Töten und Nicht-Töten

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Töten heißt Leben beenden. Wer tötet, beendet die physische Existenz eines Lebewesens. Die soziale Realität des Tötens von Pflanzen, Tieren und - vor allem - von Menschen gilt es zu kartographieren und zu erklären. Zur sozialen Realität gehört auch die Gesamtheit der Bemühungen um eine normative Ordnung des Tötens und Nicht-Tötens. Weltanschauungen, Religionen, Philosophien und Staatslehren ziehen Grenzen zwischen erwünscht/unerwünscht, bzw. erlaubt und verboten und investieren erhebliche Energien, um diese Grenzen verhaltenswirksam werden zu lassen. Trotzdem kommt es zu Abweichungen von den normativen Vorgaben und zu Reaktionen darauf, die ihrerseits gelegentlich wieder auf das Töten rekurrieren (Hinrichtungen).

Bei vielen Menschen löst die Wortkombination "Töten und Nicht-Töten" die Assoziation an eine andere aus, nämlich an die Wortfolge "Du sollst nicht töten" - das Fünfte Gebot in der Luther-Bibel, das in der Holy Bible St. James Version Thou shalt not kill heißt.

Das klingt nicht ganz unabsichtlich wie in Stein gemeißelt. Absolut und kompromisslos. No matarás. Tu ne tueras pas. Oder auch: tu ne tueras point. In allen Sprachen klingt das 5. Gebot apodiktisch. Konsequent. Klar. Und einsichtig auch für Anthropologen und Ethnologen mit ihrem Wissen um die fundamentale Bedeutung des Prinzips der Gegenseitigkeit, der Reziprozität. Die Goldene Regel "Quod tibi hoc alteri" - was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu, oder: Behandle andere so, wie du von anderen behandelt werden willst - ist universal und wird nur von Irren und Verbrechern missachtet. Glaubt man. Gerne.

Aber: Wissenschaftliche Erkenntnis interessiert sich für Fakten und deren Zusammenhänge in der Realität. Sie interessiert sich im Zusammenhang von Töten und Nicht-Töten für die empirischen Gegebenheiten: wer tötet wen warum und mit welchen Folgen? Wo liegen die empirischen Grenzen des Tötens und Nicht-Tötens? Welche Kräfte drängen auf ihre Veränderung in die eine oder andere Richtung? Wenn alles so klar ist - warum bedarf es dann überhaupt der Abstufungen zwischen Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, fahrlässiger Tötung - und wieso können manche, die töten, auf Vergebung oder gar Belohnung hoffen?

In der wirklichen Welt wird viel getötet. Auf verschiedene Arten, mit unterschiedlichen Begründungen, Zwecken und Funktionen. Deshalb empfiehlt es sich, das weite Feld des Tötens zu kartographieren, seine normative Strukturierung und seine institutionellen Ordnungsformen zu rekonstruieren sowie die Phänomene des erlaubten und des verbotenen Tötens zu verstehen und zu erklären. Was die normativen Ordnungen des Tötens angeht, so ist zu fragen: was wird da von wem warum mit welcher Absicht und mit welchen Folgen postuliert? Und was sagen die Kartographen selbst: finden sie es möglich und wünschenswert, nie mehr zu töten - vielleicht sogar das Töten in der Natur abzuschaffen?

Und wie steht es mit uns selbst? Haben wir nie getötet? Werden wir nie töten? Unter welchen Umständen würden wir töten? Wären wir in der Lage, unsere eigenen Eltern, Kinder oder Onkel zu töten? Wären wir in der Lage, andere Menschen zu töten, wenn sie es verlangen oder erbitten? Oder wenn wir sie abgrundtief hassen? Und würden wir unser Haustier töten, wenn es leidet - oder wenn wir in Ferien fahren? Oder würden wir Kälber töten um der Leberwurst willen, die wir zum Frühstück so gerne auf unserem Brötchen haben? Würden wir Pflanzen töten? Sind auch Pflanzen und Tiere gemeint, wenn es heißt: Du sollst nicht töten?

Zwei Extrempositionen:

