Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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Moralische Panik (von englisch: Moral Panic), beschreibt ein Phänomen, bei dem eine soziale Gruppe oder Kategorie aufgrund ihres Verhaltens von der breiten Öffentlichkeit als Gefahr für die moralische Ordnung der Gesellschaft gekennzeichnet wird. Ziel der öffentlichen Aufruhr ist die Unterbindung des als Bedrohung empfundenen Verhaltens auf langfristige Sicht. Die dabei entstehende öffentliche Dynamik wird durch eine sensationsfokussierte Medienberichterstattung und privat organisierte Initiativen begleitet. Eine moralische Panik weist in ihrer Verlaufsform einen Spiraleffekt [1] auf. Dieser zieht sich folgendermaßen hin: Zunächst entstehen Befürchtungen über das Verhalten einer sozialen Gruppe oder Klasse, welche als Bedrohung der gesellschaftlichen Werte bzw. der moralischen Ordnung eingeordnet werden. Diese Bedrohung wird daraufhin in einer sensationslüsternen Berichterstattung von den Medien rezipiert und unterstützt dadurch das Ausmaß der gesellschaftlichen Befürchtung. An diesem Punkt folgt eine Reaktion von Autoritäten oder einflussreichen Meinungsmachern,die zur Unterbindung des Verhaltens aufrufen. Letztendlich führt die moralische Panik zu einer Verstärkung der sozialen Kontrolle und der Verringerung der Wahrscheinlichkeit für einen normativen Wertewandel.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Bedeutung


Auf das Phänomen Moral Panic wurde erstmalig von dem britischen Soziologe Jock Young im Jahr 1971 Bezug genommen.[1] Vorlage:RpDieser stellte einen Zusammenhang zwischen der, mit Befürchtungen geführten Diskussion über einen Anstieg der statistischen Daten zum Missbrauch von Drogen und dem verstärkten Aufgebot von Polizeieinsätzen sowie dem Anstieg von gerichtlichen Verurteilungen in diesem Bereich her. [2] Systematisch führte Stanley Cohen in seinem 1972 veröffentlichten Werk ''Folk devils and Moral Panics'' in das Konzept der moralischen Panik ein. Darin fokussiert er hauptsächlich die Reaktion der Medien und das Verhalten der politischen sowie öffentlichen Akteure von Jugendlichen, sogenannten ''Moods and Rockers'', in den 1960-er Jahren in Großbritannien.[1]Vorlage:Rp

Stanley Cohen: Folk Devils and Morals Panics


In Folk Devils and Moral Panics analysiert Stanley Cohen den Ausbruch einer moralischen Panik ausgelöst durch das deviante Verhalten jugendlicher Gruppen in britischen Kleinstädten. Auslöser der Panik war ein aufsehenerregender Straßenkampf in Clacton, einem Küstenort in Großbritannien. Am Karsamstag im Jahr 1964 wurde Clacton Schauplatz einer Aufruhr von Jugendlichen. Es fand ein Streit darüber statt, dass ein Barbesitzer die Bedienung einer Gruppe Jugendlicher verweigerte. Daraufhin entwickelte sich ein Handgemenge, ein Pistolenschuss wurde abgegeben und eine Scheibe im Wert von 500 Pfund zerbrach. Die Polizei inhaftierte im Folgenden ca. 100 Jugendliche aufgrund missbräuchlichen Verhaltens gegenüber der Polizei.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang. Die Reaktion der britischen Medien auf diesen Vorfall war enorm. Bis auf die britische ''Times'' befand sich das Ereignis auf allen Titelseiten bedeutungsvoller Tageszeitungen. Auf den Spiraleffekt zurückgehend folgten Bezeichnungen der jugendlichen Gruppen, als Mods and Rockers und deren Deklaration als gefährliche Folk Devils.[3] Cohen geht bei seiner Analyse von einem Stufenmodell aus, welches aus dem Bereich des ''Katastrophenverhalten'' stammt. Demzufolge ereignete sich bei den Vorfällen in Clacton zunächst eine anfänglich, als deviant charakterisierte Phase, welche in eine Stufe der Beständigkeit überging. In diesem Zusammenhang analysiert Cohen die Rolle der Medien nach drei Kriterien.

