Medienwirkungstheorien beschreiben mögliche Wirkeffekte der medialen Darstellung auf die Rezipienten. Von besonderem kriminologischen Interesse ist der Einfluss der Mediendarstellung auf die Gewaltbereitschaft und die Kriminalitätsfurcht. Keine Medienwirkungstheorie kann generelle Gültigkeit für sich beanspruchen. Simplifizierende Theorien, die einfache Ursache-Wirkung-Zusammenhänge postulieren, gelten nach aktuellem Stand der Wissenschaft als überholt (siehe hier zur Kritik einer vereinfachenden Darstellung von Kausalzusammenhängen).

Überblick über verschiedene Medienwirkungstheorien

Katharsistheorie

(von Katharsis, gr. κάθαρσις „Reinigung“) Die Katharsistheorie geht (in Anlehnung an das Triebkonzept von Sigmund Freud) von einem dem Menschen eigenen Aggressionstrieb aus. Die Rezeption von Gewaltdarstellungen in Medien bewirkt einen Abbau von Spannungen, indem die Gewaltbereitschaft durch die mediale Darstellung kanalisiert wird.

Inhibitionstheorie

(von Inhibition, lat. inhibere „unterbinden“, „anhalten“) Wie die Katharsistheorie geht auch die Inhibitionstheorie von einem allen Menschen innewohnenden Aggressionstrieb aus. Durch die Rezeption von Gewaltdarstellungen in Medien wird beim Rezipienten Angst erzeugt, der die Hemmung den Aggressionstrieb auszuleben verstärkt.

Theorie der kognitiven Unterstützung

Die Theorie der kognitiven Unterstützung stellt eine Variante der Katharsistheorie dar. Nach der T.d.k.U. wird (vor allem bei Menschen mit niedriger Intelligenz und geringer Vorstellungskraft) die Phantasie durch die mediale Darstellung angeregt und so die Fähigkeit zur Kontrolle des eigenen Aggressionspotentials kognitiv unterstützt.

Stimulationstheorie

Nach der Stimulationstheorie wird der Rezipient durch mediale Gewaltdarstellungen emotional erregt und die Aggressionsbereitschaft gefördert. Damit steht die Stimulationstheorie im Widerspruch zur Katharsistheorie.

Habitualisierungstheorie

Die Habitualisierungstheorie geht davon aus, dass eine wiederkehrende und über eine langen Zeitraum hinweg stattfindende Rezeption von Gewaltdarstellungen abstumpfend wirkt. Beim Rezipienten setzt ein Gewöhnungseffekt ein, der sich nicht nur auf die mediale Gewaltdarstellungen bezieht, sondern auch auf reale Gewalt. Im Zuge des habituellen Wandels kann es zu einer Verminderung der Empathiefähigkeit und zu einer Akzeptanz von Gewalt als ein probates Mittel zur Konfliktlösung kommen.

Kultivationshypothese (auch: Kultivierungsthese)

Die Kultivationshypothese geht auf den Medienwissenschaftler George Gerbner zurück. Gerbner geht davon aus, dass das Fernsehen (vor allem bei Vielsehern) als Sozialisationsinstanz wirkt. Rezipienten, die täglich mehrere Stunden vor dem Fernseher verbringen, verinnerlichen das im Fernsehen präsentierte Weltbild und "kultivieren" eine Weltsicht, die von der Realität abweichen kann. Von besonderer Bedeutung ist die Kultivationshypothese hinsichtlich Gewaltdarstellungen im Fernsehen. Da Gewalt ein - im Vergleich zur Realität - überproportional häufig vorkommendes Motiv im Fernsehen darstellt und hier oftmals als adäquates Mittel zur Problemlösung präsentiert wird, neigen Vielseher dazu, ihre soziale Umwelt als gewalttätiger einzuschätzen, als dies der Fall ist. Diese fehlerhafte Einschätzung geht einher mit einer - im Vergleich zu Fernsehzuschauern mit einem moderaten Fernsehkonsum -

  • erhöhten Furcht, Opfer einer Gewalttat zu werden und einer
  • gesteigerten Gewaltbereitschaft, um sich in der (vermeintlich) gewalttätigen Umwelt verteidigen zu können.

Emotionalisierungstheorie

Die Emotionalisierungstheorie geht davon aus, dass eine wiederkehrende Konfrontation mit Gewaltdarstellungen eine übertriebene, durch die Realität nicht zu rechtfertigende Angst beim Rezipienten ausgelöst wird. Im Gegensatz zur Inhibitionstheorie geht die Emotionalisierungstheorie davon aus, dass diese Angst nicht eine Hemmung eigener Aggressionstriebe zur Folge hat, sondern situativ zu Gewaltausbrüchen führt, wenn sich der emotional verstörte Rezipient bedroht fühlt (Bedrohungsangst).

Suggestionstheorie

Die Suggestionstheorie beschreibt, dass mediale Darstellungen einen Einfluss auf das Verhalten bei einigen empfänglichen Rezipienten haben können. Unter Suggestion ist hier jedoch keine reine Nachahmung des Rezipierten zu verstehen. Ein prominentes Beispiel für die Suggestionstheorie ist der sog. Werther-Effekt, nach dem die mediale Darstellung von Suizidhandlungen Nachahmungstaten auslöst.

Theorie vom Lernen am Modell

Die Theorie vom Lernen am Modell geht davon aus, dass mit der Darstellung von Gewalt in Medien den (v.a. kindlichen oder jugendlichen) Rezipienten Handlungsmuster vorgeführt werden, die als erfolgversprechend Handlungsoptionen erlernt werden und so Vorbildcharakter erlangen.

Theorie der Wirkungslosigkeit

Die Theorie der Wirkungslosigkeit geht davon aus, dass mediale Darstellungen keine positive oder negative Auswirkung auf die Rezipienten haben. Die Vertreter dieser Theorien führen zur Begründung an, dass Medien lediglich eine von vielen Sozialisationsinstanzen darstellen und zudem keine der Wirkungstheorien, die einen direkten Einfluss der Medien auf die Rezipienten postulieren, bislang empirisch eindeutig belegt werden konnte.

Kritik

Es ist weitgehend unbestritten, dass eine Korrelation zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und gewalttätigem Verhalten besteht. Trotz mehrerer Tausend Studien zu dieser Fragestellung ist ein kausaler Zusammenhang bislang nicht belegt.

Literatur

  • Gerbner, George, Gross, Larry (1976): Living with Television: The violence profil. In: Journal of Communication. 26 (2), S. 173-199.
  • Kunczik, Michael / Zipfel, Astrid (2002): Gewalttätig durch Medien? In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 44/2002), S. 29-37. Online verfügbar unter: [1]

Weblinks

  • Dr. Stefan Frerichs, "Grundlagen der Gewaltwirkungsforschung – wie wirkt Brutalität in Fernsehnachrichten und -filmen? Eine allgemein verständliche Einführung für Laien." (aus: "Wirkungen von Gewaltdarstellungen im Fernsehen", unveröffentlichte Aufsatzsammlung), online verfügbar unter: http://www.stefre.de/html/gewaltwirkungsforschung.html