  • Naturalismus: der Mensch ist eine Ausnahme, die sich innerhalb der eigenen Spezies um Humanisierung kümmert (soweit es geht), aber ansonsten nicht allzu weinerlich werden sollte.
"Löwen und Wölfe zerfleischen jämmerlich zappelnde und brüllene Opfer, die sie zuvor von ihren klagenden Müttern abgedrängt haben; lange zappelt ein Frosch im Kopf einer Schlange mit den Vorderfüßen und Ameisen beißen einem sich verzweifelt wehrenden Käfer der Reihe nach die Beine ab. (...) Es wird behauptet, dass diese Schmerzen zum Zweck der Ernährung der Tiere und für die Verteidigung ihres Territoriums nötig sind. Aber bei dem stundenlangen Spiel der Katze mit dem verletzten Opfer ist dies schon zweifelhaft. Im Übrigen hat die Evolution zahlreiche störende Faktoren beseitigt und hätte daher auch diese Erfordernisse wegevolutionieren können. Charles Darwin war erschüttert angesichts der in der Natur vorherrschenden Gnadenlosigkeit. Es stellt sich daher die Frage, ob das Mitgefühl des Menschen und die Achtung des Tieres als 'Mitgeschöpf' der Natur entsprechen." (F.-C. Schröder)
  • Idealismus: der Mensch soll und kann eine Welt ohne Tötung schaffen (Ahimsa; Albert Schweitzer). Am radikalsten ist der Vorschlag von David Pearce (2009), der Mensch solle auch die Tötung von Tieren durch Tiere abschaffen:
Eine Biosphäre ohne Leiden ist technisch machbar. Im Prinzip kann die Wissenschaft eine Welt ohne Grausamkeit schaffen, in der die molekulare Signatur unangenehmer Erfahrung nicht vorkommt. Eine belebte Welt kann nicht nur das menschliche Leben unterstützen – basierend auf vorprogrammierten Abstufungen des Wohlbefindens – zur Gänze ausgeführt beinhaltet das abolitionistische Projekt eine Umgestaltung des Ökosystems, Immunokontrazeption, marine Nanoroboter, das Überschreiben des Wirbeltier-Genoms, sowie die Nutzung des exponentiellen Wachstums computertechnischer Ressourcen, um dieses mitfühlende, globale Ökosystem zu steuern. Letzlich ist es eine ethische Entscheidung, ob intelligente, moralische Subjekte sich dazu entschließen, eine solche Welt zu schaffen – oder stattdessen die Tendenz zu unserem naturgegebenen Status Quo bestätigen und die Biologie des Leidens unendlich fortführen.
Diese utopisch klingende Vision ist nicht etwa das Ergebnis einer exotischen neuen Theorie. Das abolitionistische Projekt ergibt sich ziemlich direkt aus der Anwendung einer klassischen utilitaristischen Ethik in Verbindung mit fortschrittlicher Biotechnologie. Ein wenig provokanter ausgedrückt ist das abolitionistische Projekt die wissenschaftliche Folge dessen, was Gautama Buddha vor etwa 2.500 Jahren anstrebte: „Mögen alle, die leben, vom Leiden befreit sein.“ Nehmen wir, bei Gleichheit aller anderen Dinge, zunächst einmal an, dass eine Welt ohne Grausamkeit ehtisch erstrebenswert ist, d.h., es wäre ideal, wenn es keinen [ungewollten] physischen und emotionalen Schmerz gäbe. Mit dem Ausreifen unserer Technologien sind jedoch einige einschneidende Entscheidungen unabwendbar, wenn diese edlen Gedanken jemals in die Praxis umgesetzt werden sollen.
Eine Welt ohne Grausamkeit beinhaltet zunächst den Übergang zu einem globalen Veganismus. Realistisch betrachtet findet ein solcher jedoch innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes nicht ausschließlich oder hauptsächlich durch moralische Überzeugung statt. Eine deart bedeutsame Veränderung kann nur durch die Einführung von massenhaft produziertem, gentechnisch gestalteten künstlichem Fleisch („KREA“) erfolgen, das mindestens so preisgünstig, schmackhaft und gesund ist wie das Fleisch von geschlachteten Tieren aus Massentierhaltung – wobei dem moralischen Argument zusätzlich eine geringfügig unterstützende Rolle zukommt. Sicherlich muss auch der „Ekelfaktor“ noch überwunden werden. Doch wenn köstliches, ohne Grausamkeit kultiviertes Fleisch kommerziell verfügbar ist, sollte der „Ekelfaktor“ eigentlich zugunsten des künstlichen Fleisches wirken, da das Fleisch von Tieren aus Massenhaltung nicht nur moralisch, sondern auch physisch abscheulich ist.
Wie dem auch sei, diese Veränderung ist nicht ausreichend. Selbst bei einer hypothetischen weltweiten Annahme einer Ernährung ohne Grausamkeit, bleibt eine immense Quelle des Leidens unberücksichtigt. An dieser Stelle müssen wir eines der heikelsten Themen aufgreifen: die Zukunft derer, die die Biologen „obligate Räuber“ nennen. Das abolitionistische Projekt scheint sich mit einem unserer grundlegenden gegenwärtigen Werte nicht zu decken. Die Notwendigkeit der Erhaltung der Arten ist so axiomatisch, dass eine explizit normative wissenschaftliche Sub-Disziplin, die Konservationsbiologie, existiert, um sie zu fördern. In der heutigen Zeit wird das Aussterben einer Spezies in der Regel als Tragödie gewertet, vor allem dann, wenn es sich um ein bekanntes Wirbeltier und nicht etwa um einen unbekannten Käfer handelt. Wenn wir aber ernsthaft eine Welt ohne Leiden anstreben, wie viele der existierenden Darwin'schen Lebensformen können dann in ihrer jetzigen Gestalt erhalten bleiben? Wie sollte das Schicksal solcher schon ikonisch zu nennenden Arten wie das der großen Fleischfresser letztlich aussehen? Gewiss, nur eine Minderheit der Tierarten der Erde sind fleischfressende Räuber: die grundlegenden Gesetze der Thermodynamik besagen, dass jeder „Energieaustausch“ von einer Trophieebene zu einer anderen mit einem signifikanten Verlust einhergeht. Die Mehrheit der etwa 50.000 Wirbeltierarten der Erde sind Vegetarier. Aber unter der Minderheit der fleischfressenden Arten befinden sich einige der bekanntesten Geschöpfe der Erde. Soll man diesen Serienmördern gestatten, immer weiter andere fühlende Wesen zu erbeuten?
Das Aussterben bestimmter Arten wird allerdings auch heute allgemein befürwortet. So beklagt niemand die Ausrottung des Pocken-Virus in der Natur, wenngleich nach wie vor Uneinigkeit darüber herrscht, ob die beiden letzten pathogenen Variola-Kulturen, die sich in menschlicher Obhut befinden, zerstört werden sollten. Das Virus könnte bei Bedarf von Grund auf wieder hergestellt werden. Technisch gesehen sind Viren nicht am Leben, da sie sich nicht unabhängig replizieren können. In gleicher Weise willkommen wäre die Ausrottung einer großen Anzahl bakterieller Pathogene, die menschliche Krankheiten hervorrufen, wenn wir sie ebenso effektiv betreiben könnten wie im Falle der beiden Variola-Varianten, die Pocken hervorrufen. Ebenso würde die Ausrottung der fünf Arten protozoischer Parasiten der Gattung Plasmodium, welche die Malaria hervorrufen, vermutlich allseits begrüßt. Etwa alle zwölf Sekunden stirbt ein Menschenkind an dieser Krankheit. Protozoen haben kein bzw. nur ein minimales Bewusstsein, was letzlich von unserer eigenen Mentalisierung abhängt. Wie dem auch sei, es macht keinen oder nur wenig Sinn, im Zusammenhang mit Plasmodien von „Interessen“ im wörtlichen Sinne zu sprechen. Nur im übertragenen Sinne haben Plasmodien Interessen. Sie haben nur insofern eine große Bedeutung, als ihre Existenz das Wohlergehen von fühlenden Wesen beeinträchtigt. Unsere Achtung vor der Vielfalt der Lebensformen hat ihre Grenzen. Komplexer als Plasmodien sind parasitäre Würmer, Heuschrecken oder Kakerlaken, die mit großer Sicherheit zumindest über ein eingeschränktes Bewusstsein verfügen, welches jedoch verglichen mit dem der Wirbeltiere relativ schwach ausgeprägt ist. Kakerlaken haben ein dezentrales Nervensystem und verfügen demzufolge sehr wahrscheinlich nicht über ein einheitliches Erfahrungsfeld. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sie jemals mutwillig verletzen sollte. Vermutlich können ihre Nervenganglien in bestimmten Abschnitten starke Schmerzen empfinden. Kakerlaken verfügen über rudimentäre Lernfähigkeiten und sind in der Lage, bis zu einer Woche ohne Kopf zu leben. Wenn allerdings die etwa 4.000 Kakerlakenarten dieser Erde außerhalb einiger Vivarien nicht mehr existieren würden, so empfände man ihr Fehlen in der freien Natur in keiner Variante des hedonistischen Kalküls als großen Verlust. Dasselbe gilt für die Ausrottung der Wanderheuschrecke, die wir von Heuschreckenplagen kennen. Ein Schwarm von 50 Milliarden Heuschrecken kann pro Tag theoretisch 100.000 Tonnen Nahrungsmittel vertilgen. Etwa 20% der für den menschlichen Bedarf angebauten Nahrungsmittel wird von pflanzenfressenden Insekten vertilgt. In einer wahrhaft utopischen Zukunft gäbe es nicht den geringsten von Insekten verursachten Hunger, und die Computer-Ressourcen wären in der Lage, das Wohlergehen selbst der niedrigsten Gliederfüßler zu sichern, einschließlich der schätzungsweise 10 Trillionen (1018) Insekten dieser Welt. In der Zwischenzeit müssen wir Prioritäten setzen. Gemäß einer neobuddhistischen oder utilitaristischen Ethik ist das Kriterium für den Wert und den moralischen Status der Grad des Empfindungsvermögens. In einer Darwin'schen Welt hängt das Wohlergehen einiger Geschöpfe jedoch davon ab, dass sie anderen Schaden zufügen. Anfänglich sind hässliche Kompromisse also unvermeidlich, wenn wir uns den Weg hinaus aus dem primitiven Darwin'schen Leben bahnen. Die Forschung muss sich darauf konzentrieren, wie die Abscheulichkeiten der Übergangsphase minimiert werden können.

Der Mensch als tötendes Lebewesen

Der Mensch ist einerseits ein Mängelwesen, hat es aber andererseits geschafft, sich in kurzer Zeit an die Spitze der Nahrungskette vorzuarbeiten, wo er bislang auch noch unangefochten herrscht.
"Herzlichen Glückwunsch, Herr Mensch. Was, würden Sie sagen, war und ist denn nun eigentlich Ihr Geheimnis?"
"Na ja, eine gewisse Fähigkeit zur Bekämpfung und Tötung von konkurrierenden Mitgliedern der eigenen Spezies. Und natürlich weiterer Lebewesen."

