Kinderarbeit

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Kinderarbeit ist von Kindern zu Erwerbszwecken verrichtete Arbeit.[1]

Definitionen Kinderarbeit

Definition der ILO

Die von Wissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Politikern meist genutzte Definition ist die legal Definition der International Labor Organisation (ILO), welche in zwei ILO Konventionen (ILO Minimum Age Convention, 1973, No. 138 und der ILO Convention on the Worst Forms of Child Labor, 1999, No. 182) geregelt ist.

Die ILO definiert Kinderarbeit wie folgt: Kinderarbeit ist Arbeit, bei welcher Kinder ihrer Kindheit beraubt werden, sowie Tätigkeiten, die ihrem Leistungsvermögen und ihrer Würde schaden. Zudem steht die Arbeit nachteilig zur physischen und mentalen Entwicklung von Kindern.

Die Definition bezieht sich auf Arbeit, welche:

  • mentale, physische, gesellschaftliche oder moralische Gefährdung für Kinder darstellt und nachteilig für diese ist.
  • die schulische Bildung von Kindern behindert,:
indem sie ihnen die generelle Möglichkeit nimmt, eine Schule zu besuchen,
indem sie sie dazu zwingt, die Schule frühzeitig zu verlassen, oder
indem sie sie dazu nötigt, den Schulbesuch mit einer übermäßig langen und harten Arbeit zu kombinieren. [2]

Die schlimmsten Formen von Kinderarbeit sind der ILO zur Folge:

Die ILO schätzt die Zahl der derzeit weltweit arbeitenden Kinder auf 215 Millionen (2008), spricht jedoch von einem Rückgang. Dieser Rückgang sei umso rascher, je schädlicher die Arbeit und je verwundbarer die beteiligten Kinder sind. So halte sich die Zahl der Kinder, die einer gefährlichen Arbeit ausgesetzt sind, bei 115 Millionen (2008). [4]

Definition Kind

Die Konvention Nr. 138 der ILO definiert Kindsein über eine starre Altersgrenze, welche vom Grad der Entwicklung eines Landes abhängt und somit von Land zu Land variiert. Des Weiteren verweist Artikel 1 der Konvention auf die nationalen Rechtsnormen der Volljährigkeit, welche dem Alter der vollen Geschäftsfähigkeit entspricht. Das ILO-Abkommen hat die Altersgrenze auf 18 Jahre festgelegt. Hierbei gilt es zu bedenken, dass die ILO sich vorranging auf strafrechtliche und nicht auf arbeitsrechtliche Normen bezieht. Bei arbeitsrechtlichen Normen wird jedoch eine Altersgrenze von 15 Jahren genannt. (Schrader 2008: S. 85f.)

In Deutschland ist Kindsein im Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (JArbSchG) geregelt.

  • § 2 JArbSchG Kind, Jugendlicher [5]

Rechtlicher Kontext

Völkergewohnheitsrecht

Wenn von den schlimmsten Formen von Kinderarbeit gesprochen wird, dann geschieht dies meist in Rückschluss auf das internationale Recht. Genauer handelt es sich hierbei erstens, um das Gewohnheitsrecht (org. „customary law“), bei welchem es sich um ein „[…] ungeschriebenes Recht [handelt], das aufgrund langer tatsächlicher Übung und durch allgemeine Anerkennung seiner Verbindlichkeit im Sinne einer Überzeugung von der rechtlichen Notwendigkeit der Übung entstanden ist.“ [6]. Den Status „Gewohnheitsrecht“ besitzt z.B. die UN Charter, welche von fast allen Nationen ratifiziert wurden und in welcher generelle Menschenrechtsverpflichtungen geregelt sind. (Diller und Levy 1997: S. 673) Zweitens, schließt das internationale Recht das Völkervertragsrecht mit ein (org. conventional law), welches eine „[…] überstaatliche Rechtsordnung [ist], durch die die Beziehungen zwischen den Völkerrechtssubjekten (meist Staaten) auf der Grundlage der Gleichrangigkeit geregelt werden.“ [7]. Des Weiteren gehören noch allgemeine Verpflichtungen und generelle Prinzipien des internationalen Rechts dazu. Menschenrechte und fundamentale Arbeitsstandards gelten als generelle multilaterale Verträge mit gesetzgebendem Charakter. (Diller und Levy 1997: S. 666) Das Problem, welches sich beim Völkerrecht ergibt, ist die Durchsetzbarkeit. Völkerrechtliche Normen können nur in bestimmtem Umfang durchgesetzt werden. Des Weiteren lässt sich auch im Zusammenhang mit Kinderarbeit die Problematik der demokratischen Legitimation im Völkerrecht feststellen. Es ist zu einem radikalen Verständniswechsel vom Völkerrecht hin zum internationalen Recht gekommen und die daraus resultierenden Gesetze greifen vermehrt ins Privatleben der Menschen ein, ohne dass diese die Legitimation dazu erteilt haben. [8].

