Diskursanalyse

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In den Sozialwissenschaften besteht ein Grundkonsens darüber, dass die Beziehungen der Menschen untereinander und zu ihrer Umwelt durch diverse ``kollektiv erzeugte Sinnsymbole`` geprägt sind. Die einzelnen Symboliken unterscheiden sich durch ihre methodischen, theoretischen und empirischen Bedeutungen. Daher haben in den Analysen der gesellschaftlichen Stellenwerte von symbolischen Ordnungen die Begriffe des Diskures und der Diskursanalyse stark an Bedeutung zugenommen.

Der Begriff ``Diskurs`` findet seine Wurzeln bei dem Psychologen und Soziologen Michel Foucault. Foucault untersuchte, wie Wissen entsteht und Geltung erlangt, wie Macht ausgeübt und wie Individuen einer Gesellschaft konstituiert und diszipliniert werden. Als ``Diskurs`` bezeichnet er den Vorgang der Entwicklung von Wahrheiten, die für die Individuen einer Gesellschaft als „vernünftig“ gelten. Diese werden dann internalisiert und entfalten sich zum Grundkonsens einer Gesellschaft. Dabei stellte Foucault sich immer wieder die Frage, ob das, was selbstverständlich ist, wirklich selbstverständlich sein muss. Ihm ging es einzig und allein um die Wahrheit und er untermauerte: „ Die Wahrheit ist von dieser Welt; in dieser wird sie aufgrund vielfältiger Zwänge produziert, verfügt sie über geregelte Machtwirkungen. Jede Gesellschaft hat ihre eigene Ordnung der Wahrheit (…) d.h., sie akzeptiert bestimmte Diskurse, die sie als wahre Diskurse funktionieren lässt. Es gibt (…) Instanzen, die eine Unterscheidung von wahren und falschen Aussagen ermöglichen und (…) festlegen, in dem einen oder anderen sanktioniert werden.“

Kritische Diskursanalyse (Jürgen Link)

Nach dieser Aussage von Foucault setzt die ``kritische Diskursanalyse`` an. Sie hinterfragt Selbstverständlichkeiten in einer Gesellschaft und problematisiert sie. Weiterhin versucht die ``kritische Diskursanalyse`` andere Perspektiven auf die Sicht- und Deutungsgewohnheiten zu ermöglichen. Das heißt, dass Wahrheiten der Wirklichkeit zugeteilt werden und die Wirklichkeit wiederum wird, je nach Interessenlage und Zielvorstellung, unterschiedlich gedeutet. Aus diesem ``Wahrheit-Wirklichkeit-Komplex`` entwickelt sich immer wieder eine Diskussion über die Wahrheit an sich und über die Geltung von Werten und Normen in einer Gesellschaft. Der Bezug auf den Begriff Diskurs erfolgt immer dann, wenn die jeweiligen Forschungsfragen auf der Konstruktion der Welt im kollektiven Zeichengebrauch basiert. Die Diskursanalysen wiederum beziehen sich auf wissenschaftliche Untersuchungen in dem Gebiet der Kollektivsymbolik: „Die sozialwissenschaftliche Diskursforschung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Sprechen/Schreiben als Tätigkeit bzw. soziale Praktiken und der (Re-) Produktion von Sinnsystemen/Wissensordnungen, den darin eingebundenen sozialen Akteuren, den diesen Prozessen zugrunde liegenden Regeln und Ressourcen sowie ihren Folgen in sozialen Kollektiven.“

Somit ergeben sich vier Merkmale für einen diskursanalytischen Ansatz:

  • Diskursanalysen befassen sich mit dem Gebrauch geschriebener oder gesprochener Sprache und anderen Symboliken in einer Gesellschaft.
  • Weiterhin gehen Diskursanalysen von sozialen konstruierten Phänomenen aus, welche sich aus dem Bedeutungsgehalt des praktischen Zeichengebrauchs entwickeln.
  • Außerdem unterstellen Diskursanalysen, dass Einzelinterpretationen Teile einer komplexen Diskursstruktur sind, die temporär durch institutionelle Kontexte konstituiert und stabilisiert werden und
  • dass die Anwendung von Kollektivsymbolen rekonstruierten Regeln des Handelns und Deutens unterliegen. Das heißt, die Diskursanalyse wird als eine Art Verknüpfung von einem einzelnen Sprachereignis und kontextabhängiger Bedeutung gesehen.

