer kann daher Furcht entstehen. Diese Erklärung erfuhr einige empirische Unterstützung. Allgemeine Lebensängste: Der Verlust sozialer Bindungen oder der wahrgenommene Verfall des Gemeinwesens wird durch Kriminalität aktualisiert und kanalisiert. Eine eindeutige Bestätigung für diesen Erklärungsansatz konnte nie gefunden werden. Vulnerabilität: Das Bewusstsein der geringeren physischen Kraft kann zu größerer Furcht führen. Die Verletzlichkeit ist dabei Produkt einer Wechselwirkung von physischen, psychischen und sozialen Prozessen. Dieser Ansatz erfuhr einige empirische Bestätigung, wies dabei allerdings über die Viktimisierungsperspektive hinaus, deren mangelnde Erklärungskraft zur Entwicklung neuer Ansätze führte (Boers 1991: 45 ff.).

Soziale-Kontroll-Perspektive

Dieser Ansatz orientiert sich am sozialen Gefüge von Nachbarschaften und in Verbindung damit am Verlust von informeller Sozialkontrolle. Es sind zwei weltanschaulich verschiedene Herangehensweisen zu unterscheiden. Zum einen die eigentliche Soziale-Kontroll-Perspektive, zum anderen der Broken Windows-Ansatz von Wilson und Kelling. Die Soziale-Kontroll-Perspektive geht von Kriminalität als einer logischen Folge von sozialem Wandel und dem Verlust informeller sozialer Kontrolle aus. Dies soll zu sozialer Desorganisation, einem Verfall gemeinsamer sozialer Werte und Bindungen führen, die sich als Unfähigkeit äußern, bei Konflikten zu einem Konsens zu kommen. Als Indikatoren hierfür gelten sogenannte incivilities, Verhältnisse und Verhaltensweisen, die den destabilisierten Zustand auf Nachbarschaftsebene (Community) signalisieren. Die subjektive Wahrnehmung der Nachbarschaft bzw. das Ausmaß der Fähigkeit, mit den Gegebenheiten umzugehen, wird dabei für die Entstehung bzw. Nichtentstehung von Kriminalitätsfurcht verantwortlich gemacht. Überprüfungen dieses Ansatzes lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Eine Modifikation der Soziale-Kontroll-Perspektive sieht als Auslöser von Kriminalitätsfurcht ein multizentrisches Gefüge von sozialer Desorganisation, Kriminalitätsproblemen, Ausprägungen informeller Sozialkontrolle und Art der Nachbarschaft, die bei der (Nicht-)Herausbildung von Kriminalitätsfurcht in wechselseitiger Wirkbeziehung stehen. Eine empirische Überprüfung dieser Annahmen wird in Ermangelung geeigneter Methoden jedoch als schwierig erachtet.

Der Broken-Windows-Ansatz gilt als konservativ geprägte Sonderform der Soziale-Kontroll-Perspektive. Er geht ebenfalls von der Annahme sozialer Desorganisation und dem Vorliegen von incivilities aus, konzentriert sich jedoch auf personale Zeichen von Verfall. Zentral ist die Annahme, dass bestimmte Personengruppen (z. B. Betrunkene, "herumlungernde" Personen, Bettler) Vorboten für eine alsbald einsetzende Kriminalitätswelle seien. Daher entstehe bei den Bewohnern Furcht. Entsprechend müsse früh, schnell und scharf auf soziale Unordnung reagiert werden, bevor Kriminalität und Kriminalitätsfurcht entstehen könnten. Der Polizei wird ein zentraler Stellenwert zugewiesen, während die Entkriminalisierung bestimmter Verhaltensweisen unter dieser Prämisse als kontraproduktiv betrachtet wird, da sie die Polizei der Möglichkeit beraubt, frühzeitig einzugreifen. Entsprechende Programme (Community Policing) wurden u. a. daraufhin untersucht, inwieweit sie Kriminalitätsfurcht senken konnten. Es zeigte sich jedoch, dass gerade das eher aggressive Policing nicht zu einer Senkung beitragen konnte (Boers 1991: 113 ff.).