Der Mensch ist "das gefährlichste aller Tiere" (David Livingstone Smith). Er verfügt über großen Erfindungsreichtum bezüglich der Eliminierung seiner Artgenossen. Das war (und ist) ein evolutionärer Vorteil für den homo erectus und ist es auch noch für den anatomisch modernen Menschen, der seit rund 200.000 Jahren die Welt bevölkert. Vor allem profitierte der Mensch von seiner Bereitschaft zur Grausamkeit gegenüber Fremden. Immernhin verbrachte der Mensch 95% seiner Existenz auf der Erde in sehr übersichtlichen Gemeinschaften und kannte Fremde fast nur als Gefahr für sein Leben. Die Fähigkeit des Menschen, sich in die potentiell bösen Absichten Anderer hineinzuversetzen, ist von Vorteil, wenn es ihm gelingt, die Angst vor dem Anderen in die Bereitschaft zu dessen Tötung zu verwandeln. Die (auch von Thomas Hobbes geschilderte) Logik der wechselseitigen Antizipation aggressiver Absichten befähigt (und nötigt) das Individuum, dem Risiko eines Angriffs durch den Anderen durch den eigenen Angriff zuvorzukommen. Instrumentelle Grausamkeit diente zudem der Abschreckung potentieller künftiger Angreifer und war damit ein Beitrag zum Überleben.

Der Mensch tötet gelegentlich als antisoziales Individuum. Dann ist die Tötung abweichendes Verhalten und wird als Mord oder Totschlag streng geahndet. Vor allem aber tötet der Mensch im Dienste und im Auftrag von Kollektiven - also als Sozialwesen, das die Unterstützung einer Gruppe oder Gesellschaft oder eines Herrschaftsverbands genießt.

According to Georgiev, A.V. et al. (2013):

Humans are a highly aggressive species in comparison to other animals, probably as a result of an unusually high benefit-to-cost ratio for intra-specific aggression. This conclusion is supported by frequent and widespread occurrence of male-male coalitionary killing and by male-female sexual coercion. Sex differences in violent aggression in humans and other species probably evolved by sexual selection and reflect different optimal competitive strategies for males and females. (...)

With some exceptions, competition through violent aggression generally has a high benefit/cost ratio for humans. Consider, for example, the situation of the European colonial armies that first encountered the local populations in America, Africa, Asia, or Australia. The benefits of using violent aggression against the indigenous populations were enormous: taking away their land, their possessions, and even their people to use as slaves. The costs of the colonists’ aggression were minimal: armed with rifles, they could quickly kill large numbers of indigenous individuals at little or no physical risk to themselves. Moreover, the indigenous populations looked different and spoke a different language; it must have been quite easy for the colonists to find a psychological, political, historical, or religious justification for their violence, without suffering any consequences. These unusually high benefit/cost ratios for violent aggression against people from other countries are rare or nonexistent in animals, which may explain why large-scale aggression toward conspecifics is absent in animals, with the possible exception of chimpanzees and some species of ants and termites that stage wars against other colonies, destroying or taking away their resources and enslaving the workers.

When the benefit/cost ratio of violent aggression is lowered, for example, by punishing aggressive individuals or imposing sanctions on belligerent countries, humans do become less aggressive. A historical trend for a general reduction in human violent aggression (Pinker, 2011) suggests that human behavior is sensitive to current selective pressures and any changes in the environment that might affect its adaptive value. The benefits and costs of human violent aggression may vary and be differentially weighted not only over historical time but also in relation to geographic location, culture, education, intelligence, religion, availability of resources, and many other factors. To give just one example of this variation, consider two human populations such as the Moriori of the Chatham Islands and the Maori of New Zealand (Diamond, 1997). Although both populations had descended from the same group of Polynesian farmers, the Maori had developed a culture of violence and war while the Moriori had developed a culture of peaceful resolution. This disparity was likely due to a complex combination of environmental and technological factors that calibrated the costs and benefits of violence differently for each population. The Maori lived in a climate stable enough to permit agriculture, which allowed for the development of more advanced weaponry and for increased population growth, leading to the emergence of tribes and coalitions. A culture of violent aggression would have been advantageous for the Maori, as a system of agriculture would have increased the benefit of fighting over monopolizable food and territory, while the use of weapons and the formation of coalitions would have minimized costs. In contrast, the harsh environmental conditions on the Chatham Islands impeded technological advancement and population growth and forced the Moriori to revert back to the hunter-gatherer lifestyle. The Moriori could not effectively monopolize food resources, had very simple weaponry, and remained a small population with few or no subgroups. Violent aggression may have been more costly than beneficial for the Moriori, and so a culture of peaceful resolution to conflict emerged on the Chatham Islands. Not surprisingly, when these populations came into contact in 1835, the aggressive Maori exterminated the peaceful Moriori (Diamond, 1997). ...

Sexual selection theory provides the most convincing evolutionary explanation for the marked difference in aggressiveness between men and women (Archer, 2009; Lindenfors and Tullberg, 2011; Puts, 2010). The benefits of both intra- and inter-sexual aggression are higher for men than women and they are all related to reproductive effort (competition for mates and sexual coercion). Among our ancestors, males who were successful in aggressively keeping their competitors away from fertile females, who could monopolize these females during their fertile periods and mate exclusively with them, and who could overcome any female reticence to mate through aggressive coercion presumably gained a great deal in terms of reproductive success. In contrast, the advantage gained by females who aggressively competed against other females to mate with superior males may have been relatively small, given that many females managed to reproduce regardless of their competitive ability, superior males may have been difficult to find, and monopolizing mating with these superior males would have little benefit. For these reasons, attempting to aggressively coerce and monopolize superior males was probably ineffective and did not bring females significant reproductive benefits.

Risk of injury or death, and energetic, stress-related, and social costs of intra-sexual aggression may be generally equal in males and females. Being pregnant or having to breastfeed a child, however, poses a significant energetic constraint on a human female’s ability to engage in violent aggressive behavior—and indeed even on her ability to build the muscle necessary to win confrontations. Although relative to other primates humans are not highly sexually dimorphic (Plavcan, 2012), differences in male and female stature, musculature development and strength are not insignificant. Thus, sexual selection pressures favoring the increase in body size and aggressiveness in males presumably increased the costs of female aggression. Human females likely developed alternative, non-physical competitive strategies such as verbal social/relational aggression toward other women and social manipulation tactics involving sex and investment with men.

David Carrier, University of Utah:

"My personal opinion is that Western society, as a whole, is in mass denial about the magnitude of the problem that violence represents for the future. We are peace-loving and want to believe that the violence and transgressions of the past will not return, but recent history and current events illustrate how easy it is for humans to respond with interpersonal and intergroup violence."

Das Studium des Tötens und Nicht-Tötens sagt viel über die (menschliche) Natur - und über die Machtverhältnisse, Ideologien, Interessen und die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die diese Welt und unsere Position und unsere Handlungen darin strukturieren.

Der Begriff des Lebens umfasst menschliches Leben aller Art (auch das noch nicht geborene Leben) sowie Tiere und Pflanzen. Das Töten von menschlichem Leben ist besonderen Einschränkungen unterworfen. Es ist bereichsweise tabuisiert und soll auf jeden Fall Ausnahme bleiben - eine Ausnahme, die unter dem Vorbehalt der Erlaubniserteilung durch Autoritäten steht. In Extremsituationen kann die Erlaubnis zur Tötung von menschlichem Leben zur Pflicht mutieren (soldatische Pflicht; Berufsbild des Henkers; polizeilicher Todesschuss).

