Die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) ist ein Konzept, das von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde. Es soll Menschen ermöglichen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zwischen ihnen verbessert wird. GfK kann sowohl beim Kommunizieren im Alltag als auch beim friedlichen Lösen von Konflikten im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Sie versteht sich nicht als Technik, die andere Menschen zu einem bestimmten Handeln bewegen soll, sondern als Grundhaltung, bei der eine wertschätzende Beziehung im Vordergrund steht. Synonyme sind Einfühlsame Kommunikation, Verbindende Kommunikation, Sprache des Herzens, „Giraffensprache“.

Die Giraffe ist das Symboltier für die Gewaltfreie Kommunikation

Geschichte und Verbreitung

Rosenberg hat an der University of Wisconsin-Madison in klinischer Psychologie promoviert. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation entstand aus Rosenbergs Auseinandersetzung mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960ern. Er half dabei, die Rassentrennung an Schulen und Institutionen auf friedvollem Wege rückgängig zu machen. Zu diesen Zwecke gründete er das „Center for Nonviolent Communication“.

Rosenberg bietet Trainingkurse in gewaltfreier Kommunikation in Schweden, der Schweiz, Italien, Deutschland, Dänemark, Malaysia, Indien, den USA und vielen weiteren Staaten an. Er ist auch in Krisengebieten und ökonomisch benachteiligten Regionen wie Israel, Palästina, Serbien und Ruanda tätig.

1994 haben serbische Pädagoginnen und Psychologen – unterstützt von Unicef – ein dreibändiges Werk zum Erlernen gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für Kindergärten und Schulen entwickelt. Rosenberg hat auch ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Konzept des Lernens der GfK entwickelt.

Das Konzept der GfK kann in vielen Bereichen verwendet werden, so etwa in Bildungseinrichtungen, Organisationen, Institutionen, privaten Beziehungen, Therapie, Beratung, Verhandlungen, Diplomatie und überall, wo Konflikte auftreten. Viele Coaching- und Mediations-Agenturen bieten Fortbildungen und Seminare zur GfK an und nutzen sie zur Bearbeitung von Konflikten.

Theoretischer Hintergrund

Die GfK steht in der Tradition der klienten-zentrierten Gesprächstherapie, die von Rosenbergs Lehrer Carl Rogers entwickelt wurde. Das aktive Zuhören steht bei Rogers im Mittelpunkt, die GfK geht jedoch über den gesprächstherapeutischen Rahmen hinaus. Beeinflusst ist die GfK auch von Mahatma Gandhi und seinen Überlegungen zur Gewaltfreiheit, ahimsa genannt, die auf den Upanishaden basieren. Viele Elemente der GfK finden sich auch in anderen Konfliktlösungstechniken, wie im Gütekraft-Konzept von Martin Arnold, der Mediation und den Win-Win-Strategien.

Erläuterung des Konzepts von Rosenberg

Empathie ist nach Rosenberg eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation. Er geht davon aus, dass die Form, in der Menschen miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob sie Empathie für ihr Gegenüber entwickeln und ihre Bedürfnisse erfüllen können. Außerdem nimmt er an, dass Menschen unter freien Bedingungen die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GfK soll helfen, sich ehrlich auszudrücken und empathisch zuzuhören. Sie ist auf die Bedürfnisse und Gefühle gerichtet, die hinter Handlungen und Konflikten stehen. Sie ist weniger als eine Kommunikations-Technik zu betrachten, sondern eine Bewusstwerdung über Möglichkeiten des empathischen Kontaktes. Dabei ist es nicht nötig, dass beide Kommunikationspartner GfK anwenden.

Rosenberg nimmt an, dass jeder Mensch gern bereit sei, etwas für einen anderen Menschen zu tun, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z. B. die Anfrage als Bitte formuliert ist und nicht als Forderung, er nicht den Eindruck hat, dadurch eine Pflicht abzuarbeiten oder den anderen in eine Pflicht zu setzen etc.). Dieses Menschenbild geht auf die der humanistischen Psychologie entlehnte Haltung zurück, in einer schädigenden Aktion eines Individuums nicht den Ausdruck des inneren Wesens zu sehen, sondern die „fehlgeleitete“ Strategie eines eigentlich positiven Impulses (Rosenberg bezieht sich besonders auf Carl Rogers). So nennt Rosenberg jede Form von Gewalt einen tragischen Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.

