Menschenhandel

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Definitionen

Menschenhandel wird in Artikel 3a des „Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels“ der Vereinten Nationen vom Dezember 2000 (Palermo-Protokoll) definiert als „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Körperorganen“.

Wenn eins der obengenannten Mittel angewendet wurde, ist die Zustimmung des Opfers ohne Bedeutung. Die Mittel müssen bei Personen unter 18 Jahren nicht zum Einsatz gekommen sein, um den Tatbestand Menschenhandel zu erfüllen. Obwohl auch Männer und Kinder Opfer von Menschenhandel werden können, betrifft Menschenhandel in den meisten Fällen Frauen, die vornehmlich unter Täuschung angeworben werden und dann zur Prostitution und anderen sexuellen Handlungen gezwungen werden. Eine Überschreitung nationaler Grenzen oder eine illegale Einreise der gehandelten Person ist keine Voraussetzung für den Tatbestand.

Abgrenzung zu Menschenschmuggel und Sklaverei

Bei Menschenschmuggel (Schleusung, Schlepperei oder Personenschmuggel) hat die geschmuggelte Person freiwillig in das Geschäft eingewilligt und ist nach Ankunft im Zielland frei von anderen Verpflichtungen gegenüber den Schleusern. Während Menschenschmuggel die Integrität nationaler Grenzen verletzt, nimmt Menschenhandel den Opfern das Selbstbestimmungsrecht oder die freie Willensentscheidung und stellt eine Menschenrechtsverletzung dar.

Bei Menschenhändler geht es um das auf die Schleusung folgende Ausnutzungs- und Abhängigkeitsverhältnis, gewöhnlich in der Form der Prostitution.

In vielen Fällen ist die Unterscheidung von Menschenhandel und Menschenschmuggel schwierig. Regierungen tendieren dazu, bezüglich der "wahren Absichten" der Migranten auf den Zeitpunkt der Abreise abzustellen. Verfechter der Menschenrechte hingegen sehen den Zeitpunkt der Ankunft als entscheidend an. Auch kann nicht immer eindeutig zwischen einer durch Täuschung bewirkten und einer freiwilligen Zustimmung unterschieden werden. In Fällen, in denen die geschmuggelte Person und der Schmuggler beide einen „Gewinn“ erzielen, geht es vor allem darum zu entscheiden, was die annehmbaren Wahlmöglichkeiten einer Person sind, die sich in ein ausbeutendes Arbeitsverhältnis begibt.

Häufig wird Menschenhandel auch als „moderne Sklaverei“ bezeichnet. Zwar ist beiden die „Dreipersonenkonstellation“ gemeinsam, da die betroffenen Menschen als „Objekte“ vom Händler angeworben werden und dann an den Abnehmer weitergegeben werden, doch die Sklaven werden rechtlich gesehen Eigentum des Abnehmers, während die Opfer des Menschenhandels weiter über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Ein Opfer der Sklaverei gilt gewöhnlich in seiner Gesamtheit als Handelsware; bei Opfern von Menschenhandel wird nur ein bestimmter Teil der Person ausgebeutet.

Ein transnationales Problem

Menschenhandel ist kein neues Phänomen – es gab ihn schon im Altertum –, doch in Folge der größeren Freizügigkeit, der zunehmenden Globalisierung und der Osterweiterung der EU ist der Menschenhandel zu einem nicht unbeachtlichen transnationalem Problem geworden. Laut EUROPOL ist der Menschenhandel nach Europa in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Die betroffenen Menschen kommen vor allem aus Russland, der Ukraine, Ostmittel- und Südosteuropa sowie Südostasien, Westafrika und Lateinamerika.

Opfergruppen und Migrationsmotivation

Opfergruppen

Auch wenn Frauen gerade im Zusammenhang mit Zwangsprostitution die größte Opfergruppe ausmachen, sind doch auch Männer und Kinder vom Menschenhandel betroffen.

