Entkriminalisierung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 88: Zeile 88:
*[[Abolitionismus]]
*[[Abolitionismus]]
*[[Diversion]]
*[[Diversion]]
*[[Entpönalisierung]]

Version vom 3. Januar 2018, 15:36 Uhr

Arten der Entkriminalsiierung

Der Vorgang der Entkriminalisierung hebt die Strafbarkeit und damit die staatlich verstärkte sozialethische Ächtung einer Verhaltensweise auf. Der „Report on Decriminalisation“ des Europarats (Council of Europe 1980: 13) definiert Entkriminalisierung als die Gesamtheit der Prozesse, bei denen bestimmte Verhaltensweisen dem Zuständigkeitsbereich des Strafrechts entzogen werden, bzw. „by which the 'competence' of the penal system to apply sanctions as a reaction to a certain form of conduct is withdrawn“.

De jure und de facto

Entkriminalisierungen erfolgen in der Regel durch einen Akt der Gesetzgebung (de jure), manchmal aber auch durch die bloße Nicht-(Mehr-) Anwendung eines Strafgesetzes (de facto).

Legalisierend vs. transformierend

Entkriminalisierungen können bislang Verbotenes legalisieren (z.B. Erlaubnis zu Herstellung und Verkauf von Alkohol nach Ende der Prohibition in den USA 1933). In dem Fall spricht Wolfgang Naucke (1984) von einer "wirklichen" oder "reinen" Entkriminalisierung. Beate Kohl und Sebastian Scheerer (1989) sprechen von "ersatzloser" Entkriminalisierung. Vorzuziehen wäre womöglich der Begriff der legalisierenden Entkriminalsierung.

Eine nicht-legalisierende Entkriminalisierung setzt hingegen auf nicht-strafrechtliche Mittel zur Durchsetzung des (bestehen bleibenden) Verbots. Paradebeispiel hierfür ist die Umwandlung der strafbaren Straßenverkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz vom 24.5.1968. Wo Tatbestände formal aus dem Strafrecht ausgegliedert werden, um anschließend in einer anderen Rechtsmaterie, z. B. in einem Katalog für Ordnungswidrigkeiten, wieder aufzutauchen, sprechen Kohl und Scheerer (1989: 89) von transformierender Entkriminalisierung. Nach Meinung dieser Autoren handelt es sich dabei durchaus um tatsächliche oder "wirkliche" Entkriminalisierungen, da der spezifische Zwangscharakter und die spezifische Ächtung des Strafrechts wegfallen und das betreffende Verhalten nicht mehr als „crimen“ gilt. Wolfgang Naucke (1984: 169) sieht in der transformierenden Entkriminalisierung hingegen eine bloß "scheinbare": „Das Mittel der Unterdrückung wird umetikettiert“ (Naucke 1984: 169). Beispiele seien der Ersatz der Kriminalstrafe durch Maßregeln der Besserung und Sicherung, durch Unterbringung oder durch Bußen nach dem Ordnungswidrigkeitsrecht. In all diesen Fällen zieht man "die staatliche Strafe ab, wohl wissend, daß damit die Abweichung bleibt, und gibt die Lösung des Problems an die Gesellschaft zurück“ (Naucke 1984: 169). - In manchen Fällen werden Kriminalisierungen auf so vorsichtige und überkomplizierte Weise aufgehoben, dass sie in der Rechtswirklichkeit gar nicht ankommen. Am Beispiel von Reformen im Sexualstrafrecht spricht Christian Schäfer (2006) auch dann von scheinbarer Entkriminalisierung.

Staat, Strafrecht und Verhalten

Mit dem Europarat (Council of Europe 1980: 15) lassen sich drei Bestimmungsgründe für Entkriminalisierungen unterscheiden:

  1. Wandel der moralischen Bewertung: Entkriminalisierung als Anerkennung eines bislang geächteten Verhaltens (Typ A)
  2. Wandel der Staatsauffassung: Entkriminalisierung als Beschränkung staatlicher Einmischung in weltanschauliche Fragen (Typ B)
  3. Wandel der Wirksamkeitserwartung: Entkriminalisierung als Einsicht in die Wirkungslosigkeit strafrechtlicher Steuerung des fraglichen Verhaltens (Typ C).

Denkbar ist auch ein Bestimmungsgrund für Entkriminalisierung, der die Legitimität des Strafrechts selbst bestreitet - im Sinne etwa des Radbruch'schen "unendlichen Ziels" jeder Kriminalpolitik, das nicht in einem besseren Strafrecht bestehen sollte, sondern in etwas Besserem als dem Strafrecht (Typ D).