Zwingendes Recht (ius cogens)

Beim zwingenden Recht handelt es sich um „Rechtsnormen, die nicht durch vertragliche Vereinbarung geändert oder aufgehoben werden kann[!], sondern allgemeine Geltung hat[!].“ [9]. Es verbietet im Zusammenhang mit Kinderarbeit alle Formen der Sklaverei, Schuldknechtschaft und alle Formen der Zwangsarbeit, sowie die folgenden Tätigkeiten, wenn sie unter Zwang geschehen: Kinderprostitution und –pornographie, der Einsatz von Kindersoldaten, illegale Tätigkeiten, wie zum Beispiel Drogenschmuggel. (Diller und Levy 1997: S. 666f.) Jedoch wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass lediglich Sklavenhandel (und Folter). Beide Handlungen beziehen implizit auch Kinderarbeit mit ein, werden in der universellen Gerichtsbarkeit als kriminell erachtet und besitzen den Status ius cogens. (Diller und Levy 1997: S. 668f.)

Kriminalitätsdiskurs

Die Position der International Labour Organisation

Die ILO verbietet jegliche Formen von Kinderarbeit, sieht Kinderarbeit somit als kriminell an und hält die Verbote in zwei Konventionen fest:

  1. Die Mindestalterkonvention Nr. 138 (org. Minimum Age Convention) von 1973, die aus 10 Artikeln besteht und bislang von 151 Staaten ratifiziert wurde. Wobei Indien, Bangladesch, die USA, Saudi Arabien, der Iran und Burma nicht unterschrieben haben.[10]
  2. Die Konvention zu den Schlimmsten Formen von Kinderarbeit Nr. 182 (org. Worst Forms of Child Labour Convention) von 1999, die von 169 Staaten unterschrieben wurde. Wobei Indien, Kuba, Eritrea, Burma, Sierra Leone, Turkmenistan und Somalia nicht unterzeichnet haben. [11]. Diese bezieht sich auf die Konvention Nr. 138 und weitet sie aus, indem sie sich für ein weltweites Verbot jegliche Form von Anstellung oder Arbeit einsetzt, welche aus ihrer Natur oder ihren Umständen heraus, die Gesundheit, die Sicherheit oder die Moral von einer Person unter 18 Jahren verletzt oder gefährdet. (Borzaga 2008: 25)

