Vulnerabilität

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Vulnerabilität beschreibt die Verwundbarkeit, Anfälligkeit bzw. Ausgesetztheit einer Person, eines Objektes oder eines Systems im Hinblick auf mögliche Gefahren und Risiken unter Berücksichtigung der vorhandenen Reaktionskapazitäten zum Umgang mit diesen Gefahren. Die Einflussfaktoren können materiell, immateriell, natürlich und sozial sein. Der Begriff der Vulnerabilität findet in verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen Verwendung.


„Vulnerability […] is not the same as poverty. It means not lack or want, but defencelessness, insecurity, and exposure to risk, shocks and stress […] Vulnerability here refers to exposure of contingencies and stress, and difficulty in coping with them.” (Quelle: Chambers, R. (1989): Vulnerability, Coping and Policy, S. 1-7)


Etymologie

Der Begriff Vulnerabilität leitet sich von den beiden lateinischen Substantiven „vulneratio“ und „vulnus“ ab. „Vulneratio“ bedeutet Verwundung, Verletzung und Kränkung, während „vulnus“ Verlust, Schaden, Wunde, Unglück und Seelenschmerz beschreibt. Im Englischen wird „vulnerability“, ähnlich wie im deutschen Sprachraum, als Schwachstelle, Verwundbarkeit, Anfälligkeit, Ungeschütztheit bezeichnet.

Definition

Zum Begriff

Aufgrund der interdisziplinären Verwendung des Begriffs finden sich je nach Fachgebiet unterschiedliche Definitionen. Eine einheitliche Definition existiert nicht, da der Begriff durch die jeweiligen Anforderungen und Problemstellungen der einzelnen Disziplinen geprägt wird. Alle in der Literatur verwendeten Definitionen zum Vulnerabilitätsbegriff beinhalten jedoch das folgende gemeinsame Begriffsverständnis: Unter Vulnerabilität wird die Verletzlichkeit oder Verletzbarkeit einer Person, einer sozialen Gruppe, eines Gegenstands oder eines Systems angesichts bestehender Gefährdungen, Risiken, Schocks, Krisen, Stress oder bereits eingetretener schädigender Ereignisse unter Berücksichtigung vorhandener Widerstandsfähigkeit oder Bewältigungsstrategien (Coping) verstanden. Diese Definition beinhaltet drei zentrale Komponenten, die die Entstehung von Vulnerabilität beeinflussen:


  1. Anfälligkeit (Fragilität)
  2. Risiko / Gefahr (Exposition)
  3. Widerstandsfähigkeit und Bewältigungskapazität (Resilienz)


These der Doppelstruktur der Verwundbarkeit

Chambers und Bohle differenzieren zwischen einer internen und einer externen Komponente der Vulnerabilität. Die externe Seite ist durch wirkende äußere Einflüsse wie Stress, Risiko und Gefahr gekennzeichnet, während sich die interne Komponente in der individuellen Fragilität ausdrückt. Nach Chambers und Bohle ist Fragilität mit einem Gefühl von Hilflosigkeit verbunden, was wiederum zu einer empfundenen Vulnerabilität führen kann. Die Exposition und ein mögliches Vorhandensein von Bewältigungsformen beeinflussen die Fragilität. Hierbei ist entscheidend, ob potenzielle Gefahren durch das Individuum als solche wahrgenommen werden und unter welchen spezifischen Kontextbedingungen die Gefährdung zu bewältigen ist. Somit stehen interne und externe Vulnerabilität in einem engen Zusammenhang. Mit Vulnerabilität kann eine physische Schädigung einhergehen. Hierbei muss die Schädigung nicht als primäres Ereignis auftreten (externer Faktor), sondern kann auch die Folge empfundener Vulnerabilität (interner Faktor) sein. Die Verletzung oder Schädigung bedeutet, dass wichtige Funktionen eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden sind.

Räumliche und zeitliche Dimension von Vulnerabilität

Laut Watts und Bohle beeinflussen politische, ökonomische und institutionelle Fähigkeiten von Menschen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit die Verwundbarkeit. Vulnerabilitäten und Resilienzen ergeben sich also nicht allein aus dem Ereignis oder einer Handlung, sondern sind eingebunden in die komplexen sozialen, ökonomischen, politischen und institutionellen Gefüge eines Kulturraumes (vgl. hierzu auch Actor-Network-Theorie nach Bruno Latour).

