Globalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 19. Januar 2008, 20:48 Uhr

Etymologie

Die Begriffe „global“, „globalisieren“, Globalisierung“ kommen aus der lateinischen Sprache von dem Begriff globus oder globi: Kugel. Das Wort Globus wird auch in der deutschen Sprache für Kugel mit dem Abbild der Erdoberfläche o. der scheinbaren Himmelskugel auf ihrer Oberfläche benutzt. Global als Adjektiv steht für: 1. auf die gesamte Erde bezüglich; weltumspannend, 2. a) umfassend, gesamt; b) allgemein, ungefähr. Das Verb globalisieren bedeutet: auf die ganze Erde ausdehnen, und Globalisierung: a) das Globalisieren; b) zusammenfassende Bez. für die weltweite Durchdringung von Wirtschaftsprozessen, Kapitalverflechtung u. die globale Ausrichtung von (multinationalen) Unternehmen. Für die Etymologie des Begriffes Verbrechen siehe dort


Grundzüge der Globalisierung

Globalisierung bezeichnet eine Entwicklung, die kontrovers diskutiert wird. Durch die Globalisierung ist die ganze Welt zu einem Produktionsstandort geworden. Für die Befürworter bedeutet dies eine effizientere Wirtschaft, welche durch den Abbau von Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen begünstigt wird. Die Gegner der Globalisierung kritisieren, dass durch die wachsende internationale Verflechtung die staatliche Steuerungsfähigkeit verringert wird. Weltweit operierende Wirtschaftsunternehmen sind keiner wirksamen gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen und erzeugen dadurch eine politische und wirtschaftliche Instabilität sowie eine zunehmende soziale Ungleichheit in und zwischen Staaten.

Die wachsende internationale Verflechtung ergibt sich insbesondere durch die Abschaffung internationaler Handelshemmnisse nach Ende des Zweiten Weltkrieges. In den Fünfziger Jahren wurden Bestrebungen zur wirtschaftlichen Vereinigung von Teilen Westeuropas verwirklicht und eine vollständige Handlungsfreiheit nach innen beschlossen. Die Liberalisierung der Handelsbeziehungen setzte sich nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt bis heute fort. Das Ende des Kalten Krieges beschleunigte diese Entwicklung, denn durch den Wegfall von Grenzen, beziehungsweise Macht- und Einflussbereichen konnten nicht nur Informationen, sondern auch Menschen und Wirtschaftsgüter Ländergrenzen einfacher überschreiten.

Kern der Globalisierung ist die Ausweitung der internationaler Arbeitsteilung, es bilden sich weltweite Märkte heraus. Auf diesem Weltmarkt werden Waren und Dienstleistungen gehandelt, Investitionen getätigt, Technologien übertragen und Informationen ausgetauscht. Die internationale Arbeitsteilung ermöglicht es den einzelnen Staaten, ihre Stärken gegeneinander auszuspielen. Davon profitieren wiederum die weltweit operierenden Wirtschaftsunternehmen, die Standortvorteile für sich nutzen, um dadurch Einkommensgewinne zu erzielen.

Begünstigt wird die Globalisierung durch technische Verbesserung und Einführung neuer Kommunikationsmittel. Computer werden stets leistungsfähiger, sie können immer größere Datenmengen noch schneller verarbeiten. Internationale Kommunikationsnetze werden ausgebaut und erlauben den ungehinderten Austausch von Informationen ohne zeitlichen Verzug. Satelliten machen die Übermittlung von Bild- und Tonmaterial überall in die Welt hin möglich, Nachrichten und Unterhaltung werden durch das Fernsehen in der gesamten Welt übertragen. Räumliche und zeitliche Grenzen sind aufgrund der Informationsrevolution gewaltig geschrumpft, Ereignisse finden rund um die Welt in Echtzeit statt. Dadurch, dass jeder Mensch in die Lage versetzt wird, uneingeschränkt Informationen zu erlangen, weiterzuverarbeiten und zu verbreiten, wird grundsätzlich die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft gestärkt. Jede Person ist in der Lage, unabhängig von nationalen Grenzen zu kommunizieren und sich global zu betätigen.

