Alexander Böhm

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Prof. Dr. jur. Alexander Böhm

Alexander Böhm (* 14. Juni 1929 in Berlin-Charlottenburg; † 12. Mai 2006 in Oppershofen) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Sohn von Professor Dr. Franz Böhm und Marietta Böhm, geb. Ceconi, die Tochter der Schriftstellerin Ricarda Huch.

Während seines Lebens leistete er zahlreiche Beiträge im Jugendstrafrecht, war durch viele kriminologische und strafrechtliche Veröffentlichungen in der Fachwelt geschätzt, besetzte verschiedene, wichtige Ämter und war in vielen Feldern ehrenamtlich engagiert.

Leben

Alexander Böhm wurde am 14. Juni 1929 in Berlin-Charlottenburg in eine politisch und sozial engagierte und charakterfeste Familie hinein geboren. Zusammen mit seiner Großmutter Ricarda Huch und seiner Mutter lebte Alexander Böhm bis 1932 in Berlin, während sein Vater nach Ende des Ersten Weltkrieges Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg im Breisgau studierte. Das Verhältnis zwischen Großmutter und Enkel war innig und zeichnete sich durch tägliche Rituale, wie Spaziergänge und Vorlesen nach dem Abendessen ab. Nach der Machtergreifung der NSDAP verweigerte Ricarda Huch eine Loyalitätserklärung gegenüber dem neuen Regime und nach dem Umzug der vereinten Familie nach Jena war ihr Leben durch Kontakt mit Hitler-Gegnern gekennzeichnet. Die Wohnung der Familie entwickelte sich unter anderem zu einem Treffpunkt der Personen, die am missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt waren. Franz Böhm setzte sich schon Anfang der 30er Jahre aktiv gegen die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Mitbürger ein und erhielt dadurch entgegen vorheriger Absichten keinen Lehrstuhl in Freiburg. Lediglich durch eine Namensverwechslung kam es nach dem 20. Juli 1944 nicht zur Verhaftung und Verurteilung des Vaters. Alexander Böhm spürte die Unruhe und Furcht in der die Familie in Zeiten des NS-Regimes und Widerstandes lebte. Sein Vater sowie seine Großmutter standen dem Nationalsozialismus feindselig gegenüber und waren den Nationalsozialisten mit dieser Einstellung bekannt.

Für die Zeit nach dem "Dritten Reich" hatte sich Ricarda Huch vorgenommen den Widerstandskämpfern ein Denkmal zu setzen. Sie besucht zahlreiche Familien und Angehörige von Verfolgten oder Ermordeten und empfängt auch eine große Anzahl von Besuchern in Jena. Ihr Projekt, das Leben der Widerstandskämpfer in Biographien festzuhalten, konnte sie leider nicht mehr beenden, da sie zehn Tage nach ihrer strapaziösen Reise nach Frankfurt am 17. November 1947 verstarb. Immerhin ist unter anderem ihr der heutige Bekanntheitsgrad der "Weißen Rose" und der Geschwister Scholl zu verdanken.

Franz Böhm erhielt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nun einen Lehrstuhl in Freiburg und wurde noch im Jahre 1945 Prorektor der Universität. 1946 nahm er dann einen Ruf an die Goethe-Universität Frankfurt am Main an. Der berufliche Werdegang seines Vaters erklärt auch Alexander Böhms schulische und universitäre Ausbildung. Von 1938 bis 1945 besuchte er das humanistische Gymnasium Carolo-Alexandrinum in Jena, danach das humanistische Friedrich-Gymnasium in Freiburg im Breisgau, wo er dann auch 1947 das Abitur bestand.

Gleich nach der Reifeprüfung begann er an der Universität Freiburg mit dem Studium der Rechtswissenschaften, das er in Basel und Frankfurt am Main fortsetzte und dort 1951 mit dem Ersten juristischen Staatsexamen abschloss. Nach einem sechs-sechsmonatigen Auslandsaufenthalt in den USA folgte die Referendarausbildung und 1956 das Zweite juristische Staatsexamen. Kurze Zeit später promovierte er unter der Betreuung von Dr. Dr. Wolfgang Preiser zum Dr. jur., für den er zuvor als wissenschaftliche Hilfskraft und wissenschaftlichen Assistenten unterstützt hatte.

