Strafvollzug

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Der Begriff Strafvollzug bezeichnet die Durchführung der Freiheitsstrafe und ist enger gefasst als der Begriff der Strafvollstreckung, der auch die Durchführung von Leibes- und Lebensstrafen sowie von Geldstrafen u.ä. bezeichnet. In Deutschland umfasst er die Freiheitsstrafe gemäß §38 StGB, die Jugendstrafe gemäß §17 JGG und freiheitsentziehende Maßnahmen der Besserung und Sicherung gemäß §§ 63, 64, 66 StGB.



Ziel des Strafvollzugs

Auf Bundesrechtsebene, wie auf Landesrechtsebene hat der Strafvollzug zwei Aufgaben. Der Straftäter soll „fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. Weiter dient der Vollzug der Freiheitstrafe „dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“ (§2 StVollzG/ §2 HamStVollzG). Ziel des Strafvollzugs ist somit die Resozialisierung und Sicherung des Straftäters. Als Mindestanforderung an den Vollzug zur Verwirklichung der Vollzugsziele nennt der Gesetzgeber als Gestaltungsprinzipien den Angleichungsgrundsatz, den Gegensteuerungsgrundsatz und den Integrationsgrundsatz. Nach dem Angleichungsgrundsatz ist das Leben im Vollzug dem in Freiheit soweit wie möglich anzugleichen. Der Gegensteuerungsgrundsatz verlangt, schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung entgegen zu wirken. Auch ist der Vollzug so auszurichten, dass der Gefangene sich nach dem Vollzug in Freiheit wieder zurecht findet.


Struktur des Strafvollzugs

Entsprechend der individuellen Erfordernissen der Inhaftierten und den auseinander strebenden Vollzugszwecken, gliedern sich die Vollzugsanstalten in verschiedene Anstaltsformen. Alle Anstaltsformen unterliegen dem Trennungs- und Differenzierungsprinzip gemäß §§ 140, 141 StVollzG. Das Trennungsprinzip verlangt eine Trennung der Inhaftierten nach Haftart und Geschlecht. Aufgrund der meinst geringen Anzahl weiblicher Gefangener wird dem Trennungsprinzip oft durch die Einrichtung getrennter Abteilungen innerhalb einer Vollzugsanstalt Rechnung getragen. Eine Ausnahme vom Trennungsprinzip bildet die gemeinsame Teilnahme an einer Behandlungsmaßnahme. Mit dem Differenzierungsgebot hat der Gesetzgeber gewährleistet, dass Inhaftierte mit gleichen Klassifizierungsmerkmalen auf Anstalten, die nach den Bedürfnissen der Gefangenen mit den speziellen Mitteln ausgestattetet sind verteilt werden.

Einweisungsanstalten/-Abteilungen gemäß § 152 II StVollzG

Hier erfolgt eine Eingangs-/Behandlungsuntersuchung des Gefangenen durch einen Arzt mit dem Ergebnis einer Vollzugsprognose. Entsprechend des Behandlungsbedürfnisses wird der Gefangene dann in eine der folgenden Anstalten verlegt.

Anstalten des geschlossenen Vollzugs gemäß § 10 II StVollzG

In den Anstalten des geschlossenen Vollzugs werden Inhaftierte mit langfristigen Freiheitsstrafen oder mit hohem Sicherheitsrisiko untergebracht. Innerhalb des geschlossenen Vollzugs werden Straftäter, die als besonders gefährlich gelten nochmal in speziellen Abteilungen zusammengefasst, so dass es in den Anstalten des geschlossenen Vollzugs Bereiche mit Lockerungen der Sicherheitsvorkehrungen gibt.

Anstalten des offenen Vollzugs gemäß § 10 I StVollzG

Die Form der Vollzugsanstalten ist gekennzeichnet durch das Fehlen oder die Verminderung der Sicherungsmittel, d.h. es gibt keine ständige unmittelbare Beaufsichtigung des Inhaftierten, sowie keine physischen Sicherungsmittel. Ziel ist es, psycho-soziale Stressfaktoren für den Inhaftierten zu reduzieren.

