Moritz Liepmann (08.09.1869 in Danzig - 26.08.1928 in Hamburg) war ein Schüler Franz von Liszts und der erste Kriminologieprofessor an der Universität Hamburg (1919-1928). Er war Ordinarius für Kriminologie, Gerichtsverfassung, Prozess- und Strafrecht.

Leben

Liepmann stammte aus einer Bankiersfamilie. Seine Frau Helene war die Tochter des Philologen und Archäologen Carl Robert Neumeister und dessen Frau Clara.

  • 1891 Erste Promotion (Dr.iur.) nach Jurastudium in Kiel, Leipzig und Göttingen an der Universität Jena mit seiner Arbeit über "Die Entstehung des Schuldbegriffs" erstmals promoviert (Dr. iur.). Als Schüler von Franz von Liszt absolvierte Liepmann das Referendariat an der Universität Halle, im kriminalistischen Seminar.
  • 1896 zweite Promotion (diesmal Dr. phil.) mit der Dissertation "Die Staatstheorie des Contract social"
  • 1897 Habilitation an der Universität Halle für Rechtsphilosophie, Strafrecht und Strafprozess
  • 1902 Berufung zum außerordentlichen Professor an der Universität Kiel für Strafrecht, Rechtsphilosophie und Völkerrecht
  • 1903 - 1909 Dozent an der Marineakademie Kiel
  • 1910 Beförderung zum ordentlichen Professor für Strafrecht/Strafprozess/internationales Recht
  • 1919 Ruf an die neugegründete Universität Hamburg auf das Ordinariat für Kriminologie, Gerichtsverfassung, Prozess- und Strafrecht
  • 1920 nebenamtliche Tätigkeit als Hilfsrichter bzw. Landgerichtsrat am Landgericht Hamburg
  • 1928 In seinem Werk "Kommunistenprozesse" übt Liepmann Kritik an der Justiz der Weimarer Republik

Moritz Liepmann war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Er war evangelischen Glaubens und unterstrich dies durch aktives Engagegment im Rahmen seiner evangelischen Kirchengemeinde.


Thesen/Theorien des Kriminalsoziologen Moritz Liepmann in der Weimarer Republik

Durch intensive Beschäftigung mit den ethischen Grundlagen der Justiz entstand Liepmanns Kritik am herrschenden Strafrechtssystem. Strafurteile sah er als Ausdruck sozialer Mißbilligung. In einer Folgerung erkannte Liepmann keine Gegensätze zwischen Vergeltungs- und Zweckstrafen. Aus moralischen Gründen lehnte er die Todesstrafe strikt ab. Durch seine Betrachtungen erregte er 1912 auf dem 12. Deutschen Juristentag erhebliches Aufsehen, ferner auch mit seiner gegen die herrschende Lehrmeinung in der Rechtswissenschaft aufgezeigte Betrachtung zur Einschränkung der Strafbarkeit bei Abtreibungen. Nach Ende des ersten Weltkrieges setzte sich Liepmann weiter für eine Reform des Strafvollzugs ein. Dazu gründete er eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft. Der Strafvollzug sollte der psychischen Situation des Bestraften gerecht werden. Liepmann setzte sich ferner für eine Revision des politischen Strafrechts ein. Ebenso wie Franz Exner beschäftigte sich auch Moritz Liepmann mit den kriminalsoziologischen Fragen des Ersten Weltkriegs. Hiervon zeugt vor allem auch sein letztes, 1928 vollendetes und im Jahre 1930 posthum veröffentlichtes Werk, "Krieg und Kriminalität in Deutschland".

Wirken in Hamburg

An der Universität Hamburg gründete Liepmann das "Seminar für Strafrecht und Kriminalpolitik". Er gab die "Hamburgischen Schriften zur gesamten Strafrechtswissenschaft" heraus (die mit seinem Tod endeten). Er war Mitglied der Gefängnisdeputation und wirkte nebenamtlich als Landgerichtsrat in einer Strafkammer und im Schwurgericht. "Er war Vorstandsmitglied der 'Deutschen Landesgruppe der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung'. Er kandidierte einmal (auf von vornherein aussichtslosem Platz) auf der Landesliste der Demokratischen Partei für den Reichstag. Er war Mitbegründer der 'Arbeitsgemeinschaft für Reform des Strafvollzuges', einem interdisziplinären Kreis von auf diesem Gebiet führenden Persönlichkeiten" (Sieverts 1969: 45).

Moritz-Liepmann-Haus

 
Moritz-Liepmann-Haus, Alsenstraße 8, 22769 Hamburg

Von 1972 bis Februar 2005 gab es das Moritz-Liepmann-Haus (MLH; erbaut 1910 und im Hamburger Stadtteil Altona-Nord gelegen) im Hamburger Strafvollzug. Lieselotte Pongratz war an der Gründung beteiligt. Das Haus war eine Anstalt des sogeannten Überleitungsvollzuges mit 45 (38 Männer/7 Frauen) Plätzen für Strafgefangene, die sich dort bis zu 12 Monate lang auf ihr Leben in Freiheit vorbereiten konnten. Je nach sozialpädagogischer Beurteilung konnten die BewohnerInnen innerhalb des Hauses einer Arbeit nachgehen, später auch außerhalb.

Kurz vor der Schließung lobte das Strassenmagazin Hinz & Kunzt das MLH: "Nach ihrer Arbeit dürfen die Bewohner täglich bis zu acht Stunden außerhalb des Gebäudes verbringen. Zu ihren Zimmern besitzen sie einen eigenen Schlüssel. Sie können Besucher mit auf ihr Zimmer nehmen. Und die Fenster haben keine Gitter. Doch Einschränkungen gibt es natürlich auch: Nach der Arbeit müssen sich alle Bewohner zurückmelden, bevor sie ihre Freizeit nutzen können. Um 23.30 Uhr müssen sie spätestens wieder da sein."