Anschließend arbeitete Böhm nach einer Anregung des damaligen Generalstaatsanwaltes Dr. Fritz Baur im öffentlichen Dienst des Landes Hessen im Bereich des Strafvollzugs und wurde schon nach einer kurzen Einarbeitungsphase in den Strafanstalten Kassel und Butzbach eingesetzt. 1960 übernahm er die Leitung der Jugendstrafanstalt Rockenberg und des Heinrich Balthasar Wagnitz-Seminars und war in beiden Bereichen bis 1974 tätig. Im Laufe dieser Jahre wurde er auch in das Justizprüfungsamt I in Hessen berufen und begann mit einem Lehrauftrag für die Fächer Strafrecht und Kriminologie an der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt (M.).

Das Jahr 1974 brachte Veränderungen im beruflichen Leben Böhms. Im Frühjahr wurde er zum o. Professor für Kriminologie, Strafrecht und Strafvollzug an der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz ernannt. Daneben arbeitete Böhm in den Prüfungsabteilungen I und II des Prüfungsamtes für Juristen beim Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz. Diese beiden Positionen hielt Böhm bis zu seiner Emeritierung im Herbst 1994 inne, arbeitete ab 1988 im Nebenamt als Richter am Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken und war 1991/92 Dekan der juristischen Fakultät. Zwischen 1976 und 1980 leitete er außerdem die Kommission des Bundesjustizministeriums, die einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz entwickelte. Nach jahrelangem ehrenamtliche Engagement, vielen veröffentlichten Schriften und beruflichen Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen verstarb Alexander Böhm am 12. Mai 2006 infolge eines Verkehrsunfalls in Oppershofen.

Chronologische Übersicht seiner wichtigsten Werke und Schriften

Der Schwerpunkt seiner Veröffentlichungen liegt im Bereich des Strafvollzugs, wobei er die verschiedensten Themenbereiche analysierte. Während seines Lebens verfasste er viele wichtige und oft zitierte Beiträge, wobei eine Großzahl seiner Schriften die Themen Jugendstrafrecht, Jugendkriminalität und Resozialisierung jugendlicher Straftäter behandeln. In diesen Bereichen konnte er durch seinen Einsatz zu einer fortschrittlichen Entwicklung beitragen.

  • 1957: "Die Rechtspflicht zum Handeln bei den unechten Unterlassungsdelikten" (Dissertation in Frankfurt)
  • 1967: "Jugendstrafvollzug" in Dietrich Rollmann: "Strafvollzug in Deutschland", S.126-135
  • 1970: "Empfiehlt es sich, den Jugendstrafvollzug grundlegend zu ändern und ihn durch ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu regeln?" in: "Recht der Jugend", S.250-254
  • 1973: "Rückfall und Bewährung nach verbüßter Jugendstrafe" in "Recht der Jugend" S.33-49, weiter abgedruckt in
    • Gerhard Deimling (Hrsg.): "Sozialisation und Rehabilitation sozial Gefährdeter und Behinderter", Neuwied, Berlin 1973, S. 152-164
    • Karl-J. Kluge (Hrsg.): "Kriminalpädagogik, Zweiter Band, Kinder- und Jugendkriminalität", Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1977, S. 226-251
  • 1975: "Möglichkeiten und Grenzen der Resozialisierung im Jugendstrafvollzug" in "Jugendkriminalität und Resozialisierung", Deutsche Akademie für medizinische Fortbildung Kassel, Kongressbericht, herausgegeben von Horst Schüler-Springorum und Gisela Krokowski, S.37-43
  • 1977: "Einführung in das Jugendstrafrecht" (1996 3. Auflage)
  • 1978: "Der schweizerische Strafvollzug" in ZfStrVo, S.163-166
  • 1979: "Strafvollzug" (2003 3.Auflage)
  • 1980: "Gedanken zur Rückfallprävention durch Strafvollzug" in "Präventive Kriminalpolitik" herausgegeben von Hans-Dieter Schwind, S.91-101
  • 1983: "Strafvollzuggesetz" Großkommentar (mit Hans-Dieter Schwind)
  • 1985: "Kriminologie in sozialistischen Ländern" (mit Hildegard Eckert, Wolfgang Feuerhelm, Franz Hamburger, Günther Sander)
  • 1988: "Vollzugslockerungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Instanzen und Interessen" (mit Karl-Heinrich Schäfer)
  • 1988: "Die Entwicklung des Strafvollzuges und des Sanktionensystems von 1945 bis in die Gegenwart" in "Strafvollzug und Schuldproblematik" herausgegeben von Max Busch und Erwin Krämer, S.39-50
  • 1988: "Strafrecht im geteilten Deutschland" in "Innerdeutsche Rechtsbeziehungen", Band 4 der Schriften der Deutschen Richterakademie, S.187-196
  • 1991: "Zur "Freiwilligkeit" in Strafvollstreckung und Strafvollzug" in "Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege" herausgegeben von Udo Ebert, S.199-230
  • 1992: "Erziehung durch stationäre Maßnahmen?" in Heft 5 (des Jahres 1992) der Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V., Regionalgruppe Hessen, S.2-10
  • 1992: "Bisherige und künftige Bedeutung der Kriminologie - fünf Anmerkungen" in "Kriminologie als Lehrgebiet" herausgegeben von Jörg-Martin Jehle, S. 55-59
  • 1993: "Der Umgang mit drogenabhängigen Gefangen unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Bundesland Rheinland-Pfalz" in "Drogenbekämpfung in Polen und weltweit" herausgegeben von Jozef Jakub Wasik, S.247-261
  • 1994: "Praktische Erfahrungen mit Opferschutz und Opferhilfe" in "Kriminologische Opferforschung. Neue Perspektiven und Erkenntnisse" Teilband I herausgegeben von Günther Kaiser und Jörg-Martin Jehle, S.99-115
  • 1997: Fortsetzung von "Großes Kriminologisches Lehrbuch" (5. Auflage) von Göppinger (mit Michael Bock)