Männliche Opfer von Menschenhandel finden sich unter anderem in Russland. Sie stammen meist aus der Ukraine oder Weißrussland und müssen oft körperlich und seelisch traumatische Lebens- und Arbeitsverhältnisse erdulden. Die meisten von ihnen verlassen diese Situation aus eigener Kraft, wenn ihnen klar geworden ist, dass sie für ihre Arbeit kein Geld bekommen. Ihnen fällt es oft schwer, sich als Opfer zu sehen; sie führen ihre Situation darauf, dass sie einfach Pech hatten, oder meinen, weil sie in der Rekrutierungsphase eine aktive Rolle gespielt hätten, seien sie keine Opfer.

Obwohl die Zahl der männlichen Opfer des Menschenhandels steigt, ist über die weiblichen Opfer weitaus mehr bekannt. Bis 1989 kamen nach Deutschland vor allem Frauen aus Südamerika, von den Philippinen, aus Afrika, Thailand und den französischen Überseegebieten. Seit 1989 und der Auflösung des Ostblocks kommen die Frauen und Mädchen vor allem aus Osteuropa[11]. Es sind überwiegend jüngere Frauen aus schwierigen Verhältnissen, die von Dritten u.a. durch Inaussichtstellung einer gut bezahlten Arbeit dazu verleitet worden sind. Die meisten Frauen sind generell bereit zur Migration. Manche von ihnen haben eine Vorahnung, dass sie als Prostituierte arbeiten werden[12]. Menschenhändler suchen sich ihre Opfer vor allem unter Personen, die keine reguläre Ausbildung bzw. keinen Abschluss einer sekundären Schulform haben, auf der Flucht vor Missbrauch in der Familie oder Beziehung oder arbeitslos ohne Aussicht auf Anstellung sind. Aber auch Menschen mit höherer Bildung sind wegen der vergrößerten Freizügigkeit, der niedrigen Reisekosten, der weltweiten Kommunikationsstrukturen in Kombination mit den zuvor nicht vorhandenen Möglichkeiten, im Ausland zu arbeiten, potenzielle Opfer. Es ist momentan nicht möglich, die national erhobenen Zahlen der Menschenhandelsopfer zu vergleichen. Nur wenige Staaten sammeln die Daten systematisch und der Begriff und der Umfang des Menschenhandels werden unterschiedlich ausgelegt. Die International Labour Organisation benutzt die Definition des Palermo-Protokolls und schätzt, dass im Jahr 2,4 Millionen Männer, Frauen und Kinder Opfer von Menschenhandel werden. Amnesty Internatio-nal geht von 700.000 bis 2 Millionen Menschen aus, die in die Prostitution gehandelt werden.

Push- und Pull-Faktoren der Migrationsmotivation

Ursachen

Die globale Ungleichbehandlung von Frauen, beispielsweise aufgrund einer bestimmten ethnischen Herkunft, des sozialen Status, Kastenzugehörigkeit oder der Rasse bietet multiplen kriminellen Handlungen erst die Basis.

Verschleppte und verkaufte Frauen werden beispielsweise als Hausangestellte beschäftigt oder als Prostituierte ausgebeutet. Es ist keine Seltenheit, dass sie massiven Folterungen und kontinuierlichen sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind, ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr zu haben, da ihnen Geld und Pässe meist unmittelbar nach Ankunft am Zielort abgenommen werden.

Ein gutes Geschäft bietet der Menschenhandel. Die organisierte Kriminalität profitiert jährlich mit Billionen von Dollars durch diesen Im- und Export. Somit handelt es sich um den drittgrößten Profit, direkt hinter Drogen- und Waffengeschäften.

Globaler Handel mit Menschen

In den USA werden jährlich 45.000 bis 50.000 Frauen und Kinder "günstig erworben". In China wurden innerhalb eines Monats, während einer Kampagne zur Bekämpfung des Menschenhandels über 10.000 Frauen und Kinder befreit. Diese sollten zum Teil als Prostituierte verkauft oder verheiratet werden (was genau genommen auf das Gleiche hinausläuft).