Die Globalisierung hat die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen rascher verändert als andere wirtschaftliche Prozesse zuvor. Durch die neuen globalen Wirtschaftszweige haben sich neue Arbeitsplatzstrukturen entwickelt, die den Menschen ein hohes Maß an Flexibilität, Mobilität und Qualifikationen, wie Sprachkenntnisse, abfordern. Vielen Menschen macht die Globalisierung Angst, sie fürchten um ihre Existenz, denn die Arbeitswelt ist härter und schnelllebiger geworden. Dies gilt insbesondere für ältere Menschen, Familien, die unflexibler sind, und für Menschen, die bestimmte Qualifikationen nicht vorweisen können. Generell ist festzustellen, dass in Ländern, die mit Kapital und qualifizierten Arbeitskräften ausgestattet sind, die Kapitaleinkommen im Gegensatz zu den Arbeitseinkommen stärker steigen. Weiterhin nimmt die Spreizung der Löhne zwischen einfacher und qualifizierter Arbeit zu, wodurch soziale Spannungen in Ländern entstehen und den Sozialstaat vor Probleme stellen. Denn durch den Versuch, die Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmerschaft zu verteilen, wird der Staat gerade aufgrund der Globalisierung vor Probleme gestellt. Eine stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen sowie eine gesetzliche Anhebung des Lohnniveaus bergen die Gefahr, dass die Wirtschaftsunternehmen mit ihrem Kapital abwandern.

Somit gerät der Sozialstaat, vor allem in Deutschland, unter Druck. Die Absicherung der Menschen vor Krankheit und Arbeitslosigkeit sowie die Altersversorgung werden in Deutschland über die Löhne finanziert, je zur Hälfte vom Arbeitgeber beziehungsweise vom Arbeitnehmer. Durch die hohe Arbeitslosigkeit und die Altersstruktur in Deutschland sind die Sozialabgaben gestiegen, der Staat gerät in Finanzierungsnot. Nicht nur die Absicherung der Menschen, sondern auch das Bildungssystem wird vor Herausforderungen gestellt. Die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft erfordert weitestgehend eine hohe Qualifikation der Arbeitskräfte, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Insbesondere sozial benachteiligte Bevölkerungsteile sind von dieser Entwicklung negativ betroffen, wodurch sich wiederum andere soziale, gesellschaftspolitische Probleme ergeben.

Unterschiedlich werden die Chancen und Risiken der Globalisierung für die Entwicklungsländer beurteilt. Befürworter behaupten, dass die ärmeren Länder in einem größeren Maße von der Globalisierung profitieren werden, als reichere Länder. Nach ihrer Auffassung wird eher dort produziert, wo die Löhne niedriger sind, also in den Entwicklungsländern. Kritiker hingegen sehen die Entwicklungsländer eher als Verlierer der Globalisierung, sie prognostizieren eine größere Abhängigkeit von global agierenden Konzernen, kaum Entwicklungschancen und dadurch mehr Armut. Statistiken belegen, dass insbesondere die Industrienationen von der Globalisierung profitieren. Die Zahl der Menschen in absoluter Armut in den Ländern der Dritten Welt hat weitestgehend zugenommen und das Wirtschaftswachstum eher abgenommen (Weltbank, World Development Report 2002), eindeutige Verlierer sind die Afrikanischen Staaten. Auch hieraus ergeben sich wiederum soziale und gesellschaftspolitische Probleme für die Industrienationen, denn der Migrationsdruck aus den Entwicklungsländern auf die Industriestaaten nimmt zu. Auf der anderen Seite haben in den letzten Jahrzehnten ehemalige Entwicklungsländer beziehungsweise Schwellenländer wie China oder Indien von der Globalisierung profitiert und einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die Welt weitestgehend in zwei Blöcke aufgeteilt, die NATO mit der USA auf der einen Seite und der Warschauer Pakt mit der Sowjetunion auf der anderen Seite. Diese Bipolarität prägte insbesondere die Nordhalbkugel der Erde, beeinflusste jedoch auch die Südhälfte. Beide Blöcke achteten streng darauf, dass sich Staaten, die unter ihrem Einfluss standen, an die Spielregeln des militärischen und atomaren Gleichgewichts hielten. Als 1989 dieses bipolare System zusammenbrach, kam es weltweit aufgrund des Machtvakuums zu ethnisch motivierten Konflikten und Bürgerkriegen. Alte religiöse, ethnische Konflikte oder Grenzstreitigkeiten brachen wieder auf, Beispiel hierfür ist der Zerfall des ehemaligen Jugoslawien oder die gewaltsamen Konflikte in Afrika.