Rosenberg unterscheidet zwei gegenläufige mögliche Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation, die gewaltfreie Kommunikation („Giraffensprache“) und die lebensentfremdende Kommunikation („Wolfssprache“, im amerikanischen Original „jackal language“, also „Schakalssprache“).

Lebensentfremdende Kommunikation

Unter lebensentfremdender Kommunikation versteht Rosenberg Formen der Kommunikation, die zu Gewalt beitragen. Gewalt ist in diesem Konzept ein weitgefasster Begriff, der jedes Erfüllen eigener Bedürfnisse auf Kosten anderer beschreibt. Lebensentfremdende Kommunikation ist gekennzeichnet durch:

  1. Das (moralische) Urteilen über den Kommunikationspartner; dazu gehört das Diagnostizieren, Zuschreiben und Vergleichen von Eigenschaften. Rosenberg zitiert im Bezug auf die Vermischung von Beobachtung und Bewertung gerne den indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti mit den Worten: „Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit, zu beobachten, ohne zu bewerten.“
  2. Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen. Eine häufige Form des Leugnens der Verantwortung für eigene Gefühle ist auch das Äußern von sogenannten Pseudogefühlen, die eigentlich Gedanken sind, z. B. ich fühle mich provoziert. Hier handelt es sich nach Rosenberg um ein Pseudogefühl, das ein Urteil über den anderen impliziert, der in dem Beispielsatz indirekt als Provokateur bezeichnet wird und damit dem anderen wiederum die alleinige Verantwortung zuschiebt.
  3. Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten. Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung ist, dass einer Bitte auch nicht entsprochen werden kann, bei einer Forderung drohen hier negative Sanktionen. Dies muss nicht immer in Form von offensichtlichen Strafen passieren, möglich ist auch die Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen beim Gegenüber.

Grundmodell der GfK

Die vier Schritte, auf denen die GfK beruht, lassen sich unter den Stichworten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte zusammenfassen:

  1. Es wird die Beobachtung einer konkreten Handlung oder Unterlassung beschrieben, ohne sie mit einer Bewertung oder Interpretation zu vermischen. Es kommt vor, dass trotz bewertungsfreier Äußerungen vom Gegenüber eine Kritik herausgehört wird. Hier soll der Kommunikationspartner das Gesagte paraphrasieren (siehe auch: aktives Zuhören).
  2. Es wird das Gefühl ausgedrückt, das mit der Beobachtung in Verbindung steht.
  3. Das hinter dem Gefühl liegende Bedürfnis wird formuliert. Dies ist häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar. Besonders bei negativen Gefühlen ist es für den empathischen Kontakt zum Kommunikationspartner notwendig, die dahinter liegenden eigenen Bedürfnisse zu verstehen.
  4. Es wird die Bitte um eine konkrete Handlung geäußert. Es wird zwischen Bitten und Wünschen unterschieden. Bitten beziehen sich auf Handlungen im Jetzt und Wünsche auf Ereignisse in der Zukunft. Da Empathie immer im Jetzt ist, passen dazu nur Bitten, die im Jetzt erfüllt werden können. Rosenberg schlägt vor, Bitten in einer „positiven Handlungssprache“ zu formulieren.

Man kann unterscheiden zwischen einer Handlungsbitte (beispielsweise darum, die Geschirrspülmaschine auszuräumen) und einer Beziehungsbitte (beispielsweise um eine Beschreibung der eigenen Empfindungen).

Rosenberg fasst die Kommunikationsart der GfK in folgendem Satz zusammen:

„Wenn a, dann fühle ich mich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.“

Dieses Grundmodell soll nach Rosenberg nicht stur angewendet werden und kann in der Reihenfolge variieren. Die GfK bedarf einer erheblichen Übung. Es wird darüber gestritten, ob man bei massivem Fehlverhalten des anderen mit der GfK Grenzen ziehen kann. Die GfK sieht die Ausübung von Macht lediglich in der Form der Schaffung von Fakten durch „beschützende Macht“ vor.[1] (Siehe auch: → Kritik an der Ausklammerung jedes Drucks).

Grundmodell in einem Beispiel

Gewaltfreie Kommunikation versus lebensentfremdende Kommunikation am Beispiel einer schmutzigen WG-Küche.

