Terrorismus

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Der Terror war die erste Form strategischer Grausamkeit und eine der ersten Kampf- und Herrschaftstechniken überhaupt. Er nutzt die Überlegenheit ohne Einschränkung und ohne Furcht vor Vergeltung. Dass es dazu nicht kommt, dafür sorgt die Konsequenz des Terrors selbst.

Der kleine Bruder des Terrors ist der Terrorismus. Es ist der Versuch unterlegener Kräfte, sich desselben Prinzips zu bedienen. Er ist die Spiegelung des Terrors im Verhalten der subalternen Kräfte und Klassen.

Natürlich ist die Dimension kleiner. Die Opferzahlen sind geringer. Die Möglichkeiten sind beschränkter. Der Aspekt der Botschaft - der Kommunikation - tritt gegenüber dem instrumentellen Aspekt der Vernichtung des Gegners noch weiter in den Vordergrund.

Spektakuläre Anschläge dienen der indirekten Steuerung des übermächtigen Gegners in eine Richtung, von der sich die Terroristen selbst den größten (propagandistischen) Vorteil erhoffen.

Beispiele sind im 1. Jahrhundert AD die Sikarier, im 12. die Assassinen.

Im 19. Jahrhundert Propaganda der Tat durch Bakunin, Netschajew und andere Anarchisten. Dann durch die Sozialrevolutionäre in Russland. Terroristischer Mittel bedienten sich auch Gruppen in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik (Rote Armee Fraktion (RAF)) sowie Gruppen des sog. neuen oder internationalen oder djihadistischen Terrorismus.


Definitionen

"Unter Terrorismus möchte ich verstehen erstens eine Reihe von vorsätzlichen Akten direkter, physischer Gewalt, die zweitens punktuell und unvorhersehbar, aber systematisch drittens mit dem Ziel psychischer Wirkung auf andere als das physisch getroffene Opfer viertens im Rahmen einer politischen Strartegie ausgeführt werden" (Hess 1988: 59).

"Terrorismus ist die Strategie der wiederholten, durch entsprechende Taten glaubhaften Drohung mit der gleichfalls wiederholten Tötung oder schweren Verletzung Unschuldiger oder der Zerstörung oder schweren Schädigung von deren Eigentum, um andere als die direkten Opfer der Gewalt einzuschüchtern, zu bedrohen oder sonstwie zu beeindrucken. Terroristische Akte sind diejenigen schweren Angriffe auf Unschuldige oder deren Eigentum, welche Teil einer solchen Strategie sind" (Steinhoff 2005: 162).

Steinhoff simpel: Terrorismus ist die Strategie der wiederholten Tötung von Personen, um andere Personen zu beeinflussen.

"Terrorismus ist der kleine Bruder des Terrors. Als solcher ist er eine politische Strategie (subnationaler Akteure), bei der die wiederholte Anwendung punktueller und für die (unschuldigen) Betroffenen unvorhersehbarer Gewalt gegen Personen andere Personen in ihren Gefühlen, Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflussen (also z.B. eine Regierung zu einer Veränderung ihrer Politik bewegen und/oder die eigene Anhängerschaft der Terroristen ermutigen) soll" (Sebastian Scheerer).

"Terrorismus ist eine politisch motivierte Taktik, die die Drohung oder die Anwendung von Gewalt impliziert, wobei das Streben nach Publizität eine signifikante Rolle spielt" (Weinberg, Pedahzur, Hirsch-Hoefler 2004: 786).

"Terrorismus ließe sich dann zum Beispiel als die Situation verstehen, in der ein nicht-staatlicher Akteur A gezielte manifeste Gewalt gegen Zivilisten einsetzt (Mittel), um Angst und Schrecken zu verbreiten (Ziel) und den Staat (Akteur B) zur Veränderung seiner Politik zu zwingen (Zweck). Damit wäre der aktuelle Sprachgebrauch vermutich relativ gut getroffen und z.B. al-Qa'ida als Terrorgruppe präzise charakterisiert" (Daase 2007: 93).

Man könnte den Terrorismusbegriff aber auch "radial" konstruieren. Er wäre dann durch eine Reihe von Familienähnlichkeiten bestimmt. In einem bestimmten best case wäre er aber sozusagen verankert. Mit anderen Worten: am "meisten" terroristisch ist die Art des Terrorismus, "bei der nicht-staatliche Akteure gezielte manifeste Gewalt gegen Zivilisten ausüben, um Angst und Schrecken zu verbreiten um dadurch einen Politikwandel des Staates herbeizuführen" (Daase 2007: 94).

Symmetrische Narrative von Terrorismus und Anti-Terrorismus

Terroristen und ihre Feinde pflegen ihre eigenen Legitimationsdiskurse was die politischen Themen angeht, aber auch in Bezug auf die Narrative über den terroristischen Konflikt selbst.

Dabei zeigen sich symmetrische Muster der Darstellung. Jede Partei inszeniert sich als Getriebenen, der zu seinen Handlungen gezwungen wurde. Jede Partei inszeniert sich als Unschuld vom Lande, die andere als das Böse. Man ist sich über die Gräben der Differenz hin einig: das Böse kann man nicht verstehen, man kann es nur bekämpfen.


