Jugendstrafrecht

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Definition

Unter Jugendstrafrecht versteht man die Normen, vor allem die des JGG, welche die Anwendung des Strafrechts auf Jugendliche (14 bis 18 Jährige) und unter Umständen auf Heranwachsende (18 bis 21 Jährige) regeln. Das deutsche Jugendstrafrecht baut auf dem Erziehungsgedanken auf.

Geschichte

Sinn und Zweck des Jugendstrafrechts

Das Jugendstrafrecht ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Hinsichtlich der Frage, welche Verhaltensweisen strafbar sind, verweist das JGG auf die Vorschriften des allgemeinen Strafrechts, z.B. Strafgesetzbuch, Betäubungsmittelgesetz, Waffengesetz, Ausländergesetz, Straßenverkehrsgesetz usw. Allgemeine Vorschriften in Gesetzen außerhalb des JGG gelten nur, wenn im JGG nichts anderes bestimmt ist. Das seit den 20 er Jahren in Deutschland bestehende JGG baut im Wesentlichen auf den Erziehungsgedanken auf, wendet sich also gegen eine Vergeltung der Tatschuld durch Übelszufügung. Dieses Rechtsverständnis stützt sich auf die Einsicht, dass ein Jugendlicher nicht in dem Umfang für eine Straftat verantwortlich gemacht werden kann wie ein Erwachsener, da er sich noch in einem Sozialisationsprozess befindet. Vielmehr wurde ein am Gedanken der Besserungsspezialprävention orientiertes Strafrecht geschaffen, das Sanktionsauswahl und -bemessung entsprechend ihrer Eignung und Erforderlichkeit bestimmt, um so den jungen Täter von weiteren Straftaten abzuhalten. Das 1.JGGÄNdG von 1990 möchte diesen präventiven Charakter noch verstärken, indem es den Erziehungsgedanken noch besser zum Tragen bringt und dadurch Effizienz im Hinblick auf die Rückfallvermeidung steigert. Konkret findet sich der Erziehungsgedanke im Rechtsfolgesystem wieder. Hier wird zwischen drei Kategorien, Erziehungsregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe, unterschieden. Erziehungsmaßregeln sind die nicht wegen, sondern die aus Anlass der Straftat anzuordnenden Maßnahmen. Sie dienen nicht dem Zweck der Ahndung der Tat, sondern ausschließlich der Erziehung des Täters zu einem „rechtschaffenen Lebenswandel“. Sie setzen Erziehungsbedürftigkeit und -fähigkeit voraus. Als solche Maßregel kennt das JGG Weisungen und die Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung im Sinne des §§ 30, 34 KJHG. Als Folge mit ahnendem Charakter kennt das JGG Zuchtmittel, bestehend aus Verwarnung, der Erteilung von Auflagen sowie Jugendarrest. Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkung einer Strafe, sie sollen dem Jugendlichen jedoch zu Bewusstsein bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Jugendarrest kann in Form einer Freizeit- (z.B. an Wochenenden), in Form eines Kurz- (höchstens 4 Tage) oder eines Dauerarrestes (mindestens 1 höchstens 4 Wochen) abgegolten werden. Er soll als eine Art Denkzettel dienen. Jedoch wird aus wissenschaftlicher Sicht häufig angemerkt, dass er wohl mehr Schaden als Nutzen stiftet (Heinz, 2008). Die Jugendstrafe ist die einzige echte Kriminalstrafe des JGG. Sie kann verhängt werden, wenn wegen der schädlichen Neigung eines Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten ist, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen. Des Weiteren muss eine sich wiederholende nicht unerhebliche Delinquenz wahrscheinlich sein, um eine so genannte Gesamterziehung über einen längeren Zeitraum rechtfertigen zu können. Jugendstrafe kann zum anderen verhängt werden, wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Die Dauer der Jugendstrafe beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 5 Jahre, jedoch 10 Jahre, wenn nach allgemeinem Erwachsenenstrafrecht eine Höchststrafe von mehr als 10 Jahren angedroht ist. Bei Verhängung dieser Kriminalstrafe soll der Erziehungsgedanke eines wesentliche, bei dem Vollzug sogar eine dominierende Rolle spielen. Die beschriebenen Reaktionsmittel stehen nicht mehr in Abhängigkeit vom allgemeinen Strafrecht. Dies bedeutet, dass das materielle Jugendstrafrecht vom Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts losgelöst ist und spezielle Sanktionszumessungregeln entwickelt hat. Als ein erzieherisches Grundprinzip des Jugendrechts, das sich wie ein roter Faden durch das JGG zieht, gilt, die Möglichkeit des Richters, in jedem Verfahrensstand nach den erzieherischen Bedürfnissen des betroffenen Jugendlichen pädagogisch zu reagieren. Im Erwachsenenstrafrecht orientiert sich die Reaktion regelmäßig an der Straftat und der Schuld, die der Täter bei Begehen der Tat auf sich geladen hat. Beim Jugendstrafrecht kommt es daggegen nicht auf die Schuld in diesem Sinne an, sondern vorrangig auf die Erfolg versprechende Behandlung des Täters, also auf die mögliche Erziehung. Der maßgebende Zeitpunkt für die Feststellung, was aus diesem Grunde erforderlich ist, ist nicht die Tat, sondern der Augenblick, in dem sich der Jugendrichter mit dem Jugendlichen befasst. So besteht die Möglichkeit, bei Vorliegen des Tatverdachts Anordnungen zur Erziehung zu treffen. Diese vermittelten Angebote und Hilfen könne dazu führen, dass zum Zeitpunkt des Urteils die Entwicklung des jungen Menschen soweit stabilisiert ist, dass von Strafen oder erzieherischen Maßnahmen abgesehen werden kann.