  1. Übertreibung und Verzerrung: Cohen kann in den Medienberichten ein breite Verwendung von melodramatischem Vokabular und sensationslüsternen Schlagzeilen erkennen. Außerdem schrieben die Zeitungen fälschliche Aussagen. Beispielsweise veröffentlichte eine Zeitung, dass die Fenster aller Diskotheken zerbrochen waren. Faktisch gab es in Clacton aber nur eine Diskothek bei der nur einzelne Fenster zu Bruch gegangen waren. [4]
  2. Prognosen: Die Zeitungen meldeten Prognosen über mögliche Wiederholungen und Ausbreitungen solcher Unruhen. Dabei gingen sie sogar von Verschlimmerungen der Situation und einer Bedrohung des Frieden aus.[4]
  3. Symbolisierungen: Zudem fand eine Symbolisierung der vermeintlichen Täter statt. Beispielsweise wurden Schlüsselsymbole wie Haarschnitte oder Kleidungsstile ihrer neutralen Konnotation entnommen und mit negativen Assoziationen belegt. Dies wurde auch daran ersichtlich, dass es vor den Ereignissen in Clacton eine Berichterstattung über ''Hooligans'' oder ''Gang Fights'' gab. Bisher hatte diese regulär und ohne hohe Besorgniserregung stattgefunden.

Neben den Medien spielt bei der Entwicklung einer moralischen Panik über jugendliches, gewalttätiges Verhalten das Handeln von Politikern und sozialen Gruppen eine bedeutende Rolle. Lokale Politiker wollten die Vorfälle in Clacton und die damit verbundene Problematik auf national-politische Ebene bringen. Dazu sendeten sie Berichte in das britische Innenministerium sodass der Vorfall und mögliche Konsequenzen letztendlich im Unterhaus diskutiert wurden. Daneben bildeten sich auch lokale Gruppen, die eine effektives Vorgehen gegen das deviante Verhalten forderten. [5]

Bedeutung im Kontext aktueller Forschung


Bedeutung im Kontext aktueller Forschung Das Konzept der Moral Panic entstand in den 1960-er aus der Verbindung von Theorieströmungen aus den Bereichen der kritischen Soziologie,der Labeling Theorie und den ''cultural politics'' [6] Stanley Cohen zeichnet in der Einleitung zu Folk Devils and Moral Panics in der dritten Auflage aus dem Jahr 2002 einen aktualisierten Forschungskontext auf. Aktuell ist das Konzept der moralischen Panik in den Media and Cultural Studies, in der Diskursanalyse sowie in der Soziologie über deviantes Verhalten präsent.

Cohen fasst zudem sieben Cluster sozialer Identitäten zusammen, in dessen Umfeld moralische Panik häufig auftritt:

Zudem weist Cohen daraufhin, dass die Betrachtung der Medien im aktuellen Forschungskontext der moralischen Panik von großer Wichtigkeit sei. Medien gelten ihmzufolge als erste Quelle der öffentlichen Meinung und des daraus resultierenden Wissens über die Devianz der als sozial problematisch bezeichneten Verhaltensweisen. Dabei erfüllen sie drei Rollen [6]:

  1. Weichenstellung: Die Repräsentanten der Medien treffen die Auswahl über sozialproblematische Vorfälle.
  2. Transmission der Darstellung: Innerhalb der medialen Berichterstattung findet eine Übertragung in eine spezifische Rhetorik statt.
  3. Durchbrechen der Stille: Medien treten mittlerweile selber als Anspruchssteller auf. Schlagzeilen lauten beispielsweise folgendermaßen: "Would you like a paedophile as your neighbour?"[7]

Insgesamt konnte in den letzten Jahren sowohl eine verstärkte Einmischung der Medien als auch eine Veränderungen der medialen Berichterstattung über abweichendes Verhalten beobachtet werden. Kriminalität und abweichendes Verhalten werden als in der Gesellschaft weit verbreitetes Phänomen dargestellt. Zudem findet eine stärkere Fokussierung der Opfer statt. Der Hintergrund des Täters, seine Motive und sein Kontext, treten dadurch in den Hintergrund und werden leichter dämonisiert. Insgesamt hat sich die Repräsentantion von Kriminalität in den Medien gewandelt und es gibt Entwicklungen die als Virtuelle Gerichtsvollzug (virtual vigilantism)[8] bezeichnet werden. Diese Entwicklungen werden vor allem in den Boulveradblätter sowie Talkshows erkennbar. [6]