Der Ausnahmecharakter des Tötens von menschlichem Leben lässt leicht den Regelcharakter des Tötens von nicht-menschlichem Leben übersehen. Die Massentötung von Pflanzen (Getreide) und Tieren (Geflügelmast) in der Landwirtschaft wird eher selten thematisiert, geschweige denn skandalisiert. Ethiken, die auch die Tötung von nicht-menschlichem Leben problematisieren, lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen: dazu gehören vor allem das fernöstliche Prinzip des Lebens and Lebenlassens (Ahimsa), Arthur Schopenhauers Mitleidsethik und Albert Schweitzers Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben. Vielleicht beeinflussen solche Lehren das aktive Tötungsrisiko (also das Risiko, aktiv zu töten) und damit auch das passive Tötungsrisiko (das Risiko potentieller Opfer, tatsächlich getötet zu werden).

Die Mensch-Tier-Grenze etabliert nicht nur eine zweigeteilte Wahrnehmung, sondern auch eine ethische Schranke. So leben wir in der Vorstellung, das Nicht-Töten sei die Regel und "Du sollst nicht töten" drücke eine Selbstverständlichkeit aus (und nicht nur ein Gebot). In unserer Vorstellung ist das Töten selten und unmoralisch - in der Realität ist das Töten aber der Normalzustand in dieser Welt und der Normalzustand des Menschen. Der Mensch ist ein tötendes Tier mit einem schizophrenen moralischen Bewusstsein. Denn bei Lichte betrachtet ist das Töten weder so streng verboten noch so selten und so unerwünscht (und auf der anderen Seite ist das Nicht-Töten keineswegs so normal, häufig, einfach und erwünscht) wie es den Anschein hat.

Der Mensch kann, darf, soll und will töten - in verschiedenen Situationen, mit unterschiedlichen Motiven und aus verschiedensten Anlässen. Er kann aber auch auf das Töten verzichten oder es verweigern. Andererseits ist es nicht nur der Mensch, der tötet. In der gesamten Natur ist das Töten gewöhnlich, naheliegend, verführerisch, nützlich, einträglich, überlebensnotwendig. Nicht zu töten bedarf in der Natur besonderer Konstellationen und im Menschen besonderer Begründungen und Kräfte.

Tötungen können Erwartungen erfüllen oder enttäuschen. Sie können Strafe oder Belohnung nach sich ziehen. Sie können verboten, erlaubt oder befohlen sein. Sie können verurteilt oder bewundert werden. Widerstreitende Normen- und Wertesysteme, unterschiedliche Machtverhältnisse und Situationsdeutungen ergeben ein Spannungsfeld besonderer Art.

Über das Nicht-Töten

Nicht-Töten heißt: das Töten zu unterlassen. Das Nicht-Töten ist also grundsätzlcihe eine Unterlassung. Man kann allerdings auch durch Unterlassung einer Handlung töten - siehe z.B. unterlassene Hilfeleistung - als auch durch aktives Tun nicht töten - siehe Befehlsverweigerung.

Wie alle anderen Handlungen auch, wird das Töten unter anderem deswegen unterlassen, wenn und weil man keine Veranlassung dazu sieht, keinen Mut oder keine Lust oder keine Zeit dafür hat- und man hat vielleicht auch Hemmungen, die mit der emotionalen Bindung an das Opfer, an moralische Instanzen personaler Art (Eltern) oder mit Bindungen an Glaubenssysteme zu tun haben können. Also tötet man nicht. Das Nicht-Töten erscheint auf den ersten Blick grundsätzlich unproblematisch. Wer morgens zur Arbeit fährt, tagsüber seinem Beruf nachgeht und abends wieder heimkehrt, tötet normalerweise nicht - und verwendet auch keinen Gedanken daran.

Wenn so viel getötet wird, dann ist es vielleicht auch sinnvoll, die Fragerichtung zu ändern. Man fragt dann nicht mehr, warum getötet wird, sondern warum - und unter welchen Bedingungen - nicht getötet wird. Max Frisch: "Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht: wie erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?" (Fragebogen I, 22. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988, 10).

Ein Grund dafür, nicht zu töten, könnte die Bindung an eine Religion oder an eine Weltanschauung sein, die das Töten problematisiert oder verbietet. Schon deshalb lohnt sich ein Blick auf Religionen und andere Weltanschauungen und die Frage, ob sie evtl. irgendeinen Einfluss auf das Verhalten von Personen und auf die Tötungsraten in der Welt haben.

Fragen:

  1. Unter welchen Bedingungen wird das Nicht-Töten zum Thema? (Im Religionsunterricht, in Konfliktsituationen, wenn man töten will oder soll ...)
  2. Was ist der Normalfall: das Töten oder das Nicht-Töten? (Grausamkeit der Natur; Grausamkeit des Menschen gegenüber Menschen und Tieren)
  3. Gibt es Menschen, die nicht töten und nicht an Tötungen beteiligt sind?
  4. Welche Arten des Nicht-Tötens lassen sich unterscheiden?
  • Gnade: man übt eine Tötungsberechtigung nicht aus. Der Herrscher begnadigt den zum Tode Verurteilten.
  • Verweigerung: der Kriegsdienstverweigerer widersetzt sich der Erwartung, dass er sich zum Töten ausbilden läßt und der Erwartung, ggf. sog. Feinde zu töten (Muhamed Ali). Der Henker, der seine Arbeit verweigert. Der Soldat, der die Teilnahme am Exekutionskommando verweigert. Der Totalverweigerer des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen. Aber auch: der Schlachter, der nicht mehr schlachten kann. Was bewegt diese Personen, wer sind diese Personen?
  • Verzicht als Tatsache: Wenn es stimmt, dass wir alle in unseren Tagträumen auch einmal daran denken, andere Menschen zu töten - und es dann nicht tun - was bewegt uns dazu, es nicht zu tun?
  • Verzicht als Forderung: alle Religionen fordern vom Menschen ein hohes Maß an Impulskontrolle (Disziplin, Gehorsam) und insbesondere einen unterschiedlich ausgeprägten Tötungsverzicht (generell oder bezogen auf menschliches Leben und auf bestimmte Konstellationen).
  • Verlernen: Eine Fähigkeit durch Nichtgebrauch verlieren.

Weltanschauliche Unerwünschtheit des Tötens

"Du sollst nicht töten"

Die Bibel sagt (2. Buch Mose, Kap. 20, Vers 13): "Du sollst nicht töten". Die Luther-Bibel nimmt das (relativ) ernst. Im Kleinen Katechismus heißt es dazu: Das fünfte Gebot. Du sollst nicht töten. Was ist das? - Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unseren Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und fördern in allen Lebensnöten. [Das geht schon in die Richtung von Albert Schweitzers "Ehrfurcht vor dem Leben", wenn auch (wohl) nicht-menschliches Leben (noch) ausgeklammert bleibt - es sei denn, man definiert auch Orang-Utans etc. als "Nächste".]

Andererseits sagt die Bibel aber auch gleich im nächsten Kapitel (2. Buch Mose, Kap. 21, Vers 12): "Wer einen Menschen schlägt, so dass er stirbt, der soll des Todes sterben". An vielen Stellen finden sich geradezu Tötungs-Aufforderungen und drastische Tötungs-Befehle, z.B. zur Steinigung von Ehebrechern:

Wenn jemand dabei ergriffen wird, dass er einer Frau beiwohnt, die einen Ehemann hat, so sollen sie beide sterben, der Mann und die Frau, der er beigewohnt hat; so sollst du das Böse aus Israel wegtun. Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und wohnt ihr bei, so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun. - 5. Mose 22, 22-24.

