Tropa de Elite

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Tropa de Elite [ˈtrɔpa dʒi eˈlitʃi] und Tropa de Elite 2 sind brasilianische Filme über eine Eliteeinheit der Polizei von Rio de Janeiro, das sogenannte BOPE. Dieses Bataillon fuer spezielle Polizeioperationen gilt im Gegensatz zu allen anderen Polizeieinheiten als unbestechlich und fuehrt einen doppelten Kampf gegen die Drogenhaendler in den Favelas (Slums) einerseits und die korrupten Kollegen in Polizei und Politik andererseits. Als Eliteeinheit geht das BOPE andererseits hochdiszipliniert nach seinen eigenen Regeln vor, die eine Verletzung von Menschenrechten nicht aus-, sondern einschliessen. Beide Filme gehoeren zu den erfolgreichsten der brasilianischen Geschichte und regten langanhaltende Diskussionen über Drogenhandel, Drogenkonsum, Polizei, Gewalt und Folter an.


Tropa de Elite

Als Außenseiter gewann der Film überraschend den "Goldenen Bären" auf der Berlinale 2008. Der Film des Regisseurs José Padilha ist eine "Quasi-Dokumentation", basierend auf dem Bestseller "Elite da Tropa" - geschrieben von Luiz Eduardo Soares (einem Ex-Minister für öffentliche Sicherheit und zugleich Soziologie-Professor) sowie zwei ehemaligen Angehörigen der Elitetruppe in Rio de Janeiro. Die Lebendigkeit des Films verdankt sich wohl u.a. der Tatsache, dass die Schauspieler keine vorgegebenen Texte zu sprechen hatten, sondern - im Rahmen von bloßen Beschreibungen ihrer Situation in der jeweiligen Szene - alle Dialoge improvisierten.


Handlung

Im Mittelpunkt des Films steht ein "sauberer" Polizeichef inmitten einer "schmutzigen" Welt von Drogenhändlern und korrupten Polizeibeamten. Sein Name ist Nascimento. Er reibt sich in seinem Beruf auf und will vor allem wegen der nahenden Geburt seines Kindes bald seinen Abschied nehmen. Vorher soll er allerdings noch selbst einen geeigneten Nachfolger auswählen. Wer ist geeignet als künftiger Chef: der leidenschaftliche Drogenbekämpfer Neto - oder der umsichtige und gesetzestreue Idealist Matías? Nascimento beobachtet das Verhalten der beiden im Alltag und bei gefährlichen Einsätzen, deren Darstellung auch die Brutalität des neofeudalen Regimes der Drogenbosse nicht ausspart ("Scheiterhaufen aus Autoreifen", sog. "Microondas"). Es tauchen aber auch gerade deshalb für die Polizei zahlreiche ethische Konflikte auf, die mit der Korruption, der allgegenwärtigen Gewalt und mit der von vielen überzeugten Polizisten als zwingend notwendig, gerechtfertigt und persönlich befreiend erlebten Möglichkeit zu tun haben, ungestraft auch außerhalb des Gesetzes gegen die "Feinde" in diesem "Krieg" vorzugehen.

Der amtsmüde Offizier der Eliteeinheit der Polizei von Rio de Janeiro, Nascimento (Wagner Moura), sucht vor seinem Abschied aus dem Dienst noch einen geeigneten Nachfolger. Um den Posten konkurrieren u.a. der draufgängerische Neto, der darauf brennt, das Verbrechen zu bekämpfen, und dessen (Jura studierender und gesetzestreuer) Freund Matías, der allerdings seinen Kommilitonen verschweigt, dass er parallel zum Studium auch Angehöriger der Eliteeinheit der Polizei ist. Der Film schildert Neto und Matías im Ausbildungscamp, in dem die Bewerber erniedrigt, misshandelt und zu Killern mit Rache-Reflexen abgerichtet werden. Er schildert ihr Verhalten während der Einsätze - und keiner der beiden kann den Anforderungen Nascimentos ganz genügen. Der Film ist konsequent aus der Perspektive des BOPE gedreht. Erst das letzte Bild des Films kehrt die Perspektive um: das Gewehr ist auf den, der am Boden liegt, gerichtet. Die Kamera blickt während des Triumphs des Bösen aus der Perspektive des Opfers (das allerdings selbst ein vielfacher Mörder ist) in den Gewehrlauf. - Der Film zeigt die Deformation der Gesetzeshüter und die Vertiefung des Grabens, der die oberen und unteren Schichten der brasilianischen Gesellschaft trennt.

Wirkung

Der Film wurde zur Titelgeschichte der wichtigsten brasilianischen Magazine. Im Fernsehen (Rede Globo) soll eine Serie zu dem Film erscheinen. Redewendungen aus dem Film gehören mittlerweile zur Alltagssprache. Lieder aus dem Soundtrack des Films - wie "Tropa de Elite" (von Tihuana) und der "Rap das Armas" wurden zu Hits. In den Kinos kam es zu spontanem Applaus für den Protagonisten des Films, der im Interesse einer effektiveren Bekämpfung der Drogenhandels keine Rücksicht auf gesetzliche Vorschriften nimmt. Nascimento wurde zu einer Art Volksheld.