Die Globalisierung hat ebenfalls Einflüsse auf die Aussen- und Sicherheitspolitik. Die grenzüberschreitenden und oft sogar globalen Auswirkungen vieler Entwicklungen schränken die staatliche Handlungsfreiheit ein. Viele nationale Sicherheitsinteressen können nicht mehr im Alleingang wahrgenommen werden. Die Politik und unterschiedliche Institutionen beschäftigen sich unter dem Begriff der „erweiterten Sicherheitspolitik“ mit globalen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Problemen. Eine der jüngsten Herausforderungen der globaler Außen- und Sicherheitspolitik ist der internationale Terrorismus. Über die innere Sicherheit wird nun an ganz unterschiedlichen Orten in der Welt entschieden. Hinter Anschlägen stehen meist keine Regierungen, sondern international agierende Gruppen, die über die neuen modernen Kommunikationsmittel miteinander verbunden sind.

Organisationen im Bereich der Korruption und Wirtschaftskriminalität haben sich die Globalisierung zu Nutze gemacht. Dabei folgen sie den gleichen Prinzipien und Grundsätzen wie die offizielle Wirtschaft. Die Wirtschaftstätigkeit wird durch Dezentralisierung und Aufteilung optimiert, wobei die Tatsache ausgenutzt wird, dass jedes Land andere gesetzliche Bestimmungen und Regeln hat. Die illegale Wirtschaft ist geprägt durch extrem gut bezahlte Spitzenkräfte, es wird Geldwäsche in den großen Finanzinstituten oder in Stuerparadiesen durchgeführt.

Definition globalisiertes Verbrechen

Das globalisierte Verbrechen oder die Globalisierung des Verbrechens ist ein Produkt des verschärften Wettbewerbs und der fundamentalen Veränderungen der Weltwirtschaft, ein von wirtschaftlichen Anreizen, d.h. dem Streben nach höchstmöglicher Profitabilität hervorgebrachtes Phänomen, welches zur Bildung einer internationalen Schattenwirtschaft führt mit globalem Schwarzhandel, illegalen Vertriebs- und Geldtransferwegen, Menschenhandel, illegalem Warenhandel, z.B. Waffen, Transport und Lagerung von toxischen Abfällen, Markenpiraterie. Das globalisierte Verbrechen entsteht als eine Folge der Globalisierungseffekte, es hat, sowohl was seine Organisation als auch seinen Täterkreis angeht, die Merkmale einer Investition.

