Franz Exner

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Franz Exner (* 9. August 1881 in Wien; †1. Oktober 1947 in München) war einer der führenden Kriminalwissenschaftler Deutschlands.

Leben

Exner stammte aus einer Gelehrtenfamilie. Sein Vater Adolf Exner, Rechtsprofessor(1841-1894) und dessen Schwester Marie Exner (Mutter des Zoologen und Nobelpreisträgers Karl von Frisch),verband eine tiefe Freundschaft mit Gottfried Keller [Aus Gottfried Kellers glücklicher Zeit: Der Dichter im Briefwechsel mit Marie Exner und Adolf Exner. Hrsg. von Irmgard Smidt. Stäfa: Gut 1981.n Berlin ], sein Großvater Franz Serafin Exner, Philosophieprofessor in Wien gilt als „der“ österreichische Schulreformer.

Franz Exner studierte in Wien, Heidelberg und am Kriminalistischen Seminar Franz von Liszts . Seine berufliche Laufbahn führte ihn von einer Privatdozentur in Wien (1910) über Professuren in Czernowitz (1912), Prag (1916), Tübingen (1919), Leipzig (1921). Am 1. April 1933 folgte er einem Ruf auf eine Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie in München, die er auch nach dem 8. Mai 1945 behielt. Als er 1947 starb, war er einer der wenigen, wenn nicht der einzige namhafte Kriminologe, der unter vier verschiedenen politischen Systemen geforscht und gelehrt hatte – von der österreichischen Donaumonarchie über die Weimarer Republik und das „Dritte Reich“ bis hin zur Zeit der Alliierten Besatzung. Exner war Herausgeber der „Kriminalistischen Abhandlungen“ (1926-1941) und seit 1936 Mitherausgeber der „Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform“. 1945/46 verteidigte er in den Nürnberger Prozessen zusammen mit Hermann Jahrreis den als Hauptkriegsverbrecher angeklagten Generaloberst Alfred Jodl sowie den Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht, gewissermasssen als letzte Ehrerweisung für seinen in Russland gefallen Sohn Adolf Exner und Schwiegersohn Rupprecht von Braun.

Werk

Bekannt wurde Exner schon in der Weimarer Zeit durch seine Abhandlung „Krieg und Kriminalität“ (1926), die ihm – obschon von seiner Ausbildung her Jurist – den Ruf als „Germany’s preeminent criminal sociologist“ (Richard Wetzell) eintrug; einen Ruf, den er mit seinem Artikel „Kriminalsoziologie“ im damals maßgeblichen Handwörterbuch der Kriminologie (1936) festigte. Neben seinen Abhandlungen und seinen internationalen Aktivitäten war es vor allem sein Lehrbuch (1. und 2. Auflage von 1939/1944: „Kriminalbiologie“; 3. Auflage 1947: „Kriminologie“), das ihm eine herausgehobene Stellung in der deutschen Kriminologie verschaffte. Sein Einfluss blieb bis in die sechziger Jahre spürbar. Als in den achtziger Jahren die Auseinandersetzung mit der Rolle der Kriminologie und einzelner Kriminologen im NS-Staat begann, wurde Exner zunächst zum Vorwurf gemacht, dass er den Titel seines Lehrbuchs den politischen Großwetterlagen angepasst und seine Selbstkritik nach dem Krieg auf das Weglassen der Passagen über Juden beschränkt habe. Später thematisierte Francisco Muñoz Conde seine Mitwirkung am Entwurf des Gemeinschaftsfremdengesetzes (1940-1944).

Im Gegensatz zu gelegentlichen Pauschalurteilen ist bei Exner allerdings der kontinuierliche Versuch einer gewissen Distanzwahrung zum Hitler-Regime zu konstatieren. Seine Haltung zur Kriminalbiologie war – trotz des Titels seines Lehrbuchs – durchaus abwägend. Die vermittelnde Position, die er schon in der Weimarer Zeit während der Anlage-Umwelt-Kontroversen in der Kriminologie eingenommen hatte, behielt er im Grundsatz auch während der NS-Zeit bei. Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen und Fakultätskollegen Edmund Mezger (1883-1962) war Exner nie Mitglied der NSDAP und hielt sich auch politisch-ideologisch zurück. Selbst in einem Aufsatz mit einem „verdächtig“ klingenden Titel wie dem über „Die Aufgaben der Kriminologie im neuen Reich“ (1936) versuchte er in seiner inhaltlichen Argumentation dann doch, der herrschenden Strömung so gut wie möglich gegenzusteuern.

Methodologisch orientierte sich Franz Exner sowohl am Südwestdeutschen Neukantianismus als auch an der neukantianisch beeinflußten Soziologie Max Webers. Dies ist insofern bemerkenswert, als einflußreiche nationalsozialistische Rechtstheoretiker (insbesondere Hans Welzel, Karl Larenz und Georg Dahm) die Philosophie des Neukantianismus als "undeutsch" ablehnten. Neukantianisch beeinflußt ist insbesondere Exners Insistieren auf einer fundamentalen Sein-Sollen-Dichotomie, demzufolge aus einem "Sein" niemals ein "Sollen" abgeleitet werden könne. Diese Grundthese Exners impliziert zugleich eine methodologische Eigenständigkeit der Kriminologie (Wissenschaft von dem, "was ist") gegenüber der Strafrechtswissenschaft (Wissenschaft von dem, "was sein soll"). An Max Weber orientierte sich Franz Exner, indem er er dessen Methode einer "verstehenden Soziologie" auf die Kriminalsoziologie und -psychologie zu übertragen versuchte. Aufgabe der Kriminologie sei es, "ein Verbrechen einfühlend zu verstehen", indem sie den subjektiven Sinn erfasse, den der Täter seinem Verbrechen beigelegt habe.

Literatur

Ausgewählte Literatur von Exner

  • Theorie der Sicherungsmittel. Berlin 1914
  • Krieg und Kriminalität. Leipzig 1926
  • Kriminalsoziologie, in: Handwörterbuch der Kriminologie, Berlin 1936
  • Kriminalbiologie. Hamburg 1939 (2. Aufl. 1944; 3. Auflage: Kriminologie. Berlin 1949).

Über Exner

  • Richard F. Wetzell, Inventing the Criminal. A History of German Criminology 1880-1945. Chapel Hill and London 2000
  • Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege. 3. Aufl., Göttingen 1965.

Weblinks