Kriterien

Absolute Notwendigkeit

Die Philosophie der Aufklärung, der politische Liberalismus und der philosophische Utilitarismus wollen die Freiheit des Individuums gegen unnötige und unnötig schwere Eigriffe schützen, indem sie darauf dringen, das Strafrecht auf das absolut notwendige Maß zu beschränken:

  • Cesare Beccaria (1764/1966: 52) "Jede Strafe, die nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, sagt der große Montesquieu, ist tyrannisch; ein Satz, der wie folgt sich verallgemeinern läßt: jeder Akt der Herrschaft eines Menschen über einen Menschen, der nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, ist tyrannisch."
  • Artikel 8 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1789: „La loi ne doit établir que des peines strictement et évidemment nécessaires.“
  • Mittermaier (1819) sah es als „Grundfehler“ an, „die Strafgesetze zu vervielfältigen und das kriminelle Gebiet zu weit auszudehnen.“
  • Franz v. Liszt forderte in seiner Strafzweckslehre Merkmale wie „Notwendigkeit“ als unabdingbare Voraussetzungen der Strafdrohung. „Wo andere sozialpolitische Maßnahmen oder eigene freiwillige Leistungen des Täters einen ausreichenden Rechtsgüterschutz gewährleisten können, darf - mangels Notwendigkeit - nicht bestraft werden“ (zit. nach Roos 1981: 7 f.).
  • Gustav Radbruch erklärte 1927 in seiner Schrift „Abbau des Strafrechts“, dass das Ziel der strafrechtlichen Entwicklung nicht die Verbesserung des Strafrechts sei, sondern das Ersetzen des Strafrechts durch etwas Besseres. Seitdem wurde eine Begrenzung des Strafrechts immer wieder gefordert (Roos 1981: 8 ff.).

Ultima Ratio

Das Ultima-Ratio-Prinzip besagt: Strafrecht darf als schwerstes staatliches Eingriffsinstrument nur eingesetzt werden, wenn andere gesellschaftliche oder gesetzliche Regulierungsmöglichkeiten unzureichend sind, um wichtige Rechtsgüter zu schützen. Im Jahre 2017 nannte Arthur Kreuzer einige Beispiele, in denen weniger gravierende Mittel gleiche oder bessere Resultate erbringen könnten:

  • Polizeiliches Ausreiseverbot statt künstlicher Konstruktion von Tatgeschehen durch den Strafgesetzgeber: "Aus dem für Aktionismus besonders anfälligen Strafrecht gegen Terrorismus ist die seit 2015 strafbare "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" zu nennen. Strafbar ist bereits, wer sich anschickt, in einen Staat auszureisen, um sich dort in irgendwelchen Fähigkeiten ausbilden lassen kann, die es ihm ermöglichen, später islamistische Aktionen zu unterstützen. Bucht er online ein Flugticket, besinnt sich dann und löscht die Buchung sogleich wieder, ist das nicht mehr strafbefreiend. Sogar der Bundesgerichtshof hat das jüngst als einen "Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen" bezeichnet. Die Richter konstatierten, es gehe "faktisch um den Versuch der Vorbereitung zur Vorbereitung einer staatsgefährdenden Handlung". - Zum Problem wurde, dass Tatgeschehen künstlich konstruiert wird, um Strafverfolgung und Freiheitsentzug zu ermöglichen, aber ohne wirkliche Straftat. Damit wird in strafrechtlichem Gewand Gefährderbekämpfung betrieben. Das Recht, so etwas zu tun, hat primär die Polizei, zu deren Aufgaben die Gefahrenabwehr zählt. Ausreiseverbote hätten Vorrang. Deren Verletzung könnte als Straftat geahndet werden. Die bisherigen Regeln münden in ein Gesinnungsstrafrecht, Strafbarkeit verlagert sich weit in das Vorfeld etwaiger Rechtsgüterverletzungen. Hier wie oftmals sonst fehlt die Verhältnismäßigkeit" (Kreuzer 2017).
  • Vereins- und Gewerberecht statt Strafrecht: Seit 2015 ist die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" strafbar. "Für den Strafrechtler Henning Rosenau in Halle war der Gesetzesbeschluss "der schwarze Freitag für die Selbstbestimmung am Lebensende in Deutschland". Man glaubte die Zeiten moralisierenden Strafrechts überwunden. Überdies ist die Regelung höchst unbestimmt. Mit Strafverfolgung muss bereits rechnen, wer in Palliativstationen oder Hospizen einen Sterberaum und Sterbebegleitung jemandem zusagt, der sich in einer unerträglichen Krankheitssituation bewusst etwa für das Sterbefasten entscheidet. Sterbebegleiter sehen sich dem Dilemma ausgesetzt: zwischen einer Strafbarkeit wegen Suizidbeihilfe und unterlassener Hilfeleistung. Das politische Ziel, die Palliativmedizin zu stärken, wird in sein Gegenteil verkehrt: In Palliativ- und Hospizarbeit Tätige werden verunsichert. Denunziationen enttäuschter Angehöriger von Verstorbenen sind absehbar, ebenso peinliche und erniedrigende polizeiliche Ermittlungen in den sensiblen intimsten Bereichen des Lebens und Sterbens. Dabei ist vorauszusehen, dass wegen zu erwartender Nachweisprobleme solche Verfahren später eingestellt werden. Die Existenz problematischer Sterbehilfeorganisationen hätte man besser im Vereins- und Gewerberecht unterbinden können" (Kreuzer 2017).
  • Seit 2015 gibt es auch die Strafbarkeit des Eigendopings von Wettbewerbssportlern. Das ist nach Kreuzer (2017) ein Beispiel für Doppelmoral: "Denn der Staat finanziert mit Blick auf nationales Prestige ausgewählte Sporteinrichtungen. Bleiben Erfolge aus, dann auch die Fördermittel. Zugleich will der Staat Doping strafrechtlich bekämpfen. Als ob nicht seit Menschengedenken eine anthropologische Konstante sportlichen Wettkämpfen anhaftete: Doping, Fouls, künstliche Leistungssteigerung. Als ob sich nicht alle Lebenswelten künstlicher Mittel zur Leistungssteigerung bedienten. Illusionär geht es dem Gesetz um eine "Ethik des fairen, sauberen und gesunden Sports" mit "Vorbildfunktion für junge Menschen". Obwohl Sportler selbst klagen: Diese vermeintlich heile Welt des Spitzensports mache "kaputt und krank". - Der Gesetzgeber hat ignoriert, dass sportmoralische Normen ebenso wie die in den Wissenschaften zuvörderst von Fachverbänden erarbeitet und kontrolliert werden können und müssen. Er hat Doping unter Strafe gestellt, obwohl die Strafbarkeit nutzlos ist. Die Regierung hat selbst in einer Anfrage bei allen Nachbarländern, die seit Längerem solche Verbote kennen, erfahren: Nirgendwo ist auch nur ein einziger Sportler wegen Dopings strafrechtlich verurteilt worden. - Sportverbände selbst sind es, die über einzig wirksame Mittel verfügen: Anlasslose Dopingkontrollen – der Polizei wären sie versagt. Die Verbände können Sportler bei Positiv-Befunden sofort ausschließen. Sie können rigide Verbandsstrafen verhängen, Titel aberkennen, Geldsanktionen erlassen, Sportler lebenslang sperren."

Deutschland

Geschichte

  • Jugendgerichtsgesetz von 1923: Anhebung der Strafmündigkeitsgrenze von 12 auf 14 Jahre
  • Emminger-Verordnung von 1924: Verbot der Verfolgung geringfügiger Übertretungen, sofern nicht von öffentlichem Interesse
  • Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. Januar 1946: Aufhebung einzelner Bestimmungen des deutschen Strafrechts wie z.B. §§ 2, 2b, 134b, 226b RStGB
  • Abschaffung der Übertretungen und deren Herabstufung zu Ordnungswidrigkeiten 1975 (teils aber auch Aufwertung zu Vergehen; vgl. Baumann JZ 72, 2ff., Dencker JZ 73, 144 ff.)
  • Streichung oder Einschränkung der §§ 172 a.F.(Ehebruch), 175b a.F. (Unzucht zwischen Männern), 175b a.F. (Widernatürliche Unzucht), 180 a.F. (Kuppelei), 180a I, 181a II (Prostitution)

