Hans von Hentig

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Hans von Hentig (* 9.06.1887 Berlin - † 6.07. 1974 Bad Tölz) war ein deutscher Kriminologe und Mitbegründer der Viktimologie.


Leben

Der Sohn des 1901 nobilitierten prominenten Rechtsanwalts und Staatsministers Otto v. Hentig, der u.a. Reichskanzler v. Bismarck, Generalfeldmarschall v. Moltke, die Industriellen W. v. Siemens, die Brüder Mannesmann und den Erfinder Thomas A. Edison zu seinen Mandanten zählte, und dessen Frau Marie, geb. Dankberg, hatte fünf Geschwister, war mit Freddy, geb. Fehr († 1988) verheiratet. Nach Jurastudium in Paris (Garcon), Berlin (v. Liszt) und München (Promotion bei Karl Birkmeyer, 1912), Kriegsdienst (1914-1918) im Westen, im Balkan und in Palästina verfasste er als einer der führenden Nationalbolschewisten der 1920er Jahre "Das Deutsche Manifest" (1921). Aufgrund eines 1923 fehlgeschlagenen Aufstandsversuchs, bei dem er Volksfronttruppen gegen den Hitler-Putsch führen wollte, wurde 1925 ein Hochverratsverfahren gegen ihn eingeleitet, aufgrund dessen er in die Sowjetunion flüchten musste. Einen hochrangigen Eisenbahn-Posten dort schlug er aus. Zurück in Deutschland redigierte er von 1925-1933 zusammen mit Gustav Aschaffenburg die "Monatsschrift für Kriminologie ...".

Werk

  • 1914: "Strafrecht und Auslese", Berlin.
  • 1929: Habilitation in Gießen, Rufannahme Kiel.
  • 1934: Ruf nach Köln, 1935: Vorzeitiger Ruhestand unter Berufung auf das Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den vorzeitigen Ruhestand.
  • 1935: Emigration in die USA. Lehre an verschiedenen Universitäten.
  • Kriminologisch-viktimologische Werke.
  • Aktivitäten in Exilgruppierungen

Studium

Paris (Garcon), Berlin (Franz v. Liszt), München (Amira, Birkmeyer). Jur. Promotion trotz nicht bestandenen ersten Staatsexamens 1912 bei Birkmeyer.[1] Zweitstudium in Medizin wird wegen Kriegsbeginn 1914 abgebrochen.

Krieg und Weimarer Republik

Kriegsausbildung "Königsjäger zu Pferde" in Posen (1906/07), Kriegsteilnahme an der Westfront, auf dem Balkan und in Palästina. Seine Kriegserinnerungen schreibt er in "Mein Krieg" (1919) nieder. - Nach dem Krieg war Hans von Hentig einer der führenden Nationalbolschewisten. Er war in und um München zwar in erster Linie als Privatgelehrter und politischer Publizist tätig; als Hitler am 9. November 1923 zu putschen versuchte, traf er aber Anstalten, um von Thüringen und Sachsen aus mit Volksfronttruppen Richtung München zu rücken. - Um einem (später eingestellten) Hochverratsverfahren zu entgehen, floh er nach Sowjetrußland, wo er einen ihm von Lenin angebotenen leitenden Posten im sowjetischen Eisenbahnwesen ausschlug. - Von 1925 - 1933 redigierte er mit Gustav Aschaffenburg die "Monatsschrift" (""MschKrim""). Nach seiner Habilitation (Gießen, 1929) erhält Hans von Hentig einen Ruf als Ordinarius nach Kiel (Dekan 1932/33), wo er wegen seiner politischen Vergangenheit (und seiner Gegnerschaft zur Todesstrafe usw.) 1934 seiner Professur enthoben wird. Nachdem er einer Berufung nach Bonn folgte, ereilte ihn dort am 1. September 1935 per Eilbrief seine Pensionierung.


NS-Zeit und Bundesrepublik

1935 Emigration in die USA. Er lehrt in Yale; Tätigkeit beim Generalstaatsanwalt in Washington, dann Professor in Puerto Rico, in Berkeley, in Boulder (dort auch Dirketor des Colorado Crime Survey), Iowa, Kansas City. - Nach Kriegsende schlägt er ein Angebot von Präsident Eisenhower, Rektor der Universität Heidelberg zu werden, aus. 1951 Rückkehr auf seinen Lehrstuhl nach Bonn, dort 1955 Emeritierung. Von 1955 bis 1974 lebte er in Bad Tölz.

Fußnoten

  • [1] David von Mayenburg, Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus - Hans von Hentig (1887-1974), Baden-Baden 2006, S. 198.

Publikationen von Hans von Hentig

  • The Criminal and His Victim. Studies in the Sociobiology of Crime (1948). (Dieses Buch gilt als Grundsteinlegung der Viktimologie.)
  • Crime. Causes and Conditions (1947)
  • Zur Psychologie der Einzeldelikte (4 Bände, 1954/56/57/59)
  • Das Verbrechen (3 Bände, 1961/62/63)

Außerdem u.a.:

  • Fouché (1919)
  • Robespierre (1924)
  • Die Kriminalität der lesbischen Frau (1959, 2. Aufl. 1965)
  • Die Kriminalität des homophilen Mannes (1960, 2. Aufl. 1966)
  • Soziologie der zoophilen Neigung (1962)
  • Der nekrotrope Mensch. Vom Totenglauben zur morbiden Totennähe (1964)
  • Vom Ursprung der Henkersmahlzeit (1958)
  • Der Friedensschluss. Geist und Technik einer verlorenen Kunst (1952, 1965)
  • Terror - Zur Psychologie der Machtergreifung (1970)
  • Beiträge zur Verbrechenskunde (1972)

Ehrungen

  • Beccaria-Medaille
  • Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Literatur über Hans von Hentig

  • David von Mayenburg, Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus: Hans von Hentig (1887 - 1974), Baden-Baden 2006.
  • In Memoriam Hans von Hentig. Reden gehalten anlässlich der Gedenkfeier der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 15. Januar 1975 von Klaus Schlaich, Karl Engisch, Hilde Kaufmann. Köln, Bonn: Heymanns 1976: 27-37.

Weblinks

  • Institut für Zeitgeschichte [[1]]