Die Akteure dieser Art von Verbrechen sind globale kriminelle Unternehmen oder illegale Wirtschaftsvereinigungen, die im Rahmen des globalen illegalen Markts tätig sind. Sie nutzen die Vorteile der Globalisierung, den freien Welthandel, die internationale Arbeitsteilung und die Revolution der Informationstechnologie aus, agieren grenzüberschreitend mit hoher Geschwindigkeit und ausgezeichneter Effizienz mit gleichzeitig weltweiten und lokalen Auswirkungen. Diese illegalen globalen Unternehmen stammen aus der Fusion oder der Koalition mit nationalen kriminellen Vereinigungen (pax mafiosa), verfügen über eine komplexe Struktur mit erweiterter Führungsspitze, professioneller Spezialisierung, riesigen Datenbanken und multi-kontinentalen Netzwerken. Sie nutzen außerdem die Konsequenzen der Globalisierung, wie rechtliche Lücken oder Mängel in nationalen Rechtssystemen, z.B. nicht ausreichende demokratische Legitimierung, Machtmissbrauch und Korruption, gesellschaftliche Desorganisation und Armut für ihre kriminellen Aktivitäten.

Das Motiv für diese Art von Verbrechen ist immer der finanzielle Gewinn, die Mittel dazu sind die Ausnutzung der durch die Globalisierung verschärften wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten wirtschaftlich schwacher Staaten, Ausbeutung von menschlichem Potential, wie z.B. Menschenhandel, die Korruption und Bestechung von Beamten und mächtigen Interessenvertretern sowie die Legalisierung von illegalen Geldern.

Die Widersprüche der Globalisierung, die immer größere Schere sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten im ständig härter werdenden Kampf um die globale Vorherrschaft in einer weltweiten Marktwirtschaft, Korruption und der Gewalt reichen nicht allein, damit das globalisierte Verbrechen auf dem illegalen Weltmarkt funktioniert. Hinzu kommen müssen begünstigende lokale Bedingungen, wie krimogene Faktoren, denn insbesondere soziale Desorganisation, soziale Isolierung und Armut führen zu kriminellen Entscheidungen, solange finanziell attraktive Gelegenheiten vorhanden sind. Die Teilnahme an nationalen kriminellen Vereinigungen, die mit den kriminellen globalen Unternehmen zusammenarbeiten, wird nicht erzwungen, sondern es handelt sich um ein „crime as a choice“.

Geschichte des Begriffs globalisiertes Verbrechen

Das globalisierte Verbrechen gehört in keine strafrechtliche Kategorie, denn es handelt sich um ein relativ neues wissenschaftliches Forschungsfeld und eine sehr umfassende Handlungsweise, welche bisher mit den Regeln des geltenden Strafrechts nicht geahndet werden kann. Außerdem folgt die kriminologische Forschung im empirischen Feld dieser Art von Verbrechen den speziellen wissenschaftlichen Bearbeitungen des Phänomens der Globalisierung erst seit 1997 (Erste Werke in dieser Richtung von Findlay, Chan, Ruggiero, Rotman, Passas). Daher ist der Begriff des „globalisierten Verbrechens“ nur schwer herauszukristallisieren; zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um ein neues Paradigma mit einen neuen wissenschaftlichen Gegenstand handelt, das mit phänomenologischer Methodologie forscht und der Sprache der Globalisierung benutzt.

Funktionsweise und Systematik des globalisierten Verbrechens

Die Dialektik der Globalisierung (gemeint ist die Dynamik der Weltwirtschaft, ihre Entwicklung über alle Grenzen hinweg mit nationalen und internationalen Konsequenzen in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen, die Globalisierung ist ein Prozess und gleichzeitig auch das Ergebnis) hat zur Entstehung des globalisierten Verbrechens geführt. Der Weltmarkt ist durch die neue globale Orientierung „think global, act global“ zum Betätigungsfeld nicht nur für die legalen Unternehmen geworden, sondern auch für illegale globale Unternehmen, die sich darum bemühen, ihren Gewinn zu vervielfachen. Damit sie Konkurrenz erfolgreich besiegen oder ausschalten können, gründen sie entweder langfristige strategische Allianzen von zwei oder mehreren nationalen kriminellen Vereinigungen oder arbeiten bezogen auf einen konkreten Auftrag ad hoc zusammen.