  • Risk Society
  • Veränderungen: qualitativ und quantitativ

Merkmale

Merkmale


Die Soziologen Erich Goode und Nachman Ben- Yehuda arbeiten in ihrem Buch Moral Panics: The social construction of deviance“ fünf signifikante Merkmale, welche das Phänomen der moralischen Panik näher charakterisieren, heraus.[9]

Besorgnis

Besorgnis (Concern)


Innerhalb der Gesellschaft entstehen Befürchtungen über das spezifische Verhalten einer Gruppe. Dieses wird von den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern als abweichend und bedrohend empfunden. Die Befürchtungen kommen in Form öffentlicher Umfragen, Medienkommentare, Gesetzgebungen oder sozialen Bewegungen zum Ausdruck. [10]

Feindesligkeit

Feindesligkeit(Hostility) Es liegt eine kollektiv geteilte Feindseligkeit gegenüber der als Bedrohungen und als grundsätzlich bösartig empfundenen gesellschaftlichen Gruppe oder Klasse vor. Dabei entsteht eine Dichotomie zwischen 'Wir und Denen, welche durch die Bildung von Stereotypen forciert wird. Diese Stereotypenbildun weist in ihrer Struktur Ähnlichkeiten zu den Stereotypen, welche bei der Verdächtigung von Kriminellen von der Polizei verwendet werden, auf. [10]

Übereinstimmung

Übereinstimmung(Consensus)


Um von einer moralischen Panik zu sprechen besteht keine Voraussetzung darin, dass die gesamte Gesellschaft die Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe teilen muss. Da Gefahr eine subjektiv wahrgenommene Größe darstellt, kann es keine klare Definition darüber geben, wann deren Ausmaß grundlegende, moralische Werte bedroht. Zu welchem Zeitpunkt von einer Gefahrensituation gesprochen werden kann ist relativ. Demzufolge gilt für das Auftreten einer moralischen Panik, dass ein substantieller Teil der Bevölkerung Besorgnis über das Verhalten einer gesellschaftlichen Gruppe zeigt und diese Sorge in den fünf Segmenten zum Ausdruck gebracht wird.[10]

Disproportionalität

Disproportionalität(Disproportionality)


Disproportionalität beschreibt die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und objektiven Ausmaß der Gefahr. Folgendes Zitat benennt diese Unverhältnismäßigkeit in ihrem Kern: "Objective molehills have been made into subjective mountains."[11] Der Aspekt der Disproportionalitä ist umstritten, da es sich hierbei um eine Größe handelt, die praktisch nicht messbar ist. Kritiker, vor allem Vertreter des Konstruktivismus[Anmerkung 1] gehen davon aus, dass Disproportionalität sozial konstruiert ist und objektiv gesehen eine leere Hülle darstellt.[10] Die empirische Validität ist folglich fragwürdig. Yehuda und Goode zufolge kann ein gewisses Ausmaß an Disproportionalität allerdings anhand einer Gegenüberstellung von empirischen Datenmaterial und den im öffentlichen Diskurs geführten Aussagen festgestellt werden. Beispielsweise konnten die Wissenschaftler anhand eines Vorfalls im israelischen Parlament von 1982 die Vorlegung übertriebener Zahlen aufzeigen. In diesem Zusammenhang legten ein Parlamentsmitglied und Repräsentanten der Polizei Zahlen darüber vor, dass die Hälfte aller israelischen Gymnasiasten Haschisch konsumieren. Daten aus systematischen Erhebungen blegten einen Haschischkonsum bei 3-5% der Schüler. [12] Diese Vergleich deutet darauf hin, dass im Kontext von Diskursen über anweichendes Verhalten Daten verwendet werden, welche die besorgte Stimmung unterstützen. Des Weiteren weisen Goode und Yehuda auf das Vorliegen einer Disproportionalität hin, sobald extreme Besorgnis über eine Problematik besteht, die im Vergleich zu einer anderen Problematik aber wesentlich geringer ist.[12] In der Feststellung von Disproportionalität ist es außerdem sinnvoll zwischen aktuellen (z.B. Drogenmissbrauch) und zukünftigen (z.B. Klimawandel) Bedrohungen zu unterscheiden.[10]