Gewaltfreie Kommunikation Lebensentfremdende Kommunikation
Situation Konkrete Handlungen, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen.
  • „In der letzten Woche hast du dein Geschirr dreimal nach dem Essen auf die Spüle gestellt und es stand dort jeweils bis zum Morgen. Dann habe ich es abgespült“
Beobachtung und Bewertung werden vermischt:

Personifizierung.

  • „Du verhältst dich in der Küche total schlampig!“
Gefühl Die Gefühle werden mit dem in Verbindung gebracht, was wir beobachten.
  • „Ich bin sauer“
Keine Erläuterung über Zusammenhang der Situation mit dem Gefühl, sondern: Eine Interpretation wird als Gefühl geäußert. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalierungen.
  • Ich fühle mich provoziert, es ist dir total egal, dass hier so ein Dreck ist
Bedürfnis Bedürfnisse, aus denen Gefühle entstehen, werden betrachtet und mitgeteilt.
  • „da ich, wenn ich in das Haus komme, eine Ordnung vorfinden möchte, die mir ein Entspannen möglich macht.“
Das Bedürfnis wird nicht (klar) geäußert, stattdessen wird der andere moralisch verurteilt.
  • „Du bist ein Schlamper“
Bitte/Forderung Um eine konkrete Handlung wird gebeten – auch Nichterfüllung ist in Ordnung.
  • „Sage mir bitte, ob du bereit bist, dein Geschirr gleich nach dem Essen abzuspülen oder gemeinsam mit mir nach einem Weg zu suchen, wie unser beider Bedürfnis nach Ordnung erfüllt werden kann.“
Es wird eine Forderung gestellt. Bei Nichtbeachten drohen Sanktionen.
  • „Wenn in zwei Wochen nicht sauber ist, dann schmeiß' ich dein Geschirr weg!“

Kritik an der GfK

Vorlage:Belege fehlen

Grenzen der GfK

- Wer als Interessenvertreter die Aufgabe übernommen hat, bestimmte Forderungen durchzusetzen, kann die Struktur der GfK zwar formal anwenden, erreicht damit jedoch nicht die von Rosenberg angestrebte Verbindung zum Gesprächspartner, auf deren Basis dann gemeinsam eine Lösung gesucht werden soll.

- Die GfK ermöglicht das Aussprechen eigener, auch starker Gefühle nur, solange der Sprecher bereit ist, selbst die Verantwortung für diese Gefühle zu übernehmen. Bin ich der Überzeugung, der Gegenüber sei Schuld an meinem Ärger, kann ich diese Technik nicht sinnvoll nutzen.

- Empathie geben erfordert eine offene, positive Grundeinstellung dem anderen gegenüber (Rosenberg nennt es "seine Worte als Geschenk sehen"). Verberge ich meinen Ärger, um Empathie zu geben, entsteht nicht das gewünschte gegenseitige Vertrauen.

- Die Grenzen zwischen Strategie und Bedürfnis sind nicht in allen Fällen klar, so dass in der Literatur voneinander abweichende Bedürfnislisten existieren.

- Da Klärungsprozesse in der GfK erst abgeschlossen sind, wenn alle Beteiligten gehört wurden, ist die Entscheidungsschnelligkeit nicht mit denen hierarchischer Entscheidungen zu vergleichen.

- Der Aufbau einer einträchtigen Gemeinschaft ist in der GfK nicht einbezogen, ebenso wenig wie das Aufbauen von loyalen Lobbygruppen für bestimmte Themen. Grund dafür ist, dass Konflikte in systemischer Tradition als offene Räume gesehen werden: Es geht nicht darum, wer Recht hat oder wer sich durchsetzen kann, sondern allein darum, dass die Beteiligten sich verstehen können und in der Lage sind, eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen aller gerecht wird.

Kritik an der theoretischen Konzeption

Kritik am Konzept des gegenseitigen Aushandelns

Kritiker der GfK stellen sie dort in Frage, wo die Gesprächspartner unterschiedliche Interessen vertreten, sich aber konform zu den Regeln der GfK verhalten, wodurch eine Einigung erschwert werde.