Außerdem verfasste er viele Rezensionen zu Werken von unter anderem Hans Pohlmann, Paul H. Bresser, Heinz Müller-Dietz, Rainer Zirbeck, Hans-Joachim Schneider, David Reifen, Johann- Georg Schätzler, Hans Göppinger, Mechthild Goemann, Günther Kaiser, Bernd Maelicke, Eduard Naegeli, Thilo Eisenhardt, Joachim Hellmer, Arthur Kreuzer, Hans-Claus Leder, Albert Krebs, Helmut Kury, Karl-Dieter Opp, Horst Stenger, Giora S. Shoham, Gerhard Nothacker, Jörg Schuh, Rolf-Peter Callies, Heribert Ostendorf, Heinz Kammeier, Alois Wagner und vielen mehr.

Zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) und verschiedenen Oberlandesgerichten in ganz Deutschland veröffentlichte er Anmerkungen zu Beschlüssen und Urteilen in rechtwissenschaftlichen Fachzeitschriften wie dem "Strafverteidiger (StV)" und der "Neuen Zeitschrift für Strafrecht (NStZ)".

Ehrenamtliches Engagement

Alexander Böhm war sozial außerordentlich engagiert und übernahm ehrenamtliche Tätigkeiten in zahlreichen gemeinnützigen und professionellen Organisationen.

In der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. (DVJJ) war Böhm über Vierzig Jahre Mitglied. 1962 wurde er anlässlich des 12. JGT 1962 in Regensburg als Vertreter in der Sparte Jugendstrafvollzug in den geschäftsführenden Ausschuss des Vereins gewählt, dem er in dieser Eigenschaft bis zum Jahre 1974 angehörte. Sechs Jahre später folgte dann die Wahl zum Vorsitzenden der Landesgruppe Hessen. Den Vorsitz der Regionalgruppe Hessen hatte Böhm bis 1989 und konnte im Laufe dieser Jahre wichtige Fortschritte erzielen. So fällt beispielsweise auch die Mitarbeit in der DVJJ-Kommission zur Behandlung von kriminell stark gefährdeten jungen Tätern (die sogenannte "Lackner-Kommission") in diese Zeit. Zu den Schwerpunkten seiner Vorstandsarbeit zählten unter anderem die Organisation und Ausrichtung der etablierten Studienwochen in Königstein (im Taunus) und Arnoldshain (im Taunus). Außerdem organisierte er Einführungskurse für Jugendschöffinnen und Jugendschöffen. Bis zuletzt war er Mitglied und beteiligte sich aktiv am Geschehen. Neben der DVJJ war Böhm seid 1974 auch Mitglied im Vorstand der "Deutschen Kriminologischen Gesellschaft" und beteiligte sich aktiv an der Fusion mit der "Gesellschaft für die gesamte Kriminologie". Aus der Verbindung der beiden Gesellschaften ging 1988 die "Neue Kriminologische Gesellschaft" (NKG) hervor.

