Polizei (Deutschland)

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Als Exekutivorgan obliegt der Polizei die Aufgabe der Aufrechterhaltung und Gewährleistung der Inneren Sicherheit, die im föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland (BRD) grundsätzlich in den Kompetenzbereich der 16 Bundesländer fällt (Art. 30 GG).

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Polizeiabzeichen

Geschichtliches

Nachdem bereits 1829 in England die Metropolitan Police begründet war, etablierte sich in Preußen erst im Revolutionsjahr 1848 mit der Berliner Schutzmannschaft eine schutzpolizeiliche Organisation mit neuen Maßstäben und Formen.

Zuvor fungierte insbesondere während der Zeit des aufgeklärten Absolutismus der preußische Staat als Polizeistaat. Mit Reglementierungen und Unterdrückung, aber auch Wohlfahrtlichkeit,diente die Polizeigewalt mit ihrer Allzuständigkeit der Herrschaftssicherung des Staates sowie der Bevormundung der Untertanen, nicht aber den individuellen Rechten der Bürger. Die Beschränkung der polizeilichen Befugnisse auf den Bereich der Gefahrenabwehr erfolgte schließlich im Kaiserreich; im Kreuzberg-Urteil wurde eine Trennung von Wohlfahrts- und Sicherheitspolizei vollzogen.

Polizei in Deutschland durchlief im 20. Jhd. verschiedene politische Systeme: die konstitutionelle Monarchie des Kaiserreichs, die durch Volkssouveränität geprägte Weimarer Republik, Faschismus und Rassismus im Nationalsozialismus, den realen Sozialismus der DDR und schließlich die liberale Rechtsstaatlichkeit der BRD. Trotz eklatanter Unterschiede der Herrschaftssysteme, denen Polizei stets als Staatsdiener fungierte, blieb zweierlei durchgängig erhalten: 1. polizeiliches Handeln war immer schon mit Konfrontation und Opposition behaftet. 2. der Ordnungsbegriff blieb Fixpunkt. Dabei blieb das Freund-/Feindbild, das Bild des strengen aber gerechten Ordnungshüters stets erhalten (vgl. Lüdke, 1992). Nach dem zweiten Weltkrieg wurde nach dem angelsächsischen Prinzip, das Polizei als Dienstleister für den Bürger sieht, Polizei in der englischen und amerikanischen Besatzungszone kommunalisiert. Erst in den 1970ern startete der föderalistische Polizeiaufbau mit seinen klassischen Grundzügen.

Aufgabenbereiche

Polizeiliches Tätigwerden umfasst zunächst die durch gesetzliche Grundlagen geschaffenen Bereiche der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die Überwachung des Verkehrssektors sowie die Aufgabe der Gefahrenabwehr, welche im Landesrecht den Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst. Polizei agiert neben diesen hoheitlich betrauten Aufgaben jedoch auch rund um die Uhr als erster Ansprechpartner für jegliche Belange des Bürgers, der sein Anliegen an keine andere Institution als die der Polizei richten kann. Damit wird Polizei nicht nur repressiv sondern auch präventiv tätig.

Lüdtke differenziert Muss- und Sollleistungen der Polizei und plädierte bereits Anfang der 1990er für eine Verstärkung der auf Prävention und proaktives Agieren gerichteten Sollaufgaben, da ansonsten polizeiliche Hilfe im bloßen sozialen Feuerwehreinsatz stagnieren würde (vgl. Lüdtke, 1992). Auch Feltes unterstreicht den kommunalen Ordnungsgedanken, da die ausschließliche Konzentration auf Kriminalitätsbekämpfung für die Innere Sicherheit allein nicht ausreiche (vgl. Feltes, 2001).

Polizeiliches Handeln wird durch gesetzliche Regularien bestimmt. Nicht nur das Legalitätsprinzip, sondern auch oftmals entstehende Gemengelagen, in denen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr entgegenlaufen, spielen hierbei eine Rolle. Hinzu kommen kriminalpolitische Entscheidungen, die zentral Schwerpunktbildung setzen. So beschäftigt sich Polizei auch mit aktuellen gesellschaftspolitischen Problemen und entwickelt Handlungskonzepte und Präventionsprogramme.

Organisation

Länderpolizei

1. polizeilicher Einzeldienst

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Schutzpolizist in Hamburg
  • Schutzpolizei

Zum Aufgabenbereich gehören der „erste Angriff“ bei Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, Streifendienst und Verkehrsüberwachung. Die Schutzpolizei verfügt über spezielle Einsatzmittel wie die Hunde- , Reiter- oder Hubschrauberstaffel. Teil der Schutzpolizei ist die „Autobahnpolizei“, u.a. mit spezialisierten Verkehrsüberwachungsaufgaben, z.B. hinsichtlich des Güterkraftverkehrs.

Die Wasserschutzpolizei nimmt neben schutzpolizeilichen auch umweltrechtliche Aufgaben auf dem Wasser war. Bis auf Thüringen verfügt jedes Bundesland über eine eigene Wasserschutzpolizei.

  • Kriminalpolizei

Wenngleich nach polizeiinternen Umstrukturierungen die Kriminalpolizei als selbstständige Organisationseinheit nicht mehr in allen Bundesländern existiert, wird der ermittelnde Bereich nach wie vor als Kriminalpolizei bezeichnet, was letztendlich auch medial unterstützt wird. Aufgabenbereich ist die Verfolgung und Verhütung von Straftaten, der sich praktisch in spezialisierter Ermittlungstätigkeit ausdrückt (etwa in den Bereichen von Sexual-, Wirtschafts- oder Staatsschutzdelikten). Als spezialisierte Einheiten werden der Kriminalpolizei Sondereinsatz- und Mobiles Einsatzkommando (SEK und MEK) zugeordnet.