Halboffene Anstalten

Halboffene Anstalten, sind nur teilweise ohne Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet. Sie liegen im Grenzbereich zwischen den Anstalten des geschlossenen und der offenen Vollzugs.

Sozialtherapeutische Anstalten gemäß §§ 9, 123 ff StVollzG

Diese Anstalten sind inhaltlich und strukturell eigenständig. Die Behandlung der Inhaftierten erfolgt anhand besonderer therapeutischer Mittel und sozialer Hilfen. Hier gibt es z.B. besondere Abteilungen für Sexualstraftäter. In der Theorie soll die Belegung 200 Plätze nicht übersteigen, dies ist jedoch aufgrund der hohen Anzahl Inhaftierter mit besonderem Behandlungsbedarf selten zu realisieren.

Anstalten/Abteilungen für Frauen gemäß § 152 II StVollzG

Die geringe Anzahl weiblicher Gefangener macht meist die Zusammenlegung von Schwerpunktabteilungen erforderlich. Für Inhaftierte mit noch nicht schulpflichtigen Kindern, gibt es spezielle Mutter-Kind-Stationen (§§80, 142 StVollzG).

Einrichtungen für den Altenstrafvollzug gemäß § 152 StVollzG

Diese Anstalten/Abteilungen sind speziell auf die Bedürfnisse alter Gefangener abgestimmt und kommen in der Regel ab einem Alter von 60 Jahren in Betracht.

Einrichtungen für die Entlassung gemäß § 147 StVollzG

Ziel dieser Einrichtungen ist die Erleichterung des Übergangs in die Freiheit. Die Entlassungsvorbereitung findet in gesonderten offenen Anstalten, in offenen, aber den geschlossenen Anstalt angegliederten Anstalten (Übergangshäuser) oder in angemieteten Häusern oder Großraumwohnungen, in der Nähe des Ortes, an dem der Gefangenen später leben wird statt.

Einrichtungen zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen (§ 43 StGB)

Diese Anstalten dienen in erster Linie der Entlastung der andern Vollzugsanstalten. Hier verbüßen zu einer Geldstrafe Verurteilte, bei denen das Geld nicht einzubringen ist ihre Strafe. Kennzeichnend sind geringe Sicherheitsstandards. Darüberhinaus werden Einsparungen bei Freizeitangeboten gemacht und auf langfristig angelegte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen verzichtet.

Jugendstrafvollzugsanstalten gemäß § 114 JGG

Hier ist eine Unterbringung bis zu dem 24. Lebensjahr möglich, sofern eine Verurteilung nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) erfolgt ist. Maßgebend sind die Reife und der Entwicklungsstand des Jugendlichen/Erwachsenen. In den Anstalten erfolgt eine getrennte Unterbringung von Jugendlichen und Erwachsenden, um die Jugendlichen vor schädlichen/kriminellen Einflüssen der Erwachsenden zu schützen.

Bei der Betrachtung der Rückfallquote (50-80 %) ist der Strafvollzug kein Erfolgskonzept.


Personal im Strafvollzug

Die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben im Strafvollzugs wird in den Vollzuganstalten durch geschultes Personal gewährleistet.

Amtsleitung

Die Leitung der Strafanstalt trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt in der Öffentlichkeit. Schwerpunkt der Arbeit ist es, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für leistungs- und kostenbewusstes Arbeiten zu schaffen. Bei divergierenden Vollzugszielen verdeutlicht die Anstaltsleitung die Primärziele. Voraussetzung für die Tätigkeit einer Anstaltsleitung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium.