Rosenberg entgegnet, dass die GfK nicht dazu gedacht sei, andere dazu zu bringen, die eigenen Interessen umzusetzen. Er geht davon aus, dass ein Konflikt lediglich auf der Strategie-Ebene stattfinden könne, aber nicht bei den Interessen. Will man einen Konflikt lösen, gelte es, Interessen von Strategien zu trennen, so dass man angesichts aller vorhandenen Interessen in einer Situation „neue Wege“ gehen könne, die für alle Beteiligten passen würden. Die ursprüngliche Position einer Partei müsse dann überhaupt nicht mehr als die erstrebenswerteste betrachtet werden, weil sich im Kommunikationsprozess gezeigt habe, welche Nachteile für die Konfliktparteien ihre Umsetzung gebracht hätte.

Für den Fall jedoch, dass von der Durchsetzung der eigenen Position die Sicherheit aller Beteiligten abhängt, bietet Rosenberg die Anwendung „schützender Macht“ an (protective use of force). Er unterscheidet bei Machtentscheidungen zwischen der schützenden und der strafenden Art. Während die „strafende Macht“ zum Ziel habe, Haltung oder Gefühle einer oder mehrere Personen zu verändern, zielt die „schützende Macht“ nur auf die Umstände ab. Sie versuche also, die Situation so zu verändern, dass ein Schutz entsteht, habe aber nicht die Absicht, jemand anderem Schaden zuzufügen oder ihn unter Druck zu setzen. Das sei ein Weg, auch im Sinne der GfK seine Macht einzusetzen.

Kritik am Konzept der bewertungsfreien Empathie

Eine häufig geäußerte Kritik an der GfK bezieht sich darauf, dass wertungsfreie Kommunikation nicht möglich sei. Wer wertungsfreie Kommunikation fordere, würde das Unterdrücken von Emotionen bestärken.

Dieser Kritik wird das spezielle Rosenbergsche Konzept von Kommunikation entgegengehalten: Rosenberg spricht von „Schakals-“ und „Giraffenbotschaften“. Eine „Schakalsbotschaft“ wäre: „Ich habe jetzt genug davon, Du hast Dir wieder mehr Kekse genommen. Du bist so egoistisch!“ In „Giraffensprache“ klänge das so: „Ich beobachte, dass Du Dir wiederholt mehr Kekse genommen hast, und ich bin sauer, denn es ist mir wichtig, dass Menschen sich selbst nicht bevorzugen. Sagst du mir, ob Du das absichtlich gemacht hast?“ Hier werde deutlich, dass es darum geht, die eigenen Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern auszudrücken – nur eben auf eine Weise, die der andere verstehen und nachvollziehen kann.

Dem Vorwurf, dass wertungsfreie Kommunikation nicht möglich sei, wird so begegnet: Der Akteur nimmt in der GfK Urteile und Interpretationen seines Gegenübers wahr, der diese auch zum Ausdruck bringen soll. Der Fokus liegt hier darauf, sie als eigene Interpretationen und Gedanken kenntlich zu machen und sie auf das dahinterstehende Bedürfnis zurückzuführen. Laut Rosenberg gibt man damit dem Gegenüber die Möglichkeit, den Grund des Gesagten zu verstehen.

Dies erfordert jedoch ein hohes Maß an Courage und Übung: In der „Giraffensprache“ werden eigene Motive und Interpretationen nachvollziehbar gemacht und damit angreifbar („Schakalssprache“ erfüllt eine Schutzfunktion, deren Nachteil die hohe Wahrscheinlichkeit einer Konfrontation ist). Außerdem ist eine Selbstklarheit nötig, durch die der Akteur bewusst unterscheiden kann, welche seiner Äußerungen Beobachtungen und welche Urteile und Interpretationen sind.

Kritik an den Grundannahmen

Grundsätzlich wird in Frage gestellt, ob sich Konflikte tatsächlich auflösen, wenn die hinter den Konflikten liegenden Gefühle und Bedürfnisse bekannt sind.

Darüber hinaus wird kritisiert, dass der Bedürfnisbegriff im Rahmen der GfK normativ verwendet werde, in dem Sinne, dass zwischen echten Bedürfnissen und solchen, hinter denen andere stehen, unterschieden wird und dass zerstörerische, destruktive Persönlichkeitsanteile ausgeblendet werden. Kritiker sprechen davon, dass Verantwortungslosigkeit, Skrupellosigkeit oder Faulheit nicht angemessen betrachtet würden, wenn grundsätzlich positiv formulierte Bedürfnisse dahinter vermutet werden.