2. geschlossene Einheiten

  • Bereitschaftspolizei
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brennender Pkw bei Demonstration

Die Bereitschaftspolizeien der Länder haben mit ihrer paramilitärischen Ausrichtung und Ausbildung in Form sogenannter geschlossener Einsätze, mitunter auch länderübergreifend, die Aufgabe der Bewältigung polizeilicher Großlagen, wie sie beispielsweise bei Demonstrationen oder Fußballspielen entstehen können. Bereitschaftspolizisten unterstützen mitunter auch den polizeilichen Einzeldienst.

Bundespolizei

  • Bundespolizei

Bundesgrenzschutz und Bahnpolizei fusionierten nach der Wiedervereinigung und dem damit verbundenen Wegfall der innerdeutschen Grenzen zur Bundespolizei, die teilweise eine den Länderpolizeien angeglichene Organisation hat und somit als nationale Schutzpolizei den Länderpolizeien konkurrieren (vgl. Groß 2006). So wurde seither sukzessive die Kompetenz der Bundespolizei ausgebaut. Die „GSG 9“ kommt als hochqualifizierte Spezialeinheit bei höchster Gefahr zum Einsatz.

Das BKA koordiniert Kriminalermittlungsarbeit zunächst auf nationaler Ebene, ist aber auch im internationalen Kontext Koordinator. Polizeiliche Rechtshilfe wird organisiert, der Kontakt zu den einzelnen Landeskriminalämtern koordiniert. Im Zeitalter international organisierte Kriminalität spielt das BKA bei der Verbrechensbekämpfung eine wesentliche Rolle. Zuletzt geriet das BKA mit der Neufassung des BKA- Gesetztes nicht unwesentlich in den Fokus der Öffentlichkeit.

Der deutsche Bundestag ist ein eigenständiger Polizeibezirk, der dem Bundestagspräsidenten unterstellt ist. Sein Aufgabenbereich entspricht dem der Länderpolizeien und soll der Arbeitsfähigkeit des Parlamentes dienen.

Rechtliches

Polizeiliche Maßnahmen, die in die Grundrechte der Bürger eingreifen, bedürfen einer Gesetzesgrundlage und sind an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Verbindlich für alle Polizeien in der BRD sind das Grundgesetz und die Bundesgesetze, wie Strafprozessordnung und Strafgesetzbuch, sowie bundesweite Verordnungen oder auch Polizeidienstvorschriften. Gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen werden dabei in den jeweiligen Sicherheits- und Ordnungsgesetzen der Länder, insbesondere dem jeweiligen Polizeirecht, geregelt. Auch beamtenrechtliche Belange fallen in den Kompetenzbereich der Länder.

Besonderheiten

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Festnahmesituation
  • Gewaltmonopol

Die Polizei als "Organisation mit Gewaltlizenz" (vgl. Hess, 2003) präsentiert eine besondere Ambivalenz von Gewalt-Bekämpfung und Gewalt-Generierung. Nicht nur Polizeiübergriffe und Polizeigewalt, sondern auch Übergriffe und Gewalt gegen Polizeibeamte spielen hierbei eine Rolle.

Polizeiliche Organisationskultur ist nicht nur durch strukturelle und habituelle Faktoren, sondern auch durch interne Denk- und Handlungslogiken sowie dem monopolistischen Status der Gewaltanwendung bzw. -ausübung geprägt. Das Gewaltmonopol ist nicht unerheblich für die Bildung einer eigenen Berufsethik (vgl. Behr, 2006). Nicht unbeachtlich ist zudem die geschichtliche Tradition des Berufsbeamtentums, die Polizisten oftmals ein Berufsleben lang bindet. Dem Beamten als Staatsdiener kommt somit eine Sonderrolle zu, in der dieser neben gesetzlicher Aufgabenerfüllung zugleich seinem Dienstherrn loyal gegenüberzutreten hat. Auf der anderen Seite kommt er so in den Genuss der sogenannten Fürsorgepflicht, bei Fehlverhalten kann dieser jedoch auch intern diszipliniert werden. Polizei hat damit nicht nur einen institutionellen Sonderstatus, sondern auch einen Sonderstatus im Behörden- und Verwaltungsbereich – ihre Kultur ist geprägt durch die Diskrepanz von Polizeikultur und Cop-Culture (vgl. Behr, 2008).


siehe auch: Polizeiforschung, Policing

Literatur

  • Hess, H. in: Herrnkind, Martin; Herrnkind-Scheerer(2003):Die Polizei als Organisation mit Gewaltlizenz.Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle. Münster:LIT (Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik, 31), S. 49-103.
  • Behr, Rafael (2008):Cop Culture - Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei:VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Feltes, T.(2001):„Community Policing“ – ein polizeipolitisches Modell für Europa? in: Fehérváry, J./W. Stangl(Hrsg.):Polizei zwischen Europa und den Regionen. Analysen disparater Entwicklungen,Wien,S.119-132
  • Lüdtke, A.(1992): „Sicherheit“ und „Wohlfahrt“. Aspekte der Polizeigeschichte, in: ders.: „Sicherheit“ und „Wohlfahrt“: Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. Und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M.,S.7–29
  • Groß, H.(2006): Länderpolizeien, in: Lange, H.-J.(Hrsg.):Wörterbuch zur Inneren Sicherheit,Wiesbaden,S.193-198

Weblinks