Soziale-Problem-Perspektive

Dieser Ansatz stützt sich auf den symbolischen Interaktionismus von Mead. Er geht von der Annahme aus, dass soziale Probleme nicht objektiv existieren, sondern institutionell durch Zuschreibungsprozesse konstruiert werden. Den Massenmedien kommt dieser Auffassung zufolge eine zentrale Rolle zu, da sie strukturierte und interpretierte Informationen über Vorkommnisse vermitteln, die außerhalb der täglichen Erfahrungswelt liegen. Hierdurch konstruieren sie die Wirklichkeit "Kriminalität" und sind gleichzeitig Auslöser von Kriminalitätsfurcht. Gestützt wird diese Annahme durch Inhaltsanalysen, die zeigen, dass Art, Ausmaß und Platzierung der Kriminalitätsberichterstattung ein verzerrtes Bild der Realität liefern. Gewaltkriminalität beherrscht etwa ein Drittel der kriminalitätsbezogenen Berichterstattung, obwohl sie in der Polizeilichen Kriminalstatistik zusammen nur etwa 2 % der Gesamtkriminalität ausmacht. Den Polizeipressestellen kommt hier eine Filterfunktion in der Informationsübermittlung zu, da sie in erster Linie darüber entscheiden, welche Fälle an die Presse weitergegeben werden.

Ein zweiter Überprüfungsansatz ist die Medienwirkungsforschung. Die Zusammenhänge gelten als komplex. Medien können beeinflussen, welche Themen in der Öffentlichkeit diskutiert werden (Agenda-Setting). Bestehende Einstellungen können so zwar nicht verändert, aber verstärkt werden. Zudem scheinen Printmedien eher im kognitiven Bereich wirksam zu werden, während elektronische Medien in erster Linie Emotionen ansprechen. Kriminalitätsfurcht wird v.a. bei wahrgenommener sozialer, personaler und räumlicher Ähnlichkeit zwischen der Situation des Rezipienten und der des Opfers ausgelöst. Massenmedien wirken also nicht generell furchtsteigernd oder -auslösend, sondern nur unter bestimmten spezifischen Bedingungen (differentielle Medienwirkung; Boers 1991: 139 ff.).

Interaktives Verständnismodell der Kriminalitätseinstellungen

In jüngerer Zeit hat Boers (1991: 207 ff.) ein Modell entwickelt, das die widersprüchlichen Befunde zu integrieren versucht. Er trennt die Kriminalitätseinstellungen in eine soziale und eine personale Dimension. Die soziale Dimension beinhaltet überdauernde Einstellungen, Werthaltungen und politische oder soziale Orientierungen, während die personale Dimension Risikoeinschätzung, Einschätzung der Bewältigungsmöglichkeit, Kriminalitätsfurcht und Schutz- und Vermeideverhalten umfasst.

Kriminalitätsfurcht entsteht diesem Konzept zufolge durch einen komplexen Bewertungsprozess, innerhalb dessen das persönliche Risiko einer Opferwerdung eingeschätzt wird. Diese Bewertung wird durch Faktoren wie eine vorangegangene Viktimisierung, eine indirekte Opfererfahrung, Zeichen sozialer Desorganisation und Medienberichte mit lokalem Bezug beeinflusst. In einem weiteren Bewertungsschritt wird überprüft, inwieweit Möglichkeiten bestehen, mit der antizipierten Situation fertig zu werden. Hier spielt die physische, psychische und soziale Vulnerabilität eine Rolle, beeinflusst durch Geschlecht, Alter, sozialen Status, soziale Integration etc. Fällt das Ergebnis des Bewertungsprozesses entsprechend aus, so entsteht Kriminalitätsfurcht, die dann wiederum zu Vermeideverhalten führt. Erste Untersuchungen stützen dieses Modell.