Während das 5. Gebot das Töten zu verbieten scheint ("non occides"), gilt es im Buch der Prediger (Kohelet 3:1-8) als ein legitimes Geschehen unter vielen anderen:

"1 Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: 2 eine Zeit zum Gebären /und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen,3 eine Zeit zum Töten /und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen,4 eine Zeit zum Weinen /und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz;5 eine Zeit zum Steinewerfen /und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen,6 eine Zeit zum Suchen /und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten / und eine Zeit zum Wegwerfen,7 eine Zeit zum Zerreißen /und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden,8 eine Zeit zum Lieben /und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden." (vgl. auch The Byrds: Turn! Turn! Turn!, YouTube).

Letztlich handelt es sich bei dem scheinbar so eindeutigen "Du sollst nicht töten" um einen "Übersetzungsfehler" aus dem Hebräischen. Denn dort heißt das 6. Gebot (das Äquivalent zum christlichen 5. Gebot): "Du sollst nicht ungesetzlich töten", bzw. "Du sollst nicht morden". Elieser Segal (2006) schreibt dazu:

Gewiß ist „töten“ auf deutsch ein umfassendes Verb, das alle Arten, jemanden ums Leben zu bringen, beinhaltet und für alle Arten von Opfern gilt. Diese allgemeine Bedeutung wird im Hebräischen durch das Verb „harag“ ausgedrückt. Das Verb jedoch, das in der Tora für das Gebot verwendet wird, ist ein ganz anderes, nämlich „ratsah“, das mit „morden“ übersetzt werden sollte. Diese Wurzel bezieht sich nur auf verbrecherische Tötungshandlungen. Selbstverständlich ist es nicht bloß eine Frage der Etymologie. Alle Ideologien, die das Gebot für ihre menschenfreundlichen Anliegen ins Feld führen, sehen sich gezwungen, alle jene Stellen in der Bibel zu ignorieren, die den Krieg, das Schlachten von Opfertieren und eine ganze Reihe von Methoden, die Todesstrafe zu vollstrecken, entschuldigen oder gar gebieten. Die gute alte englische King-James-Bibel, durch die diese Formulierung in die englische Standardsprache gelangte, ist normalerweise viel genauer in ihrem gelehrten Umgang mit dem hebräischen Original. Und viele Jahre wunderte ich mich, wie den gebildeten Philologen, die diese ausgezeichnete Übersetzung anfertigten, bei einem so einfachen Ausdruck – den jedes jüdische Schulkind verstanden hätte – ein solcher Fehler unterlaufen konnte. - Wie sich herausstellt, hat die Verwirrung ihren Ursprung nicht in der englischen Übersetzung des 16. Jahrhunderts. Aus den Schriften jüdischer Exegeten des Mittelalters, die in Frankreich lebten, erfahren wir, daß auch die Nichtjuden in ihrer Umgebung das biblische Gebot falsch übersetzten. - Zwei der bedeutendsten Kommentatoren ihrer Zeit, Rabbi Samuel ben Meir (Raschbam) und Rabbi Joseph Bekhor-Schor, zum Beispiel erkannten die Notwendigkeit, außergewöhnlich ausführlich zu erläutern, daß sich der hebräische Text nur auf ungesetzliches Töten bezieht. Beide Gelehrte arbeiteten den Unterschied zwischen den hebräischen Wurzeln für „töten“ und „morden“ klar heraus und belegten mit zahlreichen Beispielen, daß die Tora andere Arten des Tötens toleriert. Raschbam schließt seine Abhandlung über das Thema mit folgenden Worten: „Und dies ist eine Widerlegung der Häretiker, und sie haben es mir zugestanden. Wenn ihre eigenen Bücher sagen: ‚Ich bin es, der tötet und der lebendig macht’ (5. Buch Moses 32,39) – und dafür dieselbe lateinische Wurzel gebrauchen wie für ‚Du sollst nicht morden’ – sind sie nicht exakt.“ Den Worten dieser französischen jüdischen Gelehrten entnehmen wir, daß die Übersetzung „Du sollst nicht töten“ auf der lateinischen Bibelübersetzung beruht, wie sie die römisch-katholische Kirche im Mittelalter verwendete. In der Tat gebraucht die Vulgata – wie diese Übersetzung genannt wird – das lateinische Verb occidere, das eher der Bedeutung von „töten“ und nicht von „morden“ entspricht. Indem er darlegt, daß die Vulgata im Deuteronomium die Wurzel occidere gebraucht, wenn der Allmächtige selbst von Seiner Macht über das Leben seiner Geschöpfe spricht – in einem Kontext, in dem es unter gar keinen Umständen mit „morden“ übersetzt werden könnte –, weist Raschbam offensiv den Fehler im traditionellen christlichen Verständnis des Sechsten Gebotes nach. Daher überrascht es nicht, zu hören, daß seine christlichen Gesprächspartner ihren Irrtum kampflos zugaben..

Insofern - und angesichts der tatsächlichen Haltung der christlichen Kirchen zum Töten - ist es nur konsequent, das 5. Gebot "weich" zu interpretieren, nämlich so wie die katholische Karl-Leisner-Jugend (eine Initiative von Priestern aus dem Bistum Münster/Westf.), die das Andenken an [http://www.karl-leisner.de/biographie/ den seligen Karl Leisner bewahrt:

:Es gibt eine klare und praktische Neu-Formulierung des "Du sollst nicht töten", die alle notwendigen Ausnahmen ermöglicht und dennoch jede willkürliche Tötung weiterhin klar verurteilt:

"Es ist immer und unter allen Umständen schweres Unrecht, freiwillig und direkt einen unschuldigen Menschen zu töten."'

Ähnlich übrigens auch das eingeschränkte Tötungsverbot im Koran Sure 5 Vers 32: "Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält."

Brahmanismus

Gewaltlosigkeit im Sinne von Ahimsa (Nicht-Verletzen) ist eines der wichtigsten Prinzipien im J., H. und B., das das Töten von Lebewesen untersagt bzw. auf ein unumgängliches Minimum beschränkt. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass jede Gewaltausübung schlechtes Karma erzeugt und sich dadurch auf die Zukunft des Täters negativ auswirkt.

Gandhi: "Nonviolence is common to all religions, but it has found the highest expression and application in Hinduism (I do not regard Jainism or Buddhism as separate from Hinduism).

Eine besonders strikte Auslegung des Tötungsverbots findet sich im Jainismus. Das Ahimsa-Verständnis der Jains unterscheidet sich von demjenigen der vedischen Religion und des Hinduismus in folgenden Punkten:

  1. Es erlaubt keinerlei Sonderregelungen für Tieropfer und für die Jagd. Tötung zum Zweck des Verzehrs ist absolut verboten.
  2. Jains geben sich auch Mühe, im Alltag das Beschädigen von Pflanzen zu vermeiden. Sie räumen zwar ein, dass Pflanzen zu Nahrungszwecken zerstört werden müssen, doch halten sie solche Gewalt nur insoweit für gerechtfertigt, als sie zum Überleben der Menschen unumgänglich ist. Es gibt bei ihnen besondere Anweisungen zum Schutz von Pflanzen.
  3. Jains nehmen erhebliche Unannehmlichkeiten in Kauf, um keine Insekten und andere Klein- und Kleinstlebewesen zu verletzen oder zu töten. Aus ihrer Sicht wiegt ein durch Unachtsamkeit verschuldeter Schaden nicht geringer als ein vorsätzlich zugefügter. Honig ist streng verboten, da seine Gewinnung als Gewaltanwendung gegen die Bienen gilt. Manche Jains halten sich von landwirtschaftlichen Berufen fern, weil beim Pflügen viele Kleinlebewesen verletzt oder getötet werden. Allerdings ist der Ackerbau nicht generell untersagt, und es gibt Jains, die Bauern sind.
  4. Diese Grundsätze sind auch im Hinduismus und im Buddhismus bekannt. Dort werden sie aber nur von manchen Asketen bzw. Mönchen beachtet, im Jainismus hingegen gelten sie für jeden.
  5. Ungeachtet ihres strengen Verständnisses von Ahimsa sind die Jains ebenso wie die Hindus der Auffassung, dass Gewalt bei der Selbstverteidigung zulässig ist und dass ein Soldat, der im Kampf Feinde tötet, eine legitime Pflicht erfüllt. Jain-Gemeinschaften hielten Militär zu ihrem Schutz für notwendig. Es gab unter den Jains Herrscher, militärische Befehlshaber und Soldaten.