Befürworter der GfK gehen dagegen davon aus, dass jeder Mensch gern bereit sei, etwas für einen anderen Menschen zu tun, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z. B. die Anfrage als Bitte formuliert ist und nicht als Forderung, er nicht den Eindruck hat, dadurch eine Pflicht abzuarbeiten oder den anderen in eine Pflicht zu setzen etc.). Dieses Menschenbild geht auf die der humanistischen Psychologie entlehnten Haltung zurück, in einer schädigenden Aktion eines Individuums nicht den Ausdruck des inneren Wesens zu sehen, sondern die „fehlgeleitete“ Strategie eines eigentlich positiven Impulses (Rosenberg bezieht sich besonders auf Carl Rogers). So nennt Rosenberg jede Form von Gewalt einen tragischen Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.

Kritik an der praktischen Anwendbarkeit

Kritik, dass die GfK in betriebswirtschaftlichen und politischen Kontexten nicht einsetzbar sei

Kritiker argumentieren, dass insbesondere in betriebswirtschaftlichen und elementaren privaten Kontexten, bei denen es um das gemeinsame (wirtschaftliche) Überleben oder die Verteidigung von Angriffen von außen geht, die GfK nicht sinnvoll einsetzbar ist. Sie führe nicht zu schnellen Entscheidungen und lege keinen Fokus auf die Demonstration von Eintracht.

Die GfK dazu: Da Klärungsprozesse in der GfK erst abgeschlossen sind, wenn alle Beteiligten gehört wurden, ist die Entscheidungsschnelligkeit nicht mit denen hierarchischer Entscheidungen zu vergleichen. Diese Umverteilung der Priorität hat jedoch auch den wichtigen Beweggrund sicherzustellen, dass Entscheidungen auf diesem Wege auch wirklich von allen getragen, also auch durchgeführt werden. Bewährt hat sich in der beruflichen Praxis, etablierte Moderationsmethoden mit der GfK zu verbinden und die Mitarbeiter an der Metaebene teilhaben zu lassen: Alle entscheiden sich grundsätzlich, eine bestimmte Gesamtzeit nicht zu überschreiten, wählen einen Modus, mit dem nach Ablauf dieser Zeit eine sofortige Entscheidung gefällt werden kann (z. B. Abstimmung). Die Kritik verweist allerdings auch auf eine tiefere Ebene: GfK ist in betrieblichen Kontexten nicht nur partiell und nie bloß als Werkzeug anwendbar. Die Einführung einer derartigen Gesprächskultur hat Folgen für die Hierarchie-Kultur in einem Unternehmen und stellt neue Anforderungen an Prozesstransparenz, Kritikfähigkeit, Schulung der Beteiligten und Räumen für gemeinsamen Austausch. Als gute Lösung für Unternehmen hat sich bewährt, eine neue Terminologie von Gefühlen in die GfK einzuführen. So ist es zielführend, nur auf die Bedürfnisse/Werte/Motive einzugehen oder Gefühlsworte zu verwenden, die wenig Widerstand hervorrufen (z. B. „Sind Sie einfach vorsichtig?“, statt „Haben Sie Angst, weil …?“). Prinzipiell ist es ratsam, die Sprache dem Kontext anzupassen. Da es auf den Prozess und den Fokus der Aufmerksamkeit ankommt, kann die Anwendung der GfK da sehr flexibel sein. Der Aufbau einer einträchtigen Gemeinschaft ist tatsächlich in der GfK nicht einbezogen, ebenso wenig wie das Aufbauen von loyalen Lobbygruppen für bestimmte Themen. Grund dafür ist, dass Konflikte in systemischer Tradition als offene Räume gesehen werden: Es geht nicht darum, wer Recht hat oder wer sich durchsetzen kann, sondern allein darum, dass die Beteiligten sich verstehen können und in der Lage sind, eine Lösung zu finden, die den Bedürfnissen aller gerecht wird.

Kritik, die GfK sei formelhaft

Die GfK-Methode, insbesondere die formelhaften Sprachbeispiele, wird als steif, unspontan und leblos kritisiert. Darüber hinaus kann die Art der Kommunikation als manipulativ und als moralische Erpressung empfunden werden, auch wenn dies von GfK nicht beabsichtigt ist.