Reformvorschläge

Im Jahre 2003 brachte die baden-württembergische Landesregierung einen Vorschlag für die Veränderung des Jugendstrafrechts in drei Punkten in den Bundesrat ein:

  • Die Straftaten von 18-21jährigen Tätern sollen in der Regel nach Erwachsenen-, nicht nach Jugendstrafrecht geahndet werden (Anlass: in Baden-Württemberg wurden 80% der von Heranwachsenden begangenen Gewaltdelikte in der Praxis nach Jugendstrafrecht behandelt)
  • In Einzelfällen soll es für Jugendliche, die nach dem Jugendstrafrecht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden, zusätzlich einen "Warnschussarrest" von höchstens vier Wochen Dauer geben, der nach Möglichkeit in einer Arrestanstalt, nicht in einem normalen Gefängnis abzusitzen ist, um den Kontakt mit älteren Straffälligen zu vermeiden
  • Erhöhung der Höchststrafe für Heranwachsende von 10 auf 15 Jahre.

Dieser Novellierungsvorschlag wurde zu Jahresbeginn 2008 wieder aus der Schublade geholt, als die Frage, was man gegen die Jugendkriminalität tun könne, in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert wurde. Im Vorfeld der hessischen Landtagswahl (27.01.08) veröffentlichte der CDU-Spitzenkandidat Roland Koch einen Sechs-Punkte-Plan:

"Wir wollen:

 1. einen Warnschussarrest, der jüngst auch unter der Bezeichnung „Schock-Haft“ diskutiert wurde. Nur wenn notorische jugendliche Straftäter neben einer Bewährungsstrafe gleich spüren, wie sich Gefängnis von innen anfühlt, besteht die Chance, ihre kriminellen Karrieren so schnell wie möglich zu unterbrechen.
 2. die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren wieder zum Regelfall, das Jugendstrafrecht zur Ausnahme machen. Die Gesellschaft muss auch gegenüber Straftätern über 18 Jahren klarstellen, dass erwachsen sein Pflichten und Konsequenzen mit sich bringt.
 3. die Höchstgrenze der Jugendstrafe bei Heranwachsenden für schwerste Verbrechen von 10 auf 15 Jahre erhöhen.
 4. zum Schutz der Bevölkerung die Sicherungsverwahrung auch bei Heranwachsenden zulassen, wenn diese zu einer Jugendstrafe von mindestens 5 Jahren wegen der Begehung einer schwerwiegenden Straftat (Verbrechen gegen das Leben, Sexualstraftaten, Raub mit Todesfolge usw.) verurteilt wurden.
 5. das jugendstrafrechtliche Handlungsinstrumentarium gezielt erweitern und flexibilisieren, indem zum Beispiel das Fahrverbot zu einer eigenständigen Sanktion des Jugendstrafrechts ausgebaut und sein Anwendungsbereich auf alle Arten von Straftaten eröffnet wird.
 6. Wir wollen außerdem eine Änderung des Aufenthaltsrechtes. Ausländer müssen bei einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zwingend ausgewiesen werden können, und nicht erst wie bislang unter bestimmten Bedingungen nach drei Jahren. Gleichzeitig muss auch der Ausweisungsschutz im Aufenthaltsrecht für schwer kriminelle Jugendliche zurückgefahren werden.“

Allerdings musste sich Koch die Kritik gefallen lassen, dass er während seiner Amtszeit Stellen bei der Polizei ebenso wie Gelder für Präventionsprojekte gestrichen hatte und dass Hessen bundesweit abgeschlagen auf dem letzten Platz lag, was die Verfahrensdauer bei Strafrichtern, Jugendrichtern und Jugendschöffengerichten anging ("Lange Verfahren in Hessen", FAZ 10.01.08: 4).

Die Kritik am Sechs-Punkte-Plan stellte die Zwecklosigkeit der angeregten Verschärfungen in den Vordergrund. So wurde z.B. darauf hingewiesen, dass die erhoffte Abschreckungswirkung ausgeblieben war, nachdem man 1998 die Strafandrohung für Körperverletzungsdelikte erhöht hatte (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,525884,00.html).

Links

http://www.roland-koch.de/Koch-SPD-muss-Blockadehaltung-bei-Jugendstrafrecht-aufgeben/1199288052.html