Paradoxie der Bekämpfung

Vom Rechts- zum Normenstaat

Der Rechtsstaat ist durch Rechtlichkeit, Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit, durch Grundrechte und Gewaltenteilung gekennzeichnet.

Der Kampf gegen den Terrorismus hat die Tendenz, alle diese Merkmale aufzulösen. Der Endpunkt dieser Auflösung steht fest: die Rückkehr des Absolutismus. Ob dieser Endpunkt erreicht wird, hängt nicht zuletzt von der Dauer des Kampfes ab - und natürlich von vielen anderen Parametern (wie der Existenz einer bürgerlichen Gesellschaft usw.).

Der Rechtsstaat wird zum Normenstaat. Das ist sozusagen die Erscheinung des Rechtsstaats ohne seinen Gehalt. Als Normenstaat tritt der Staat überall dort auf, wo Gesetze, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte nach wie vor Gültigkeit besitzen.

Eine Besonderheit ist jedoch, dass der Normenstaat Konkurrenz erhält. Es gibt Instanzen wie z.B. besondere Polizeien oder Geheimdienste, die den Geltungsbereich des Normenstaates überall dort zurückdrängen, wo sie eine politische Zweckmäßigkeit (als Notwendigkeit verkleidet) erblicken.

In diesem Sektor gilt ein anderes Gesetz: das Gesetz der Opportunität und das Recht des Stärkeren. Menschen werden hier nicht wie Bürger respektiert, sondern wie Objekte behandelt. Sie sind der Willkür der Maßnahmen ausgeliefert. Mit Ernst Fraenkel können wir hier von der Existenz eines Maßnahmenstaates parallel zum Normenstaat sprechen.

Den Subjekten/Objekten des Maßnahmenstaates gegenüber kann im Namen politischer Gründe jedes Recht gebrochen, jedes Gesetz verletzt werden - und politisch ist das, was die politischen Instanzen selbst für politisch erklären.

Guantánamo ist nur einer der Versuche, außerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung einen rechtsfreien Sektor zu schaffen, in dem allein die Maßnahmen herrschen.

Vor der Gefahr des 'Doppelstaats' (Fraenkel) sind auch demokratische Rechtsstaaten wie die USA in Momenten existentiell erlebter Bedrohung nicht gefeit, in denen das Argument der politischen Handlungsfreiheit augenscheinlich eine stärkere Überzeugungskraft besitzt als die Unverbrüchlichkeit des Rechts.

Die entscheidende Frage ist, wie man die Zukunft einschätzt. Ist der aktuelle Normenstaat westlichen Typs in der Lage, die Sektoren des Maßnahmenstaats nach und nach wieder der Herrschaft des Rechts zu unterwerfen?

Zeichen dafür wären die Rücknahme von Normsetzungen und von Maßnahmen, verbunden mit nationalen und internationalen Entschuldigungen und Entschädigungen für die Opfer der Maßnahmen.

Oder befinden wir uns in einer unilinearen Entwicklung vom Normen- zum Maßnahmenstaat mit allen Möglichkeiten einer Analogie zur finsteren Zeit der Entstehung dieser Analysekategorien selbst?

Mit ein wenig Optimismus kann man vermuten, dass wir uns in einer Zeit befinden, die durch nicht unidirektionale, sondern durch vielfältige rück- wie gegenläufige Bewegungsrichtungen gekennzeichnet ist.

Wie der Rechtsstaat sich zu Tode schützt (Dahs).

Kontraproduktive Auswirkungen

Die Bekämpfung erfolgt

  1. durch Ressourcenbündelung (weniger Bildung, mehr Zwangsstäbe)
  2. durch Gesetzgebung (Stärkung der Exekutive zu Lasten der Legislative und der Judikative und zu Lasten der Bürgerrechte)
  3. durch außergesetzliche Maßnahmen (Maßnahmenstaat; extralegale Spionage, Sabotage, Tötung)

Prioritätensetzung bedeutet: Inkaufnahme von Ungewolltem, um das unbedingt Gewollte zumindest zu erreichen.

Auf die Dauer kommt es zu Eigendynamiken kumulierter ungewollter Nebenfolgen.

Eine davon ist die Erstarkung von prinzipieller Opposition.

Eine andere davon ist das Verschwinden des Rechtsstaats zugunsten des Ausnahmezustands. Der Staat ist nicht mehr das Gut, das zu verteidigen sich lohnt. Es ist nur noch das Eigene, nicht mehr das Gute. Aus dem Normenstaat wird der integrale Staat nach Horkheimer, eher noch der Doppelstaat nach Fraenkel.

Beispiele für den Maßnahmenstaat: Guantanamo, Außerordentliche Überstellung, Folter, Gezielte Tötung, Osama bin Ladens Tod, Terrorliste, NSA, Belügen der Öffentlichkeit durch den Präsidenten, Belügen des Kongresses durch Geheimdienste ...

Manche der Maßnahmen werden standardisiert, legitimiert und gesetzlich fixiert: Feindstrafrecht

Weblinks und Literatur