Initiativen

  • 1989: Konzept zur transformierenden Entkriminalisierung der gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikte (Beate Kohl & Sebastian Scheerer im Auftrag der Bundesfraktion „Die Grünen“)
  • 1992: Hessische Kommission Kriminalpolitik: Entkriminalisierungsvorschläge zum Straßenverkehrsrecht, zum Betäubungsmittelstrafrecht, zum Eigentums- und Vermögensstrafrecht sowie zum Strafverfahrensrecht
  • 1992: Niedersächsische Kommission zur Reform des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts: Empfehlungen für Maßnahmen der Entkriminalisierung bei Bagatellverstößen gegen Eigentum und Vermögen, bei der Straßenverkehrsordnungsdelinquenz und im Betäubungsmittel-Strafrecht.
  • Ein Vorlageschluss des Landgerichts Lübeck vom 19.12.1991 (NJW 1992, 1571) führte am 9. März 1994 zum sog. Cannabis-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge bei geringfügigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Erwerb, Besitz usw. von geringen Mengen von Cannabis zum Eigenverbrauch nach Ermessen der Strafverfolgungsbehörden von einem Strafverfahren abgesehen werden kann. - Die Kritik an diesem Beschluss geht nicht nur auf die Frage ein, ob Cannabiskonsum eher durch eine Freigabe als durch eine generalpräventive Wirkung des Strafrechts vermindert werden kann, sondern auch darauf, ob es überhaupt Aufgabe des Strafrechts sein kann, den Konsum zurückzudrängen oder ob der Staat nicht auf andere Einflussmöglichkeiten beschränkt sei (Problem der Strafwürdigkeit des Verhaltens). Am 21.10. 2010 begann der Deutsche Hanf-Verband DHV die Unterschriftensammlung für eine Petition zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten. Eine Anhörung fand am 25. 01.2012 in Berlin statt.
  • Arthur Kreuzers Aufruf (2017): "Reformiert endlich das Strafrecht""

In einem Kommentar in ZEIT online benannte Kreuzer das symbolische Strafrecht als ein wichtiges Problemfeld, in dem Entkriminalisierungen erforderlich und möglich seien:

  • "Offensichtlichstes Beispiel socher Schaufenstergesetzgebung ist die Strafbarkeit von Pornografie:
Seit 2015 sind sogar versuchter Besitz oder Erwerb von höchst unbestimmt definiertem Posingmaterial strafbar. Es reicht, Pornolinks anzuklicken. Den Aufruf einer solchen Website rückgängig zu machen, befreit nicht von der Strafbarkeit. Hier wird zudem ein massenhaftes Verhalten kriminalisiert. Gerade junge Menschen kann das angesichts weit verbreiteten Sextings – des Verschickens aufreizender Fotos über Messenger – zur Denunziation unliebsamer Bekannter verleiten. Deswegen werden unzählige "Unschuldige ins Visier der Justiz geraten" (FAZ). Das Ganze war eine hektische, untaugliche Reaktion auf die Causa des SPD-Politikers Sebastian Edathy. Die Berliner Strafrechtlerin Tatjana Hörnle rügt einen Rückfall "in Strafrechtsmoralismus und Prüderie". Ähnliches gilt für die 2016 der Vergewaltigung in der Strafbarkeit gleichgestellte Tat sexuellen Handelns "gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person". Ein Massendelikt, das voraussehbar zwar manche Betroffene, leider auch viele nicht Betroffene zu Anzeigen verleiten wird. Folgenlose Verfahrenseinstellungen sind zu erwarten. Verurteilungsquoten bei Sexualdelikten werden weiter sinken. - Frauenverbände werden erst recht rügen, die Justiz nehme solches Verhalten nicht ernst. Indes lässt die bekannte Aussage-gegen-Aussage-Konstellation nichts anderes zu. Die Kieler Strafrechtlerin Monika Frommel bringt es auf die Formel: "Klare Fälle von Zwang und Gewalt gehören ins Strafrecht, Grenzfälle ins Zivilrecht, Beziehungsdelikte werden am besten von Familiengerichten geregelt." Das Gewaltschutzgesetz bietet sinnvolle Ansätze. Vieles im Nahraum.".
  • Ähnlich verhalte es sich mit dem Phänomen populistischer Strafrechtsausweitung etwa im Fall der Verschärfung des Straftatbestands eines Einbruchs in Privatwohnungen:
"Seit Mitte 2017 ist es ein Verbrechen mit Mindeststrafe von einem Jahr. "Minder schwere Fälle" mit herabgesetzter Strafe sind gestrichen. - Entgegen kriminologischen Erkenntnissen wurde suggeriert, es handele sich vornehmlich um organisierte Taten. Tatsächlich spielt sich vieles im Nahraum ab, wenn etwa ehemalige Partner, Angestellte oder Nachbarn in die Wohnung einsteigen, um sich vermeintlich Ihnen Zustehendes zurückzuholen. - Jetzt aber drohen Übermaßstrafen, die das Verfassungsgericht auf den Plan rufen werden, oder Umgehungsstrategien in der Justiz provozieren. Obendrein widerspricht die Regelung der Gesetzessystematik: Jeder Verbrechenstatbestand sieht "minder schwere Fälle" vor, weil es solche erfahrungsgemäß immer geben kann. Sie widerspricht sogar eklatant dem noch schwereren Tatbestand bandenmäßigen Einbruchsdiebstahls. Dafür gibt es weiterhin "minder schwere Fälle" mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten."