Obwohl im Jainismus theoretisch allen Lebensformen gleichermaßen voller Schutz vor jeder Art von Verletzung zusteht, geben Jains zu, dass es unmöglich ist, dieses Ideal im Alltag uneingeschränkt zu verwirklichen. Daher anerkennen sie das Bestehen einer Rangordnung der Lebewesen. Bewegliche Wesen genießen stärkeren Schutz als unbewegliche. Unter den beweglichen unterscheiden sie solche mit nur einem Sinn (dem Tastsinn) und solche mit zwei, drei, vier oder fünf Sinnen. Je mehr Sinne ein Wesen besitzt, desto besserer Schutz gebührt ihm. Unter den Wesen mit fünf Sinnen haben die mit Vernunft ausgestatteten, die Menschen, Vorrang.

Deontische vs. utilitaristische Ethik

Deontologie: Die stärkste Form deontologischer Theorien führt zu einem moralischen Absolutismus, der keine Fälle zulässt, in denen eine intrinsisch schlechte Handlung durch die Umstände der Situation dennoch die moralisch richtige Handlung sein kann. Deontologische Verbote gelten absolut und ohne Berücksichtigung der Umstände. Im Beispiel Folter dürfte ein moralischer Absolutist die Person B nicht foltern, auch wenn dadurch eine Million unschuldiger Menschen gerettet werden könnten. Ein Problem für moderate DeontologInnen: "Es ist völlig unklar, wie der Grenzwert für eine bestimmte Handlungsbeurteilung festgelegt wird. Angenommen, der Grenzwert, um das Töten einer Person rechtfertigen zu können, liegt bei der Rettung von 100 Personen. Warum kann es nicht 50 oder 150 sein?"

Ehrfurcht vor dem Leben Das Studium von Ahimsa prägte auch Albert Schweitzers Lehre von der "Ehrfurcht vor dem Leben":"the commandment not to kill and not to damage is one of the greatest events in the spiritual history of mankind". Allerdings ergänzt diese Lehre das Verbot des Schädigens um das positive Gebot der Solidarität.

Frage: Was ist Ehrfurcht vor dem Leben, und wie entsteht sie in uns? - Antwort:

  1. Die unmittelbarste Tatsache des Bewusstseins des Menschen lautet: ‘Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will.’ Als Wille zum Leben inmitten von Willen zum Leben erfasst sich der Mensch in jedem Augenblick, in dem er über sich selbst und über die Welt um sich herum nachdenkt.“
  2. „Zugleich erlebt der denkend gewordene Mensch die Nötigung, allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegenzubringen wie dem eigenen. Er erlebt das andere Leben in dem seinen. Als gut gilt ihm: Leben erhalten, Leben fördern, entwickelbares Leben auf seinen höchsten Wert bringen; als böse: Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben niederhalten.“
  3. „Dies ist das denknotwendige, absolute Grundprinzip des Sittlichen.“
  4. „Ethisch ist der Mensch nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, lässt sich im Denken begründen.“
  5. „Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben, bezeichnet werden kann.“

Der Weichensteller-Fall (Fat Man Problem) = Weichenstellerfall; Trolley Problem; Fat Man Problem:

Das Problem betrifft das Töten, bzw. Sterbenlassen zwecks Rettung von Menschenleben: Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten? Judith Jarvis Thomson ergänzte die folgende Variante („Fetter-Mann-Problem“): Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht fünf Personen zu überrollen. Durch Herabstoßen eines unbeteiligten fetten Mannes von einer Brücke vor die Straßenbahn kann diese zum Stehen gebracht werden. Darf (durch Stoßen des Mannes) der Tod einer Person herbeigeführt werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?

Am Trolley-Problem werden elementare Unterschiede zwischen utilitaristischen (bzw. konsequentialistischen) und deontologischen Theorien verdeutlicht. Ein Vertreter einer utilitaristischen Position würde durch Umstellen der Weiche die fünf Leben auf Kosten des einen retten, da in der Summe weniger schlechte Konsequenzen auftreten. Er müsste aber aus gleichem Grund auch für die Tötung des dicken Mannes argumentieren, obwohl die meisten Menschen dies intuitiv ablehnen.

Deontologische Theorien stehen beim Trolley-Problem vor einem Dilemma. Nach dem Prinzip der Doppelwirkung kommt es nicht in Frage, den fetten Mann auf die Gleise zu werfen, da die Tötung eines Menschen als Mittel zur Erreichung eines guten Zweckes ausgeschlossen ist. Ob die Weiche umgestellt werden soll, kann diskutiert werden. Die meisten Vertreter deontologischer Ethik neigen dazu, die Rettung der fünf durch Umstellung der Weiche herbeizuführen: Da der Tod der Einzelnen nicht Mittel zum Zweck ist, sondern als unbeabsichtigte Folge angesehen wird, darf er in Kauf genommen werden.

Innerhalb der Pflichtenethik veranschaulicht das Trolley-Problem die Differenz zwischen positiven und negativen Pflichten. Die Weiche umzustellen würde der (meist als schwächer eingestuften) positiven Pflicht, andere zu retten, entsprechen, jedoch die (meist stärker bewertete) negative Pflicht verletzen, niemanden umzubringen.

Gesetzliche Restriktionen

  • Tatbestände

Tötungsverbote gibt es in Morallehren, Weltanschauungen, Religionen und Rechtsordnungen. Am folgenreichsten sind - zumindest für die meisten Menschen der Gegenwartsgesellschaften - die gesetzlichen Regelungen. In Deutschland ist das aktive Beenden menschlichen Lebens grundsätzlich verboten (Mord, Totschlag, Kindstötung, fahrlässige Tötung). Selbst die Einwilligung des Betroffenen ändert nichts an Verbot und Strafbarkeit (Tötung auf Verlangen, Sterbehilfe). Einschränkungen der Strafbarkeit gibt es allerdings im Fall der Abtreibung.

  • Erlaubte Tötungen

Tötungserlaubnisse gibt es im Fall des polizeilichen (finalen) Rettungsschusses, im Krieg und Im Fall der Notwehr. In manchen Staaten kommt als erlaubte Tötung noch der Vollzug der Todesstrafe hinzu. Generell erlaubt ist die Tötung von Pflanzen und Tieren.

  • Arbeitsblatt Felix Herzog: "Mörder verdienen die härteste Strafe". Grade des Unrechts von Tötungen und deren Bestrafung aus juristischer Sicht.

Streitfall Sterbehilfe

"§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung.

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht."