Bei Vulnerabilität handelt es sich um einen dynamischen Prozess, in dem je nach Kontextbedingungen unterschiedliche Stadien durchlaufen werden können. Dies reicht von der Phase des Bewältigen-Könnens bis hin zur existenziellen Katastrophe. Im letzteren Stadium bricht die Lebensabsicherung zusammen und die Betroffenen sind von externen Hilfsmaßnahmen abhängig.

These der sozialen Konstruktion von Vulnerabilität

Nach Bohle und Glade existiert Vulnerabilität nicht per se, sondern ist das Ergebnis sozialer Prozesse und sozialer Konstruktionen der Wirklichkeit, die wiederum mit Machtverteilungen und dem Zugriff von Individuen und Gruppen auf ungleich verteilte Ressourcen in Zusammenhang stehen.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Durch die Ableitung von Vulnerabilität aus den Komponenten Fragilität, Exposition und Resilienz wird deutlich, dass u.a. Zusammenhänge von Verwundbarkeit mit den Begriffen Risiko und Resilienz bestehen.

Resilienz bedeutet, „widrige Ereignisse“ abzuwehren, sich darauf vorzubereiten, sie einzukalkulieren, zu verkraften, sich davon zu erholen sowie sich ihnen erfolgreich anzupassen. „Widrige Ereignisse“ können menschlich, technisch, natürlich oder systemisch verursachte Veränderungsprozesse sein, die für die Betroffenen schwerwiegende Folgen haben. Neben der Resilienz bestimmt die Robustheit über die Vulnerabilität von Entitäten. Robustheit beschreibt die Fähigkeit einer Entität, ihre Funktionsfähigkeit trotz Störung durch äußere Einflüsse aufrechtzuerhalten. Folglich wird Robustheit auch als Resilienz im engeren Sinne bezeichnet. In der Psychologie wird Resilienz als das Gegenteil von Vulnerabilität definiert. Im Gegensatz dazu wird in den anderen Fachdisziplinen Resilienz als eine von drei Säulen für die Entstehung von Vulnerabilität gesehen. Demnach sollte eine Erhöhung der Resilienz mit einer Verringerung der Vulnerabilität einhergehen. Jedoch führen umgekehrt nicht alle Maßnahmen zur Verringerung der Vulnerabilität auch zu einer Erhöhung der Resilienz.

Vulnerabilität ist daneben eng mit dem Begriff des Risikos verbunden. Der Bestimmung der Vulnerabilität kommt im Rahmen des Risikomanagements eine besondere Bedeutung zu, da sie als Teil der Risikoanalyse die Basis für eine effektive Risikoreduktion darstellt. Eine Vulnerabilitätsanalyse ermöglicht es, die Prozesse zu verstehen, die dem Risiko zu Grunde liegen, die Einflussfaktoren zu identifizieren und auf diese Weise mögliche Schwachstellen zu ermitteln.

Historie und Verbreitung des Begriffs

Ihren Ursprung hat der Begriff der Vulnerabilität in der Medizin (1929) sowie in der (Sozial-) Psychologie (1995). In der Medizin sind vulnerable Personen für bestimmte Krankheiten eher anfällig. Nach der psychologischen Auffassung des Begriffs entwickeln bestimmte Personen aufgrund einer genetisch und / oder biografisch erworbenen Verletzlichkeit eher psychische Störungen. Die Vulnerabilitätsfaktoren werden hierbei als individuell angesehen und können beispielsweise klinisch, verhaltensbezogen, umweltbezogen, anatomisch und genetisch bedingt sein. Betrachtet wird in der Entwicklungspsychologie eine zeitliche Dimension, bei der davon ausgegangen wird, dass der Mensch in seiner Entwicklung Phasen verstärkter Verwundbarkeit durchläuft, in denen dann eine erhöhte Gefahr für die Entwicklung psychischer Störungen besteht.