In Westeuropa beliefen sich die Schätzungen auf 500.000 Frauen, häufig aus dem osteuropäischen Raum, welche jährlich zur Prostitution gezwungen werden (Schwelien, 2003). Ungefähr 5% der Frauen, welche zur Prostitution gezwungen werden, sind unter 18 Jahren.

Sowohl Frauen als auch Kinder müssen auf die eine oder andere Art "gefügig" gemacht werden, welches durch unterschiedliche Arten von Folter oder Missbrauch geschieht.


Deliktfelder

An diesen meist weiblichen Menschen werden folgende Delikte begannen: sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Nötigung, körperliche Gewalt, psychische Misshandlungen, Sklaverei, Knechtschaft, Arbeit ohne Lohn, Freiheitsberaubung, Entführung u.a.m.

Wesentlicher Push-Faktor der Migrationsmotivation ist gewöhnlich die hohe Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern der Opfer des Menschenhandels. Der Arbeitsmarkt ist für Frauen nicht offen und es herrscht geschlechtsspezifische sowie ethnische oder sexuelle Diskriminierung. Aber auch Armut oder Flucht vor Verfolgung, Gewalt, Missbrauch und Menschen-rechtsverletzungen können ein Faktor sein, ebenso wie der Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur, innerstaatliche Konflikte oder Kriege. Gemeinsam ist fast allen Opfern des Menschenhandels die Annahme, dass es im Westen größere Möglichkeiten für sie gebe. Pull-Faktor der Migrationsmotivation ist für die aus instabilen, wirtschaftlich schwachen Staaten stammenden Opfer des Menschenhandels die große sozioökonomische Attraktivität der Staaten Westeuropas und Nordamerikas. Sie erhoffen sich durch die Migration bessere Bildungsmöglichkeiten, dem Wegfall von Diskriminierung, einen Mindeststandard individueller Rechte, größere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, höhere Gehälter und angenehmere Arbeitsbedingungen. Auch die Nachfrage nach neuen Prostituierten in den Rotlichtmilieus der westlichen Staaten ist ein wichtiger Pull-Faktor[17]. Das Landeskriminalamt Hamburg nimmt an, dass ungefähr 80 Prozent der nach Hamburg gehandelten Frauen wüssten, dass sie in der Prostitution würden arbeiten müssen. Nur die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssten, seien ihnen vorher nicht bekannt. Auch sei die nach außen hin freie Entscheidung nur als relativ frei zu betrachten, da ihre Situation im Heimatland den Frauen häufig kaum eine Wahl lasse. Die Frauen hätten bei den Menschenhändlern hohe Schulden, weil sie für die Visabeschaffung etc. extreme Preise bezahlen müssten. So sei es für sie fast unmöglich, aus dieser Ausbeutungssituation herauszukommen.

Rekrutierung und Routen

Gerade in Entwicklungsländern und Transformationsstaaten werden bestimmte Methoden des Anwerbens von Frauen und Mädchen immer wieder angewandt. Zu den weiblichen Opfern wird auf lokaler Ebene eine Beziehung, oft auch eine Liebesbeziehung, aufgebaut. Die jungen Frauen und Mädchen werden dann überredet, ihre Familien für eine bessere Zukunft zu verlassen. Es geht dann weiter in größere, anonyme Städte, wo die Frauen schnell in ein Abhän-gigkeitsverhältnis geraten. Gewalt und Erpressung sowie häufig Vergewaltigungen folgen. Oft werden die Opfer weiterverkauft und ihnen wird sogar mit Gewalt gegenüber ihren Familien gedroht. Die meist naiven Frauen haben selten eine Möglichkeit, sich selbst aus dieser Situation zu befreien.

Die Routen, auf denen die gehandelten Personen gewöhnlich nach Westeuropa gelangen, füh-ren alle durch sehr viele Länder. Die Balkanroute z.B. verläuft ausgehend von Zentral-, Vor-der oder Kleinasien über die Türkei und Griechenland durch die Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich und Deutschland. Von hier kann es weiter in andere EU-Staaten oder in die Schweiz gehen.