Ein aus 20 Mitgliedern bestehender Sachverständigenausschuss (SVA) überwacht die Realisierung der beiden Konventionen. So ist jeder Staat dazu verpflichtet, dem SVA in bestimmten Zeitabschnitten Durchführungsberichte darzubieten. Diese Berichte werden mit Stellungnahmen von Sozialpartnerorganisationen verglichen. Der SVA muss in seinem einmal pro Jahr erscheinenden Bericht für den Internationalen Arbeiterkongress darlegen, welche Länder Vermutungen darüber geben, dass Standards nicht eingehalten wurden. Der sog. Normenanwendungsausschuss wählt daraufhin einige Fälle aus und bespricht diese mit den betroffenen Regierungen und ggf. der Sozialpartnerorganisation. Jedoch hat der Report keine direkten Folgen für die Mitgliedsstaaten, da er eine mangelnde rechtliche Durchsetzungskraft besitzt. Man darf den moralischen Druck, welcher aus dem Berichten hervorgeht, allerdings nicht unterschätzen. Des Weiteren ist jeder Staat und jeder ordnungsgemäß zugelassene Delegierte klageberechtigt. Es sei jedoch angemerkt, dass bislang sowohl keine Klagen noch Beschwerden im Zusammenhang mit den Konventionen Nr. 138 und Nr. 182 erhoben wurden. (Schrader 2008: 241 ff.)

terre des hommes

Die NGO terre des hommes wurde 1967 von engagierten Bürgern gegründet, um schwer verletzten Kindern aus dem Vietnamkrieg zu helfen. Heute hat sie es sich zum Ziel gesetzt, eine „Erde der Menschlichkeit“ zu schaffen und hilft Straßenkindern, verlassenen und arbeitenden Kindern, setzt sich für Kriegs- und Gewaltopfer ein und sorgt für die Ausbildung von Kindern. terre des hommes steht für die Bewahrung der biologischen und kulturellen Vielfalt und für den Schutz diskriminierter Bevölkerungsgruppen. [12] Die NGO ist gegen ein allgemeines und weltweites Verbot von Kinderarbeit und sieht diese nicht als ausbeuterisch per se an. So würden durch die Mithilfe im Haushalt die generellen Fähigkeiten der Hauswirtschaft oder durch die Hilfeleistung im elterlichen Betrieb diverse Handwerks- oder Landbebauungstechniken erlernt. Des Weiteren werden den Kindern wichtige gesellschaftliche Werte vermittelt, wie Zusammenarbeit und Einsatz für die Gemeinschaft. Arbeit kann u.U. auch als Mittel zur Selbstverwirklichung betrachtet werden und zur Befriedung von sozialen Bedürfnissen beitragen. Ein generelles Verbot von Kinderarbeit würde viele Kinder und deren Familien in noch prekärere Lagen oder die Illegalität drängen. Zudem weist terre des homes darauf hin, dass sich unzählige Kinderarbeiter durch die Konventionen Nr. 138 und Nr. 182 herabgesetzt und auf die Stufe mit Kriminellen gestellt fühlen. Die Kinder selbst fordern daher, dass ihre Tätigkeiten nicht als illegal oder „schlimm“ betrachtet werden. terre des hommes setzt sich deswegen dafür ein, dass tragbare Alternativen für Kinder, vor allem Schul- und Berufsausbildung, geschaffen werden. Alles andere würde lediglich zur Verschiebung der Problematik führen. [13]

Gewerkschaft der arbeitenden Kinder

Das erste Welttreffen der arbeitenden Kinder fand vom 24.11. bis zum 08.12.1996 in Kundapur (Indien) statt. Beteiligt waren 34 Delegierte aus 33 Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, welche gemeinsam eine Abschlusserklärung unter dem Namen „Die zehn Punkte von Kundapur“ erarbeiteten. (Kleeberg-Niepage 2007: 265) Sie forderten darin, dass die Vorschläge, Organisationen und Bemühungen der arbeitenden Kinder beachtet und anerkannt werden. Zudem sprachen sie sich gegen einen Boykott von aus Kinderhand hergestellten Waren aus, dagegen aber für Respekt und Sicherheit für sich selbst und ihre geleistete Arbeit. Des Weiteren setzten sie sich für Berufsausbildungen und eine gute Gesundheitsversorgung für arbeitende Kinder ein. Der letzte Punkt lautete: „Wir sind gegen Ausbeutung unserer Arbeit, wir wollen in Würde arbeiten und Zeit zum Lernen, Spielen und Ausruhen haben.“ [14] Ihre Abschlusserklärung macht deutlich, dass die arbeitenden Kinder nicht generell der Meinung sind, dass Kinderarbeit notwendigerweise ausbeuterisch ist und dass ihre Situation von den bisherigen Bildungsmöglichkeiten und sozialen Sicherungssystemen keine Berücksichtigung finden würde. Zudem weisen ihre Forderungen offensichtlich daraufhin, dass ein universelles Modell zum Umgang mit Kinderarbeit von ihnen abgelehnt wird. (Kleeberg-Niepage 2007: 266f.)