Mittlerweile befassen sich verschiedenste Fachrichtungen mit dem Begriff der Vulnerabilität. Seit den 1980er Jahren wurde der Begriff entscheidend von der Humanökologie und der Entwicklungsländerforschung geprägt. In der humanökologischen Perspektive auf Vulnerabilität und Resilienz geht es um die Frage nach den Reaktionen des Menschen auf Risiken und eingetretene Katastrophen. Es findet eine integrierte Betrachtung von externer Gefährdung (sog. „Hazard“) und sozialer Verwundbarkeit (Vulnerabilität) und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) statt. Gefährdungen können somit nicht isoliert von gesellschaftlichen Prozessen betrachtet werden. Risiken sind folglich das Ergebnis von gesellschaftlich geprägten Bewertungen und Einschätzungen von Gefahren. Erst die Vulnerabilität einer Gesellschaft gegenüber einem Hazard bestimmt die Wahrscheinlichkeit und die Höhe eines möglichen Schadens und macht aus dem Hazard ein Risiko. Die Risikoforschung verfolgt zum einen das Ziel, objektive Risikofaktoren in der Wechselwirkung Mensch und Umwelt zu ermitteln und diese auf soziale Systeme zu übertragen. Zum anderen wird untersucht, welche gesellschaftlichen Effekte mit der Zuschreibung „Risiko“ verbunden sind. In der Entwicklungsländerforschung thematisiert man die Exposition und die Verwundbarkeit armer Bevölkerungsschichten im Hinblick auf existentielle Risiken. Zudem existieren singuläre Ansätze zur Erforschung von sozialen Vulnerabilitäten in unterschiedlichen geisteswissen- und gesellschaftlichen Fachgebieten, so z.B. in der Soziologie, der Sozialgeographie, der Politikwissenschaften und der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung. Im Bereich der geisteswissen- und gesellschaftlichen Disziplinen findet seit der Jahrtausendwende ein intensiver Vulnerabilitätsdiskurs statt. Ursächlich dafür waren u.a. die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 und Naturkatastrophen wie der Hurrikan „Katrina“ Ende August 2005 in New Orleans. Die plötzlichen Auswirkungen auf das gesellschaftliche System durch externe Ereignisse führten zu einer Wahrnehmung von Verwundbarkeit. Das Bewusstsein von Gesellschaften für mögliche Gefahren wurde geschärft und die Bemühungen, solche Gefahren vorzubeugen bzw. abzumildern, prägten sich stärker aus.

Empirie

Problemfelder in der Vulnerabilitätsforschung

Die zentrale Herausforderung der Vulnerabilitätsforschung liegt im Fehlen einer einheitlichen Theorie und der damit verbundenen genauen Identifizierbarkeit von Vulnerabilität in den verschiedenen Fachrichtungen.

Zudem wird Vulnerabilität häufig als gegeben vorausgesetzt und angenommen, ohne dass berücksichtigt wird, dass Annahmen über die Verletzlichkeit ein soziales gedankliches Konstrukt sind, welches erst im wissenschaftlichen Diskurs erzeugt und gestaltet worden ist. Folglich kann der Untersuchungsgegenstand nicht genau beschrieben werden, sodass eine konkrete Beobachtung schwierig ist. Auf diese Weise werden Denkansätze zu dem Begriff Vulnerabilität bis auf wenige Ausnahmen nicht aus gesellschaftstheoretischen Kontexten bezogen, sondern auf alltägliche Beobachtungen gestützt. Praxisformen der politischen und planerischen Steuerung stehen oftmals am Ausgangspunkt der Überlegungen. Dadurch finden sich stärker formalisierte Aussagen zur Beschaffenheit von Vulnerabilität und Resilienz. Hinzu kommt, dass sich die Vulnerabilitätsforschung oftmals nicht an kausal- oder rekonstruktionslogischen Regeln orientiert. Stattdessen bezieht man sich auf alltagskulturelle Plausibilitätslogiken. Diese Orientierung führt in Verbindung mit der mangelnden Erfassbarkeit sämtlicher Variablen für die Entstehung von Vulnerabilität zu einer erschwerten Falsifizierbarkeit. Forschungen zu Vulnerabilität und Resilienz müssen also die Grenze zwischen Analyse und Spekulation sehr genau bestimmen.

Eine weitere Folge der sozialen Konstruktion der Vulnerabilität ist, dass sich immaterielle Wahrnehmungsweisen mit materiellen Wirklichkeiten vermischen. In der Vulnerabilitätsforschung muss also das Verhältnis zwischen Materialität und Immaterialität genau bestimmt werden, ohne dass eine Trennung der beiden Sphären erfolgt.

Des Weiteren ist das zentrale Merkmal der Vulnerabilitätsforschung die Möglichkeit oder Gefahr des Eintretens, nicht aber die eingetretene Schädigung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Gefährdung und Unsicherheit nicht nur real existieren, sondern im öffentlichen Diskurs definiert, dramatisiert und instrumentalisiert werden, wodurch ein latentes und potentielles Risiko allgegenwärtig wird. Darüber hinaus findet in der Vulnerabilitätsforschung bislang eine mangelnde Berücksichtigung der Raum-Zeit-Komponente statt. Bei sämtlichen Untersuchungen und Aussagen zu Verwundbarkeit ist zu bedenken, dass Vulnerabilität vom jeweiligen temporären und räumlichen Kontext abhängig ist, sich mit der Zeit ändern kann und nicht gleich verteilt ist.

Kompensationsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien von Vulnerabilität

Anhand der vorausgegangen Ausführungen wird deutlich, dass der Vulnerabilitätsbegriff wie auch dessen Einflussfaktoren vielschichtig und komplex sind. Die Ursachen für Vulnerabilität und auch die Folgen von Verwundbarkeit sind vielfältig und empirisch kaum zu erfassen. Zumeist liegt einer Vulnerabilität nicht nur ein Faktor zu Grunde, sondern zahlreiche Variablen, die miteinander korrelieren. Risiko- und Schutzfaktoren stehen mit der Vulnerabilität in Wechselwirkung und haben verstärkenden bzw. kompensierenden Einfluss. Die in der Definition dargestellten Komponenten Exposition, Fragilität und Resilienz bieten sowohl zusammenhängend als auch einzeln betrachtet Erklärungsansätze für die Entstehung und Ausprägung von Vulnerabilität sowie die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen. Die Zielrichtung dieser Maßnahmen kann sowohl intern (Fragilität) als auch extern (Exposition) sein.

Kriminologische Relevanz

Auf der sozialen Mikroebene werden Vulnerabilität und Resilienz aus unterschiedlichen Disziplinen heraus thematisiert. Hauptsächlich wird Vulnerabilität als Problem der Sozialisation, der Familienstrukturen und des Geschlechterverhältnisses, des Alterns sowie des Durchlaufen von Statuspassagen und Lebenszyklusphasen gesehen. Aus entwicklungspsychologischer Sicht geht es bei Vulnerabilität zum einen um die Verletzlichkeit des Körpers / der Person in Form von Anfälligkeit für (psychische) Krankheiten. Zum anderen thematisieren entwicklungspsychologische und sozialisationstheoretische Ansätze, warum es manchen Kindern und Heranwachsenden gelingt, trotz „widriger Umstände“ zu gedeihen und anderen nicht. Aus beiden Betrachtungsweisen lassen sich Erklärungsansätze für das Entstehen von deviantem Verhalten herleiten und Ansatzmöglichkeiten für die Erarbeitung präventiver Maßnahmen entwickeln.

Taxonomische Ansätze und handlungsbezogene Perspektiven führen Vulnerabilität auf systemisch verursachte Marktkrisen, soziale Ungleichheit und strukturell bedingte Benachteiligung sowie die mangelnde politische Partizipation der betroffenen Gruppen zurück. Auch in der politischen Soziologie und der sozialen Ungleichheitsforschung wird Vulnerabilität als gefühlte soziale Ungleichheit und Unsicherheit gefasst. Nach Berthold Vogel werden durch Vulnerabilität u.a. strukturelle soziale Gefahren und Risiken subjektiviert, was sich in Gefühlen der Ohnmacht, der Unsicherheit und des Ausgeliefertseins gegenüber Risiken äußert. Vulnerabilität kann innerhalb einer von sozialer Diversifizierung gekennzeichneten Gesellschaft zu Exklusion führen. Gedanken zu den Folgen sozialer Ungleichheit und Exklusion finden sich zum einen in den klassischen Kriminalitätstheorien, z.B. in Mertons Anomietheorie oder Clowards und Ohlins Theorie der differentiellen Gelegenheiten sowie in Aggressiontheorien wieder. Zum anderen thematisieren auch Häussermann / Kronauer (2004) in ihren Ausführungen zur räumlichen Segregation und zum innerstädtischen Ghetto die Ursachen und Folgen sozialer Armut und Exklusion. Diese Ansätze bieten beispielsweise Erklärungen für das Entstehen von Eigentumskriminalität, Sachbeschädigungen und Gewaltkriminalität.

In den Bereichen der Stadtforschung und der Urban Governance werden Vulnerabilität und Resilienz u.a. auch in Bezug auf Sicherheit, Kriminalität und Terrorismus diskutiert. In diesen Disziplinen bedeutet Vulnerabilität die Exposition der Städte gegenüber Beeinträchtigungen oder Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit. Der öffentliche Sicherheitsdiskurs hat neben anderen Disziplinen vor allem die Stadtgeographie, die Kriminalgeographie und die Stadtsoziologie erreicht. Bis vor wenigen Jahren überwog ein restriktiver Umgang von Städten mit realer und potentieller Kriminalität und dem gleichzeitigen Ausbau polizeilicher und privater Überwachung (policing). Infolge von islamistischen Terroranschlägen und den daraus resultierenden Terrorismusdebatten rücken nun politische Vorsorgemaßnahmen und eine new governance of risk management in den Fokus mit dem Ziel, effektive Steuerungsformen im Umgang mit potentiellen und realen Risiken zu entwickeln, um auf diese Weise drohende Gefahren nicht nur frühzeitig erkennen, sondern auch bewältigen zu können (Resilienz).

Darüber hinaus können die Thesen zur Vulnerabilität zur Erklärung von Kriminalitätsfurcht herangezogen werden. Die Verarbeitung von Opfererfahrungen und die Entwicklung personaler Kriminalitätseinstellungen sind nicht isoliert zu betrachten. Sie sind eingebunden in individuelle Erfahrungen und verbunden mit dem Vorhandensein emotionaler, physischer und sozialer Ressourcen und deren Wahrnehmung. Mit den Grundlagen der Vulnerabilitätsbetrachtung lässt sich das Kriminalitätsfurcht-Paradoxon erklären, wonach Frauen und ältere Menschen mehr Kriminalitätsfurcht zeigen, obwohl sie tatsächlich seltener Opfer werden.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Ansätze der unterschiedlichen Fachdisziplinen zur sozialen Vulnerabilität kriminologische Relevanz entfalten, da jegliche Form der sozialen Verwundbarkeit deviantes Verhalten sowohl in der Täter- als auch in der Opferrolle nach sich ziehen kann. Die Kenntnis der jeweiligen Vulnerabilitätsfaktoren und die gleichzeitige Verbesserung und Steigerung Resilienz fördernder Maßnahmen bieten Ansatzpunkte für Prävention.

Literatur

  • Albrecht, Svende; Parnitzke, Anna Maria; Reichert, Josefine: Verwundbare Stadt. In: Graue Reihe des Instituts für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin, Heft 42
  • Bürker, Hans-Joachim (2010): Vulnerabilität und Resilienz - Forschungsstand und sozialwissenschaftliche Untersuchungsperspektiven. Working Paper No. 43, Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner
  • Chambers, Robert (1989): Vulnerability, Coping and Policy
  • Christmann, Gabriela: Die soziale Konstruktion von Vulnerabilität und Resilienz. In: Raumwissenschaftliches Kolloquium 2013, „Verwundbare Räume“, Leibniz Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
  • Christmann, Gabriela; Balgar, Karsten ; Mahlkow, Nicole (2014) Zur sozialwissenschaftlichen Konzeption von Vulnerabilität und Resilienz. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Betrachtungen am Beispiel von Städten. In: Endreß, Martin; Maurer, Andrea (Hrsg.): Resilienz im Sozialen: Theoretische und empirische Analysen. Wiesbaden, S. 123-149
  • Endreß, Martin; Maurer, Andrea (Hrsg.) (2015): Resilienz im Sozialen - Theoretische und empirische Analysen, Wiesbaden
  • Groenemeyer, Axel; Karstedt, Susanne (2004): Soziale Probleme lehren. In: Zeitschrift für soziale Probleme und soziale Kontrolle, 15. Jahrgang 2004, Heft 1
  • Merz, Mirjam (2010): Entwicklung einer indikatorenbasierten Methodik zur Vulnerabilitätsanalyse für die Bewertung von Risiken in der industriellen Produktion; Dissertation an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Karlsruher Institut für Technologie

Weblinks

  • Bohle, Hans Georg, Glade, Thomas: Vulnerabilitätskonzepte in Sozial- und Naturwissenschaften, [1]
  • Christmann, G.; Ibert, O.; Kilper, H.; Moss, T. (2011) Vulnerabilität und Resilienz in sozio-räumlicher Perspektive, [2]
  • Mühler, Kurt: Das Sicherheitsempfinden als komplexe Realitätsverarbeitung. Universität Leipzig, Institut für Soziologie, [3]
  • Philip, Damas; Rayhan, Israt (2004): Vulnerability and Poverty, what are the causes and how are they related? [4]
  • Ziegleder, D.; Kudlacek, D.; Fischer, T.(2011) Zur Wahrnehmung und Definition von Sicherheit durch die Bevölkerung. Erkenntnisse und Konsequenzen aus der kriminologischsozialwissenschaftlichen Forschung [5]