Thomas Fischer (2017):

Diese Vorschrift ist durch ein Änderungsgesetz vom 3. Dezember 2015 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden und seit 10. Dezember in Kraft. Das Gesetz hat damals die Debatte um die Sterbehilfe, Suizidbeihilfe und Palliativmedizin zu beenden versucht, indem es von allen diskutierten Vorschlägen den restriktivsten, freiheitsfeindlichsten und obrigkeitsstaatlichsten umsetzte. Wie üblich geschah dies unter großem Moralin- und Argumentationsaufwand und natürlich mit den allerbesten Absichten. Es gab (mindestens) drei Gesetzesvorschläge mit unterschiedlich restriktiver Handhabung. Der am meisten rückwärtsgewandte, am meisten bevormundende, am wenigsten menschenfreundliche wurde Gesetz. Eine breite Mehrheit der Bürger hätte sich – laut zahllosen Umfragen und Untersuchungen – anders entschieden. So viel Vertrauen in die Vernunft ihrer Untertanen aber wollten die GesetzgeberInnen nicht aufbringen. Die Abgrenzung zwischen strafbarer "Tötung auf Verlangen" und strafloser "Beihilfe zur Selbsttötung" ist sachlich verfehlt, moralisch mehr als zweifelhaft, menschlich und medizinisch sinnlos. Sie treibt zahllose Menschen in verzweifelte, leidensvolle und grausame Selbsttötungen und verhindert wirksame, frühzeitige Hilfe für Suizidgefährdete. (...) Der einsame Demente aus dem zu Beginn vorgestellten Münchner Fall hatte Pech: vier oder sechs oder acht Jahre Röcheln und Verwirrung und Krampf. Zwei Jahre "nicht indizierte" Magensonde. Wille nicht bekannt, mutmaßlicher Wille nicht beweisbar. - Warum lassen wir uns das gefallen, da es doch die schlimmste und unfreieste Lösung eines Problems ist, das auf uns alle zukommt – mit unvergleichlich höherer Sicherheit als der nächste Sonnenuntergang?

Grade von Schuld und Strafe

  1. Tötung rechtmäßig und ohne Schuld: Tötung nach Polizei- und Soldatengesetzen, im Rahmen der Justiz (Henker) oder bei ordnungsgemäßer Schlachtung etc.
  2. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist aber rechtmäßig und daher weder schuldhaft noch strafbar (Notwehr)
  3. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig, aber nicht schuldhaft und deshalb nicht strafbar (unvermeidlicher Verbotsirrtum; Unzurechnungsfähigkeit)
  4. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig und in verminderten Maße schuldhaft (verminderte Zurechnungsfähigkeit) und deshalb im Prinzip strafbar, wenn auch "milde"
  5. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig und voll schuldhaft, aber nicht strafbar (Verjährung oder andere Strafausschließungsgründe)
  6. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig, schuldhaft und in vollem Umfang strafbar
  7. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig, außerordentlich schuldhaft und in erhöhtem Maße strafbar
  8. Tötung erfüllt Straftatbestand, ist rechtswidrig und außerordentlich schuldhaft, in erhöhtem Maße strafbar und begründet wegen besonderer Gefährlichkeit auch über das Strafende hinaus ein weiteres Andauern des Freiheitsentzugs.

Nichtanzeige geplanter Straftaten und Beichtgeheimnis In Deutschland besteht für Geistliche gem. § 139 Abs. 2 StGB keine Anzeigepflicht - und zwar selbst wenn sie in ihrer Eigenschaft als Seelsorger von dem Vorhaben eines Hochverrats, Landesverrats, Münzverbrechens, Mordes, Totschlages, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis erhalten. Damit nimmt das staatliche Recht auf den Gewissenskonflikt des Geistlichen und die Glaubwürdigkeit der betroffenen Religionsgemeinschaft Rücksicht.

Homizid und Suizid

Jährlich sterben rund 54 Millionen Menschen. 17 Millionen davon (32%) sterben an Herzkrankheiten (CVD), also insbesondere Herzinfarkt und Schlaganfall, als Todesursache Nummer 1. Dazu kommen Todesfälle durch andere nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs, Lungenerkrankungen und Diabetes. Und Todesfälle durch übertragbare Krankheiten. Infektionskrankheiten töteten allein im 20. Jahrhundert rund 1,6 Milliarden Menschen. An diese Zahl kommen Kriege und Kriminalität bei weitem nicht heran. Zwar gibt es Schätzungen, nach denen alle ca. 14.000 Kriege der historisch belegten Menschheitsgeschichte bis zu 3 Milliarden Menschenleben gekostet haben sollen, doch dürfte die tatsächliche Zahl eher bei 1 Milliarde bzw. eher noch darunter liegen.

OECD: Over 10 million people died in 2015 across OECD countries, which equates to an average of 793 deaths per 100 000 population. Diseases of the circulatory system and cancer are the two leading causes of death in most countries. Across the OECD, more than one in three deaths were caused by ischaemic heart diseases, stroke or other circulatory diseases; and one in four deaths were related to cancer.
Guatemala Top 10 Causes of Death
  1. Lower Respiratory Infections 14%
  2. Interpersonal Violence 11%
  3. Cancer 11%

I#schemic Heart Disease 8%

  1. Diabetes 5%
  2. Stroke 4%
  3. Cirrhosis 4%
  4. Chronic Kidney Disease 2%
  5. HIV 2%
  6. Chronic Obstructive Pulmonary Disease 2%


Durch Verkehrsunfälle kommen pro Jahr rund 1,25 Millionen Menschen ums Leben. Durch vorsätzliche Selbsttötungen (Suizid) knapp 800 000 Menschen - und durch vorsätzliche Fremdtötungen (homicide) knapp 500.000.

2015: Worldwide, more people die of suicide than of all homicides and wars combined

WHO 2017 about 10 leadings causes of death worldwide:

Of the 56.4 million deaths worldwide in 2015, more than half (54%) were due to the top 10 causes. Ischaemic heart disease and stroke are the world’s biggest killers, accounting for a combined 15 million deaths in 2015. These diseases have remained the leading causes of death globally in the last 15 years.
Chronic obstructive pulmonary disease claimed 3.2 million lives in 2015, while lung cancer (along with trachea and bronchus cancers) caused 1.7 million deaths. Diabetes killed 1.6 million people in 2015, up from less than 1 million in 2000. Deaths due to dementias more than doubled between 2000 and 2015, making it the 7th leading cause of global deaths in 2015.
Lower respiratory infections remained the most deadly communicable disease, causing 3.2 million deaths worldwide in 2015. The death rate from diarrhoeal diseases almost halved between 2000 and 2015, but still caused 1.4 million deaths in 2015. Similarly, tuberculosis killed fewer people during the same period, but is still among the top 10 causes with a death toll of 1.4 million. HIV/AIDS is no longer among the world’s top 10 causes of death, having killed 1.1 million people in 2015 compared with 1.5 million in 2000.
Road injuries killed 1.3 million people in 2015, about three-quarters (76%) of whom were men and boys.

Laut Steven Pinker (2011) war das Risiko eines gewaltsamen Todes aufgrund vorsätzlicher Tötung in der Geschichte der Menschheit noch nie so gering wie in der Gegenwart. Dieser seit vielen Jahrhunderten andauernde tendenzielle Fall der Homizidrate im historischen Prozess wurde nicht einmal durch die Genozide und andere Massentötungen im 19. und 20. Jahrhundert gestoppt oder umgekehrt. Hauptgrund für den Rückgang der Homizid-Raten ist der zum Teil erfolgreiche Versuch der Monopolisierung physischer Gewalt durch staatliche Bürokratien - dieselben, die andererseits zur effektiven Organisation von Massengewalt fähig sind. Vor 10.000, 5.000, 2.000 und auch noch vor 500 Jahren war die Rate gewaltsamer Todesfälle wesentlich höher als heute. Insofern wurde das Mordgeschehen immer weiter marginalisiert: faktisch wie ideologisch und moralisch. Ein erster Befriedungsschub verdankte sich vor 5000 Jahren der Entstehung von Hochkulturen. Damals ging die Rate der Homizide um etwa vier Fünftel zurück. Der Aufbau von Verwaltungsstrukturen im 13. und 14. Jahrhundert führte zu einem erneuten und dramatischen Rückgang auf jährlich vielleicht noch 30 bis 40 Personen pro 100 000 Einwohner. Der dritte Humanisierungsschub kam mit dem Niedergang zahlreicher Gewaltpraktiken von der Gewaltherrschaft bis zur Folter im Zuge von Aufklärung und Urbanisierung (Eisner 1997). -Der Kriminologe Manuel Eisner hat Hunderte von Mordanschlägen aus westeuropäischen Orten zusammengetragen, die zwischen 1200 und Mitte der 90er Jahre aufgezeichnet wurden. In jedem von ihm analysierten Land sanken die Mordraten stark - zum Beispiel von 24 Morden pro 100.000 Engländer im vierzehnten Jahrhundert auf 0,6 pro 100.000 bis Anfang der 1960er Jahre.

