Georg Dahm

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Georg Dahm (* 10. Januar 1904 in Hamburg; † 30. Juli 1963 in Kiel) war ein deutscher Strafrechtler und Völkerrechtler. Neben Friedrich Schaffstein gilt er als einer der exponiertesten Vertreter der nationalsozialistischen Strafrechtslehre.

Leben und wissenschaftiches Wirken

Bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung

Geboren wurde Georg Dahm in Hamburg-Altona. Sein Vater war Rechtsanwalt und Notar. Nachdem er das Abitur am Hamburger Christianuem gemacht hatte, studierte er in Tübingen, Hamburg und Kiel Jura. 1925 legte er die erste juristische Staatsprüfung ab. Im gleichen Jahr trat Dahm in die SPD ein[1]. Er promovierte 1927 mit der juristischen Dissertation: Täterschaft und Teilnahme im amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches: Ein kritischer Beitrag zur Lehre von der Teilnahme als ein Problem der Gesetzgebung.

Georg Dahm habilitierte sich 1930 bei Gustav Radbruch mit einer grundlegenden rechtshistorischen Arbeit über das mittelalterliche italienische Strafrecht.

Einer größeren juristischen Öffentlichkeit bekannt wurde er sodann durch die um die Jahreswende 1932/33 gemeinsam mit Friedrich Schaffstein verfasste Streitschrift „Liberales oder autoritäres Strafrecht“. In dieser Streitschrift verfochten die beiden jungen Strafrechtler ein antiliberales und autoritäres Strafrecht, das allein auf Vergeltung und Abschreckung (durch harte Sanktionen) gegründet sein sollte, nicht jedoch auf die spezialpräventiven Erziehungsgedanken der „Modernen Schule“ Franz von Liszts. Insbesondere habe sich das autoritäre Strafrecht methodologisch vom Individualismus jedweder geistesgeschichtlichen Prägung ab- und sich überindividuellen Werten zuzuwenden. Die Verfasser bekannten sich in diesem Werk noch nicht explizit zum Nationalsozialismus, sondern sahen sich als Teil einer breiter angelegten, völkischen Gesamtbewegung.

Verstrickung in die Rechtswissenschaft des Dritten Reiches

Georg Dahm und die „Kieler Schule“

1933 wurde Georg Dahm als ordentlicher Professor für Strafrecht an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel berufen. Im gleichen Jahr wurde Dahm Mitglied der NSDAP und der SA[2]. Von 1935 bis 1937 stand er der Universität Kiel als Rektor vor. Auch war er seit 1933 Mitglied der amtlichen nationalsozialistischen Strafrechtskommission, deren Aufgabe es war, ein neues, nationalsozialistisches Strafgesetzbuch zu kodifizieren. Er bekannte sich nunmehr explizit zum Nationalsozialismus. Von Kiel aus wirkte er zusammen mit dem später (1935) ebenfalls dorthin berufenen Friedrich Schaffstein als der strafrechtliche Hauptvertreter der sogenannten Kieler Schule (auch genannt:„Kieler Richtung“) des Rechts. Die Kieler Schule, zu der neben Georg Dahm und Friedrich Schaffstein auch Karl Larenz, Franz Wieacker und Ernst Rudolf Huber gehörten, bemühte sich um eine Umgestaltung und Neuinterpretation aller Rechtsgrundbegriffe in einem nationalsozialistischen und „völkischen“ Sinne. In Kiel entwickelte Georg Dahm die Theorie der sogenannten, aus dem Mittelalter bekannten, „Ehrenstrafe“ und eines das ganze Strafrecht durchziehenden „Verratsgedankens“: Durch die Tat werde der Täter grundsätzlich ehrlos und müsse aus der Gemeinschaft verstoßen werden. In allen Verbrechen stecke zugleich ein Verratsmoment. Dieser Verrat müsse im schlimmsten Fall durch „Friedloslegung“ gesühnt werden. Dahm knüpfte hier ausdrücklich an altgermanische Rechtsgedanken an. Er wandte sich gegen die seiner Ansicht nach von einem „ungesunden“ und rationalistischen Trennungsdenken gekennzeichnete bisherige Strafrechtsdogmatik. Ein nationalsozialistisches Strafrecht müsse „volkstümlich“ und bilderhaft sein. Die rationalistischen Auslegungsregeln der überkommenen Dogmatik seien durch eine „ganzheitliche Wesensschau“ zu ersetzen. Die von Georg Dahm zu dieser Zeit vertretene Strafrechtstheorie wurde u.a. von dem zeitgenössischen Strafrechtler Erich Schwinge als ein strafrechtlicher „Irrationalismus“ charakterisiert und kritisiert (vgl. zu dieser Interpretation vor allem das unten aufgeführte Werk Erich Schwinges).

