Frauenstrafvollzug

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Frauen in Haft

Der weltweite Anteil von Frauen an der Strafgefangenenzahl ist unauffällig. Frauen stellen in Vollzugssystemen in Deutschland, in Europa und international eine Minderheit dar. Die Quote der Insassinnen liegt in den meisten Ländern bei 2-9%. In Europa liegt der Frauenanteil durchschnittlich bei 4,4%, mit erheblichen Unterschieden zwischen den Ländern (WHO, 2009:13). Schätzungsweise 90 % der inhaftierten Frauen verbüßen Straftaten, bei denen keine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft besteht. Der Frauenstrafvollzug spielt eine untergeordnete Rolle, er bleibt ein Randthema. Die Mehrzahl der inhaftierten Frauen weltweit haben keine Gewalttaten begangen und sitzen meistens wegen Eigentums-, Vermögens- und Drogendelikten, Misshandlung von Kindern, Verstoß gegen das Ausländergesetz und Tötungsdelikte im sozialen Nahfeld ein.

Im Gegensatz zu Männern handelt es sich bei Frauen oft um kürzere Haftstrafen, was eine hohe Fluktuation im Frauenstrafvollzug nach sich zieht. Die Rückfallquote der Frauen ist geringer als die der Männer, was u.a. auf das stabilere Setting Beziehung bzw. Familie zurückgeführt wird, ihre Sozialprognose ist günstiger. In Deutschland lag laut Daten des Statistischen Bundesamtes die Zahl der inhaftierten Frauen zum Stichtag am 31.03.2008 bei 3.300 von insgesamt 62.348 Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in deutschen Justizanstalten, was einer Quote von gerundeten 5,3 % Frauenanteil entspricht. Die Delikte der Frauen im deutschen Vollzug sind mit Betrug und Untreue (22,5%), Diebstahl und Unterschlagung (22,3%) und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (17,4%) international vergleichbar. Die Stichtagserhebungen enthalten Verzerrungen durch das Verhältnis Kurzstrafen zu Langstrafen , unterstützen jedoch, um den Frauenvollzug in Abgrenzung zum Männervollzug zu charakterisieren.

In den letzten Jahren ist die Zahl weiblicher Strafgefangener nach oben gegangen, für Deutschland eindrucksvoll in den Jahren 1995 bis 2006 um 91,2 % (Zolondek, 2007: 94). Schon Helga Einsele, Gefängnisleiterin und –reformerin stellte im letzten Jahrhundert fest, dass Frauen in den wenigsten Fällen eine wirkliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen und ein Verzicht auf den Vollzug der Freiheitsstrafe sozial verantwortbar sei.

Gender Mainstreaming im Strafvollzug

„Geschlechterorientierung in der Strafrechtspflege bedarf der Anerkennung der Lebensrealitäten von Frauen unter Einbeziehung ihres Werdegangs bis zur strafbaren Handlung und der Beziehungen, die ihr Leben prägen.“ (Bloom/ Owen/ Covington, 2003 in: Reader Greifswald, 2005)[1].

Da der Frauenanteil der Inhaftierten gering ist, ist Kriminalität vor allem „Männersache“, was heißt, dass der Strafvollzug männerdominiert ist, bei den Bediensteten wie den Insassen. Der Strafvollzug ist von Männern für Männer gemacht. Straffällig gewordenen Frauen wird aufgrund der geringen Anzahl wenig Interesse entgegengebracht, ihre Bedürfnisse bleiben unbeachtet. Die speziellen Belange von Frauen werden unberücksichtigt dem Gleichbehandlungsgrundsatz untergeordnet. In der BRD gibt es wenige selbstständige Frauenvollzugsanstalten, die gängigere Form ist eine Teilanstalt oder eine Abteilung im Männervollzug. Dabei verhalten sich Frauen in Haft regelkonformer. Für weibliche Jugendliche gibt es bundesweit nicht eine einzige eigenständige Einrichtung. Viele der Daten im Strafvollzug werden nicht nach Geschlecht erhobenen, geschlechtsspezifische Auswirkungen werden i.d.R. nicht genauer geprüft. Die Strafvollzugsstatistik gibt keine Angaben zu Kindern, Beruf oder Ausbildung der Inhaftierten her.

Zum Thema Gender Mainstreaming im Frauenstrafvollzug hat es in den letzten Jahren mehrere Fachtagungen gegeben, u.a. 2006 in den Niederlanden zu dem Thema „What makes the difference?“ zu Beschäftigungs-, Fortbildungs und Bildungsprogramme für weibliche Gefangene (European Conference Female Offenders), 2007 in Berlin "Das Ungerechte an der Gerechtigkeit- Gender Mainstreaming: eine Chance für den Umgang mit straffälligen Frauen"[2], 2008 in Wiesbaden die Tagung "Täterinnen- Befunde, Analysen, Perspektiven".

Rechtlicher Rahmen

Internationale Standards finden ihre Grundlage in den Allgemeinen Erklärungen der Vereinten Nationen und auf den Europäischen Menschenrechtskonventionen (EMRK). 1955 begannen sich die Mindeststandards der Vereinten Unionen für die Behandlung Gefangener zu konkretisieren. Sie sind rechtlich nicht verbindlich, jedoch richtungsweisend und haben Empfehlungscharakter für den Strafvollzug, insbesondere der Frauen. Die Menschenrechte und die Menschenwürde im Strafvollzug (Menschenwürde und Strafvollzug) müssen eingehalten werden. Grundsätzlich ist das Strafvollzugsrecht nationales Recht. Es gibt überall ähnliche gesetzliche Vorschriften für den Frauenstrafvollzug, wie die Trennungsprinzipien, die allerdings selten eingehalten werden, Vorschriften zu Schwanger- und Mutterschaft und die Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von Mutter und Kind, wobei die Altersgrenze für das Kinder variiert, häufig liegt sie bei 3 Jahren.

In Deutschland regelt das Strafvollzugsgesetz (StVollzG), verabschiedet 1976, seit 01.09.2006 in den Zuständigkeiten der Bundesländer (Strafvollzugsrecht), Besonderheiten für straffällige Frauen im Vollzug. In den §§ 76-80 ist Schwangerschaft, Geburt, Mutterschutz und –schaft, Geburtsanzeige, gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind geregelt, § 140 (2) StVollzG beinhaltet das Trennungsgebot und § 135 die Sicherungsverwahrung. Nach § 18 StVollzG hat während der Ruhezeit grundsätzlich eine alleinige Unterbringung zu erfolgen. In der Praxis ist es nicht immer gegeben.

Problembereiche

Die Maßstäbe des Männervollzugs werden für den Frauenvollzug angelegt. Es haben sich vehement traditionelle Rollenbilder, männliche wie weibliche, verfestigt. Der Frauenvollzug hat überhöhte Sicherheitsstandards, selten sind es eigenständige Vollzugseinheiten, aufgrund der geringen Zahl der inhaftierten Frauen ist die Unterbringung fern des Lebensmittelpunktes, es gibt kaum Differenzierungsmöglichkeiten, Deliktgruppen werden selten getrennt. Viele Frauen haben eine Suchtproblematik, häufig mit illegalen Drogen, ein hoher Anteil hat Gewalt- und Missbrauchserfahrungen, psychische und psychiatrische Auffälligkeiten sind gehäuft und es mangelt im Vollzug an adäquaten Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen. Eine WHO-Publikation von 2009 zur Gesundheit von Frauen im Strafvollzug [3] greift die Faktoren auf. Selbstverletzung und Suizid in Haft werden als erheblich bewertet. Die Beschäftigungsmöglichkeiten der Frauen im Vollzug müssen erweitert werden und sich nicht an tradierten Rollen festmachen, nicht nur im klassischen „Hausfrauen“-Dienstleistungsbereich wie Kochen, Waschen, Nähen, Reinigen sollen Arbeitsmöglichkeiten geboten werden. Aufgrund der kürzeren Haftstrafen von Frauen sind Vollausbildungen während der Strafdauer schwer umzusetzen. Modulare Qualifizierungsbausteine mit Zertifikatsabschluss erweitern das Spektrum und bilden eine Brücke zum gender-sensiblen Case Management (Cummerow in: Kawamura-Reindl, 2007: 330).