Die ``kritische Diskursanalyse``, welche u.a. von Jürgen Link in den 1980er Jahren entwickelt wurde und bis heute noch angewendet wird, basiert primär auf den Vorstellungen des Diskurses von Foucault. So versteht Link unter dem Diskursbegriff eine institutionalisierte, geregelte Redweise, wenn sie denn mit Handlungen verknüpft werden, also Macht ausüben. Hierbei legt Link sich nicht fest, wie stark die Verfestigungen und Machtausübungen sein müssen, um als Diskurs definiert zu werden. Link spricht eher von einem „zeitlichen Fluss von Wissen.“ Weiterhin erzeugen Diskurse, laut Link, Wahrheiten und Verhaltensregeln. Da wie oben erwähnt, Diskurse immer mit Macht einhergehen, müssen Individuen einer Gesellschaft bei Abweichungen von Diskursregeln mit Sanktionen rechnen. Damit erfasst die Diskursanalyse das gesellschaftlich „sagbare“ und somit eben auch die Verbote, Tabus und Einschränkungen einer Gesellschaft. Linkt differenziert da zwischen ``strukturierten Spezialdiskursen``, welche an bestimmte Anforderungen gebunden sind und dem ``Interdiskurs``, welcher symbolische Diskurse vermittelt. Wobei unter interkursiv solche Elemente verstanden werden, bei denen sich diverse Spezialdiskurse miteinander verbinden. Die Massenmedien sind ein zentraler Ort für die Aushandlungen von Bedeutungen. Moderne Gesellschaften (re)produzieren in medialen Diskursen auf der einen Seite Wissen und Werte und Normen, indem, gesellschaftlich und kulturabhängig, „wahres“ vom „falschen“ Wissen differenziert wird. Auf der anderen Seite wird durch die Internalisierung von Werten und Normen die Normalität einer Gesellschaft hergestellt und fortwährend tradiert.

Multimodale Diskursanalyse

Diskursive Praxis manifestiert sich nicht nur sprachlich, sondern multimodal, d.h. im Zusammenspiel unterschiedlicher Zeichensysteme oder -modalitäten. Sie kann mittels sozialsemiotischer Fragestellungen, Begriffe und Analyseinstrumentarien bearbeitet werden: "Diskursive Positionen und Akteure werden dabei in Abhängigkeit der semiotischen Möglichkeiten des genutzten Mediums und nach Zielen der Kommunikatoren mittels unterschiedlicher Ressourcen (z. B. Farbe, Form, Fläche, Typo, Geräusche, Bewegungen, Montagen etc.) dargestellt, perspektiviert und kommentiert. (...) Die Diskursanalyse ermittelt musterhafte Kommunikationspraktiken, indem sie diese systematisch erhebt und vergleichend in Beziehung setzt" (Meier 2011).


Literatur

  • Keller, Reiner: Diskursforschung; Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen; 4. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, Springer Fachmedien GmbH, Wiesbaden 2010.
  • Gehring, Petra: Foucault; Die Philosophie im Archiv, Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2004.
  • Jäger, Margarete/ Jäger, Siegfried (2007) Deutungskämpfe: Theorie und Praxis kritischer Diskursanalyse; VS Verlag für Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden.
  • Machin, D. (2010). Discourses of popular music. In Analysing popular music: Image, sound, text.
  • Meier, Stefan (2011) Multimodalität im Diskurs: Konzept und Methode einer multimodalen DiskursanalyseHandbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse : Bd. 1, Theorien und Methoden / Reiner Keller ; Andreas Hirseland ; Werner Schneider ; Willy Viehöver . .Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., 499-532.
  • Tagg, Philip (1982/2015) Analysing popular music
  • Trültzsch, Sascha: Kontextualisierte Medieninhaltsanalyse: mit einem Beispiel zum Frauenbild in DDR Familienserien; VS Verlag für Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009.