Acht Jahre später, vom 19.04. bis zum 02.05.2004, fand das zweite Welttreffen arbeitender Kinder und Jugendlicher in Berlin statt. An diesem Treffen, welches unter dem Motto „Nein zur Ausbeutung! Ja zur Arbeit in Würde!“ stand, beteiligten sich 30 Delegierte von Organisationen arbeitender Kinder und Jugendlichen aus 23 Ländern und drei Kontinenten. (Kleeberg-Niepage 2007: 277) In Workshops, Fachgesprächen, Diskussionsforen und auf Pressekonferenzen machten die Kinder ihre Anliegen deutlich. [15] In dem Abschlussbericht dieses Treffens heißt es, „Wir schätzen unsere Arbeit und betrachten sie als ein wichtiges Menschenrecht für unsere persönliche Entwicklung. Wir wenden uns gegen jede Art von Ausbeutung und weisen ebenso Alles zurück, was unsere körperliche und moralische Integrität verletzt. In unserem Leben ist es unsere Arbeit, die uns erlaubt, uns mit Würde dem ökonomischen, politischen und repressiven Modell zu widersetzen, das uns kriminalisiert und ausschließt und das unsere Lebensbedingungen und die unserer Familien und Gemeinden immer mehr verschlimmert.“. [16] Explizit wird im Bericht, die ILO und deren Forderung zur Abschaffung jeglicher Art von Kinderarbeit, angeklagt. Des Weiteren wird deutlich, dass Kinder sich als Akteure begreifen, die die Fähigkeit besitzen gesellschaftliche Veränderungen mitzugestalten und anzustoßen. Sie sehen den Hauptgrund für Kinderarbeit in der Armut und fordern daher, dass die Ursachen der Armut beseitigt werden müssen. Diese sehen sie in einem ungerechten Weltwirtschaftssystem, einer neoliberalen internationalen und nationalen Politik, welche zu einer Reduzierung an sozialer Verantwortung der Staaten führt. Verantwortlich sind ihrer Meinung nach dafür sowohl der Norden, als auch die eigenen Regierungen und sprechen sich daher gegen einseitige Schuldzuweisungen aus. (Kleeberg-Niepage 2007: 279ff.)