Beamte des Allgemeinen Vollzugsdienstes

Die Beamten des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) sind in den Anstalten in erster Linie als Vollzugskräfte tätig und sorgen für Sicherheit und Ordnung. In diesem Zusammenhang zählen insbesondere die Beaufsichtigung, Versorgung und Betreuung der Gefangenen zu ihren Aufgaben. Aus der Tatsache, dass es zu wenig Sozialarbeiter und Psychologen in den Anstalten gibt, und der AVD den engsten Kontakt zu den Gefangenen hat, ergibt sich, dass dem AVD auch eine Behandlungsrolle zukommt. Die Ausbildung dauert 24 Monate (10 Monate Theorie, 14 Monate Praxis). Zu den Unterrichtfächern gehören u.a. Psychologie, Kriminal- und Vollzugspädagogik, Straf- und Strafverfahrensrecht, Waffenkunde, Erste Hilfe etc. Der tägliche Umgang mit den Gefangenen setzt einen standfesten Charakter, ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, sowie eine schnelle und gute Auffassungsgabe des Vollzugsbeamten voraus.

Verwaltung

Die Verwaltung umfasst die Hausverwaltung, Geschäftsstelle, Arbeits- und Wirtschaftsverwaltung, Bauverwaltung, Amtskasse und die Hausvaterei, d.h. die Verwaltung der Habe und Kleidung des Gefangenen.

Sozialbearbeiter

Aufgabe der Sozialarbeiter ist es, die Eigenverantwortung der Gefangenen zu stärken und das Sozialverhalten zu verbessern. Dies geschieht durch sozialtherapeutische Trainingsmaßnahmen und ein gezieltes Freizeit- und Sportprogramm. Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung leisten die Sozialarbeiter Hilfe bei Amts- und Behördengängen, insbesondere bei der Beschaffung von Ausweispapieren, der Erstellung von Schuldentilgungsplänen oder der Beschaffung einer Wohnung oder Arbeit nach der Haftentlassung.

Pädagogen

Ein hoher Prozentsatz der Gefangenen hat keinen Bildungsabschluss oder Berufsausbildung. Aufgabe der Pädagogen ist es, die schulische Qualifikation des Gefangenen zu fördern, um auf berufliche Maßnahmen vorzubereiten und eine Widereingliederung nach der Haft zu erleichtern.

Werkbeamte

Die Werkbeamten sind für die Organisation der Arbeit und der beruflichen Ausbildung verantwortlich. Ausgebildet werden vor allem Berufe wie Metallbauer, Maler und Lackierer, Tischler, Bäcker, Koch, Schweißer uvm. Ziel ist auch hier eine erfolgreiche Wiedereingliederung nach der Entlassung.

Ärzte

Neben der Eingangsuntersuchung und der ärztlichen Versorgung der Gefangenen, sind Ärzte in den Vollzugsanstalten ebenfalls für Fragen der Vollzugsfähigkeit und Arbeits- und Transportfähigkeit zuständig.

Psychologen

Den Psychologen kommt in erster Linie die Aufgabe der individuellen Beratung und Therapie zu. An Entscheidungen über Vollzugslockerungen sind die Psychologen ebenfalls beteiligt. Im Rahmen der Eingangsuntersuchung werden die Gefangenen auch psychologisch begutachtet. Darüber hinaus wirken die Psychologen auch an der Aus- und Fortbildung des AVD mit.

Pfarrer

Aufgrund ihrer Amtsverschwiegenheit sind Pfarrer oft Vertrauensperson und Ansprechpartner für die Gefangenen. Zu ihren Aufgaben gehören u.a. Einzelgespräche in Hafträumen, Krisenintervention, Trauerbegleitung, gemeinsame Gespräche mit Gefangenen und Angehörigen und die Ausführung von Gefangenen im Rahmen ihrer Resozialisierung.


