Jörg Böckem

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Jörg Böckem (* 15. Januar 1966 bei Erkelenz) ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Bekannt wurde er vor allem durch sein 2004 veröffentlichtes autobiografisches Buch Lass mich die Nacht überleben, in dem er das Leben mit seiner jahrelangen Heroinsucht beschreibt.

Leben

Kindheit und Jugend

Jörg Böckem ist aufgewachsen in einer kleinen westdeutschen Provinzstadt, zehn Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. Schon früh ist er dem dörflichen Leben überdrüssig und beginnt gegen Autoritäten wie Lehrer und Eltern zu rebellieren. Ständig unter dem Erfolgsdruck seiner Eltern stehend, nimmt er sich eines Tages vor, niemals so werden zu wollen wie sie. Er schreibt einen Brief, in dem er sich schwört, niemals so zu leben wie die Erwachsenen, die er kennt. Der Brief geht mit der Zeit verloren, die Botschaft aber nicht. Nach seinem Wechsel aufs nächstgelegene Gymnasium wird ihm klar, dass dort andere Werte zählen, als gute Noten zu haben: eine große Klappe haben, die richtige Jeansmarke tragen und die richtigen Bandnamen mit Edding auf seine Tasche geschrieben haben. Er erkannte, das es nur zwei Möglichkeiten für ihn gibt: entweder sich den Erwartungen und dem Wollen seiner Eltern zu fügen oder total aus ihrer Welt auszubrechen und fortan genau das Gegenteil von dem zu tun und zu sein, was sie von ihm erwarteten. So wirft er sich fortan in alles, was für ihn irgendwie nach Gefahr, Protest und Abenteuer aussieht. Mit 14 schnüffelt Böckem das erste mal Klebstoff und raucht das erste mal Haschisch. Mit 15 schmeißt er das erste Mal LSD. Mit 18 Jahren schließlich drückt er das erste mal die Droge, die ihn die nächsten zwei Jahrzehnte begleiten soll: Heroin.

Jahre der Abhängigkeit

Auf einem von vielen Beschaffungsausflügen nach Holland wird Jörg Böckem 1982, das erste Mal verhaftet und sitzt zwei Wochen in Untersuchungshaft. Er wird wieder frei gelassen, erhält jedoch ein Einreiseverbot in die Niederlande. Ein halbes Jahr nach seinem Haftaufenthalt kommt es durch einen Zufall zu einer Wiederaufwicklung seines Falles und er wird nachträglich zu einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt. Von diesem Vorfall geläutert, konzentriert Böckem sich die nächsten Wochen wieder auf die Schule und besteht sein Abitur. Kurz nach seiner letzten Prüfung zieht er aus und arbeitet als Maurer, bis er befähigt ist, Arbeitslosengeld zu erhalten. Die nächsten zwei Jahre bleibt Böckem drogenfrei und stürzt sich stattdessen in eine Vielzahl an Affären. Trotzdem beginnt er sich wieder sich regelmäßig Kokain und Heroin zu spritzen. Immer, wenn er das Gefühl hat, dass die Droge ihn zu sehr beeinflußt, arbeitet er kurz und entgiftet an irgendeinem europäischen Strand. 1987/88 schreibt er sich nach einer solcher Sebstentgiftungen für ein Studium der Germanistik und Philosophie an der Heinrich-Heine-Univerität Düsseldorf ein und beginnt für eine Mönchengladbacher Stadtzeitung zu schreiben. In den zwei Jahren, die er an der Universität eingeschrieben ist, besucht er jedoch nach eigener Aussage höchstens zehn Vorlesungen. Als er erfährt, das eine seiner zahlreichen Affäre von ihm schwanger geworden ist, fasst er den Entschluß, das erste mal eine Entzugskur zu machen. Nach überstandener Kur zieht er in eine Nachsorge-Wohngemeinschaft nach Hamburg und ist abstinent. Im April 1992 beginnt er ein vierwöchiges Praktikum bei der Zeitschrift Tempo. Anschließend bewirbt er sich für ein Volontariat und bekommt es. Wenige Monate später zieht er aus der Wohngemeinschaft aus und sucht sich eine kleine 2-Zimmer-wohnung in Hamburg-Dulsberg. Er schließt sein Volontariat erfolgreich ab und arbeitet in den nächsten Jahren freiberuflich weiterhin für Tempo, aber auch für die Die Woche und jetzt, dem Jugendmagazin der Süddeutschen-Zeitung. Trotzdem empfindet Böckem sein Leben kurz vor seinem 30. Geburtstag als immer eintöniger. Am Neujahrsmorgen 1996 zieht es ihn deshalb zum Hamburger Hauptbahnhof, wo er Heroin kauft. Er beginnt, Heroin wieder regelmäßig zu konsumieren. Die nächsten Jahre nimmt er deshalb jeden Auftrag an, den er bekommen kann, um seine immer teurer werdende Sucht zu finanzieren. Da er meist von Zuhause aus arbeitet und nur für Konferenzen die Redaktionen betritt, fällt kaum jemand sein Zustand auf. Hat er einmal ein wichtiges Interview oder eine Reportage in einer anderen Stadt oder im Ausland, entzieht er bei Freunden. Da diese Prozedur jedoch ziemlich anstrengend ist und er seinen Konsum kaum noch finanzieren kann, beschließt er, wieder in Therapie zu gehen. Als er auf einen freien Platz wartet, erfährt er bei einer Blutuntersuchung von seiner Hepatitis-C-Infektion. Im September 1997 tritt er schließlich eine viermonatige Therapie in einer Klinik im Westerwald an. Die nächsten Monate nach der Therapie lebt er daraufhin drogenfrei und zieht mit seiner damaligen Freundin in eine geräumige Alltbauwohnung in Alsternähe. Als es in seiner Beziehung jedoch zu Problemen kommt, fängt er an Schlaftabletten zu nehmen. Bald beginnt er wieder Heroin zu rauchen, kurz darauf spritzt er es sich wieder täglich und seine zahlreichen Versuche, sich mit Hilfe von Kodein selbst zu entgiften bleiben erfolglos. Nach einem halben Dutzend stationärer und ambulanter Entgiftungen versucht er im Mai 2001 noch einmal zu entgiften um anschließend seine dritte Therapie zu machen. Im September 2001 beendet er sie und ist seitdem clean.

