Bewährung

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Der Begriff Bewährung beschreibt eine Art Probezeit und wird hier synonym für die Strafaussetzung zur Bewährung verwendet. Dabei wird entweder die Vollstreckung der gesamten Strafe (englisch: probation) zurückgestellt und aber es wird nach Verbüßung eines Teils der Strafe der Rest "zur Bewährung ausgesetzt" (englisch: parole). Gibt der Verurteilte während der Bewährungszeit den relevanten Instanzen (Bewährungshelfer, Gericht) keinen Anlass zum Widerruf der Aussetzung, wird ihm die Sanktion erlassen.

Die Strafaussetzung zur Bewährung ist sowohl im Erwachsenen- als auch im Jugendstrafrecht möglich und findet v.a. bei der Aussetzung der gesamten Sanktion (§ 56 StGB; § 21 JGG) und bei der Aussetzung eines Strafrestes nach Teilverbüßung (§ 57 StGB; § 88 JGG) Anwendung.

Geschichte

Kriminalpolitische Bestrebungen das Institut der Bewährung einzuführen, lassen sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Hintergrund waren die überfüllten Gefängnisse und die Suche nach einer Alternative für die oft mehr schädlichen als nützlichen kurzen Freiheitsstrafen. Anhänger der konsequenten Vergeltungsstrafe wiesen die damaligen Vorschläge zurück und als Kompromiss wurde die bedingte Begnadigung eingeführt. Da dieses System nach dem 2. Weltkrieg immer mehr in der Kritik stand, prägten schließlich zwei erfolgreiche Vorbilder aus dem Ausland die weitere Entwicklung: das englisch-amerikanische System der probation und das sursis-System aus dem französisch-belgischen Rechtskreis. Der deutsche Gesetzgeber entnahm Teile aus beiden Systemen und führte 1953 die Strafaussetzung zur Bewährung ein. Die formellen Ausschlussgründe waren aber sehr eng gestrickt und erst in den folgenden Jahren wurde das Institut der Bewährung immer detaillierter weiterentwickelt und ihr Anwendungsbereich weiter ausgedehnt.

Heute hat sich die Aussetzung zur Bewährung von einem Gnadenerweis und einer Rechtswohltat mit Ausnahmecharakter zum wesentlichen Instrument moderner Kriminalpolitik entwickelt. Diese ambulante Kriminalreaktion mit (Re-) Sozialisierungsfunktion ist derzeit die zweithäufigste Sanktion im allgemeinen Strafrecht.

Annahmen

Die Grundannahme der Bewährung ist, dass der Täter schon durch die Verurteilung gewarnt ist und auch ohne die Einwirkung des Vollzugs künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Dadurch sollen die nachteiligen Wirkungen des Vollzugs vermieden, Vollzugskosten eingespart und Haftplätze freigehalten werden.

Bei der Aussetzung des Strafrestes soll die Aussicht auf diese dem Täter Ansporn geben, sich schon während der Haft angemessen zu verhalten und die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft durch die vorzeitige Entlassung gefördert werden.

Das besondere Motiv für ein Leben ohne Straftaten ist dabei die Androhung der (weiteren) Strafvollstreckung.

Anwendungsmöglichkeiten

Die Möglichkeit der gesamten Aussetzung gibt es für Freiheits- und Jugendstrafen in Höhe von bis zu zwei Jahren [1][2] sowie bei der Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt [3] (sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung).

Statt der Vollstreckung kann auch schon die Verhängung einer Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Im Erwachsenenstrafrecht ist dies bei Geldstrafen von bis zu 180 Tagessätzen (sog. Verwarnung mit Strafvorbehalt [4]), im Jugendrecht bei der Verhängung einer Jugendstrafe möglich [5].

Die Aussicht auf Aussetzung eines Strafrestes besteht bei zeitigen Freiheitsstrafen nach Verbüßung von zwei Dritteln, im Ausnahmefall schon nach der Hälfte der Strafzeit [6]. Lebenslange Freiheitsstrafen können nach 15 Jahren Vollzug ausgesetzt werden [7]. Von einer Jugendstrafe müssen mind. sechs Monate bzw. bei einer Strafhöhe von über einem Jahr mind. ein Drittel verbüßt worden sein [8]. Bei der Restaussetzung einer Unterbringung liegen die Fristen je nach Unterbringungsart zwischen sechs Monaten und zwei Jahren [9]. Ein Berufsverbot kann nach Vollstreckung von mind. einem Jahr ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden [10].

