Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV)

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„Die IKV vertritt die Ansicht, dass sowohl das Verbrechen als auch die Mittel zu seiner Bekämpfung nicht nur vom juristischen, sondern ebenso auch vom anthropologischen und soziologischen Standpunkt aus betrachtet werden müssen. Sie stellt sich zur Aufgabe die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens, seiner Ursachen und der Mittel seiner Bekämpfung“ (geänderte Satzung Art.1).


Gründung

Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV) wurde 1888/89 in Wien gegründet und war auch unter den Bezeichnungen International Union of Penal Law, bzw. Union Internationale de Droit Pénal (I.U.P.L./U.I.D.P) bekannt. Nachdem der transnationale Charakter der IKV unter dem Ersten Weltkrieg gelitten hatte, wurden am 14.03.1924 in Paris die englisch- und französischsprachigen Nachfolgeorganisationen (International Association of Penal Law, bzw. Association Internationale de Droit Pénal; I.A.P.L./A.I.D.P.) gegründet.

Gründer

Die Internationale Kriminalistische Vereinigung wurde von Franz von Liszt, Gerardus Antonius van Hameln und Adolphe Prins gegründet.


Franz von Liszt (* 2. März 1851 in Wien, † 21. Juni 1919)

Der in Wien geborene Jurist war u.a. Professor für Strafrecht an Lehrstühlen in Gießen, Marburg, Halle und Berlin. Darüber hinaus war er Abgeordneter der Fortschrittlichen Volkspartei im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag und einer der Mitbegründer des Liberalen Wahlvereins. Er gründete das „Kriminalistische Seminar“ und war Mitherausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft“. 1882 hielt er die, unter dem Namen „Marburger Programm“ bekannt gewordene, epochemachende Rede „Der Zweckgedanke im Strafrecht“. Er gilt als der Initiator und die treibende Kraft bei der Gründung der „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung“.


Gerardus Antonius van Hamel (* 7. Januar 1842 in Haarlem, † 2. November 1917)

Der niederländische Strafrechtsprofessor war u.a. als stellverstretender Justiz-Offizier (Staatsanwalt) und Rechtsbeistand im Kriegsdepartment tätig. Er war Mitbegründer der Zeitschrift „Tijschrift voor Strafrecht“ sowie Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Liberalen Union.


Adolphe Prins (* 2. November 1845 in Brüssel, † 29. September 1919)

Der belgische Rechtswissenschaftler und Soziologie war u.a. Generalinspekteur der belgischen Gefängnisse sowie zunächst Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und später Rektor der Freien Universität Brüssel. Er war Mitglied der königlichen Akademie Belgiens sowie des obersten Arbeitsrates. Den nachhaltigsten Eindruck hatte er durch sein gesetzgeberisches Wirken als Präsident der Gesetzgebungskommission hinterlassen.

Arbeit

Im Mittelpunkt des Programms, das von der Überzeugung getragen war, dass das Thema "Verbrechen und Strafen" in Wissenschaft und Gesetzgebung ebenso sehr vom soziologischen wie vom juristischen Gesichtspunkt aus zu betrachten sei, stand die Reform des Strafensystems und des Strafvollzugs, insbesondere die Bekämpfung der als verderblich angesehenen kurzzeitigen Freiheitsstrafen. Als Ersatz für die kurze Freiheitsstrafe war "Arbeitsstrafe ohne Einsperrung" - heute würde man von gemeinnütziger Arbeit sprechen - vorgesehen. Auch setzte sich die IKV für die Einführung der "bedingten Verurteilung" (= Strafaussetzung auf Bewährung) ein.

Noch im 19. Jahrhundert formulierte die IKV die folgenden zentralen Anliegen:

  • Heranziehung anderer Mittel als nur der Strafe zur Bekämpfung der Verbrechen
  • Benutzung der soziologischen und anthropologischen Forschungen
  • Unterscheidung von Gelegenheits- und Gewohnheitsverbrechern (sowie Unschädlichmachung der letztgenannten, sofern sie unverbesserlich sind)
  • Beseitigung der Trennung des Strafvollzugs von der Strafrechtspflege
  • Verbesserung der Gefängnisse
  • Ersatz der kurzzeitigen Freiheitsstrafen
  • Bemessung der Strafdauer bei langzeitigen Freiheitsstrafen auch nach den Ergebnissen des Strafvollzugs.

Die ersten Kongresse der IKV, die jeweils durch Gutachten und Berichte vorbereitet waren, wurden in Brüssel (1889), Bern (1890), Kristiania (1891), Paris (1893) abgehalten. Die Vereinigung, die auch sowohl ein französisches als auch ein deutsches Jahrbuch herausgab, zählte zur Zeit des Pariser Kongresses über 600 Mitglieder aus fast allen Staaten Europas, aus Nord- und Südamerika, Ägypten und Japan.

Von 1889 bis 1914 rang die IKV mit viel Engagement um ihre Reformziele. Der Erste Weltkrieg erschütterte den transnationalen Zusammenhalt. Die deutsche Landesgruppe der IKV arbeitete weiter für die Reform des deutschen Strafrechts, scheiterte dann aber am Aufstieg des Nationalsozialismus. Das Ende der IKV wird mal auf 1932 (das Jahr des letzten Kongresses der deutschen Sektion), mal auf 1937 (förmliche Auflösung) datiert.

Die Bewertungen der Rolle der IKV sind geteilt. Während manche in der IKV eine Vorreiterin der kriminalpolitischen Liberalisierung im späten 20. Jahrhundert sehen, betonen andere die direkten und indirekten Verbindungslinien, die von der IKV zu den autoritären Strafrechts- und Unterdrückungssystemen des frühen 20. Jahrhunderts führen (faschistisches Italien, Drittes Reich, Stalinismus).


Literatur

  • Jescheck, Hans Heinrich (1980) Der Einfluß der IKV und der AIDP auf die internationale Entwicklung der modernen Kriminalpolitik, ZStW 92, S. 997 ff.
  • Bellmann, Elisabeth (1994) Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (1889-1933). Frankfurt u.a.: Peter Lang.
  • Vogler, Richard (2005) A World View of Criminal Justice. London: Ashgate (S. 61 ff.).
  • Kesper-Biermann, Sylvia (2007) Wissenschaftlicher Ideenaustausch und "kriminalpolitische Propaganda". Die Internationale Kriminalistische Vereinigung (1889-1937) und der Strafvollzug, in: Sabine Freitag/Désirée Schauz (Hrsg.): Verbrecher im Visier der Experten. Kriminalpolitik zwischen Wissenschaft und Praxis im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart: Franz Steiner, S. 79-97.

Weblinks

http://www.penal.org/new/index.php

http://www.aidpblog.org/about-aidp/

http://www.penal.org/new/generale.php?langage=gb&Doc_zone=QUI