Befunde

Die Frage nach Kriminalitätsfurcht gehört heute zum Standard kriminalitätsbezogener Studien. Darüber hinaus sind jedoch auch Untersuchungen an verschiedenen Bevölkerungsgruppen unter sehr spezifischen Fragestellungen vorgenommen worden. Untersuchte Gruppen waren beispielsweise Jugendliche, alte Menschen oder Ostdeutsche, in jüngerer Zeit auch Angehörige verschiedener Milieus. Häufige Fragestellungen beziehen sich auf Furchtunterschiede in Abhängigkeit von Opfererfahrungen, von gesellschaftlichen Umbrüchen oder von Lebensstilen (Boers 1991; Frevel 1998).

Die Vorstellung, nachts unterwegs zu sein, löst allgemein deutlich mehr Furcht aus als andere Situationen. Diese Furcht hat Kriminalitätsbezug und richtet sich auf Straßenkriminalität, nicht auf mögliche Gefahren zu Hause oder am Arbeitsplatz. Wiederholt wurde ein Einfluss des Urbanisierungsgrades auf das Ausmaß an Kriminalitätsfurcht festgestellt. Auch eine vorangegangene Viktimisierung kann Furcht auslösen. Eine ausschlaggebende Rolle spielt dabei die Art des Delikts, dessen Opfer jemand geworden ist (Deliktspezifität). Furchtauslösend sind vor allem gewaltsame und bedrohliche Ereignisse wie Raub, Körperverletzung oder Vergewaltigung, aber auch Wohnungseinbruch. Eine weitere Rolle spielt die Zeit: je weiter eine Viktimisierung zurückliegt, desto mehr sinkt das Furchtniveau ab. Als gesichert gilt, dass Frauen das höchste Maß an Kriminalitätsfurcht aufweisen. Widersprüchlich ist jedoch die Befundlage in Bezug auf alte Menschen. Auf sie trifft das Kriminalität-Furcht-Paradox offenbar nicht grundsätzlich zu.

Untersuchungen nach der Wende zeigten einen starken Anstieg der Kriminalitätsfurcht bei den Ostdeutschen. Das Niveau der Unsicherheit lag einige Zeit deutlich über dem der Westdeutschen, hat sich aber mittlerweile an das Westniveau angeglichen. Das zeigt, entgegen früherer Annahmen, daß Kriminalitätsfurcht nicht grundsätzlich steigt, sondern auch rückläufig sein kann. Eine erhöhte Kriminalitätsfurcht weisen zumindest im Westen v. a. Ausländer, geringer Gebildete und Ärmere auf. Neuere Ansätze, die Milieus und Lebensstile in ihre Analysen mit einbeziehen, gelangen zu der Auffassung, dass hier ein Mangel an sozialen, ökonomischen und normativen Ressourcen als Vulnerabilitätsfaktoren einen Einfluss auf die Entstehung von Kriminalitätsfurcht haben dürfte. Anders gestalten sich Milieus und Furchtverteilungen im Osten. Dies wird auf die Wende mit ihren normativen, sozialen u. a. Umbrüchen zurückgeführt, die spezifische Bewältigungsmuster nach sich zogen und so vorübergehend für eine erhöhte Furcht sorgten.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Kriminalitätsfurcht wurde erstmalig im Rahmen von Opferbefragungen entdeckt. Die Erkenntnis, dass die tatsächliche Kriminalitätsbelastung höher lag als die polizeilich registrierte, legte einen Zusammenhang zwischen Kriminalitätsfurcht und Viktimisierung nahe. Daher war die Forschung in diesem Bereich zunächst ausschließlich im Bereich der Viktimologie angesiedelt. Kriminalpolitische Konsequenzen waren die Einführung von Programmen wie Neighborhood Watch oder Community Crime Prevention. Die in der Folge entwickelten Ansätze stützten sich dagegen stärker auf soziale Einflüsse wie beispielsweise die Wahrnehmung von Verfallserscheinungen oder informelle Sozialkontrolle. Die konservative Ausprägung der Soziale-Kontroll-Perspektive ist der Broken-Windows-Ansatz, aus dem das Konzept des Community Policing hervorgegangen ist. Die Soziale-Problem-Perspektive ist in ihrer Konzentration auf die Definitionsabhängigkeit von Kriminalität eng mit dem Labeling Approach verbunden. Da dieser Ansatz neben dem Versuch, Kriminalitätsfurcht zu erklären auch Herrschaftsverhältnisse und politische Implikationen von Wirklichkeitskonstruktionen kritisch beleuchtet und hinterfragt, sind hieraus etliche Impulse für kriminologische Theorie und Praxis hervorgegangen. Der Hinweis auf den Einfluss der Massenmedien auf Kriminalitätseinstellungen wie auch auf die Kriminalpolitik, die Ängste zur Durchsetzung einer punitiven Politik des Law and Order instrumentalisieren kann, sind wichtige Impulse der Kritischen Kriminologie.