Manfred Liebel

Liebel kritisiert internationale Organisationen, wie UNICEF und ILO, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Arbeit von Kindern insgesamt aus der Welt zu schaffen. Nach ihm verwenden diese Organisationen ein zu wenig differenzierten Begriff von Kinderarbeit. (Liebel 1998, S. 333f.) Zwar versucht die ILO durch Unterscheidungen zwischen guter (= work = zu Hause für die eigene Familie arbeiten und reproduktiv sein – sprich, kein Einkommen haben) und schlechter (= labour = für andere arbeiten und produktiv sein – sprich, ein Einkommen haben) Kinderarbeit eine differenzierte Definition von Kinderarbeit zu geben, jedoch sieht Liebel hierbei einige Probleme. „Die meisten Kinder arbeiten unter Umständen, die irgendwo zwischen den Extremen von nicht tolerierbar und vorteilhaft angesiedelt sind“ (Liebel 1998, S. 335) Des Weiteren sieht Liebel viele der ausgeführten Tätigkeiten von Kindern, die nach der ILO unter child labour fallen, als Vorteile für die Kinder. „So empfinden viel arbeitende Kinder gerade deshalb Stolz, weil sie etwas „Notwendiges“ tun, das „für andere nützlich ist“, z.B. indem sie mit ihrer Arbeit zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen. Oder sie ermöglichen sich mit ihrem Verdienst den Schulbesuch, den sie sich ohne diesen nicht hätten leisten können.“ (Liebel 1998, S. 335f.) Zudem komme die Unterscheidung zwischen labour und work einer doppelten Diskriminierung der arbeitenden Kinder gleich. Auf der einen Seite wird den Kindern die soziale Anerkennung ihrer Leistung als Arbeit untersagt, wenn sie dadurch Geld verdienen. Auf der anderen Seite werden ihnen „[…] allein weil sie ein (von Erwachsenen) bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, nur solche Tätigkeiten zugebilligt, die per definition „nichts wert“ sind.“ (Liebel 1998, S. 336) Dadurch wird ihnen die Möglichkeit aberkannt, sie könnten eine wesentliche und aktive Rolle im Wirtschaftsleben spielen. Außerdem führe die Zubilligung von lediglich unbezahlter Arbeit von Kindern dazu, „[…] weniger sichtbare Formen der Ausbeutung von Kindern zu verschleiern oder zu legitimieren.“ (Liebel 1998, S. 336) Da man bei einer Untersuchung, der von der ILO veröffentlichten Literatur, lediglich auf wenige Stellen stößt, an denen der Begriff work benutzt wird, wirft Liebel der ILO und anderen Organisationen vor, sie hätten sich auf die Differenzierung zwischen work und labour nur „[…] aus legitimatorischen Gründen eingelassen […].“ (Liebel 1998, S. 337) In der deutschsprachigen Literatur wird fast ausschließlich der Begriff Kinderarbeit benutzt. Liebel wirft daher auch Organisationen wie terre des hommes vor, sich durch z.B. Kampagnen „Projekte gegen Kinderarbeit“ zu undifferenziert mit dem Begriff auseinander zu setzen. (Liebel 1998, S. 338) Im hispanischen Sprachraum wird ebenfalls fast ausschließlich der undifferenzierte Begriff „trabajo infantil“ gebraucht. Dies führte dazu, dass eine Gruppe lateinamerikanischer PädagogInnen dazu aufrief „[…] Praktiken der Sklaverei, Schuldknechtschaft, sexuellen Ausbeutung, Pornographie, Verleiten zum Drogenmissbrauch und Drogenhandel nicht länger als Kinderarbeit zu bezeichnen, sondern als „unstatthafte und verbrecherische Aktivitäten", die entschiedener als bisher zu unterbinden seien.“ (Liebel 1998, S. 339) Liebel hält es für ausschlaggebend, den Entscheidungsspielraum der Kinder in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, um zu schauen, ob die arbeitenden Kinder „[…] als zumindest potentiell eigenständiges Subjekt agieren […].“ (Liebel 1998, S. 349)