Sie agieren auf der ganzen Welt durch die Überwindung der Grenzen von Zeit und Raum. Die Freiräume, welche durch die unterschiedliche Gesetzgebung der Länder geschaffen werden, ermöglichen die Realisierung ihrer kriminellen Ziele. Sie nutzen die Zweiteiligkeit der legalen Globalisierung, die sich parallel supranational und lokal auswirkt. Ihre unternehmerische Tätigkeit bezieht sich auf Handlungen, die höchste Gewinne einbringen und zur Bildung enormer und mächtiger Wirtschaftsunternehmen führen können. Sie werden überall dort tätig, wo legale Unternehmen wegen nationaler Gesetzgebung nicht tätig werden können, und funktionieren so ergänzend oder alternativ zu ihnen. Sehr oft übernehmen diese illegalen Unternehmen einen Teil des Unternehmensrisikos von den legalen, indem sie gegen Entlohnung Tätigkeiten durchführen, die entweder verboten sind oder einen zu hohen Kostenanteil haben, wie z. B. der Transport und die Lagerung von toxischen Abfällen.

Weiterhin tragen kriminelle Unternehmen zur Verwirklichung der Globalisierung durch die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und Unterstützung bei der Modernisierung bei, indem sie die Infrastruktur eines Landes oder Personen finanzieren, die diese Perspektiven politisch vorantreiben. Hierzu verwenden sie Gelder, die durch Geldwäsche gewonnen wurden, oder investieren illegales Geld in legale und profitable Unternehmen. Der globale Kapitalverkehr, z. B. durch Offshore- Bankkonten, ist eine wertvolle Kreditquelle für sich entwickelnde Länder und große wirtschaftliche Unternehmen.

Der Internationale Währungsfonds schätzt den Jahresumsatz, den kriminelle Organisationen weltweit machen, auf insgesamt 1500 Milliarden US-Dollar, davon fallen 400 Milliarden Dollar auf den weltweiten Drogenhandel (2006). Wichtigster Produzent und Exporteur synthetischer Drogen ist Europa. Der Waffenhandel bezieht seine Ware vor allem aus den Lagern der ehemaligen kommunistischen Länder. Weltweit sind 550 Millionen leichte Waffen im Umlauf, wovon nur 3 Prozent in den Händen staatlicher Streitkräfte sind. Der Waffenhandel bringt mehr als eine Milliarde Dollar im Jahr ein (IWF 2006). Der Handel mit Menschen in seinen unterschiedlichsten Formen (Organhandel, Frauen- und Kinderhandel, Sextourismus, Entführungen, Schleuserei, usw.) ist zur Zeit die kriminelle Aktivität, welche am schnellsten zunimmt. In Thailand kommen auf jährlich über 800.000 Besucher etwa 2 Millionen Prostituierte, davon 300.000 Minderjährige (Atlas der Globalisierung, 2006). Die International Organization für Migration schätzt die Zahl illegaler Migranten auf zwischen 20 und 40 Millionen. Die organisierten Schleuserbanden verdienen an ihnen zwischen 3 und 10 Milliarden US-Dollar (Atlas der Globalisierung, 2006).