Und dies sind seine Forderungen:

  1. Reform der Tötungsdelikte. Zumindest müsste das im Mordtatbestand verfassungswidrig als zwingend vorgesehene Lebenslang gelockert werden.
  2. Entkriminalisierung ist angebracht bei Massenbagatelldelikten wie dem Hinterziehen von Fahrgeld. Das Schwarzfahren ist zur Ordnungswidrigkeit abzustufen.
  3. Der Strafvollzug ist zu entlasten von denen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, weil sie ihre Geldstrafen nicht zahlen können. Hier und für andere kurze Freiheitsstrafen bietet sich gemeinnützige Arbeit als Hauptstrafe an.
  4. Die therapieorientierten, entkriminalisierenden Modelle im Betäubungsmittelstrafrecht sind nach ausländischen Vorbildern auszubauen. So müssen gesetzliche Hindernisse für das drug checking beseitigt werden. Dadurch würde allen Betroffenen anonym die Prüfung vorgefundenen oder erworbenen Stoffs ermöglicht. Desgleichen sind Substitutionsprogramme in und außerhalb der Haft sowie in Unterbringungseinrichtungen aufzubauen oder auszuweiten.

Als flankierende Maßnahmen schlägt Kreuzer zudem vor:

  • Einrichtung von Landesopfer- und Landespflegebeauftragten mit bundesgesetzlich verankertem Zeugnisverweigerungsrecht
  • Einrichtung einer Expertenkommission zur Reform des Strafrechts und
  • Wiederbelebung der Einrichtung des Periodischen Sicherheitsberichts zur Fundierung gesetzgeberischer Entscheidungen.

Weblinks und Literatur

  • Albrecht, Peter-Alexis/Beckmann, Heinrich/Frommel, Monika/Goy, Alexandra/Grünwald, Gerald/Hannover, Heinrich/ Holtfort, Werner/Ostedorf, Heribert (1992): Strafrecht – ultima ratio, Empfehlungen der Niedersächsischen Kommission zur Reform des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft
  • Albrecht, Peter-Alexis/Hassemer, Winfried/Voß, Michael (1992): Rechtsgüterschutz durch Entkriminalisierung, Vorschläge der Hessischen Kommission „Kriminalpolitik“ zur Reform des Strafrechts. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft
  • Brusten, Manfred/Herriger, Norbert/Malinowski, Peter (Hrsg.) (1985): Entkriminalisierung, Sozialwissenschaftliche Analysen zu neuen Formen der Kriminalpolitik. Opladen: Westdeutscher Verlag
  • Council of Europe (1980): Report on Decriminalisation. Strasbourg
  • Entkriminalisierung in: de.wikipedia
  • Kohl, Beate/Scheerer, Sebastian (1989): Zur Entkriminalisierung der gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikte. Aachen: Buch- und Zeitschriftenverlag Hubertus Wetzler
  • Kriminalisierung in: de.wikipedia
  • Naucke, Wolfgang (1984): Über deklatorische, scheinbare und wirkliche Entkriminalisierung. In: Naucke, Wolfgang (1999): Gesetzlichkeit und Kriminalität: Abhandlungen zum Strafrecht und zum Strafprozeßrecht. (Juristische Abhandlungen; Bd. 34) Frankfurt/M.: Klostermann, Abschnitt VII. (S. 154-176)
  • Petition
  • Reindl, Richard/Kawamura, Gabriele/Nickolai, Werner (Hrsg.) (1995): Prävention, Entkriminalisierung, Sozialarbeit. Alternativen zur Strafverschärfung.Freiburg i. Breisgau: Lambertus-Verlag
  • Roos, Gerhard (1981): Entkriminalisierungstendenzen im Besonderen Teil des Strafrechts. Frankfurt/M.: Verlag Peter Lang
  • Schäfer, Christian (2006) "Widernatürliche Unzucht" (§§ 175, 175a, 175b, 182 a.F. StGB) Reformdiskussion und Gesetzgebung. Berlin: BWV.
  • Steinert, Heinz (1993): Alternativen zum Strafrecht. In: In: Kaiser, Günther/Kerner, Hans-Jürgen/Sack, Fritz/Schellhoss, Hartmut (Hrsg.) (1993 3): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. Heidelberg: C. F. Müller Juristischer Verlag GmbH, (S. 9-14)
  • Thomas Vormbaum (2011(1983)), Beiträge zum Strafrecht und zur Strafrechtspolitik, Berlin; LIT Verlag Dr. W. Hopf

Siehe auch