Klaus Werner-Lobo und die Macht der Konzerne

Klaus Werner-Lobo beschäftigt sich in seinem Buch "Uns gehört die Welt! – Macht und Machenschaften der Multis" u.a. mit dem Thema Kinderarbeit und sieht dabei vor allem die Globalisierung und die Macht der Konzerne als Ursachen für die Situation der Kinder. Er fordert daher alle Menschen dazu auf, sich gegen die multinationalen Konzerne zu richten und z.B. durch Kinderarbeit hergestellte Produkte zu boykottieren. Als Konzern wird ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit bezeichnet. (Werner-Lobo 2008: 31). [17] Die sogenannte Globalisierung hat diesen Prozess stark beeinflusst, indem sie den internationalen Austausch von Waren, Kapital und Dienstleistungen erleichtert hat. Von der Produktion in Billiglohnländern profitieren heute fast alle großen Konzerne. 70% des globalen Handels wird kontrolliert durch die fünfhundert größten Unternehmen der Welt. Deren Umsatz machte 2005 über 33% des Welt-Bruttoinlandsproduktes aus, sie beschäftigten jedoch nur 0,05% der Weltbevölkerung. Ihre Macht zeigt sich zum Einen darin, dass viele der Konzerne wirtschaftlich stärker sind als ganze Länder. Zum Anderen dadurch, dass sie ihren Sitz in den reichen Industrieländern haben und ihr dortiger politscher Einfluss enorm ist (Lobbyismus), obwohl es sich bei diesen Ländern um Demokratien handelt. (Werner-Lobo 2008: 31ff.) Dennoch zeigt sich, dass die Konzerne auch Einfluss auf die öffentliche Meinung ausüben, was wiederum damit zusammenhängt, dass die großen Verlage und Rundfunkanstalten sich im Eigentum der großen Unternehmen befinden (Einschränkung der Pressefreiheit). Diese neoliberale Politik der Industrienationen zeigt sich auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Privatisierung von Gütern, wie Wasser, Grundnahrungsmitteln und Energie aber auch Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. (Werner-Lobo 2008. 43ff.) Die UNO spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Mit der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte steht sie für die Schaffung und Sicherung des Weltfrieden, aber auch für die Bekämpfung von Armut, Krankheit, Ausbeutung und Umweltzerstörung. [18] Jedoch werden ihre Bemühungen durch die Macht der Konzerne, somit auch der Weltbank, dem Währungsfonds und Welthandelsorganisation, geschmälert. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, „[…] dass im mächtigsten Gremium der UNO, dem UN-Sicherheitsrat, nichts ohne die fünf ständigen Mitglieder China, Russland, Frankreich, Großbritannien und die USA geht. Ohne ihren Willen können weder militärische noch wirtschaftliche Sanktionen beschlossen werden, wenn irgendwo auf der Welt schwere Menschrechtsverletzungen begangen werden. Und jedes dieser fünf Länder legt regelmäßig Veto (also Einspruch) gegen solche Sanktionen ein, wenn es seine eigenen wirtschaftlichen Interessen – oder die seiner Konzerne – bedroht sieht.“ (Werner-Lobo 2008: 48) Viele der großen Konzerne, die von der Globalisierung und der neoliberalen Politik profitieren sprechen sich für eine soziale Unternehmensverantwortung aus. Bei der sogenannten Coporate Social Responsibiliy (CSR) handelt es sich um einen „freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung“. [19] Im Fall der Firmen geht es dabei darum, sich u.a. für Menschrechts- und Umweltangelegenheiten auszusprechen und sich zum Beispiel um Straßenkinder zu kümmern oder den Bau von Schulen und Krankenhäuser in armen Ländern zu unterstützen. Des Weiteren entwickeln viele Unternehmen einen sogenannten Code of Conduct (Verhaltenskodex), in welchen sich die Konzerne zum Beispiel für Arbeits-, Gewerkschafts- und Menschenrechte einsetzen, sich für den Umweltschutz in ihrem Unternehmen aussprechen und gegen Kinderarbeit. Eigentlich geht es den Unternehmen jedoch darum, ihr Image aufrechtzuerhalten und oder aufzubessern. Zudem verhindern sie „[durch] die freiwillig auferlegte »Unternehmensverantwortung« […], dass man sie mit global gültigen Gesetzen zur Einhaltung menschenrechtlicher Auflagen zwingt.“ (Werner-Lobo 2008: 85) Des Weiteren erhalten sich die Konzerne durch derartige Werbekampagnen das Vertrauen ihrer KonsumentInnen. Der Textil-Discounter KiK, welcher vor einigen Jahren öffentlich angeprangert wurde Kinder in Asien für sich arbeiten zu lassen, schreibt heute „Nachhaltiger Discount – bei KiK gelebte Praxis“ [20] und weiterhin: „Die Regelungen des Code of Conduct beinhalten alle gängigen Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehören die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten und die Zahlung eines Mindestlohns ebenso wie eine sichere und saubere Arbeitsumgebung und die Zusicherung von Versammlungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, sowie das Verbot von Kinderarbeit.“ [21] Nach Werner-Lobo (2008) habe sich durch die Einführung dieser Kampagnen nichts an der Situation der (Kinder-)Arbeiter geändert. Er zitiert Jeff Ballinger und schreibt: „Im Gegenteil: Die Konzerne geben ihr Geld nun für teure CSR-Kampagnen aus, statt endlich faire Löhne zu bezahlen und die Situation in den Produktionsländern zu verbessern. Und für uns ist es schwieriger geworden, diese furchtbaren Zustände zu kritisieren weil viele KonsumentInnen und Medien den Firmen ihre CSR-Lügen glauben.“ (Werner-Lobo 2008: 86)