Menschenhandel als Teil der Organisierten Kriminalität

Die außerordentlich Große Zahl migrationswilliger Personen hat dazu geführt, dass Menschenhandel auch für die Organisierte Kriminalität interessant geworden ist. Wie in einem legalen Unternehmen gibt es bei der Organisation des Menschenhandels eine Zentrale und verschiedenen Abteilungen. Die Führungsebene teilt den Gewinn und zahlt den Akteuren auf der unteren Ebene wie regulären Angestellten ein Gehalt. Es gibt auch Absprachen, u.a. zum Ziel der Kartellbildung. Der große Unterschied ist die Gewaltanwendung als Sanktionsmittel sowie die Isolation nach außen und nach innen, denn weder die Behörden noch der einfache Akteur sollen Einblicke erhalten. Die großen Gewinne fallen aber erst mit der Ausbeutung der gehandelten Personen nach der Verbringung ins Zielland an. Deshalb steigen immer mehr Menschenhändler auch ins Nachtclub-, Bar- oder Bordellgewerbe ein. Gerade auch das Betreiben der sogenannten Modellwohnungen führt zu großen Gewinnen. So kann eine Drei-Zimmer-Wohnung an zwei bis drei Prostituierte vermietet werden, die dann z.B. in Hamburg pro Person bis zu 10 Prozent der Monatsmiete am Tag bezahlen müssen. EUROPOL schätzt den Profit aus der illegalen Ausbeutung der Arbeitskraft auf jährlich 44 Milliarden Dollar. Die International Labor Organisation geht von einem entsprechenden jährlichen Gewinn von 32 Milliarden US-Dollar weltweit aus. Auch wenn die Zahlen variieren, so scheint man sich doch einig, dass der Menschenhandel ein äußerst lukratives Geschäft ist. Selbst die angedrohten Strafen können die Attraktivität des Geschäfts nicht trüben, da in Strafprozessen selten das Höchstmaß angeordnet wird und ebenfalls selten die Gewinne des Täters eingezogen werden.

Wenn Menschenhandel im Bereich der Organisierten Kriminalität ausgeübt wird, wird auch das Risiko verkleinert. Dabei helfen unter anderem das arbeitsteilige Vorgehen sowie der ständige Wechsel der Aufenthaltsorte der Opfer. Häufig bestehen auch Kontakte zu korrupten Individuen in staatlichen Institutionen, sogenannten „Schlüsselfiguren in Wirtschaft und Finanz zur Waschung, Konvertierung und letztlich Sicherung der auf kriminelle Weise erworbenen Kapitalsummen“.

Vorgehen gegen Menschenhandel

Internationale Abkommen

Historische Entwicklung der internationalen Abkommen

Im 19. Jahrhundert wurde Menschenhandel als „Mädchen- und Frauenhandel“ zu einem Thema von Politik und Öffentlichkeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es lediglich um den Handel mit Personen zum Zweck der Prostitution. Zu diesem Zeitpunkt galt die Anwerbephase als das höchste kriminalisierende Merkmal im Gegensatz zur Beförderung und der Übergabe an ein Bordell. Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse in der Prostitution selbst sollten international davon abgegrenzt werden, um den Nationalstaaten ihre eigenen gesetzlichen Entscheidungen zu lassen.

1904 verabschiedeten fast alle europäischen Länder das „Abkommen über Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel“. So sollten minderjährige Betroffene vor Strafverfolgung geschützt werden. Bei den volljährigen musste aber zusätzlich noch ein qualifiziertes Tatmittel in Form einer Täuschungs- oder Nötigungshandlung vorhanden sein. Dem „Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels“ von 1910 mangelte es an einer einheitlichen Definition des Mädchenhandels gab. Beibehalten wurde die Strafverfolgung Volljähriger.