Die GfK dazu: Rosenberg weist oft darauf hin, dass die GfK nicht als Werkzeug verstanden werden dürfe. Hinter der theoretischen Schule steckt eine Art Philosophie, eine innere Überzeugung davon, was Kommunikation ist und wie Konfliktprozesse ablaufen. Einer der wichtigsten Punkte: In einem Konflikt geht es nicht darum, das durchzusetzen, was man durchsetzen will, sondern es geht um einen Kontakt zum Konfliktgegner und darum, eine Lösung zu finden, in der beide Bedürfnisse Ausdruck finden. Diese Haltung sei es letztendlich, die den Konflikt entschärfe, weil das Gegenüber nicht mehr als Gegner wahrgenommen wird, sondern als Mensch mit anderer Meinung oder im besten Fall als Inspirationsgeber, der neue Blickwinkel eröffnet. Würde ein Akteur aus dieser humanistischen Haltung heraus sprechen, so würde der Eindruck der moralischen Erpressung oder Manipulation nicht mehr entstehen. Die durch die formale Struktur steife Sprache Rosenbergs würde sich, so die GfK weiter, mit der Zeit durch die eigene Sprache ersetzen. Es gibt das Modell einer sprachlichen Entwicklung in der Aneignung von Konfliktbearbeitungspotenzial: Vom unbewussten Unwissen („Ich weiß gar nicht, dass ich nicht gewaltfrei kommuniziere“) über das bewusste Unwissen („Ich weiß, dass ich nicht gewaltfrei kommuniziere“) führe der Weg bis zum bewussten Wissen („Ich weiß, dass ich gewaltfrei kommuniziere“) und schließlich zum unbewussten Wissen („Ich denke nicht mehr darüber nach, aber weiß, wie ich gewaltfrei kommuniziere.“). Bis dahin, so schlagen Interpretationen von Rosenberg vor, solle im Kontakt verdeutlicht werden, dass man versucht nach Rosenberg zu kommunizieren, weil man sein Konzept der Kommunikation vielversprechend findet, sich aber noch in der Übungsphase befindet und um Rückmeldung bittet, sollte es zu formalistisch klingen.

Kritik, dass die GfK bestimmte Elemente nicht oder nicht ausreichend berücksichtige

Kritik, dass die GfK Lösungen nicht ausreichend fokussiere

Ein Kritikpunkt, der immer wieder geäußert wird, ist der, dass die GfK dazu anrege, sich im Gespräch zu verzetteln, umeinander herumzutanzen und keine effektive Möglichkeit vorzuschlagen, schnell zu einer Lösung zu kommen.

Die GfK versteht sich selbst weniger als einen lösungsorientierten, mehr als einen prozessorientierten Ansatz; die Qualität der Beziehung steht dabei im Vordergrund. Das bedeutet, dass selbst, wenn man in einem Gespräch (noch) keine Lösung findet, das Gespräch trotzdem der Beziehung dienen kann, indem man Transparenz von Gefühlen und Bedürfnissen ermöglicht. Es geht dabei nicht darum, die Bedürfnisse direkt zu erfüllen, sondern sie erst einmal wahrzunehmen und anzuhören. Oft geschehen schon durch diesen Prozess Öffnungen, die am Ende Lösungen zugängig machen, die zu Anfang des Gespräches in meilenweiter Ferne und überhaupt nicht denkbar waren. Im konkreten Fall würde also ein geübter GfK-Anwender, der merkt, dass man sich im Kreis dreht, danach fragen, welches Bedürfnis wohl dahinter steckt, dass sich niemand auf den anderen zubewegen mag. Er würde den Prozess also weiter treiben, bis wirklich alles geklärt ist. Das miteinander Sprechen funktioniert also nur, wenn Zeit und Bereitschaft von beiden Beteiligten vorhanden sind und zumindest eine Person den Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse richtet und die GfK anwendet. Auch kann es vorkommen, dass „Anfänger“ sich leicht im Kreise drehen oder nicht zum Punkt kommen, weil oftmals der Kontakt zu den eigenen oder fremden Gefühlen und Bedürfnissen nicht so leicht gefunden werden kann.