Kriminologische Relevanz

Besonders in Deutschland ließ sich schon früh ein Ausmaß an Kriminalitätsfurcht feststellen, das dem in den USA gleichkam, obwohl die Belastung durch Gewaltkriminalität deutlich geringer war. Die Erkenntnis dieser teilweisen Entkoppelung ließ Kriminalitätsfurcht zu einem eigenständigen sozialen bzw. gesellschaftlichen Problem werden, das zu vielfältigen theoretischen Überlegungen und ausgedehnter Forschungstätigkeit führte. Hieran hat auch die Feststellung nichts geändert, dass Kriminalitätsfurcht nicht nur kontinuierlich ansteigt, sondern durchaus rückläufig sein kann. Die kriminalpolitischen, rechtsstaatlichen und damit auch gesellschaftlichen Konsequenzen, die aus der Existenz solcher Furchtwellen erwachsen, bedürfen kriminologischer Beachtung, Hinterfragung und Kritik.

Literatur

Boers, Klaus (1991): Kriminalitätsfurcht. Über den Entstehungszusammenhang und die Folgen eines sozialen Problems. Pfaffenweiler, Centaurus-Verlagsgesellschaft.

Boers, Klaus; Gutsche, Günter; Sessar, Klaus (Hrsg. 1997): Sozialer Umbruch und Kriminalität in Deutschland. Opladen, Westdeutscher Verlag GmbH.

Boers, Klaus und Kurz, Peter (1997): Kriminalitätsfurcht ohne Ende? Kriminalitätsfurcht als soziales und individuelles Problem. http://www.peter-kurz.de/work/preprints/KFCop/KFCop5.html (Stand: 20.03.2002)

Frevel, Bernhard (1998): Wer hat Angst vor'm bösen Mann? Ein Studienbuch über Sicherheit und Sicherheitsempfinden. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft.

Gabriel, Ute (1998): Kriminalitätsfurcht, Kontrollüberzeugungen und Strafforderungen in Abhängigkeit von der Erfahrung krimineller Viktimisierung. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft.

Hermann, Dieter und Dölling, Dieter (2001): Kriminalprävention und Wertorientierungen in komplexen Gesellschaften: Analysen zum Einfluss von Werten, Lebensstilen und Milieus auf Delinquenz, Viktimisierung und Kriminalitätsfurcht. Mainz, WEISSER RING.

Kury, Helmut; Obergfell-Fuchs, Joachim; Würger, Michael (2000): Gemeinde und Kriminalität. Freiburg i. Breisgau, Kriminologische Forschungsberichte aus dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Band 57.

Walther, Hendrik (1996) Bekämpfung der Kriminalitätsfurcht und automatisches Strafen. Kommune Heft 2: 45-47

Wilson, James und Kelling, George (1982): Broken Windows. The Police and Neighborhood Safety. In: The Atlantic Monthly, March 1982, p. 29-39.