1921 wurde vom Völkerbund die „Internationale Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels“ beschlossen. 1933 folgte das „Internationale Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen“. So wurden die beiden früheren Abkommen konkretisiert und ausgeweitet. Handel und die Vorbereitung dazu sollten nun zusätzlich strafrechtlich verfolgt werden. Bei volljährigen Frauen sollte die „Anwerbung, Verschleppung oder Entführung … zu unzüchtigen Zwecken als Menschenhandel“ gelten. Eine qualifizierte Tathandlung war nicht mehr nötig.

Abkommen der Vereinten Nationen

1950 verständigten sich die Vereinten Nationen auf die „Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausnutzung zur Prostitution anderer“. Die unterzeichnenden Staa-ten verpflichteten sich, „die Beschaffung, Verführung, Verleitung oder Ausnutzung zur Pros-titution, auch mit deren Zustimmung, um die Leidenschaften einer anderen Person zu befriedigen“ strafbar zu machen. Zum ersten Mal wurden in diesem Dokument Prostitution und Menschenhandel als die Menschenwürde verletzend bezeichnet. Deutschland ist der Konven-tion nicht beigetreten, weil durch einige Artikel die deutsche Handhabung der Prostitution eingeschränkt worden wäre.

Zwar verabschiedeten die Vereinten Nationen schon 1998 die Resolution (1998/30), die zur Kriminalisierung des Handels mit Frauen und Mädchen aufrief[33], doch erst Artikel 3a des sogenannten Palermo-Protokolls, dem einen der beiden Zusatzprotokolle der Konvention gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, beinhaltete eine „völkerrechtlich verbindliche, universelle Menschenhandelsdefinition“. Das Palermo-Protokoll betont den Opferschutz. So verpflichten sich die Vertragsparteien sohl zum Schutz des psychischen und physischen Wohlergehens der Opfer als auch zum ihrer körperlichen Sicherheit. Dazu soll die Zusammenarbeit mit NGOs verstärkt werden. Opfer sollen u.a. Entschädigungen einfordern können. Auch Präventionsmaßnahmen werden empfohlen. Die Zielländer des Menschenhandels sollen durch erzieherische und kulturelle Maßnahmen für einen Rückgang der Nachfrage sorgen. Auch die sozioökonomische Situation in den Herkunftsländern soll verbessert werden. Laut Oberloher ist das Palermo-Protokoll zwar wie alle internationalen Abkommen mit Mängeln ausgestattet, aber als Erfolg müsse die bessere internationale Kooperation und die Durchsetzung grundlegender Mindeststandards gewertet werden.

Menschenhandel und die EU

Die „Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels“ (ETS Nr. 197) von 2005 greift die Definition des Palermo-Protokolls auf. Sie bekräftigt, dass Menschenhandel die Menschenrechte sowie die Würde und Integrität des Menschen verletze. Sie bezieht sich auf alle Formen des Menschenhandels, ob national oder transnational und ob Teil der Organisierten Kriminalität oder nicht. Vor allem legt sie Wert auf den Opferschutz und die internationa-le Zusammenarbeit. Sie setzt auch einen Mechanismus ein, um die Umsetzung der Konvention durch die einzelnen Staaten zu überprüfen. Die Konvention begründet einen allumfassenden rechtlichen Rahmen einschließlich verpflichtenden Maßnahmen für den Schutz der Opfer des Menschenhandels und der Zeugen.

Nationale Gesetzgebung: Beispiel Deutschland

Deutschland gilt als das europäische Hauptzielland für den Handel mit Frauen zu Prostitutionszwecken. 1973 wurde Menschenhandel im Rahmen der Neuordnung des Sexualstrafrechts ein eigenständiges Delikt. Bis dahin hatte der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf gesehen, da die Regelung zur Kuppelei und ergänzende Vorschriften ausreichend gewesen seien. Die Regelungen bezüglich des Menschenhandels wurden unter „Förderung zur Prostitution“ (§ 180a Abs. 3 bis 5 a.F. StGB) und „Menschenhandel“ (§ 181 a.F.) eingeführt. In § 181 a.F. ging es nicht um den „Handel“ sondern „um die Rekrutierung von Personen zu sexuellen Handlungen oder Prostitution“. Es ging nun nicht mehr wie bei den Kuppeleivorschriften, um die Kriminalisierung der Förderung fremder Unzucht aus moralischen Gründen, sondern um den Schutz der Unabhängigkeit der im Prostitutionsmilieu tätigen Personen.