Votalität

Volatilität (Volatility)


Das Ausmaß einer moralische Panik ist temporär begrenzt und von schwankender Intensität gekennzeichnet. Die dabei aufkommende, extreme Feindseligkeit von Bevölkerungsteilen gegenüber sozialen Gruppen ist nur über einen begrenzten Zeitraum tragfähig. Oftmals tritt eine moralische Panik erruptiv ein und kann anschließend wieder zügig verschwinden oder, nachdem sie ihren Lauf genommen hat, institutionalisiert werden. Bei länger andauernden Befürchtungen können Phasen moralischer Panik hintereinander auftreten.[10] Anhand der Charakteristika Dauer und Schwankungen kann eine moralische Panik von anderen, öffentlichen Befürchtungen über mögliche Gefahren unterschieden werden.

Moralische Panik tritt auf sobald sich die folgenden vier Gebiete überlappen: Devianz, soziale Probleme, kollektives Verhalten und soziale Bewegungen. [13]

Akteure

Ausdrucksform


Mittels der Untersuchung von fünf unterschiedlichen Segmenten aus dem Akteursbereich versucht Stanley Cohen die Ausdrucksform einer moralischen Panik zu skizzieren.

Medien

Medien


Medien stellen in der Verbreitung moralischer Erregung eine Kernposition dar. Dabei funktionieren sie nach ihren eigenen Spielregeln. Zunächst ist wichtig zu beachten, dass die Informationsgewinnung in modernen Gesellschaften über den zweiten Weg verläuft. Dies bedeutet, dass die Informationen von politischen und kommerziellen Beschränkungen geformt werden bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Zitat von Cohen benennt diesen Umstand: "(…) this means that the information has been subject to alternative definitions of what constitutes news and how it should be gathered and presented." [14]. Die Medienberichterstattung weist zudem hohe Auswirkungen auf die emotionale Gefühlslage ihrer Leserschaft auf. Meist hinterlässt sie in der Darstellung ihrer Geschichten unklare Gefühlslagen, welche für den weiteren Verlauf einer moralischen Panik wesentlich sind. Darüber Hinaus weisen Medienberichten die Herstellung von Mythen (myth-making) auf und folgen einem stereotypen Muster. [15] Die mediale Berichterstattung steht auch in Verbindung mit einem verzeichneten Anstieg von devianten Verhalten. Hierbei stellt ''Leslie T. Wilkins'' in seinem Buch: Social deviance: social policy, action and research eine Reaktionsverkettung zwischen der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Reaktion und dem Anstieg von Devianz her.[16]

Öffentlichkeit

Öffentlichkeit


Um von einer moralischen Panik zu sprechen muss die Öffentlichkeit ihr Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe ausdrücken. Nicht alle Medienberichte lösen eine moralischen Panik aus. Eine zentrale Voraussetzung besteht auch darin, dass innerhalb der Gesellschaft eine Unsicherheit und ein latentes Potenzial zum Ausbruch einer extremen Besorgnis bestehen.[17]

Polizei und gerichtliche Instanzen

Polizei und Rechtsstaatlichkeit


Im öffentlichen und medialen Diskurs wird eine Unterbindung und stärkere Kontrolle von dem als bedrohlich deklarierten Verhalten gefordert. Polizei und rechtliche Instanzen gelten dabei als effektive Akteure um das abweichende Verhalten zu unterbinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen. Die Forderungen und der erhöhte Einsatz von polizeilichen sowie gerichtlichen Maßnahmen können Strukturen einer Kultur der sozialen Kontrolle etablieren.[18] Nach Cohen ist die Reaktion einer Kultur der Kontrolle in drei Elementen geteilt: Diffusion, Eskalation und Innovation.