Die Lehre vom normativen Tätertyp

Georg Dahm verließ Kiel 1939, um zunächst Professor in Leipzig, sodann (1941) in Straßburg und schließlich (1944) Lehrbeauftragter in Berlin zu werden. In Leipzig entwickelte Georg Dahm die von ihm bereits während seiner Kieler Zeit begründete „Lehre vom normativen Tätertyp“ weiter. Der „Lehre vom normativen Tätertyp“ zufolge ist beispielsweise ein „Dieb“ nicht jedermann, der eine fremde bewegliche Sache wegnimmt - so der Wortlaut des § 242 StGB -, sondern nur, wer auch „seinem Wesen nach Dieb“ ist. Diese Gedanken hatte Georg Dahm bereits während seiner Kieler Zeit vertreten. Hatten sie ihm damals jedoch lediglich als Auslegungsschema in einem explizit nationalsozialistischen Sinne gedient (das auch strafausdehnend benutzbar war), so stellte er nun vor allem auch das strafbegrenzende Potential seiner Täterlehre heraus. Inwieweit in diese Kehrtwende eine schrittweise Abkehr Dahms vom Nationalsozialismus hineininterpretiert werden kann, ist unklar. Seine Tätertypenlehre beeinflusste unter anderem die 1941 erfolgte Novelle des Mordtatbestandes, § 211 StGB, der seitdem (bis heute) mit den Worten „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“ beginnt.

Nach 1945

Georg Dahm durfte nach 1945 in Deutschland im Zuge der Entnazifizierung zunächst kein universitäres Lehramt mehr bekleiden. Nachdem er zunächst als Rechtsanwalt tätig gewesen war, ging er 1951 nach Pakistan, wo er bis 1955 als Dekan zum Ausbau der juristischen Fakultät der Universität in Dhaka beitrug. Zugleich entdeckte Georg Dahm in der Nachkriegszeit ein in seinen vorherigen Werken noch nicht zutage getretenes Interesse für das Völkerrecht und wurde 1955 als ordentlicher Professor für Völkerrecht und internationales Recht an die Universität Kiel zurückberufen. In dieser Zeit verfasste er unter anderem ein bis heute als wichtiges Standardwerk angesehenes dreibändiges Lehrbuch zum Völkerrecht. Neue Auflagen erlebte auch sein in erster Auflage bereits 1944 erschienenes Buch „Deutsches Recht“, ein in sämtliche Rechtsgebiete einführendes, speziell für Studienanfänger der Rechtswissenschaften konzipiertes Grundlagenwerk, das der Verfasser für die Neuauflagen notdürftig von einigen allzu sehr nationalsozialistisch gefärbten Passagen bereinigte. Als Strafrechtler betätigte sich Georg Dahm nach 1945 jedoch nicht mehr.

Werke

  • Täterschaft und Teilnahme im amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches: Ein kritischer Beitrag zur Lehre von der Teilnahme als ein Problem der Gesetzgebung, Breslau 1927
  • Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, Berlin und Leipzig 1931
  • Liberales oder autoritäres Strafrecht, Hamburg 1933 (gemeinsam mit Friedrich Schaffstein)
  • Verrat und Verbrechen, in: ZgStW 95(1935), S. 283-310
  • Verbrechen und Tatbestand, in: Karl Larenz (Hg.), Grundfragen der neuen Rechtswissenschaft, Berlin 1935, S. 62-107
  • Der Tätertyp im Strafrecht, in: Festschrift für Heinrich Siber, Leipzig 1940
  • Sühne, Schutz und Reinigung im neuen deutschen Strafrecht, in: Deutsches Recht (DR) 1944 S. 2ff.
  • Deutsches Recht, Hamburg 1944 (2. Aufl. 1951, 3. Aufl. 1963)
  • Völkerrecht (3 Bände), Stuttgart 1958-1961

Einzelnachweise

[1]http://www.catalogus-professorum-halensis.de/dahmgeorg.html

[2]http://www.catalogus-professorum-halensis.de/dahmgeorg.html

Literatur

  • Erich Schwinge: Irrationalismus und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft, Bonn 1938 (zeitgen. Auseinandersetzung)
  • Jörn Eckert: Was war die Kieler Schule?, in: Franz Jürgen Säcker (Hg.), Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus, Nomos-Verl.-Ges., Baden-Baden 1992, S. 37-70, ISBN 3-7890-2452-X
  • Jan Telp: Ausmerzung und Verrat. Zur Diskussion um Strafzwecke und Verbrechensbegriffe im Dritten Reich, Rechtshistorische Reihe, Bd. 192, Lang, Frankfurt a. M. 1999, ISBN 3-631-34170-9; Zugl. München, Univ., Diss., 1998

Weblinks

Literatur von und über Georg Dahm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek