BOPE

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Die Abkürzung BOPE steht für "Bataillon für spezielle Polizeioperationen" (Batalhão de Operações Policiais Especiais). Gemeint ist damit meistens die rund 400 Mann starke Eliteeinheit des Bundesstaates Rio de Janeiro, die seit 1991 unter dieser Bezeichnung existiert und die auch im Mittelpunkt der brasilianischen Tropa de Elite-Filme und der Bücher Elite da Tropa (jeweils 2005/06 und 2010) steht.

Militärpolizeieinheiten mit derselben Bezeichnung gibt es auch im Hauptstadtdistrikt um Brasília (seit 1999) sowie in den Bundesstaaten Alagoas (seit 2001) und Santa Catarina (seit 2005). In anderen Bundesstaaten gibt es entsprechende Einheiten mit anderen Bezeichnungen.

Als zentrale Aufgabe der BOPE-Einheiten gilt die sogenannte städtische Kriegsführung mit schweren Waffen gegen Drogengangs und andere Formen des organisierten Verbrechens. Man zählt sie allgemein zu den weltweit effizientesten Militäreinheiten.

Die Mitglieder tragen eine spezielle Uniform, leicht zu erkennen an dem Totenkopf auf dem Oberarm. Eigene Kriegslieder gehören zur täglichen Übung. Der Inhalt der Texte beschreibt ihre Aufgaben und ihr Selbstbild. Ihre Mission sei es Gewalt, Tod und Terror zu verbreiten, sie seien trainiert um zu töten, besitzen keine Gefühle und sehen sich als Helden der Nation.[1] Die Mitgliedschaft in der BOPE-Einheit wird als Privileg angesehen.

Geschichte

Der Ursprung der BOPE liegt in der Zeit der Militärdiktatur (1964-1985). Der am 19. Januar 1978 gegründete Núcleo da Companha de Operações Especiais („Kern der Spezialoperationskompanie“, kurz NuCOE) wurde unter das Kommando des Stabschefs der Militärpolizei gestellt. 1982 wurde die Kompanie der Batalhão de Polícia de Choque angeschlossen und die Organisation in Companhia de Operações Especiais („Kompanie für Spezialoperationen“, COE) umbenannt. 1984 wurde der Name wiederum in NuCOE geändert und stand erneut unter dem Kommando des Stabschefs. 1988 wurde die Companhia Independente de Operações Especiais („Unabhängige Kompanie für Spezialoperationen“, CIOE) gegründet. Die Zuständigkeit umfasste den ganzen Bundesstaat Rio de Janeiro. Am 1. März 1991 erfolgte die Umbenennung in Batalhão de Operações Policiais Especiais (kurz BOPE).

Aufgaben

Die BOPE-Einheiten sind vor allem für ihre meist drogenhandelsbezogenen Einsätze in den sog. Favelas - Armenvierteln mit hoher Einwohnerzahl auf kleinem Raum mit ausgeprägten Subkulturen - bekannt. Bei ihren Einsätzen gehen die BOPE mit starker Brutalität vor. Zu ihren weiteren Aufgaben zählen

  • zusätzliche Sicherheitsleistung bei speziellen Veranstaltungen und Ereignissen
  • Durchbrechen von Barrikaden der Drogenhändler
  • Tötung von Kriminellen, die Menschenleben gefährden, Vernichtung von Drogenghettos und deren Banden
  • Befreiung oder Bergung von Polizisten oder Zivilisten, die in Auseinandersetzungen verwundet wurden
  • Rettung von Polizisten oder Zivilisten, die durch Schusswechsel gefangen oder gefährdet sind
  • Durchführung riskanter Haftbefehle
  • Geiselbefreiungen
  • Situationsberuhigung im Zusammenhang mit Amokläufen
  • Niederschlagung von Gefängnisrevolten
  • Unterstützung der Polizei
  • Bereitstellung überlegener Feuerkraft beim Angriff in bestimmten Situationen
  • bewaffnete Patrouillen
  • spezielle Missionen in Sümpfen oder bergigen Gelände wie etwa Erkundung, Planung und Infiltration
  • Kriminalitätsbekämpfung
  • Lösung von hoch riskanten Situationen mit einem Minimum an Toten, Verwundeten und Sachschaden.

Die Einheit hat einen Fuhrpark an Militärfahrzeugen bekannt als Pacificador („Friedensbringer“) oder Caveirão („großer Totenschädel“). Diese Fahrzeuge werden in den Favelas eingesetzt, wo es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der BOPE und Drogenhändlerbanden kommt. BOPE-Soldaten sind mit schwerer Bewaffnung ausgestattet: M16A2 Gewehr, M4A1 Sturmgeweh, M1 Selbstladegewehr H&K PSG1 (Präzisionsschützengewehr 1, Benelli M3 Schrotgeweh, FN P9, IMBEL MD2 (ein brasilianisches Sturmgewehr, Indústria de Material Bélico do Brasil), H&K MP5 A2 und K Maschinenpistol, H&K G3 Sturmgeweh, H&K 21 Maschinengeweh, Taurus PT92 halbautomatische Pistol, IMBEL 9m, C-4 Sprengstof, Handgranate, FN FAL, Messer.

Aufnahmerituale

Die Aufnahmerituale werden als harter Überlebenskampf beschrieben. Einiges ist beispielhaft im Buch „Tropa de Elite“ nachzulesen. Es soll einen langen Ausritt auf Pferden ohne Essen und Trinken geben, der so hart ist, dass selbst einige Pferde auf dem Weg sterben. Nur wer den Ausritt und den anschließenden Vortrag übersteht, wird aufgenommen. Diejenigen, die vorher aufgeben oder aussortiert werden, müssen dabei noch Erniedrigungen ertragen. Sie schaufeln ihr eigenes Grab und müssen sich hineinlegen, bevor sie die Gruppe verlassen. Bei der einzigen Mahlzeit während des Rituals haben die Männer nur zwei Minuten Zeit mit bloßen Händen etwas hinunterzuschlingen. Nach völliger Erschöpfung gibt es im Anschluss an den Ausritt einen Vortrag. Dabei wird den Männern ein Referat über Anti-Guerilla-Taktiken in monotonem Ton vorgetragen. Wer dabei einschläft oder nicht konzentriert zuhört, bekommt eine entsicherte Granate in die Hand. So ist derjenige gezwungen still zu sitzen, um nicht alle in die Luft zu sprengen.[2]

Operationen

Wenn BOPE in Favelas eindringen, um Verstecke von Drogendealern aufzudecken und zu räumen, arbeiten sie in kleinen Gruppen. Bei Operationen wird in Teams von acht Personen vorgegangen. Es gibt eine Shoot-to-kill-Anordnung. Kriminelle bekommen nicht die Chance sich zu ergeben. Vor Einführung der BOPE haben sich Kriminelle eher ergeben, wenn sie in der Unterzahl waren. Jetzt gibt es mehr Widerstand und Gewalt gegenüber der Polizei. Kriminelle sehen keine Chance aufzugeben und kämpfen daher bis zum Tod. Folgen dieser Anordnung sind mehr zivile Tote und Rachemorde der Polizei. Wenn Mitglieder der BOPE von Teilen der Drogenorganisationen umgebracht werden, gibt es inoffizielle Racheaktionen. Sie bezeichnen diese selbst als nicht legitim, aber gerechtfertigt. Dabei tragen Polizisten keine Uniform und nutzen keine Waffen der Einheit.[3]

In der Regel stellen sich Gerichte in Verfahren hinter die Aussagen der BOPE-Mitglieder . Den Aussagen der Festgenommenen (Dealer, Abhängige oder andere in kriminelle Organisationen Verstrickte) wird kaum gefolgt. BOPE handelt so im Bewusstsein, dass ihr Vorgehen nicht hinterfragt wird und sie unter dem Schutzmantel der Justiz handeln. So werden Tote bei Razzien selten verfolgt oder mit Strafen geahndet. Die Polizei betont regelmäßig, dass Opfer Drogenhändler gewesen seien, die sich widersetzt hätten. Außergerichtliche Exekutionen und exzessive Gewaltanwendung seitens der Polizei sind daher alltäglich. Ein Beispiel dafür ist der Bericht der UN über BOPE Polizisten, die 2004 eine Gruppe von vier Jugendlichen nachts anhielten, einem der Jungen eine Plastiktüte über den Kopf zogen und alle zu einem abgelegenen Graben laufen ließen. Dabei wurde ihnen angedroht, dass einer von ihnen erschossen wird. Am Graben angekommen schossen die Polizisten auf alle vier Jungen. Zwei starben vor Ort, die anderen beiden wurden ins Krankenhaus gebracht; nur einer überlebte.[4]

UPP

UPP steht für Unidade de Polícia Pacificadora.[5] Diese Einheit wurde geschaffen, nachdem es viel Kritik an den Operationen der BOPE gab. Die Favelas würden nach dem Eindringen verwüstet zurücklassen werden, so dass sich kriminellen Organisationen schnell wieder ansiedelten. Die UPP ist für die sogenannte Pazifizierung da, um die Favelas nach Einsätzen zu stabilisieren. Es sollte damit verhindert werden, dass das organisierte Verbrechen nach kurzer Zeit zurückkehrt. Nach dem Einfallen in die Favelas und Beseitigen der kriminellen Organisationen und Drogengangs, konnte selten der friedliche Zustand dauerhaft erhalten bleiben. Die UPP bleibt als Art Bürgerpolizei in den Stadtteilen und baut sie in Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort wieder auf. Bei dem Neuaufbau sollen die Menschen in den favelas eingebunden werden, es gibt Treffen mit Gemeinderäten, Gespräche und Aktivitäten mit der Bevölkerung, wie Sportveranstaltungen für Kinder.[6]

Die UPP bezeichnen sich selbst als ein neues Modell von öffentlicher Sicherheit. Die UPP soll Polizei und Bewohner näher zusammenbringen und die Sozialpolitik vor Ort stärken. Sie bringen Frieden zurück in die Teile der Stadt, die vorher vom Drogenhandel und später auch vom Militär besetzt waren. Die Regierung soll sich darauf verlassen können durch UPP die Kontrolle über Regionen wiederzuerlangen, die lange an das organisierte Verbrechen verloren waren und dass die Gemeinden auch wirtschaftlich wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Die Arbeit beruht auf der Zusammenarbeit der Bevölkerung mit der Polizei. Die Regierung von Rio investiert zur Zeit 8 Millionen US $ in Qualifizierung von Polizeibeamten. Die Zahl der eingesetzten Beamten soll bis 2016 auf 60.000 erhöht werden. Bis 2010 sollen bereits 3.500 Beamte zur Pacifier Division gesendet worden sein.

Tropa de Elite

→ Hauptartikel Tropa de Elite

Im Jahr 2006 wurde das Buch Elite da Tropa veröffentlicht. Es wurde vom Soziologen Luiz Eduardo Soares mit der Unterstützung von zwei ehemaligen BOPE-Offizieren, Major André Batista und Hauptmann Rodrigo Pimentel, geschrieben. Der Autor berücksichtigte dabei die tägliche Routine des BOPE sowie einige historische Ereignisse, basierend auf Erfahrungen der Ex-Offiziere. Im Verlauf des Buches wird die Einheit als teils rigoros in ihrem Vorgehen beschrieben. Zudem geht es um Nennung einiger Details eines angeblichen fehlgeschlagenen Attentatsversuches durch Polizisten an dem damaligen Gouverneur Leonel Brizola. Das Buch war zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung umstritten, insbesondere in Polizeikreisen, aufgrund der zum Ausdruck gebrachten Härten des Dienstalltages und einem fragwürdigen Wahrheitsgehalts einzelner Bezichtigungen.[7] Das Buch wurde als Tropa de Elite von José Padilha verfilmt und auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären als bester Film ausgezeichnet.[8]

Kritik

Im März 2006 verurteilte Amnesty International ausdrücklich die Verwendung der Caveirão und erklärte, dass die Benutzung des Fahrzeugs aggressiv sei, Fahrzeuge wahllos gegen Bevölkerung eingesetzt werden und betont die Unwirksamkeit des übertriebenen Einsatzes von Gewalt.[9] Bei dem Kampf gegen den Drogenhandel und die illegalen Organisationen in den Favelas wird auch gegen Abhängige vorgegangen, die die nicht direkt in den Handel und die kriminellen Strukturen verwickelt sind. Um Geständnisse zu bekommen, werden Foltermethoden eingesetzt. Beschwerden oder Anprangern dieser Methoden, vor allem wenn sie von Dealern oder Kriminellen kommen, werden nicht ernst genommen. Polizei, Strafverfolgung und BOPE decken sich dabei gegenseitig. Sie bekommen von Seiten der Behörden eine große Handlungsfreiheit, was ihnen die Möglichkeit gibt, sich über das Gesetz zu stellen. Eine der vielen Folgen ist Korruption.[10]

Verstrickungen der Polizei in Aktionen mit militanten Gruppen prägen das Bild der korrupten Polizei.[11] Es gibt immer wieder Beschwerden von Anwohnern. Allerdings trauen sich die meisten aus Angst nicht offen darüber zu sprechen. Bisher gibt es keine Aufarbeitung der Vorfälle in den favelas. Maßnahmen der Politik, die Vorfälle hinreichend zu untersuchen, sind nicht eingeleitet worden.[12] In einzelnen Prozessen werden Polizisten angeklagt, wie im Fall des Candelária Massakar. Dabei lässt sich selten feststellen, inwieweit BOPE Mitglieder in die Aktionen verstrickt waren.[13] Gerade die Menschen in den Armenvierteln sind der Polizei anders ausgesetzt als in den reicheren Stadtteilen. Ihnen kommen praktisch nicht die gleichen Rechte zu. Human Rights Watch gibt an, dass 2008 laut Berichten der Staatsanwaltschaft 70% der Tötungsdelikte in Pernambuco von sogenannten death squads begangen worden sind, in denen viele Polizeibeamte vermutet werden.[14]

Menschenrechtsaktivisten leben zudem gefährlich in Brasilien. Viele haben Todesdrohungen erhalten oder werden von der Polizei schikaniert. Ihre Personalien und Fotos werden aufgenommen, um sie auf den Polizeistationen zu verteilen.[15] Staatsanwaltschaft und Richter verzichten oft gegen die Polizei vorzugehen und unterstützen damit indirekt die Menschenrechtsverletzungen und soziale Diskriminierung.[16]

Weblinks


Videos

Einzelnachweise