Mit der Erweiterung durch die 26. StrÄndG von 1992 wurde § 181 a.F. neu gefasst und in „Menschenhandel“ (§ 180b a.F.) und in „Schwerer Menschenhandel“ (§ 181 a.F.) unterteilt. Sogenannte „benachbarte Tatbestände“ wurden unter § 181a (Zuhälterei), § 180a (Förderung der Prostitution bzw. Ausbeutung von Prostituierten) sowie §§ 92a (Einschleusen von Ausländern) und § 92b (gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern) AuslG geführt. Hinzu kam durch diese Erweiterung der Schutz von Personen, die zum Tatzeitpunkt schon der Prostitution nachgingen. Sie betraf Personen, die am Verlassen des Prostitutionsmilieus gehindert oder zu einer anderen Form der Prostitution gebracht wurden. §§ 180b und 181 sprachen aber nur vom „Menschenhandel“, wenn es um sexuelle Ausbeutung ging[41]. Mit §§ 92a und 92b AuslG sollten nicht die Interessen der geschleusten Person geschützt werden, sie galt nicht als Opfer sondern als Täter[42]. Der „einfache“ Menschenhandel hatte als Voraussetzung sowohl eine besondere Gefährdungslage des Opfers, entweder durch eine Zwangslage (wirtschaftliche oder persönliche Bedrängnis)oder einer sogenannten auslandsspezifischen Hilflosigkeit(kulturelle Umstellungs- oder Sprachschwierigkeiten, aber auch Wegnahme der Reisedokumente durch den Täter etc.). Der Schutz von Personen unter 21 Jahren war davon unabhängig. Beim „Schweren Menschenhandel“ standen drei Verhaltensweisen unter Strafe: „Bestimmen einer Person zur Aufnahme oder Fortsetzung von Prostitution durch Einsatz von Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder List (Abs.1 Nr. 1); das Anwerben durch List oder die Entführung unter Anwendung bestimmter Tatmittel, um die Person in Kenntnis einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit zu sexuellen Handlungen zu bringen (Abs. 1 Nr. 2), und die gewerbsmäßige Anwerbung, um die Person in Kenntnis einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit zur Aufnahme oder Fortsetzung von Prostitution zu bringen (Abs. 1 Nr. 3)“[43]. Diese beiden gesetzlichen Maßnahmen wurden damit begründet, dass man trotz des Nichtbeitritts zur VN-Konvention von 1950 sie erfüllen wolle. Mit dem 37.StrÄndG von 2005 wurden die Vorschriften über den Menschenhandel neu gefasst, und zwar mit den neuen §§ 232 (Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung) und 233 (Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft) und § 233a (Förderung des Menschenhandels). Damit sollte sowohl eine Angleichung an das Palermo-Protokoll als auch die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der EU vom 19.07.2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels erreicht werden[45]. Durch das 37. StrÄndG wurde auch § 154c StPO dahingehend erweitert, dass von der Strafverfolgung abgesehen werden kann, „(z)eigt das Opfer einer Nötigung oder Erpressung (§§ 240, 253 des Strafgesetzbuches) diese an (§158) und wird hierdurch bedingt ein vom Opfer begangenes Vergehen bekannt“. Gemäß § 232 geht es u.a. nicht mehr um die „Kenntnis“ einer Zwangslage oder auslandsspe-zifischen Hilflosigkeit, sondern die „Ausnutzung“ dieser, also eine Veränderung hin zur Objektivität. Auch wurde eine Veränderung vom „Bestimmen“ hin zum „Bringen“ (zu sexuellen Handlungen oder zur Prostitution) vorgenommen. Als erweiterte Qualifikationstatbestände gelten: Das Opfer ist noch ein Kind, der Täter misshandelt das Opfer bei der Tat schwer oder bringt es in Todesgefahr oder es handelt sich um eine bandenmäßige Begehungsweise. Auch wurde das Strafmaß erhöht (§ 232 Abs. 3 Nr. 1 ff.). In den neuen § 233 wurden aus dem § 234 (Menschenraub) die Tatbestände des Verbringens „in Sklaverei, Leibeigenschaft“ übernommen und um die Tatbestandsmerkmale „Schuldknechtschaft“ und „Beschäftigung … zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben“(§ 233 Abs. 1).

