Kriminalbiologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Als Kriminalbiologie bezeichnet man im [[Ätiologie|kriminalätiologischen]] Diskurs eine Disziplin, die sich mit den körperlichen, inbesondere auch den erblichen Merkmalen des Verbrechers und des Verbrechens beschäftigt. Früher wurde verbreitet auch die Bezeichnung Kriminalanthropologie synonym verwendet
Als Kriminalbiologie bezeichnet man im [[Ätiologie|kriminalätiologischen]] Diskurs eine Disziplin, die sich mit den körperlichen, inbesondere auch den erblichen Merkmalen des Verbrechers und des Verbrechens beschäftigt. Früher wurde verbreitet auch die Bezeichnung Kriminalanthropologie synonym verwendet
==Ursprünge==
==Ursprünge==
Die Kriminalbiologie spielte im Gefolge der Rezeption von Charles Darwin (1859) eine zunehmend wichtige Rolle im Wissenschaftsdiskurs über das [[Verbrechen]]. Der Verbrecher, einst als moralisch gestrauchelter Mensch angesehen, wurde nunmehr eher als biologisch defektes Wesen, als "verhinderter" mehr denn als "gefallener" Mensch, angesehen (Becker). Mit [[Cesare Lombroso|Lombrosos]] Studien (1876) und den Diskussionen darum etablierte sich der biologische Ansatz als eine unter mehreren Strömungen, die in den 1880er und 1890er Jahren die Entstehung der [[Kriminologie]] als Wissenschaft beeinflussen sollten.  
Die Kriminalbiologie spielte im Gefolge der Rezeption von Charles Darwin (1859) eine zunehmend wichtige Rolle im Wissenschaftsdiskurs über das [[Verbrechen]]. Der Verbrecher, einst als moralisch gestrauchelter Mensch angesehen, wurde nunmehr eher als biologisch defektes Wesen, als "verhinderter" mehr denn als "gefallener" Mensch, angesehen (Becker). Mit [[Cesare Lombroso|Lombrosos]] Studien (1876) und den Diskussionen darum etablierte sich der biologische Ansatz als eine unter mehreren Strömungen, die in den 1880er und 1890er Jahren die Entstehung der [[Kriminologie]] als Wissenschaft beeinflussen sollten.
In Bayern sammelte der [[Kriminalbiologischer Dienst|Kriminalbiologische Dienst]] seit 1924 Angaben zu den physischen Merkmalen von Gefangenen. 1927 gründete [[Adolf Lenz]] (Graz) die [[Kriminalbiologische Gesellschaft]]. Ihren Durchbruch erlebte die Kriminalbiologie allerdings erst in den [[Kriminologie im Dritten Reich|Jahren der NS-Herrschaft]].  
 
== Chronologie ==
 
*1924 [[Kriminalbiologischer Dienst]] in Bayern sammelt Angaben zu den physischen Merkmalen von Gefangenen.
*1927 [[Adolf Lenz]] (Graz) gründet die [[Kriminalbiologische Gesellschaft]]. Er veröffentlicht seinen "Grundriss der Kriminalbiologie".
*1937 Umbenennung der ''Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform'' in ''Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform''.
 


== Drittes Reich ==
== Drittes Reich ==

Version vom 17. Dezember 2011, 17:11 Uhr

Als Kriminalbiologie bezeichnet man im kriminalätiologischen Diskurs eine Disziplin, die sich mit den körperlichen, inbesondere auch den erblichen Merkmalen des Verbrechers und des Verbrechens beschäftigt. Früher wurde verbreitet auch die Bezeichnung Kriminalanthropologie synonym verwendet

Ursprünge

Die Kriminalbiologie spielte im Gefolge der Rezeption von Charles Darwin (1859) eine zunehmend wichtige Rolle im Wissenschaftsdiskurs über das Verbrechen. Der Verbrecher, einst als moralisch gestrauchelter Mensch angesehen, wurde nunmehr eher als biologisch defektes Wesen, als "verhinderter" mehr denn als "gefallener" Mensch, angesehen (Becker). Mit Lombrosos Studien (1876) und den Diskussionen darum etablierte sich der biologische Ansatz als eine unter mehreren Strömungen, die in den 1880er und 1890er Jahren die Entstehung der Kriminologie als Wissenschaft beeinflussen sollten.

Chronologie

  • 1924 Kriminalbiologischer Dienst in Bayern sammelt Angaben zu den physischen Merkmalen von Gefangenen.
  • 1927 Adolf Lenz (Graz) gründet die Kriminalbiologische Gesellschaft. Er veröffentlicht seinen "Grundriss der Kriminalbiologie".
  • 1937 Umbenennung der Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform in Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform.


Drittes Reich

Die Biologie wurde zur Leitwissenschaft. Auf sozialdarwinistischer Grundlage (Bagehot 1872) lehrte man schon die Schüler die Konzepte des "Lebenskampfs", "Sieg des Stärkeren" und "Rassereinheit". 1935 machten Unterrichtsanweisungen die Biologie zum wichtigsten Schulfach. Lernziel war, dass "kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlässt, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt zu sein." Die "biologischen Grundtatsachen" zu kennen, sei "für die Erneuerung unseres Volkes unerlässliche Voraussetzung". Biologisches Denken wurde nicht nur ein stundenmäßig dominierendes Fach, sondern zudem auch "Unterrichtsgrundsatz", dem sich insbesondere auch Deutsch, Geschichte, Erdkunde" unterzuordnen hatten (Amtsblatt 1935).

Theorie

In der Theorie dominierte die Kriminalbiologie alle anderen disziplinären Ansätze wie z.B. die Kriminalsoziologie und die Kriminalpsychologie.


Praxis

In der Praxis spielte der Kriminalbiologische Dienst eine wichtige Rolle.

Literatur

  • Bagehot, Walter (1872) Physics and Politics, or: Thoughts on the Application of the Principles of 'Natural Selection' and 'Inheritance' to Political Society.
  • Amtsblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung v. 5.2.1935