Die nationalen Verhältnisse spielen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle für die Vorgehensweise des globalisierten Verbrechens. In vielen Fällen ist das Strafrecht eines Landes ein Hindernis für die Wirtschaft des Weltmarkts, indem sie den freien Transport von Menschen, Waren, Kapital und Diensten, wie Drogen, Waffen, Migranten beschränkt. Daher stellen häufig wirtschaftlich schwache Länder illegalen Unternehmen durch Korruption der Regierung, Beamten und anderen staatlichen Organisationen, Machtmissbrauch und Bürokratie, welche die Investitionen durchaus vorhandenen nationalen Kapitals behindert, den entsprechenden Rahmen für ihre kriminellen Aktivitäten zur Verfügung. Wieder andere Länder erlauben die Entwicklung von Tätigkeiten des schwarzen Marktes, wenn z.B. der Anbau von Drogen legal ist oder der Terrorismus staatlich finanziert wird, und erleichtern mit Hilfe staatlicher Unterstützung illegale Wirtschaftsaktivitäten. Außerdem dienen die Aktivitäten auf illegalen Märkten in Ländern, in denen sowohl die gesellschaftliche Desorganisation und Isolierung, als auch die fortgeschrittene Schwächung staatlicher Herrschaft fortgeschritten sind, als idealer Rahmen für die Rekrutierung von Mitgliedern und zur Schaffung von illegalen Arbeitsplätzen in der Schattenwirtschaft.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Das globalisierte Verbrechen unterscheidet sich von dem Verbrechen in der Globalisierung insofern, als das letztere umfassender ist. Es beschreibt jedes Verbrechen, das in der Zeit der Globalisierung stattfindet. Das heißt, das Verbrechen in der Globalisierung umfasst jede kriminelle Erscheinungsform auf lokaler oder internationaler Ebene von einem oder mehreren Tätern oder von kriminellen Vereinigungen, wenn es unter Globalisierungsbedingungen stattfindet. Im Gegenteil dazu ist das globalisierte Verbrechen eine Erscheinungsform der Konsequenzen der Globalisierung.

Obwohl es sich bei der Globalisierung des Verbrechens um Wirtschaftskriminalität handelt, ist sie nicht unbedingt mit dem White-collar crime zu verbinden, wie es von Sutherland definiert wurde, auch nicht mit den später hinzugekommenen Ergänzungen, denn beim globalisierten Verbrechen handelt es sich nicht nur oder nicht unbedingt um Täter, die einen hohen sozialen Status haben und Respekt hervorrufen (Sutherland, White Collar Crime, 1949). Mit den Analysen der Wirtschaftskriminalität können nur begrenzte Aspekte der Globalisierung des Verbrechens erklärt werden.

Das traditionelle organisiertes Verbrechen unterscheidet sich von den mächtigen illegalen und weltweiten Unternehmen dadurch, dass es durch die Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Personen entsteht und das letztere aus weltweiten strategischen Allianzen krimineller Vereinigungen. Das traditionelle organisierte Verbrechen weist zahlreiche kriminellen Handelsweisen mit stark ausgeprägten nationalen Dimensionen auf, die nicht nur profitorientiert sind, und verfügt über eine sehr strenge Struktur (Bassiouni-Vetere, 1998). Im Gegensatz dazu steht das globalisierte Verbrechen, dessen einziges Ziel der Gewinn ist, dessen Struktur komplex, flexibel, locker im Bezug auf die Hierarchie nach unten organisiert ist und sich durch einen hohen Grad an Professionalität auszeichnet.

Relevante Begriffe sind auch die des transnationalen oder transnational organisierten Verbrechens, des internationalen und des multinationalen Verbrechens. Beim internationalen Verbrechen handelt es sich um verbotene Handlungsweisen, die im internationalen Recht geregelt sind, wie Kriegsverbrechen, Verstöße gegen fundamentale Menschenrechte oder gegen öffentliche Interessen (Bassiouni, 1998). Daher unterscheidet es sich systematisch vom globalisierten und auch vom transnationalen Verbrechen.

Das multinationale Verbrechen (Martin-Romano, 1992) beschreibt die Tätigkeit von Vereinigungen, die sich auf zwei oder mehrere Länder bezieht und deren Handlungsweise zumindest in einem dieser Länder als kriminell bezeichnet wird. Deswegen unterscheidet sich auch diese Art von Verbrechen nicht nur vom globalisierten, sondern auch vom transnationalen Verbrechen.