Maßnahmen gegen Menschenhandel

Repressive und präventive Maßnahmen

Auch wenn in den internationalen Abkommen regelmäßig auf Präventionsmaßnahmen verwiesen wird, wird repressiven Maßnahmen gewöhnlich der Vorzug gegeben. Zu diesen Maßnahmen zählen u.a. eine schärfere Gangart in der Strafverfolgung: mehr Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, Verbesserung Methoden, Großoffensiven mit internationaler Kooperation. Hinzu kommen staatliche Zeugenschutzprogramme für einstige Mitglieder krimineller Organisationen, der Einsatz von Undercover-Agenten, Einbindung nachrichtendienstlicher Erkenntnismethoden und die Einführung neuer Straftatbestände.

Im Unterschied zu repressiven Maßnahmen sind präventive Maßnahmen nachhaltig. Ihre Ergebnisse sind aber für gewöhnlich nicht sofort sichtbar. Repressive Maßnahmen führen zu sofort sichtbaren Erfolgen. Sie behandeln aber nur die Symptome und nicht die Ursachen. Repressive und präventive Maßnahmen sollten parallel eingesetzt werden.

Opferzeugen

Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt. Es gibt generelle wenige Anzeigen von Opfern. Deshalb sind Ermittlungsmaßnahmen besonders wichtig. Für ihren Erfolg sind Opferzeugen entscheidend. Problematisch ist hier jedoch, dass zwar mit einer aufenthaltsrechtlichen Duldung der Aussagewille steigt, doch der Wille zur Aussage als Voraussetzung für die Duldung gilt. Annette Louise Herz empfiehlt, bei Menschenhandelsverfahren frühzeitig mit Fachberatungsstellen für Opfer zusammenzuarbeiten. Auch sollte den Opfern ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt werden. So könne die Aussagebereitschaft der Opferzeugen positiv beeinflusst werden. Trotz einer gewöhnlich offiziell geregelten Kooperation von Dienststellen und Fachberatungsstellen werde nicht immer zu den Fachberatungsstellen Kontakt aufgenommen. Eine Erklärung hierfür sei, so Herz, die begrenzten Kapazitäten der Fachberatungsstellen sowie fehlendes Engagement der Sachbearbeiter. Gewöhnlich werde der Rechtsbeistand erst nach dem Einschalten der Fachberatungsstelle hinzugezogen. In Hamburg ist die nicht-staatliche Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel e.V. tätig.

Polizeiarbeit

2001 wurden im gesamten Bundesgebiet 273 Fälle des Menschenhandels mit 987 registrierten Opfern erfasst. Die Hälfte der Opfer war auf legalem Weg nach Deutschland gekommen, z.B. mit Touristenvisa. 24 Prozent der Opfer abgeschoben, 13 Prozent erhielten eine vorrüberge-hende Aufenthaltserlaubnis, 13 Prozent kehrten freiwillig in ihre Heimat zurück, 2 Prozent wurden in Zeugenschutzprogramme der Polizei aufgenommen und 8 Prozent blieben aus an-deren Gründen in Deutschland. Von 39 Prozent der Opfer gibt es entweder keine Auskunft über den Aufenthaltsort oder sie wurden nicht registriert. Seit 1999 sind Opfer von Menschenhandel auch befugt, am Assisted Voluntary Return Programme der International Organisation of Migration teilzunehmen, um in ihre Heimatländer zurückzukehren.