  1. Diffusion In diesem Zusammenhang erhält die Stärkung der Zusammenarbeit von Polizeistellen auf regionaler sowie nationaler Ebene und deren verstärkte Verbindungen zu national-agierenden, gerichtlichen Institutionen eine wichtige Bedeutung. Diese führt zu einer Diffusion des devianten Verhaltens auf größerer regionaler Ebene und wird in der Ausweitung von Polizeieinsätzen, polizeilichen Maßnahmen und dem Anstieg von Inhaftierungen ersichtlich.
  2. Eskalation Das Ausmaß und die Intensität der Kultur der sozialen Kontrolle kann durch eines, von der breiten Öffentlichkeit geteilten, generalisierten Systems von Überzeugungen über die Auslösenden des abweichenden Verhaltens wesentlich bestimmt werden. Sobald sich vorurteilsbasierte Überzeugungen und Gedanken entwickeln, kann es zu einer Eskalation zwischen der Öffentlichkeit und den Maßnahmen der Polizei kommen.
  3. Innovation Unter dem Leitsatz "new situations need new remedies" wird der Einsatz neuer Methoden und Kontrollen in rechtlichen Institutionen gefordert.[17] [18] Dieser Teil der Reaktion wird von Cohen als Innovation bezeichnet.

Politik und Gesetzgeber

Politik und Gesetzgeber


Stanley Cohen stellt in seinem Buch Folk Devils and Moral Panics fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dabei verständigen sie sich im öffentlichen Rahmen mit den betroffenen Personen in ihrem Wahlkreis. Im Fall von Clacton wurden Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurden somit auf nationaler, politischer Ebene diskutiert.[17] Aufgrund der Diskussion in diesem politischen Rahmen können Gesetzesveränderungen hervorgebracht werden. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin sich auf der Seite der Guten zu positionieren "Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“.[17]

Soziale Bewegungen


Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als ''moral entrepeneurs'' [19]. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. Sie werden auch als ''geminal social movements'', sogenannte ''Grasswurzelbewegungen'' aufgefasst.[17]

weitere Merkmale


Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter ''folk devils'' und die Existenz einer ''Katastrophenmentalität''.

Folk Devils sind sozial konstruierte Gruppen, die als etwas grundsätzlich böses charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch labeling genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der Labeling Theory auffinden.[17] Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des ''Sündenbockes''[20] wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann.[21]

Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, welche sich vor, während und nach Naturkatastrophen heranbilden, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.[22]

Eine Logik, welche die Dynamik der moralischen Panik außerdem tangiert, liegt in der Tabuisierung von Handlungen. Sobald Handlungen tabuisiert werden scheint eine kollektive Übereinstimmung darüber zu bestehen.[21] [Anmerkungen 1]

Erklärungsansätze


Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.

  • Risikogesellschaft

Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die Theorie der Risikogesellschaft nach Ulrich Beckherangezogen.[Einzelnachweis 1][Anmerkung 2] Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. [23] Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der Kriminalitätsbekämpfung zum Ausdruck kommt. [neue Theorien 1] Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.[neue Theorien 2] Ein Zusammendenken von Risikogesellschaft und moralischer Panik befürwortet David Garland in einem Artikel: On the concept of moral Panic von 2008.[24] Er sieht in der Beziehung von objektiven Risiken (z.B. Naturkatastrophen, Epidemien, technologische Katastrophen) und subjektiven Risiken (z.B.kriminelles Verhalten, Kindesmissbrauch, schulische Gewalt) interessante Verbindungen. Ihm zufolge endet eine auf objektive Risiken zurückzuführende Panik oft in der Frage nach moralischer Lebensführung.[24]

  • Sozialkonstruktivismus:Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien zur Verfügung.[neue Theorien 3] Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken im Kontext der Herstellung von sozialen Konstruktionen betrachtet werden. Moralische Panik wird in diesem Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.[neue Theorien 4]

Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von Michel Focault wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse über Sexualität oder Drogenmissbrauch als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.[25]

Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf Sigmund Freud steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren.[26]