Weitere Meinungen

Marita Matschke fordert, man soll die Ausbeutung ächten, die arbeitenden Kinder jedoch achten. Sie sieht den Grund der Kinderarbeit in der Armut und sagt daher: "Bevor Kinderarbeit verboten wird, muss Armut verboten werden." Weiter betont sie, dass Unterschiede zwischen Kinderarbeit und Verbrechen bestehen würden. So seien für viele Kinder der Zwang zur Prostitution, zur Pornographie und zum Drogenhandel Verbrechen, Kinderarbeit generell jedoch nicht. Zudem würden Organisationen wie UNICEF und ILO bei ihren Forderungen nach Abschaffung von Kinderarbeit keine Rücksicht auf die Lebensituationen der Betroffener nehmen. [22]

Annette Jensen meint man solle "Gestalten statt abschaffen" und proklamiert, dass das internationale Verbot von Kinderarbeit lediglich das Gewissen der Europäer beruhigen würde, den Kindern hingegen schadet. Sie fordert daher die Möglichkeit für Kinder ihre Interessen zu vertreten. [23]

Christoph Scheerer dagegen ist der Meinung, das man das Verbot von Kinderarbeit mittels Strafmaßnahmen wirksam durchsetzen und sozialpolitisch flankieren sollte. Da eine Regierung, die das Kinderarbeitsverbot nicht im eigenen Land durchsetzt, obgleich es dazu völkerrechtlich verpflichtet ist, bislang mit keinen Strafen rechnen musste und die ILO-Konventionen dadurch eher einen Appellcharakter besitzen, fordert Scheerer in Rückschluss auf die internationale Gewerkschaftsbewegung eine Verankerung der elementaren Arbeitnehmerrechte als Sozialklausel in der Welthandelsorganisation (WTO). Außerdem solle der Zutritt für ausländische Produzenten zum jeweiligen heimischen Markt davon abhängig gemacht werden, ob sie international anerkannte Arbeitnehmerrechte einhalten. [24]

Literatur

  • Andrea Kleeberg-Niepage: Kinderarbeit, Entwicklungspolitik und Entwicklungspsychologie – Arbeitende Kinder als Herausforderung für die universalisierte eurozentrische Konstruktion von Kindheit. Hamburg, 2007 ISBN 978-3-8300-3370-7 <a href="javascript:Pick it!ISBN: 978-3-8300-3370-7"><img style="border: 0px none ;" src="http://www.citavi.com/softlink?linkid=FindIt" alt="Pick It!" title='Titel anhand dieser ISBN in Citavi-Projekt übernehmen'></a>
  • Giuseppe Nesi, Luca Nogler und Marco Pertile (Hsg.): Child Labour in a Globilized World – A Legal Analysis of ILO Action. Aldershot, 2008 ISBN 978-0754672227
  • Janelle M. Diller und David A. Levy: Child labor, trade and investment: Toward the harmonization of international law In: The American Journal of international law, 1997, Vol.91
  • Klaus Werner-Lobo: Uns gehört die Welt! – Macht und Machenschaften der Multis. München, 2008 ISBN 978-3-423-62452-7 <a href="javascript:Pick it!ISBN: 978-3-423-62452-7"><img style="border: 0px none ;" src="http://www.citavi.com/softlink?linkid=FindIt" alt="Pick It!" title='Titel anhand dieser ISBN in Citavi-Projekt übernehmen'></a>
  • Manfred Liebel (Hsg): Ja zur Arbeit – Nein zur Ausbeutung! Plädoyer für einen subjektorientierten Umgang mit der Kinderarbeit In: Arbeitende Kinder stärken: Plädoyers für einen subjektorientierten Umgang mit der Kinderarbeit. Frankfurt (Main), 1998
  • Tobias Schrader: Nachteilige Kinderarbeit: ein Versuch ihrer Definition und eine Analyse internationaler Übereinkommen zu ihrer Bekämpfung. Hamburg, 2008 ISBN 978-3-8300-3894-8 <a href="javascript:Pick it!ISBN: 978-3-8300-3894-8"><img style="border: 0px none ;" src="http://www.citavi.com/softlink?linkid=FindIt" alt="Pick It!" title='Titel anhand dieser ISBN in Citavi-Projekt übernehmen'></a>