Seit 2001

Jörg Böckem lebt seit dem Ende seiner dritten Therapie drogenfrei. Er wohnt immer noch in Hamburg und arbeitet weiterhin als freier Autor und Journalist. Im Frühjahr 2004 veröffentlichte er sein autobiografisches Buch Lass mich die Nacht überleben, welches großen Zuspruch erhielt.

Veröffentlichungen

Bücher

Lass mich die Nacht überleben

Jörg Böckem schreibt in seinem autobiografischen Buch Lass mich die nacht überleben die Geschichte seiner fast 20 Jahre andauernden Drogensucht. Er beschreibt ausführlich sein Aufwachsen in der nordrheinwestfälischen Kleinstadt Erkelenz, seinen ersten Kontakt mit Drogen, die Jahre des Rausches und die vielen Versuche, die er unternimmt um endlich von den Drogen loszukommen und clean zu bleiben. Das Buch ist als Comming-Out zu sehen, da es Böckem bis zum Erscheinen seines Buches schaffte, seine Heroinsucht weitgehend geheim zu halten.

Danach war alles anders

Nach Erscheinen von "Lass mich die Nacht überleben" meldete sich bei Jörg Böckem eine Vielzahl Suchtbetroffener aus unterschiedlichsten sozialen Schichten. Böckem besuchte sieben von ihnen zu Hause und unterhielt sich mit ihnen. Herausgekommen ist ein Suchtgeschichtenbuch mit Menschen, deren Angehörige essgestört, alkohol- oder drogenabhängig sind, oder es selbst waren bzw. immer noch sind.

Freitags Gift

Jörg Böckem beschreibt in "Freitags Gift" den Alltag seiner einjährigen Hepatitis-C-Behandlung. Wöchentlich hält er Protokoll über den Verlauf seiner Krankheit, aber auch über die Ansteckungswege von Hepatitis C und ihre möglichen Heilungsverfahren. Der Titel stammt von seinen all-freitaglichen Selbstinitiierung mit dem Wirkstoff Interferon mit dessen Hilfe er es schließlich schafft, seine Leberkrankheit zu überwinden.

Anthologien

Jugend Sucht Sinn

Neben Jörg Böckem befassen sich 15 Autoren, unter anderem Alexa Henning von Lange, auf unterschiedlichste Weise mit den Themen "Sinn", "Sucht" und "Jugend". In einer vom "Jugendwahn" beherrschten Gesellschaft stoßen die Verfasser der Beiträge dabei auf spannende, kluge wie auch berührende Erkenntnisse.

Mit 17 hat man noch Träume

Der von Marianne Wellershoff herausgegebene Sammelband fasst zahlreiche Gespräche von Kultur-Spiegel-Redakteuren mit Bekanntheiten aus Film, Musik, Literatur, Kunst, Architektur und Mode zusammen. Jörg Böckem spricht, als einer der Autoren der insgesamt 75 Interviews, mit den Prominenten über Hoffnungen und Träume, aber auch über Rückschläge und Enttäuschungen.

Sonstiges

Jörg Böckem schreibt als freier Autor für Zeitungen und Magazine wie Die Zeit, Der Spiegel und Jetzt, dem Jugendmagazin der Sueddeutschen Zeitung. Außerdem arbeitete er für das von 1986 bis 1996 erschienene Magazin Tempo.

Literatur

  • Böckem, Jörg: Lass mich die Nacht überleben, München: Dt. Verl.-Anst., 2004
  • Bawag (Hrsg.): Jugend Sucht Sinn, Ueberreuter-Verlag, 2004
  • Böckem, Jörg: Danach war alles anders, München: Dt. Verl.-Anst., 2006
  • Wellershoff, Marianne: Mit 17 hat man noch Träume. Prominente erinnern sich, Dt. Verl.-Anst., 2006
  • Böckem, Jörg: Freitags Gift, München: Dt. Verl.-Anst., 2009

Weblinks