Kritik, dass die GfK etliche Kommunikationsakte nicht berücksichtige

Die GfK berücksichtige etliche relevante Punkte von Kommunikationsprozessen nicht, argumentieren viele Kritiker. Im Kontext von Thema, Gruppe und Ich sollten der situative Kontext und die Machtverhältnisse sowie unausgesprochene Werteordnungen und Ressourcen der Beteiligen angemessen einbezogen werden. Die Reduzierung auf eine zwar gelungene gewaltfreie verbale Kommunikation führe sonst nicht grundsätzlich zu einer gewaltfreien, sondern zu einer kompensierenden Kommunikation, welche gesunde Dominanzbestrebungen und den Wettbewerb um die erfolgreichere Strategie sowie eine Ressourcenorientierung und -wertung ausblendet.

Die GfK argumentiert hier wie folgt: Die Wahl der erfolgreichsten Strategie sei nur dann gewährleistet, wenn alle Beteiligten sich verstanden fühlen. Dominanzbestrebungen werden in der GfK einbezogen. Allerdings werden sie – und das macht den Unterschied zur alltäglichen Kommunikation – nicht als eigentliche Botschaft aufgefasst, sondern als Signal für eine dahinter liegende Mitteilung[2]. Gleiches gilt für den bewussten Umgang mit historisch gewachsene Konflikten, gegebenen Werte- und Machtordnungen oder den Möglichkeiten der Beteiligten: Sie sollten für eine funktionierende Kommunikation in das Gespräch integriert werden. Allerdings immer gebunden an das Bedürfnis des Einzelnen (z. B. gegenüber einem Vorgesetzten: „Sie haben sich für die von Ihnen favorisierte Lösung entschieden, obwohl ich Bedenken dagegen geäußert habe. Ich merke, dass mir das ein Gefühl von Ohnmacht gibt, weil mir wichtig ist, dass Ideen der Mitarbeiter ernst genommen werden. Wären Sie bereit, mir zu sagen, was Sie an meiner Idee nicht sinnvoll fanden?“)

Kritik, die GfK lasse den Machtbegriff außen vor

Kritiker argumentieren, dass die GfK den Machtbegriff nicht einbeziehe, sondern von einer Gleichwertigkeit der Positionen ausgehe, die im realen Leben nicht gegeben sei.

Entgegen dem Argument der Kritiker sei das Konzept der Macht schon im Grundlagenwerk „gewaltfreie Kommunikation“ ausgedrückt. Rosenberg unterscheidet hier schützende Macht von bestrafender Macht. Schützende Macht ist dabei verwandt mit dem Begriff der Autorität im Rahmen der Organisationslehre, bestrafende Macht mit dem Begriff des Autoritären.

Kritik an der Ausklammerung jedes Drucks

Die GfK vertritt die These, dass Druck in keiner sozialen Situation zum effektiven Arbeiten oder harmonischen Zusammenleben beiträgt. Kritiker sehen darin die Forderung nach einer Aufgabe etablierter autoritärer Institutionen, die gesellschaftliche Sicherheit oder den innerbetrieblichen reibungslosen Ablauf garantieren. Der Entzug von Ressourcen, die Darstellung von finanziellen oder familiären Konsequenzen oder die Androhung von exekutiver (polizeilicher) Gewalt kann durchaus geeignet sein, eloquente Rhetoriker oder gewaltbereite Gesprächspartner dazu zu bewegen, sich in Zukunft ethisch zu verhalten und gegebenenfalls dem Gruppendruck einer Wohngemeinschaft, eines Teams im Unternehmen, der Familie oder Sozialgemeinschaft beziehungsweise des Partners oder der Familienangehörigen oder Freunde, mithin jedes betroffenen Systembeteiligten zu folgen.