Die Polizeistatistiken über Menschenhandel können nur einen Ausschnitt des Gesamtausmaßes zeigen. Dies hat u.a. damit zu tun, dass durch die Statistik nur die Ermittlungsaktivität festgehalten wird. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Dezernate setzen oft besondere Schwerpunkte, z.B. um größere Verfahren auszuermitteln. Oft verlagert sich auch der Ermittlungsschwerpunkt, gerade wegen verfahrensökonomischer Gesichtspunkte, auf leichter zu beweisende Strafvorschriften (z.B. Einschleusung von Ausländern).

In Deutschland ist Prostitution seit 1927 erlaubt, aber reglementiert. Nur in Sperrgebieten ist sie strafrechtlich verboten. Für die bei Verdacht von Menschenhandel ermittelnden Polizis-ten bedeutet das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) von 2001 und die damit erfolgte Entkriminalisierung der Loddel, Luden, Bordellieren und Puff-mütter durch die Streichung des §180a StGB (Förderung der Prostitution), dass sie ohne einen wichtigen "Einstiegsermittlungsgrund" auskommen müssen. Durch die EU-Osterweiterung ist auch der Verdacht auf Illegalität fast ganz weggefallen.

Die Hamburger Dienststelle LKA 65 hat ihre eigene Vorgehensweise entwickelt, um operative Erkenntnisse zu sammeln. Ihr Modellprojekt beinhaltet, dass eine Gruppe von Beamten der Abteilung Organisierte Kriminalität zu den Prostituierten geht, sie an den Orten trifft, an denen sie arbeiten. Die Beamten erhoffen sich so bessere Informationen über Zwangsprostitution. Sie wollen ein Vertrauensverhältnis zwischen sich und den Prostituierten aufbauen. Den Prostituierten soll klar gemacht werden, dass die Beamten gegen die Ausbeuter und nicht ge-gen die Prostituierten vorgehen wollen und dass die Polizei den Frauen – anders als vielleicht in ihren Heimatländern – helfen will. Das LKA schätzt, dass 95 Prozent der Prostituierten Zwangsprostituierte sind, also ihr Geld nicht selbst behalten können und fremdbestimmt sind. 2007 ging laut LKA ungefähr die Hälfte aller Verfahren in diesem Bereich auf die Initiative der Opfer zurück[56]. Dies widerspricht zwar der allgemeinen Annahme, dass vor allem die polizeiliche Ermittlungsarbeit zu Verfahren führe, wird aber in einer Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zusammen mit dem Bundeskriminalamt und der Wiesbadener Kriminologischen Zentralstelle bestätigt. Diese Studie zeigt auch, dass die Erfolgsquote bei Fällen, die durch Anzeigen und Hinweise in Gang gesetzt wurden, mit 38,7 Prozent die höchste ist. Auch zeigt die Studie, dass dort, wo besondere Polizei-Dezernate eingesetzt werden, eine höhere Erfolgsquote zu verzeichnen ist. Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen führen zu keinen höheren Erfolgsquoten.

Aber Menschenhandel ist ein internationales Problem und muss somit auch international bekämpft werden. Deshalb ist auch die Polizei in den Ursprungsländern gefragt. Doch ist dort häufig Korruption sowohl in der Verwaltung als auch bei der Polizei noch ein Problem. Aber auch die westlichen Staaten sind dagegen nicht gefeit. In den Ursprungs- oder Transitländern wird die Situation aber noch zusätzlich dadurch beeinträchtigt, dass nicht ausreichend Mittel für die Ausrüstung, die Ausbildung und die Gehälter der Ordnungs- und Sicherheitskräfte vorhanden sind.


Literatur

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  • EMMA (2007): Der Deutsche Sonderweg: Die Reform schlägt zurück, in:

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  • IOM (2003): Trafficking in Germany: New Legislation and Programmes Planned, in:

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  • Schwelien, M.: Wo keine Zeuginnen sind, gibt es keine Täter. In: Die Zeit, 02.10.2003, Nr.41
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http://www.michaelspecter.com/times/1998/1998_01_11_nyt_contraband.html; Zugriff: 29.09.2008.

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