Fazit

Die Forderungen für den Frauenstrafvollzug umfassen die besondere Berücksichtigung der Problembereiche inhaftierter Frauen, die Einbeziehung der Deliktschwere und dass Frauen andere Taten als Männer verüben. Daraus folgernd werden unterschiedliche Haftbedingungen für Männer und Frauen gefordert. Vorrangig der offene Vollzug oder andere Formen der Strafe sollten für Frauen Anwendung finden. Die international vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug (Zolondek, 2007) hat gezeigt, dass der Frauenstrafvollzug aus vielerlei Gründen problematisch und reformbedürftig ist. Die weitgehende Übersicherung sollte in freieren Formen vollzogen werden, die erlernte Hilflosigkeit im Vollzug sollte nach dänischem Vorbild durch ein self management ersetzt werden, um eine gute, reale Entlassungsvorbereitung durchzuführen. Behandlungsangebote bei psychischen Problemen und Drogenabhängigkeit müssen verbessert werden und die Angebotspalette an Arbeitsplätzen erweitert werden. Anspruchsvolle Arbeit im Vollzug lenkt ab und sorgt für Zufriedenheit, arbeitsmarktspezifische Erfordernisse sollten umgesetzt werden. Nur in selbstständigen Anstalten ist eine effektive Behandlung von Frauen möglich. Der Frauenstrafvollzug sollte als selbstständige Vollzugsform anerkannt und gestaltet werden. Das Personal in den Frauenvollzugsanstalten muss durch Sensibilisierung und besondere Ausbildung auf die Problemlagen der Frauen eingehen können. Strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten müssen im Sinne der Menschenrechte genutzt werden. Der Frauenstrafvollzug ist als Behandlungsvollzug zu organisieren, wie es im Rahmen sozialtherapeutischer Anstalten (Sozialtherapeutische Einrichtungen) in Deutschland üblich ist. „Die Verhängung einer Freiheitsstrafe muss ultima ratio sein und in jedem Einzelfall sollte nach Alternativen zu dieser gesucht werden.“ (Zolondek, 2008: 37). Die kriminologische Forschung im Frauenvollzug ist weiterhin zu initiieren und zu unterstützen.

Quellen

Elz, Jutta (Hrsg.) (2009): Täterinnen. Befunde, Analysen, Perspektiven. Wiesbaden.

Kawamura-Reindl, Gabriele; Halbhuber-Gassner, Lydia; Wichmann, Cornelius (Hrsg.) (2007): Mainstreaming - Ein Konzept für die Straffälligenhilfe? Freiburg im Breisgau, S. 213 ff., 287 ff.

Maelicke, Hannelore (1995): Ist Frauenstrafvollzug Männersache? Eine kritische Bestandaufnahme des Frauenstrafvollzuges in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Baden-Baden.

Zolondek, Juliane (2007): Lebens- und Haftbedingungen im deutschen und europäischen Frauenstrafvollzug. Mönchengladbach.


Weblinks

Reader: Internationale Studie zum Frauenstrafvollzug (2005), Greifswald.
http://www.rsf.uni-Greifswald.de/fileadmin/mediapool/lehrstuehle/duenkel/Reader_frauenvollzug.pdf

Grote-Kux, Gabriele (2007): Frauenkriminalität und Frauenvollzug in Deutschland. Berlin. http://www.europarl.europa.eu/hearings/20070626/femm/grote_kux_de.pdf

Tagungsdokumentation (2007): Das Ungerechte an der Gerechtigkeit. Berlin. http://www.fes.de/forumpug/inhalt/documents/Dokumentation_Veranstaltung_11.5.07.pdf

Zolondek, Juliane (2008): Aktuelle Daten zum Frauenstrafvollzug in Deutschland. in: Forum Strafvollzug 57(1). S. 36-41. http://www.gefaengnisseelsorge.de/uploads/media/Aktuelle_Daten_zum_Frauenvollzug_in_Forum_Strafvollzug_2008.pdf

UNODC WHO Publikation (2009): Gesundheit von Frauen im Strafvollzug. Kopenhagen.
http://www.euro.who.int/document/e92347g.pdf

Statistisches Bundesamt. http://www.destatis.de