Kritik


Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. Breite Kritik streute [[P.A.J. Waddington] 1986 in seinem Artikel Mugging as a moral panic: a question of proportion.Referenzfehler: Für ein <ref>-Tag fehlt ein schließendes </ref>-Tag. an. Diese geht darauf zurück, dass kriminelle Überfälle in Großbritannien von den dort herrschenden Eliten als so bedrohlich deklariert wurden, dass sich daraus eine moralische Panik entwickeln sollte. Diese sollte von der derzeitigen ökonomischen Krise ablenken. Darüber Hinaus bezeichnet Waddington moralische Panik eher als polemisches, denn als analytisches Konzept. Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang. (S. xxviii) Zudem geht er darauf ein, dass Messungen über Emotionen auf qualitativer Basis beruhen, welche auf sozialen Konstruktionen beruht. (S. xxix) Häufig wird dem Konzept der moralischen Panik vorgeworfen, dass es sich dabei um ein werte-beladenes Konzept mit politischem Beigeschmack handelt. (S. xxxi) Cohen gesteht ein, dass das Konzept vor allem in links-liberalen Denkstrukturen Gebrauch findet (S. xxxi) und in der Vergangenheit häufig zur Untergrabung konservativer Ideologien angewendet wurde.(xxxiii) Dennoch geht Cohen davon aus, dass der Begriff neutral ist und in seiner Verwendung auch umgekehrt werden kann. Er definiert den Begriff in diesem Zusammenhang folgendermaßen: " (...)the term is not just value-laden but intended to be a critical tool to expose dominant interests and ideologies."(Cohen S. xxxiii) Anmerkung: Siehe zur aktuellen Auseinandersetzung mit Cohens Überarbeitung auch: Garland, David: On the concept of Moral Panic: Crime, Media, Culture; April 2008, Sage http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.short, aufgerufen am 11.07.12

Literatur


Weddington, P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59 Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: Journal for the Theory of Social Behaviour ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56

Weblinks

Einzelnachweise

<references> <ref name="Weddington, P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59<ref>





8. 9.Weblinks 10.Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Thomson, Kenneth: Why the Panic? - The History and Meaning of the Concept In: Moral Panics, 1998, Routledge, New York S. 1-22
  2. Young, Jock: The role of the Police as Amplifiers of Deviancy, Negotiators of Reality and Translators of Fantasy In: Some consequences of our present system of drug control as seen in Notting Hill, In: Cohen,Stanley: Images of Deviance, Penguin Books, Harmondsoworth, 1971 S.27-62
  3. Thomson, Kenneth: The Classic Moral Panic - Mods and Rockers In:Moral Panics, 1998, Routledge, New York S. 31 f.
  4. 4,0 4,1 Thomson, Kenneth: The Role of the Media In:Moral Panics, 1998, Routledge, New York S. 33 f.
  5. Thomson, Kenneth: "Social Control Agents and Moral Entrepreneurs" In:Moral Panics, 1998, Routledge, New York S. 38
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Cohen, Stanley:Introduction to the Third EditionIn:Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S. vii-xxiv, S. xxii
  7. The Sun
  8. Reiner,RobertThe Rise of Virtual Vigilantism: Crime Reporting Since World War II, Criminal Justice Matters 43 (Spring 2001) aus Cohen,Stanley:Folk Devils and Moral Panics,2002, Routledge, London, S. xxiv
  9. Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: Indicators of the Moral Panic In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 33
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: Indicators of the Moral Panic In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 33-
  11. Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: Journal for the Theory of Social Behaviour ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56
  12. 12,0 12,1 :Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: Criteria of Disproportionality In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 43
  13. Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: Moral Panics: Four Overlapping Terrotories In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 52 f.
  14. Cohen Stanley:Deviance and Moral PanicsIn:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.1-16
  15. Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: Enter Stanley Cohen In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 f.
  16. Wilkins, Leslie T.: A general Theory of Deviance In:"Social deviance: social policy, action and research, 1964, London Travistock,Kap. 4 S.45-104
  17. 17,0 17,1 17,2 17,3 17,4 17,5 Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman:Actors in the Drama of the Moral Panic In: Moral Panics: the social construction of deviance, 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 -28
  18. 18,0 18,1 Cohen Stanley,Reaction: The rescue and Remedy PhaseIn:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.59-119)
  19. Becker, Howard S.:Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance, 1963, New York Free Press S.147
  20. Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005
  21. 21,0 21,1 Lancaster, Roger N.: Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38
  22. Cohen Stanley,The Control AgentsIn:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)
  23. Thompson,Kenneth:Risk SocietyIn:Moral Panics,1998,Routledge,London S.22
  24. 24,0 24,1 Garland, David:On the concept of moral panic,2008, SAGE, London, S.27,http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.abstract, aufgerufen am 16.07.12
  25. Thompson,Kenneth:Discourses and Discursive PracticesIn: Moral Panics, 1998, Routledge, London, S.24-26
  26. Lancaster, Roger N.:Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23-25


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