 
Eingangsbereich

Justizsenator Roger Kusch verfügte 2005 die Schließung des Hauses, das bis 2009 leerstand. In die 28 kleinen Zimmer zog 2010 der Verein "Sponsoren für Hamburg" ein und machte das Haus zum Haus Bürgerschaftlicher Engagements (HBE).

Eigentlich war die Wiedereröffnung des MLH im Rahmen der schwarz-grünen Koalition angedacht gewesen. Im September 2008 wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bereits im November 2008 einen Bericht vorlegte. Die von der Arbeitsgruppe ermittelten umfassenden Sanierungs- und Instandsetzungsbedarfe führten dazu, dass von dem Vorhaben letztlich Abstand genommen wurde.

Veröffentlichungen von Moritz Liepmann (Auswahl)

  • Aufstieg und Krise der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932. Köln 1986.
  • Die Todesstrafe : ein Gutachten/ Moritz Liepmann. - Nachdr. [d. Ausg.] Berlin 1912. - [Frankfurt am Main : Keip], 1978
  • Krieg und Kriminalität in Deutschland/ Moritz Liepmann. - Stuttgart [u.a.] : Dt. Verl.-Anst. [u.a.], 1930
  • Kommunistenprozesse : ein Rechtsgutachten/ Moritz Liepmann. - München : Drei Masken Verl., 1928
  • Kommunistenprozesse : ein Rechtsgutachten/ Moritz Liepmann. - [Mikrofiche-Ausg.]. - München : Drei Masken Verl., 1928
  • Amerikanische Gefängnisse und Erziehungsanstalten : ein Reisebericht/ Moritz Liepmann. - Mannheim [u.a.] : Bensheimer, 1927
  • Gefängnisstudienreise nach den Vereinigten Staaten/ Moritz Liepmann. - [1926]
  • Das Strafverfahren und die Organisation der Strafgerichte/ Moritz Liepmann. - Berlin : Herbig, 1926
  • Die neuen "Grundsätze über den Vollzug von Freiheitsstrafen" in Deutschland : [Referat]/ Moritz Liepmann. - Berlin [u.a.] : de Gruyter, 1924
  • Die Reform des deutschen Strafrechts : kritische Bemerkungen zu dem "Strafgesetzentwurf"/ Moritz Liepmann. - Hamburg : Gente, 1921
  • Der Friedensvertrag und der Völkerbund/ Moritz Liepmann. - Hamburg: Gente, 1920
  • Die Bedeutung der Reichsverfassung für die geistige Kultur Deutschlands/ Moritz Liepmann. - Hambg: Gente, 1920
  • Die Pflege des Völkerrechts an den deutschen Universitäten : eine Denkschrift/ Moritz Liepmann. - Berlin : Engelmann, 1919
  • Von Kieler Professoren : Briefe aus 3 Jahrhunderten zur Geschichte der Universität Kiel/ Moritz Liepmann. - Stuttgart [u.a.] : Dt. Verl.-Anst., 1916
  • Die Todesstrafe : ein Gutachten/ Moritz Liepmann. - Berlin : Guttentag, 1912
  • Die Kriminalität der Jugendlichen und ihre Bekämpfung : Vortrag gehalten auf der "Versammlung norddeutscher Frauenvereine" am 11. September 1908 in Kiel/ Moritz Liepmann. - Tübingen : Mohr, 1909
  • Die Beleidigung/ Moritz Liepmann. - Berlin : Puttkammer & Mühlbrecht, 1909
  • Der fahrlässige Falscheid des Zeugen/ Moritz Liepmann. - Kiel [u.a.] : Lipsius & Tischer, 1907
  • Nach welchen Gesichtspunkten ist für Zwecke des Seebeuterrechts die feindliche oder neutrale Eigenschaft der Ware zu bestimmen? : ein Reformvorschlag/ Moritz Liepmann. - Sonderdr. - Leipzig : Duncker & Humblot, 1907
  • Einleitung in das Strafrecht : eine Kritik der kriminalistischen Grundbegriffe/ Moritz Liepmann. - Berlin : Häring, 1900
  • Die Rechtsphilosophie des Jean Jacques Rousseau : ein Beitrag zur Geschichte der Staatstheorieen/ Moritz Liepmann. - Berlin : J. Guttentag, 1898
  • Die Staatstheorie des "contrat social"/ Moritz Liepmann. - Halle a.S. : Kämmerer, 1896

Herausgabe: Hamburgische Schriften zur gesamten Strafrechtswissenschaft. Abhandlungen aus d. Seminar f. Strafrecht u. Kriminalpolitik an d. Hamburgischen Universität (12 Bände von 1921-1929 vor allem zu Jugendstrafrecht und Strafrechtsreform u.a. von Curt Bondy, Max Grünhut, Rudolf Sieverts und Moritz Liepmann himself)

Veröffentlichungen über Moritz Liepmann

  • Monika Frommel: Moritz Liepmann (11.12.11)
  • Hüser-Goldberg, Ruth (1977) Das kriminalpolitische Programm von Moritz Liepmann (1869 - 1928). Jur. Diss. Hamburg.
  • Rechtsstaatsidee und Erziehungsstrafe. Abhandlungen zur Erinnerung an M. Liepmann von seinen Schülern (1930) Heidelberg; Winter. VI, 161 S.
  • Sieverts, Rudolf (1969) Moritz Liepmann (1878-1928), In: Lebensbilder Hamburgischer Rechtslehrer. Veröffentlicht von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens der Universität Hamburg. Hamburg: Selbstverlag, S. 45-51.

Weblinks