In der Öffentlichkeit wurde der Film außerordentlich intensiv diskutiert. Dabei schälten sich u.a. folgende Theman und Positionen heraus:

(1) BOPE ist wirklich eine Elite. Sie glaubt an ihre Mission und ihre eigenmächtigen, rechtliche Beschränkungen souverän missachtenden Aktionen gegen Drogenhändler sind voll und ganz gerechtfertigt, weil alles andere nicht mehr hilft. Vor allem ist es auch richtig, die Liberalen und die Befürworter einer Entkriminalisierung von (auch weichen) Drogen als Helfershelfer der Drogenbosse zu bekämpfen.

(2) BOPE ist eine moralisch korrupte, auf eigene Faust ungesetzlich handelnde Institution, die aber vom Film mittels einer "faschistischen" (Arnaldo Bloch) oder zumindest "unverantwortlichen" Ästhetik gleichsam salonfähig gemacht wird.

(3) Der Film demonstriert die - durch Jahrzehnte der Diktatur und der Herrschaft korrupter und gewalttätiger Eliten hervorgerufene - moralische Unempfindlichkeit der brasilianischen Öffentlichkeit.

Der Film ist realistisch. Er lässt alle Positionen zu. Im brasilianischen Fernsehen werden seither die Operationen von BOPE gezeigt - z.B. auch eine per Helikopter geführte Operation von schwarzuniformierten Totenköpfen (caveiras), die auf durch ihre Favelas flüchtende wirkliche oder vermeintliche Drogenhändler (für den Unterschied interessiert sich niemand) schießen. Der Film hat der brasilianischen Wirklichkeit das, was er von ihr ausgeliehen hatte, mit Zins und Zinseszins zurück erstattet.

Der Film ist auch eine Abhandlung über Gewalt, Ehre und Pflicht am Ende einer Ära. Brasilien fehlt, was Hannah Arendt als "authentischen Politik" bezeichnet hatte, weil ihm ein Fundament gemeinsam geteilter Werte zur Bewältigung aktueller Herausforderungen im Bildungs-, Gesundheits- und Justizsystem fehlt.

Kritiken

Kurioserweise warf die brasilianische Kritik dem Regisseur anfangs vor, einen argumentativ schwachen Film ohne Tiefgang, bzw. eine monotone Gewaltorgie vorgelegt zu haben. Die Unterstützung des Films durch wichtige Intellektuelle (wie Alba Zaluar) wurde ignoriert. Mit dem Sensationserfolg des Films, der rund 12 Millionen Brasilianern zunächst auf illegalen DVDs und per Internet-Downloads bekannt wurde, der dann trotzdem noch im Kino zum erfolgreichsten Film des Jahres wurde, änderte sich das.

Viele Kritiker warfen dem Film "Propaganda für die BOPE" vor. Dagegen spricht der Verzicht des Autors auf das Angebot von Identifikationen oder wohlfeilen Lösungsvorschlägen - stattdessen reißt der Film die Zuschauer in Szenen und Situationen, bei denen man sich auch als Zuschauer nicht einfach so auf die richtige Seite schlagen kann, und zwar deshalb, weil es eigentlich nur falsche Seiten gibt.

„Der Film balanciert meisterlich zwischen Erzählung und (Pseudo-)Dokumentation, ist spannend und originell erzählt und macht es dabei niemandem recht – damit hält er sich von ideologischen Standpunkten fern und bewegt sich nahe an der Wirklichkeit.“ Berliner Zeitung, 12. Februar 2008

Die überlastete und ineffiziente Justiz lässt Leute wie Capitão Nascimento, die das Recht in die eigenen Hände nehmen, zu Helden der einfachen Leute werden. - Michel Misse, Soziologe, UFRJ.

Tropa de Elite 2

Der Film Tropa de Elite 2 (The Elite Squad 2) aus dem Jahre 2010 (Drehbuch und Regie José Padilha, mit Wagner Moura u.a.) setzt die halbdokumentarische Erzaehlung ueber das BOPE (Portug.: Batalhão de Operações Policiais Especiais), das Bataillon fuer spezielle Polizeioperationen der Militaerpolizei von Rio de Janeiro, fort.

Handlung

13 Jahre nach den Ereignissen im ersten Film ist Lt. Col. Nascimento 40 Jahre alt und hat graue Haare. Von seiner Frau Roseane, die im ersten Film schwanger war, ist er geschieden. Roseana hat inzwischen einen linken Parlamentsabgeordneten geheiratet. Nach einer desastroesen BOPE Operation anlaesslich einer Gefaegnisrevolte geraet er in eine Auseinandersetzung zwischen Innenministerium, dem Gouverneur des Staates und einigen Abgeordneten - aber auch paramilitaerischen Gruppen (Milizen). Unter dem Einfluss seines Stiefvaters wendet sich Nascimentos erwachsen werdender Sohn immer mehr von seinem Vater, dessen Beruf ihm unheimlich wird, ab.

Links

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