Grundsätzlich darf eine strafrechtliche Sanktion nur dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn eine künftige Straffreiheit des Täters erwartet werden kann (positive Sozialprognose). Bei der Reststrafenaussetzung ist zudem das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit zu berücksichtigen.

Bei der Entscheidung über die Bewährung hat das Gesetz zudem je nach Art der Sanktion, sowie mit steigender Höhe der Strafe zunehmend strengere Anforderungen. So z.B. dass die Verteidigung der Rechtsordnung gewahrt bleibt. Eine Aussetzung soll also für das allgemeine Rechtsempfinden nachvollziehbar sein und das Vertrauen der Bevölkerung in die Funktion des Strafrechts erhalten bleiben. Bei manchen Aussetzungen müssen außerdem besondere Umstände vorliegen, damit eine Aussetzung zur Bewährung in Frage kommt. Je nach Fall können dies z.B. durch die Tat erlittene Verletzungen des Täters, die Bereitschaft zu einer medikamentösen Behandlung oder eine erhebliche Mitschuld des Opfers sein.

Bewährungszeit

Die Bewährungszeit bei der (Rest-) Aussetzung einer Freiheitsstrafe, eines Berufsverbotes und einer Unterbringung liegt zwischen zwei und fünf Jahren. Die bei der Aussetzung einer Unterbringung eintretende Führungsaufsicht [11] kann allerdings bei Notwendigkeit auch unbefristet angeordnet werden.

Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt („Geldstrafe auf Bewährung“) gibt das Gesetz einen Rahmen von ein bis drei Jahren vor.

Die Bewährungszeit bei der (Rest-) Aussetzung einer Jugendstrafe beträgt zwischen einem und vier Jahren. Kürzer ist die Bewährungszeit wenn die Verhängung der Jugendstrafe ausgesetzt wird; sie beträgt ein bis zwei Jahre.

Innerhalb des jeweiligen Ermessenspielraums setzt das Gericht die individuelle Dauer der Bewährungszeit fest. Entscheidend ist dabei, wie viel Zeit das Gericht für erforderlich (aber auch für ausreichend) hält, um den Täter zu einem dauerhaft straffreien Leben zu veranlassen. Zudem wird berücksichtigt, dass der Täter genügend Zeit zur Erfüllung der Auflagen hat und wie lange er voraussichtlich der Hilfe der Weisungen und des Bewährungshelfers bedarf.

Auflagen und Weisungen

Mit Hilfe der Auflagen soll dem Verurteilten eine Belastung auferlegt werden, durch die der Staat, die Gesellschaft und ggf. das Opfer eine Genugtuung für die Rechtsverletzung erfahren. Die Auflagen haben die Funktion den Täter für die Folgen seiner Tat zur Verantwortung zu ziehen und einen Schuldausgleich zu ermöglichen, auch wenn ihm das Übel einer vollstreckten Strafe erspart bleibt. Mögliche Auflagen sind eine Schadenswiedergutmachung (z.B. Ausgleichszahlungen an das Opfer), die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (z.B. Arbeitsstunden oder Sachspenden) und die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse. Jugendlichen kann darüber hinaus auferlegt werden, sich persönlich bei dem Verletzen zu entschuldigen.

Weisungen sollen dem Verurteilten beim Erreichen des Bewährungsziels helfen, indem sie seine künftige Lebensführung positiv beeinflussen. Der Richter kann alle ihm dafür als zweckmäßig erscheinenden Weisungen erteilen, solange diese zumutbar und erforderlich sind, keine Grundrechte verletzen und nicht nur der leichteren Überwachung des Verurteilten dienen. Im Gesetzestext werden als Weisungen u.a. die Befolgung von Anweisungen bezüglich Aufenthalt oder Arbeit und das Verbot des Besitzes gewisser Gegenstände oder des Kontaktes mit bestimmten Personen genannt. Andere Weisungen können z.B. die Untersagung von Drogenkonsum oder die Teilnahme an familientherapeutischen Maßnahmen sein. Einige Weisungen (z.B. eine Entziehungskur) können nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

Die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer [12] für einen Teil oder die gesamte Dauer der Bewährung ist die kriminalpolitisch wichtigste Weisung und ermöglicht die nachhaltigste Wirkung auf die Lebensführung des Täters. Im Erwachsenenstrafrecht erteilt das Gericht diese Weisung, wenn sie zweckmäßig und notwendig ist; bei Jugendlichen ist sie obligatorisch. Die Unterstellung hat die Funktion dem Verurteilten die Hilfe und Unterstützung, aber auch Kontrolle zuteil werden zu lassen, die es bedarf, um ihm ein Leben ohne Straftaten zu ermöglichen. Der Bewährungshelfer hilft dem Täter bei der Bewältigung des Alltags und der Tat(folgen), berichtet dem Gericht über dessen Lebensführung, überwacht die Erfüllung von Auflagen, Weisungen, Anerbieten und Zusagen und teilt dem Gericht gröbliche und beharrliche Verstöße gegen diese mit.

Das Gericht sieht von Auflagen und Weisungen ab, wenn der Täter selbst angemessene Leistungen zur Wiedergutmachung (sog. Anerbieten) oder eigene Weisungen (sog. Zusagen) anbietet. Dies können z.B. eine freiwillige Blutspende oder die Vermittlung eines Arbeitsplatzes für den Geschädigten sein. Zweck dieser Vorschrift ist es, den Täter zu freiwilliger Mitarbeit und Eigeninitiative bei seiner Resozialisierung anzuregen.

Ende der Bewährung

Die Bewährung endet nach Ablauf der Bewährungszeit durch Erlass der ursprünglich verhängten bzw. angedrohten Sanktion oder vorzeitig durch Widerruf der Aussetzung.

Zum Widerruf der Bewährung kommt es, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine neue Straftat begeht, gegen Auflagen oder Weisungen gröblich und beharrlich verstößt oder sich dem Bewährungshelfer entzieht. Durch dieses Fehlverhalten zeigt der Verurteilte, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigt und daher Anlass zur Besorgnis weiterer Straftaten besteht.

Reicht es aber aus (weitere) Auflagen oder Weisungen zu erteilen, die Bewährungszeit zu verlängern oder den Täter nun erstmals oder für einen längeren Zeitraum als ursprünglich angeordnet einem Bewährungshelfer zu unterstellen, sieht das Gericht vom Widerruf ab.

Die Aussetzung einer Unterbringung kann zudem schon dann widerrufen werden, wenn alleine der Zustand des Verurteilten Grund zur Sorge weiterer Straftaten gibt oder im Nachhinein Umstände bekannt werden, die ursprünglich zur Versagung der Aussetzung geführt hätten.

Eine Bewährung kann ferner durch die Einbeziehung der Verurteilung in eine Gesamtstrafe vorzeitig enden. Und zwar dann, wenn dadurch die Grenze von zwei Jahren überschritten wird und somit die formalen Vorgaben einer Bewährung nicht mehr vorliegen.

Literatur

  • Blumenstein, Thomas: Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen der Begehung einer neuen Straftat nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Centaurus-Verlagsgesellschaft. Pfaffenweiler, 1995.
  • Dünkel, Frieder/Spiess, Gerhard (Hrsg.): Alternativen zur Freiheitsstrafe. Strafaussetzung zur Bewährung und Bewährungshilfe im internationalen Vergleich. Eigenverlag Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Freiburg, 1983.
  • Meyer-Reil, Arndt: Strafaussetzung zur Bewährung. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts. Beiträge zur Strafrechtswissenschaft. LIT Verlag. Berlin, 2006.
  • Trapp, Elke: Rechtswirklichkeit von Auflagen und Weisungen bei Strafaussetzung zur Bewährung. Institut für Kriminologie der Universität Tübingen. TOBIAS-lib. Tübingen, 2003.