Weiterhin zählten zu Böhms ehrenamtlichen Tätigkeiten der Vorsitz des Landesbeirats für Strafvollzug und Kriminologie beim Justizministerium des Bundeslandes Rheinland-Pfalz im Jahre 1974, die Leitung des Fliedner-Vereins Rockenberg (ein Hilfsverein für junge Straffällige mit dem Ziel die Kriminalität junger Straftäter durch sinnvolle und wirksame Hilfen, wie zum Beispiel Freizeitgestaltung, Aus-/Weiterbildung und Bewährungshilfe, zu bekämpfen), der Vorsitz der Schlichtungsstelle zwischen der Kirchenleitung der evangelischen Kirche und dem hessischen Justizminister in Hessen und Nassau seit 1980, die Mitgliedschaft im Kriminologischen Forschungsinstitut (KFN) in Hannover seit 1979 sowie die Mitgliedschaft in der Arbeitsgruppe Kirche und Strafvollzug, welche die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Strafvollzug, "Strafe: Tor zur Versöhnung" (1990), eingeleitet hat.

Eines seiner wichtigsten ehrenamtlichen Arbeit ist in seiner Funktion als engagiertes Gründungsmitglied des WEISSEN RINGES zu sehen. Mit der Gründung dieses Hilfsvereins für Kriminalitätsopfer im Jahre 1977 ist ein großes Netzwerk entstanden mit vielfältigen Hilfsmöglichkeiten, dass mittlerweile in mehreren Ländern in Europa operiert. Menschen, die einer Straftat zum Opfer gefallen sind können im WEISSEN RING Beistand und persönliche Betreuung, Hinweise im Umgang mit Behörden, Begleitung zu Gerichtsverfahren und viele andere Hilfestellungen finden und erhalten. Böhm war zunächst Regionalbeauftragter für Rheinland-Pfalz und übernahm anschließend den Vorsitz für den Rechtsausschuss und die Arbeitsgemeinschaft Strafrecht. Die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder stieg seid der Gründung in Mainz (17 Gründungsmitglieder, neben Böhm unter anderem: Fernsehjournalist Eduard Zimmermann, Oberstaatsanwalt Hans Sachs und damaliger Präsident des Bundeskriminalamtes Dr. Horst Herold) auf ungefähr 3000 in Deutschland und weltweit rund 60.000 Helferinnen und Helfer an, die Kriminalitätsopfern zur Seite stehen. Ziel des Vereins ist die Kriminalitätsvorbeugung, Hilfe in Notlagen und Unterstützung von Schadenswiedergutmachungsprojekten und des Täter-Opfer-Ausgleichs.

Ehrungen

  • 1985 ehrte das Land Rheinland-Pfalz Alexander Böhm für seine Verdienste und ehrenamtliche Arbeit mit der Verleihung des Landesverdienstordens.
  • 1999 wurde die "Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag am 14. Juni 1999"´ von Wolfgang Feuerhelm, Hans-Dieter Schwind und Michael Bock herausgegeben (ISBN 978-3-11-015696-6). Das Werk umfasst 869 Seiten, auf denen die wichtigsten Autoren der Zeit im Bereich der Kriminologie, des Strafrechts und des Strafvollzugs neue Erkenntnisse, Analysen, Vorschläge und Auswertungen vorstellten und erläuterten. Insgesamt 45 Autoren beteiligte sich mit Ausarbeitungen zu den Themen:
  1. "Nationale und internationale Perspektiven des Strafvollzugs"
  2. "Struktur und Organisation des Strafvollzugs"
  3. "Der Strafvollzug als Gegenstand empirischer Forschung"
  4. "Spezielle Personengruppen"
  5. "Behandlungsansätze"
  6. "Probleme der Entlassung"
  7. "Besondere Formen des Freiheitsentzuges"
  8. "Jugendstrafverfahren und Opferbeteiligung"
  9. "Jugend, Gewalt und Prävention"
  10. "Schicksale und Erinnerungen"

Quellen

Literaturquellen

  • Feuerhelm, Wolfgang; Schwind, Hans-Dieter; Bock, Michael: "Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag am 14. Juni 1999", Berlin, 1999.

Internetquellen