Reform der Tötungsdelikte

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ALBIN ESER (2014) Neue Impulse zur Reform der Tötungsdelikte. Würdigung des DAV-Entwurfs – ein-, zwei- oder dreistufige Regelungsmodelle im Vergleich. https://freidok.uni-freiburg.de/dnb/download/9700. Eser schlägt eine Zweiteilung in privilegierbare und nicht-privilegierbare Tatbestände (mit Regelbeispielen) vor.

Die rechtspolitische Entscheidung, ob bei der anstehenden Reform der Tötungsdelikte eine (bezogen auf die Grundkonzeption) „kleine“ oder „große“ Lösung gewählt wird, ist nach Auffassung der Expertengruppe von der Beantwortung der Vorfrage abhängig,

  • ob die Grundkonzeption der Tötungsdelikte mit ihrer Differenzierung zwischen Mord und Totschlag, die der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen vorsätzlicher Tötungen geschuldet ist, dem Rechtsgut Leben die ihm gebührende Bedeutung zumesse, oder
  • ob dies besser mit dem als Privilegierungsmodell bezeichneten Reformvorschlag gewährleistet werde, das auf eine entsprechende Differenzierung verzichtet und die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bereits ermöglicht, wenn eine vorsätzliche Tötung vorliegt und täterbegünstigende Aspekte nicht vorhanden sind.

Grundsätzlich wurde die Beibehaltung der lebenslangen Freiheitsstrafe befürwortet. Mit großer Mehrheit sah die Expertengruppe indessen Reformbedarf im Hinblick auf die Auflösung des Exklusivitäts-Absolutheits-Mechanismus.

Weiteren Reformbedarf erkannte die Expertengruppe einhellig hinsichtlich der auf einen Tätertyp zielenden Terminologie sowie mehrheitlich bei einzelnen Mordmerkmalen, insbesondere wurde das Mordmerkmal der Heimtücke einerseits als zu eng, andererseits als zu weit empfunden.

Dem von der Expertengruppe mehrheitlich erkannten Reformbedarf kann sowohl mit einer „kleinen“ als auch mit einer „großen“ konzeptionellen Lösung Rechnung getragen werden.

Zur rechtspolitischen Frage, wie weitgehend der Exklusivitäts-Absolutheits-Mechanismus inhaltlich aufgelöst werden soll, vertraten die Experten unterschiedliche Meinungen. Neben der Beibehaltung der Rechtsfolgenlösung des Bundesgerichtshofs und der ihr nahekommenden, von der Mehrheit getragenen Auffassung, wonach für den Fall erheblich herabgesetzten Unrechts oder erheblich herabgesetzter Schuld eine zeitige Freiheitsstrafe angedroht werden solle, wurden auch weitergehende Auffassungen vertreten (Strafzumessungsregelung für minder schwere Fälle, fakultative Androhung zeitiger neben lebenslanger Freiheitsstrafe, Ersetzung der Mordmerkmale durch Regelbeispiele für besonders schwere Fälle).

Mehrheitlich votierten die Experten für die Beibehaltung der Schuldschwereklausel in § 57a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StGB und schlugen nur wenige – zum Teil verfahrensmäßige – Änderungen vor.

Mehrheitlich hielten die Experten ebenfalls die grundsätzliche Beibehaltung einer dem § 213 StGB entsprechenden Regelung für minder schwere Fälle des Grundtatbestandes der vorsätzlichen Tötung für erforderlich, sprachen sich aber für die Heraufsetzung der Mindeststrafe auf zwei Jahre Freiheitsstrafe aus.

Die Experten befürworteten mehrheitlich schließlich auch Folgeänderungen für Schwurgerichtssachen, nämlich eine Pflicht zur audio-visuellen Dokumentation der Beschuldigtenvernehmung und eine stärkere Partizipation des Verteidigers. Von einer – wenn auch knappen – Mehrheit der Experten wurde hingegen der Vorschlag abgelehnt, in Schwurgerichtsverhandlungen eine Zweiteilung mittels eines Tatinterlokuts vorzunehmen.