Einzelnachweise

  1. Duden online: Kinderarbeit
  2. International Labour Organisation: About child labour Zuletzt abgerufen am 16.Juli 2011.
  3. Wikipedia: Kinderarbeit Zuletzt abgerufen am 19. April 2011.
  4. Internationale Arbeitskonferenz 99. Tagung 2010: Das Vorgehen gegen Kinderarbeit forcieren Zuletzt abgerufen am 24.Juli 2011.
  5. Gesetze im Internet: Jugendarbeitsschutzgesetz Zuletzt abgerufen am 02.Juni 2011.
  6. Wikipedia: Gewohnheitsrecht Abgerufen am 08. August 2011
  7. Wikipedia: Völkerrecht Abgerufen am 08. August 2011
  8. Wikipedia: Völkerrecht Abgerufen am 08. August 2011
  9. Rechtslexikon online: Zwingendes Recht Abgerufen am 08. August 2011.
  10. terre des hommes: Kinderarbeit: Ausbeutung beenden – Kinderarbeiter stärken Abgerufen am 24. Juni 2011.
  11. terre des hommes: Kinderarbeit: Ausbeutung beenden – Kinderarbeiter stärken Abgerufen am 24. Juni 2011.
  12. terre des hommes: Homepage - Wir über uns Zuletzt abgerufen am 25. Juni 2011.
  13. terre des hommes: Kinderarbeit: Ausbeutung beenden – Kinderarbeiter stärken Abgerufen am 24. Juni 2011.
  14. Pronats: Abschlusserklärung des I Welttreffens der arbeitenden Kinder in Kundapur, Indien, vom 24. November bis 8. Dezember 1996 Abgerufen am 04. Juli 2011.
  15. Pronats: Zweites Welttreffen der Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher Abgerufen am 24. Juni 2011.
  16. Pronats: Abschlusserklärung des II Welttreffens der Weltbewegung der arbeitenden Kinder und Jugendlichen in Berlin, Deutschland, vom 19. April bis 02. Mai 2004 Abgerufen am 04. Juli 2011.
  17. Wikipedia: Globalisierung Abgerufen am 15. Juni 2011.
  18. Wikipedia: Vereinte Nationen Abgerufen am 15. Juni 2011.
  19. Wikipedia: Corporate Social Responsibility Abgerufen am 15. Juni 2011.
  20. KiK: Nachhaltiger Discount – bei KiK gelebte Praxis Abgerufen am 24. Juni 2011.
  21. KiK Homepage Code of Conduct Abgerufen am 24. Juni 2011.
  22. Marita Matschke: Kinder fordern ein Recht auf Arbeit Abgerufen am 11. August 2011.
  23. Annette Jensen: Gestalten statt abschaffen Abgerufen am 11. August 2011.
  24. Christoph Scheerer: Abschaffen, aber flankieren Abgerufen am 11. August 2011.

Weblinks

Was kann ich tun?