Beim transnationalen Verbrechen geht es um Handlungsweisen, die in der Gesetzgebung von mehr als einem Staat als kriminell angesehen werden (Bossard, 1990). Es ist eine entwickelte Form des organisierten Verbrechens, das aufgrund gesetzlicher Regelungen geahndet wird. Der Umfang und die gesetzlichen Bestimmungen dieser Art sind der entscheidende Punkt, durch das es sich vom globalisierten Verbrechen unterscheidet. Außerdem handelt das transnational organisierte Verbrechen im Rahmen zweier oder mehrerer Länder und nicht grenzübergreifend auf dem ganzen Planeten als einem zusammenhängenden illegalen Markt. Seine Handlungen sind nicht nur gewinnorientiert, der Täterkreis dieser Verbrechensart bleibt in nationalem Denken verhaftet, die Gruppenbildung erfolgt meist ad hoc.


Globaler Terrorismus

Die klassische Variante des Terrorismus ist gekennzeichnet durch politische Gewalt, die im Zusammenhang mit nationalen Befreiungsbewegungen steht. Diesen Gruppierungen ging oder geht es um ein Veränderung der nationalen Ordnung. Beispiele für diese Gruppierungen sind die baskische ETA, die nordirische IRA, die kurdische PKK oder die deutsche RAF.

Im Laufe der neunziger Jahre hat sich eine neue Form des Terrorismus entwickelt, der mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, seinen Höhepunkt gefunden hat. Der Terrorismus bedient sich dabei auch der Möglichkeiten, die mit der Globalisierung verbunden sind. Dies sind vor allem die Bildung von transnationalen Netzwerken, die weltweite Rekrutierung von Mitgliedern sowie die Nutzung verschiedener Finanzquellen und moderner Kommunikationsformen, zum Beispiel das Internet. Die jüngsten Attentate, also in New York, Madrid oder London weisen darauf hin, dass Terrorgruppen heute in der Lage sind, kriegsähnliche Zerstörungen anzurichten. Die Drahtzieher wollen mit den Anschlägen auf die Globalisierung im Sinne einer „Amerikanisierung“ oder „westlicher Dominanz“ reagieren, ihr Ziel ist es, bestimmte Weltregionen von westlichen Einflüssen zu befreien. Der globale Terrorismus setzt dabei auf transnationale Ideologien wie die Religion, um den traditionellen Nationalstaat zu überwinden und um Mitglieder mit unterschiedlicher Nationalität oder sprachlichen Hintergrund zu vereinigen. Weite Teile der Gesellschaft von arabisch-muslimisch geprägten Regionen sehen sich als „Verlierer“ der Globalisierung, welche als „Synonym“ für die westliche Dominanz steht. Diese Haltung in den Gesellschaften bietet den Nährboden, den die islamischen Extremisten ausnutzen, auch um neue Mitglieder zu rekrutieren. Angriffspunkt des globalen Terrorismus ist die bestehende internationale Ordnung.

Es hat sich ein globaler Kleinkrieg entwickelt, der aus einer neuartigen Verbindung unterschiedlicher Gewaltformen terroristischer und kriegerischer Art besteht. Dieser Kleinkrieg wird auch auf dem Territorium der westlichen Welt ausgetragen, wie die Anschläge beweisen. Die Attentate waren geprägt durch eine planmäßige Vorbereitung und sollten die Schock, den die Attentate auslösen sollten, bis auf das Äußerste steigern. Die Gewaltakte sollten auf der Seite in der westlichen Welt tiefe Unsicherheit und Schrecken verbreiten und auf der anderen Seite Sympathie und Unterstützungsbereitschaft in der islamischen Welt erzeugen. Den Attentätern ging es dabei nicht nur um ein Maximum internationaler Aufmerksamkeit, sondern auch um ein Maximum an Opfern. Die neueste Entwicklung ist, dass die Weltöffentlichkeit, wie zum Beispiel den Anschlag auf das World Trade Center, in Echtzeit verfolgen konnte und die Folgen live miterlebte.

