Abolitionismus: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kritik am Abolitionismus==
==Kritik am Abolitionismus==
==Siehe auch==
[[Welt ohne Gefängnisse]]


== Literatur==
== Literatur==

Version vom 9. April 2008, 14:55 Uhr

Was bedeutet "Abolitionismus"?

Etymologie: Das lateinische Verb abolere (aboleo, abolevi, abolitum) heißt soviel wie vernichten, zerstören, tilgen, beseitigen. Die abolitio (abolitionis, f.) ist die Tilgung oder Aufhebung, meist bezogen auf ein Gesetz (abolitio legis) oder eine Strafe (abolitio sententiae). Im römischen Kriminalrecht gab es die abolitio publica, die abolitio ex lege und die abolitio privata (Zurückziehungen der Anklage, bzw. Einstellung des Verfahrens). Auch das Mittelalter und die Neuzeit kannten noch das Abolitionsrecht, d.h. das Recht des Herrschers, jedes beliebige Strafverfahren zu jedem beliebigen Zeitpunkt vor dem Zeitpunkt des Urteils einstellen zu lassen (nach dem Urteil: Amnestie; Gnadenrecht).

Heute bezeichnet der Begriff des Abolitionismus Lehren und Bestrebungen zur Aufhebung rechtlich institutionalisierter Zwangsverhältnisse und Sanktionsformen. Solche rechtlich institutionalisierten (d.h. staatlich legalisierten) Zwangsverhältnisse waren zum Beispiel der Sklavenhandel, das Halten von Menschen als Sklaven oder auch das repressive Regime, unter dem die Prostituierten in England während der Contagious Disease Acts im 19. Jahrhundert zu leiden hatten. Zu den rechtlich institutionalisierten Sanktionsformen, gegen die sich AbolitionistInnen wandten und wenden, gehören zum Beispiel die Todesstrafe, die Gefängnisstrafe und das staatliche Strafen insgesamt. Was die soziale Form des Abolitionismus angeht, so lassen sich drei Spielarten unterscheiden: erstens bestimmte soziale Bewegungen, zweitens im engeren Sinne kriminalpolitische Initiativen und drittens theoretische Perspektiven, die ihrerseits in eine Vielzahl von Ansätzen unterteilt werden können. So gibt es humanistisch, aber auch religiös oder sozialistisch begründete "Abolitionismen", die untereinander oft weniger Berührungspunkte haben als zu einzelnen Teil-Bewegungen und Szenen. Diese vielen Differenzierungen, aber auch Strukturanalogien und Konvergenzen können leicht in Vergessenheit geraten, wenn sie unter einen so allgemeinen Oberbegriff wie den des (Einheitlichkeit suggerierenden) Abolitionismus subsumiert werden.

Zu vielen verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gab es Zeitschriften, die sich "The Abolitionist" nannten - und Menschen, die als "abolitionists" im Zentrum aktueller Kontroversen standen. Damit war aber je nach Zeit und Ort etwas anderes gemeint. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Begriff mit dem Kampf gegen den transatlantischen Sklavenhandel (vor allem in Großbritannien), danach mit den Bestrebungen zur Abschaffung der Sklaverei (vor allem in den USA) verbunden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verband man mit dem Begriff vor allem die (vornehmlich britische) Bewegung zur Aufhebung der diskriminierenden Gesetze gegen die Prostituierten, die in verdünnter Form auch in Deutschland von sich reden machte. Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff im Zusammenhang mit der weltweiten Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe gebraucht. Heutzutage bezeichnet das Wort Abolitionismus auch eine im engeren Sinne kriminalpolitische Strömung, die auf die Abschaffung der Gefängnisse und des Strafrechtssystems sowie eine Neudefinition der bisher als Kriminalität bezeichneten Phänomene und auf einen völlig anderen, weniger Leid verursachenden Umgang mit diesen Situationen abzielt.

Kriminologische Relevanz:

Unabhängig von der möglicherweise großen theoretischen Bedeutung des A. im Zusammenhang mit der Kritik der Strafe und des Strafrechts lässt sich für die Kriminologie als soziales System, also als Versammlung von Leuten, die Kriminologie betreiben, sagen, dass der A. als Strömung nie sehr stark war und im Augenblick angesichts des generellen punitive turn kaum eine Rolle spielt. Eine abolitionistische Vereinigung ist die "ICOPA" - was schon für drei Namen stand: "International Conference on Prison Abolition", "International Conference on Penal Abolition" und "International Circle for Penal Abolition".


Geschichte des Abolitionismus und ...

der Sklaverei

Die erste Abolitionsbewegung war diejenige gegen den transatlantischen Sklavenhandel - erst nach ihrem erfolgreichen Ende begann die Bewegung zur Abschaffung der Sklavenhaltung in den USA, in den britischen Kolonien, Brasilien und überall sonst.

der Prostitution

Die Abolitionsbewegung gegen das Zwangsregime, dem Prostituierte unterworfen waren, nimmt in gewisser Weise eine Sonderstellung ein, schwankte die Bewegung doch zwischen den Polen einer reinen Befreiung der Prostituierten von staatlicher Repression (ohne die Prostitution selbst zu bekämpfen) und einer Bekämpfung, die mehr der Prostitution als der repressiven Behandlung der Prostituierten galt. Ein solcher Unterschied zeigte sich z.B. zwischen der britischen Abolitionsbewegung einerseits und der deutschen andererseits. Die britische Abolitionsbewegung ist untrennbar mit Josephine Butler verbunden.

Die deutsche Abolitionsbewegung ist untrennbar mit Anna Pappritz verbunden.

der Todesstrafe

der Gefängnisse

des Strafrechts

Kritik am Abolitionismus

Siehe auch

Welt ohne Gefängnisse

Literatur

Adam Hochschild, Bury the Chains. The British Struggle to Abolish Slavery. New York: Houghton Mifflin 2005

Sebastian Scheerer, "Abolitionismus". In: R. Sieverts, H.J. Schneider, Hg., Handwörterbuch der Kriminologie. In völlig neu bearb. zweiter Auflage, Band 5, Berlin: de Gruyter: 1991: 289-301 (S. 289).

Links

Siehe: International Conference on Penal Abolition