Arbeit, Aus- und Weiterbildung

Arbeits-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Vollzug dienen der beruflichen und sozialen Integration des Inhaftierten und sind somit ein zentrales Element der Behandlung bzw. Resozialisierung. Gemäß § 41 StVollzG besteht für den Inhaftierten eine Arbeitspflicht. Die Tätigkeit muss jedoch den körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sowie dem Gesundheitszustand des Inhaftierten angemessen sein. Eine Berufsausbildung oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sind der Arbeit gleichgestellt. Die Arbeitspflicht entfällt, bei Gewerbsunfähigkeit, Mutterschutz oder bei Inhaftierten, die älter als 65 Jahre sind. Ziel der Arbeitsverpflichtung ist es, die Leistungsbereitschaft zu fördern und die Motivation und Einstellungen zur Arbeit, sowie die beruflichen Qualifikation zu verbessern. Darüberhinaus werden Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und ein auf eigenen Leistungen beruhendes Selbstbewusstsein entwickelt. Die Arbeit kann sowohl in Unternehmensbetrieben, bei denen ein Arbeitsvertrag zwischen der Anstaltsleitung und dem Unternehmen besteht vollzogen werden, als auch in den der Anstalt angegliederten Unternehmen oder in einem freien Beschäftigungsverhältnis. Dem Gefangenen stehen 9% des Durchschnittentgeltes zu, dies entspricht einem Monatslohn von 200 bis 250 Euro.


Vollzugslockerungen

Lockerungen im Strafvollzug sind Bestandteil der Behandlung des Straftäters, mit dem Ziel der Schaffung und Erhaltung sozialer Außenkontakte, der gesellschaftlichen Integration und der Reduzierung schädlicher Außenwirkungen des Anstaltslebens, die z.B. durch die Bildung von Subkulturen innerhalb der Anstalten zustande kommen. Das Gesetz normiert folgende Formen der Lockerung.

Außenbeschäftigung gemäß § 11 I Nr. 1 StVollzG

Außenbeschäftigung bedeutet, dass der Gefangene einer regelmäßigen Tätigkeit in Unternehmensbetrieben unter Aufsicht eines Vollzugsbeamten nachgeht. Diese Tätigkeiten können z.B. Bildungs- oder Ausbildungsmaßnehmen sein, auch aber sportliche Betätigungen. Voraussetzung ist die regeläßige Teilnahme an einem fortlaufenden Programm.

Freigang gemäß § 39 I, II StVollzG

Der Freigang umfasst die Erlaubnis, der regelmäßigen Tätigkeit außerhalb der Anstalt ohne Beaufsichtigung eines Vollzugsbeamten nachzugehen.

Ausführung gemäß § 35 StVollzG

Die Ausführung gestattet dem Gefangenen das Verlassen der Anstalt für einen bestimmten Zeitraum unter ständiger Beaufsichtigung eines Vollzugbeamten. Diese Form der Lockerung kommt in der Regel in Betracht, wenn z.B. Zweifel über die Missbrauchsgefahr im Hinblick auf eine Urlaubsgewährung besteht.

Ausgang gemäß § 11 II StVollzG

Diese Lockerung erlaubt dem Gefangenen das Verlassen der Anstalt ohne Aufsicht und Vorliegen eines bestimmten Grundes.

Urlaub gemäß § 13 StVollzG

Die Gewährung von Urlaub betrifft primär Gefangene, die arbeiten. Nach einer einjährigen Arbeitszeit, kann der Gefangene eine 18-tägige Freistellung von der Haft beantragen.

Alle Formen der Lockerungen bedeuten keine Unterbrechung der Strafvollstreckung, da die Ausgestaltung der Lockerung nach Inhalt, Zielsetzung und Art und Weise der Durchführung von der Anstaltsleitung vorgegeben wird. Ausschlagbebend für die Gewährung von Haftlockerungen ist die Geeignetheit des Inhaftierten, d.h. es darf keine Flucht- und Missbrauchsgefahr prognostiziert werden. Lockerungen werden nicht gewährt, bei Gefangenen, die wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung inhaftierte sind, bei Entweichung bei vorherigen Lockerungen, bei einem laufenden Ausweisungsverfahren, bei Inhaftierten, die im Verdacht stehen mit Betäubungsmitteln zu handeln und wenn sich der Inhaftierte an Meutereien beteiligt hat.


Literatur

Alpmann Schmidt, Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug, 2005

Laubenthal, Strafvollzug, 2008

Kaiser/Schöch, Strafvollzug –eine Einführung in die Grundlagen, 2003


Strafvollzugsrecht