Die GfK argumentiert dazu: Druck hat immer eine Verlagerung der gewalttätigen Energie zur Folge. Druck, der eine reale Änderung herbeiführt, führt nicht zur Besinnung, sondern zu Unterdrückung einer Strategie, mit der der unter Druck Gesetzte ein Bedürfnis befriedigen wollte. Der Bestrafte spüre ein Hindernis, eine bestimmte Strategie zu verfolgen, ist aber in dem Bedürfnis, aus dem heraus er diese Strategie gewählt hat, nicht gelöst, vermutlich sich des Bedürfnisses nicht einmal bewusst. Er würde also eine andere Strategie wählen, um sein Bedürfnis zu erfüllen. Wie ernst Rosenberg selbst diese Prämisse nahm, mag an seinen Gesprächen mit Vergewaltigern deutlich werden. Er führte die Gespräche unter der Leitfrage: „Sie hatten sicher ein Ziel, als Sie das getan haben. Lassen Sie uns doch überlegen, ob es nicht einen Weg gibt, dieses Ziel zu erreichen, der weniger Schwierigkeiten verursacht.“ Auch in der GfK gibt es jedoch die Option, notfalls Druck einzusetzen, wenn man nach Selbstklärung der Überzeugung ist, dass nur dieser Weg eine Möglichkeit darstellt, ein existenzielles Bedürfnis zu erfüllen (z. B. ist es durchaus GfK-gemäß, die Polizei zu rufen, wenn die körperliche Unversehrtheit anderer Beteiligter in Gefahr zu sein scheint). Es muss jedoch in Frage gestellt werden, ob die GfK das richtige Mittel ist, alltägliche und betriebliche Konflikte mit mehreren ungeschulten Beteiligten ohne jedes Druckmittel schnell und wirksam zu lösen. Andere Theorieschulen, die den Druck als Instrument nicht ausklammern, unterstreichen jedoch die Wichtigkeit, den Einsatz des Druckmittels so zu kommunizieren, dass der unter Druck gesetzte eine Möglichkeit hat, die Hintergründe der Entscheidung zu verstehen.

Vergleich mit anderen Schulen

Die Rollen bewertender Kommentare in anderen Theorieschulen

Schon die Mäeutik des Sokrates will nicht die Wertung vollkommen bannen, sondern stellt ihren Nutzen in würdigender Form zur Verfügung. Aus systemischer Sicht gehören Provokation, Machtdemonstration und Wettbewerb zum menschlichen Erleben. Aus Sicht der themenzentrierten Interaktion wird empfohlen, die eigenen Interpretationen so lange wie möglich zurückzuhalten (Hilfsregel der TZI), jedoch wird als Axiom gesetzt, dass Bewertung notwendig ist. Auch im Bereich der Theorien von Deeskalation und Konfliktmanagement finden sich Konzepte, die bewertende Interventionen mit Erfolg einsetzen. Nicht zuletzt fordert das aus dem Businessbereich stammende so genannte Harvard-Konzept explizit sogar „Hart in der Sache – weich zum Menschen“.

Siehe auch

Quellen

  1. Siehe z.B. [www.akademie-im-park.de/uploads/media/Broschuere_GFK_2008.pdf Gewaltfreie Kommunikation in Unternehmen und Organisationen]
  2. siehe dazu die Arbeiten zum unethischen Argumentieren von Ursula Christmann Ursula Christmann: unethisches Argumentieren und die grundlegenden Arbeiten von Schulz von Thun)

Literatur

  • Vorlage:Literatur
  • Marshall B. Rosenberg, Gabriele Seils: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils. 5. Auflage. Herder, Freiburg/Basel/Wien 2005, ISBN 3-451-05447-7
  • Marshall B. Rosenberg: Die Sprache des Friedens sprechen. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2006, ISBN 978-3-87387-640-8
  • Marshall B. Rosenberg: Das können wir klären! 2. Auflage. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-568-5
  • Marshall B. Rosenberg: Erziehung, die das Leben bereichert. Gewaltfreie Kommunikation im Schulalltag. 3. Auflage. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-566-1
  • Klaus-Dieter Gens: Mit dem Herzen hört man besser. Einladung zur Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 3-87387-667-1
  • Ingrid Holler und Vera Heim: Konflikt-Kiste. Konflikte erfolgreich lösen mit der Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2005, ISBN 978-3-87387-597-5
  • Wayland Myers: Die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation. 1. Auflage. Junfermann, Paderborn 2006, ISBN 978-3-87387-621-7
  • Karoline I. Bitschnau: Gewaltfreie Kommunikation als relationale und soziale Kompetenz. Empirische Studie zur Qualität zwischenmenschlicher Verständigung, Diss. Uni Innsbruck 2007
  • Julia Döring: Gewalt und Kommunikation. Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung. Band 29. Shaker, Aachen 2009, ISBN 978-3-8322-8661-3

Weblinks