Prototyp einer terroristischen Vereinigung ist das radikal-islamische Netzwerk al-Qaida unter der Führung von Osama Bin Laden. Die terroristische Vereinigung ist dezentral und netzwerkartig strukturiert und erstreckt sich auf die ganze Welt. In dieser Vereinigung sind einige Gruppen hochgradig miteinander vernetzt, andere agieren autonom, stehen aber unter dem Einfluss der Organisation. Die Terrorvereinigung als eine nicht staatliche Vereinigung verfolgt eine Gewaltstrategie mit der sie eigene politische Ziele durchsetzten will. Diese Gewaltstrategie setzt auf psychische Effekte, da Terroristen nicht in der Lage sind, Territorien dauerhaft zu kontrollieren.

Der globale Terrorismus finanziert sich, durch die Globalisierung begünstigt, beispielsweise durch den Wegfall von Kapitalverkehrskontrollen, die Liberalisierung der Finanzmärkte und den Wegfall von Grenzkontrollen über mehrere legale und illegale Finanzquellen. Dazu zählen Privatleute, Firmen, Stiftungen, Spenden oder Drogengeschäfte.

Durch den globalen Terrorismus ist der deutsche Rechtsstaat vor Herausforderungen gestellt. Der Staat will Sicherheit gewähren und dies geht nur auf Kosten der Freiheit. Es gilt, bei der Einführung neuer Gesetzesvorschriften die richtige Balance zwischen Sicherheit auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen Seite, zu finden.

Kriminologische Relevanz

Die Globalisierung hat die traditionellen Erscheinungsformen der Kriminalität um einige Facetten bereichert. Grenzüberschreitende und organisierte Wirtschaftskriminalität, Umweltkriminalität, Geldwäsche, Korruption, Drogen- und Menschenhandel sind als Konsequenzen eines dynamischen weltweiten Prozesses, der Globalisierung, anzusehen. Diese neue Realität hat zu multidimensionalen Veränderungen in der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Kultur und der Politik geführt. Strafrechtliche und kriminalpolitische Entscheidungen werden jetzt auf einer neuen Ebene getroffen. Die Folge ist die Tendenz zur Internationalisierung des Rechts und der Verbrechensbekämpfung und –prävention. In einem solchen Rahmen haben sich theoretische Konzepte und Ansätze zur Erklärung dieses Phänomens in allen Wissenschaften verfeinert, ohne dass es bisher jedoch zu einer umfassenden und allgemeingültigen Begriffsbestimmung gekommen wäre.

Es handelt sich um ein neues Forschungsfeld und eine neue Erscheinungsform des modernen Verbrechens, das neue und globale Methoden und eine veränderte internationale Rechtssprechung zu seiner Bekämpfung erfordert. Dies würde jedoch eine Gefahr für den Rechtsstaat und die Menschenrechte durch weitere Einschränkung der schon relativ eingeschränkten fundamentalen Grund- und Persönlichkeitsrechte beinhalten.

Literaturverzeichnis

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  • Findlay, M. : The Globalization of Crime. Understanding Transitional Relationships in Context, Gambridge University Press 1999
  • Giddens, A. : Die Konsequenzen der Moderne, 1. Aufl., Frankfurt am Main, Suhrkamp 1995
  • Joffe, Josef: Internationale Schattenwirtschaft, in „Die Zeit“, 09.03.2006, Nr.11
  • Martin, J. M.- Romano, A. T. : Multinational Crime, Terrorism, Espionage, Drug and Arms Trafficking, Sage Publ. 1992
  • Naim, Moises: Das Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens, Piper Verlag 2005
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  • Beck, Ulrich: Politk der Globalisierung, Frankfurt a.M., 2003
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  • Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung, "Die neuen Daten und Fakten zur Lage der Welt", 2006
  • Johannes Müller, Mattias Kiefer (Hrsg.), Globalisierung der Gewalt, "Weltweite Solidarität angesichts neuer Fronten globaler (Un-)Sicherheit