Auf der Skala von Jahrzehnten zeichnen umfassende Daten wieder ein schockierend glückliches Bild: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die globale Gewalt stetig zurückgegangen. Laut dem Human Security Brief 2006 ist die Zahl der Kampftoten in zwischenstaatlichen Kriegen von mehr als 65.000 pro Jahr in den 1950er Jahren auf weniger als 2.000 pro Jahr in diesem Jahrzehnt gesunken. In Westeuropa und Amerika ging die Zahl der Kriege, Militärputsche und tödlichen ethnischen Unruhen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts stark zurück.

Das Zoomen mit einer weiteren Zehnerpotenz offenbart eine weitere Reduktion. Nach dem Kalten Krieg gab es in allen Teilen der Welt einen steilen Rückgang der staatsbasierten Konflikte, und diejenigen, die auftreten, enden eher in Verhandlungslösungen als bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Inzwischen, so die Politikwissenschaftlerin Barbara Harff, ist die Zahl der Massenmordkampagnen an Zivilisten zwischen 1989 und 2005 um 90 Prozent gesunken.Die Gewaltexzesse des 20. Jahrhunderts mit ihren vielleicht 180 Millionen Toten (White 2011) änderten nichts an der langfristigen Abnahme des Homizids. Selbst wenn dadurch der Durchschnitt auf 3 von hundert Todesfällen stiege, läge dieser Anteil immer noch deutlich unter dem aller früheren Epochen.

  • Staaten mit hohen Homizidraten. Strafbare vorsätzliche Tötungen von Menschen (umgangssprachlich: Morde) sind gegenwärtig relativ (in Bezug auf die Bevölkerungszahl) häufig in:
  1. Honduras (92,0)
  2. Venezuela
  3. Amerikanische Jungferninseln
  4. Belize
  5. El Salvador
  6. Guatemala
  7. Jamaika
  8. Swasiland
  9. St. Kitts and Nevis.

Die nächsten 12 sind dann: Südafrika, Bahamas, Brasilien, Trinidad und Tobago, Demokratische Republik Kongo, Puerto Rico, Saint Vincent & the Grenadines, Kolumbien, Ruanda, Dominikanische Republik, St. Lucia, Mexiko

Drogen:-Hypothese:

According to the latest statistics, Honduras, with 92 murders per 100,000 population, and Jamaica, with 40.9 murders per year per 100,000 people, are among the nations with the highest murder rates in the world (although Jamaica's homicide rate has declined somewhat in recent years).

Other destinations in the Caribbean region with murder rates significantly higher than the United States (4.7) include:

  1. U.S. Virgin Islands: 39 murders per 100,000
  2. St. Kitts and Nevis: 38 per 100,000
  3. Guatemala: 38 per 100,000
  4. Colombia: 37 per 100,000
  5. Belize: 30.8 per 100,000
  6. Trinidad and Tobago: 35 per 100,000
  7. Bahamas: 27.4 per 100,000
  8. Puerto Rico (a Commonwealth of the United States): 26 per 100,000
  9. Mexico: 24 per 100,000
  10. Dominican Republic: 25 per 100,000
  11. St. Lucia: 25 per 100,000
  12. St. Vincent and The Grenadines: 22 per 100,000
  13. Panama: 22 per 100,000
  14. Dominica: 22 per 100,000
  • Die niedrigsten Homizidraten haben Fürstentümer, Stadtstaaten, Inselstaaten (mit Ausnahme der Karibik) und einige autoritäre Staaten in Arabien und Asien sowie einige demokratische westeuropäische Staaten:
  1. Liechtenstein
  2. Monaco
  3. Singapur
  4. Japan
  5. Island
  6. Hongkong
  7. Kuwait
  8. Französisch-Polynesien
  9. Bahrain
  10. Indonesien

Die nächsten elf sind dann: Schweiz, Algerien, Macau, VAE, Schweden, San Marino, Slowenien, Saudi Arabien, Dänemark, Spanien, Deutschland (0,8).

Quelle: Tötungsrate nach Ländern (UNODC) in: de.wikipedia.org; United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) Global Study on Homicide (2013). Anmerkung: nur strafbare vorsätzliche Tötungen sind in die Statistik eingegangen. Kriege, Hinrichtungen, Abtreibungen, Sterbehilfe, tödliche Notwehr/Nothilfe, Suizide, fahrlässige Tötungen usw. - geschweige denn Tötungen nichtmenschlichen Lebens - werden nicht erfasst.

Themen: Homizide und ihre Zusammenhänge mit (1) Drogenrouten, (2) Staatszerfall und (3) alternativen Gewaltordnungen.

  • Suizid:

Die höchsten Suizidraten: Sri Lanka (34,6), Guyana, Mongolia, Kasachstan, Ivory Coast, Surinam, Äquatorial-Guinea, Litauen, Angola, Südkorea. Deutschland: 105. Rang mit 9,1; Brasilien: 135. Rang mit 6,0.

Die niedrigsten Suizidraten: Nepal (0,0), Haiti, Antigua und Barbuda, Saint Kitts and Nevis, Grenada (alle 107. Rang mit 0,0), Ägypten, Jordanien, Syrien, Jamaika, Malediven.

Animalizid

Could lab-grown fish and meat feed the world – without killing a single animal? (2017)

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se peut que dans une ou deux générations, les humains n’élèvent plus bovins, ovins, caprins ou gallinacées dans le but de les consommer. Le respect de la vie sous toutes ses formes sera peut-être devenu la règle et l’opinion aura donné raison à madame Bardot. On continuera quand même à écraser les moustiques et éliminer les pucerons.
"Nichts erregt unseren Ekel stärker als Kannibalismus, jedoch machen wir den gleichen Eindruck auf Buddhisten und Vegetarier, da wir uns ebenfalls von Babys ernähren, wenn auch nicht von unseren eigenen.“ - Robert Louis Stevenson
„Das gesamte jährliche Ausmaß des Leidens in der freien Natur ist jenseits aller vernünftigen Vorstellung. Während der Minute, die es braucht, um diesen Satz zu schreiben, werden Tausende von Tieren lebendig gefressen, andere rennen um ihr Leben, winseln vor Angst, wieder andere werden von Parasiten langsam von innen her aufgefressen, Tausende aller Arten sterben an Hunger, Durst und Krankheit.“ (Richard Dawkins, 1995, Und es entsprang ein Fluß in Eden).

Fragen:

  • Kartographie des Tötens von Tieren: wo werden welche Tiere wie häufig zu welchen Zwecken und mit welchen Begründungen getötet? Ein Thema ist die Industrialisierung des Tötens; während beim Menschen die Tötungsrate im langen historischen Prozess rückläufig zu sein scheint, dürfte die Tötungsrate bei Tieren gegenläufig sein; Tötungszwecke: Nahrungsmittelindustrie; Pelzindustrie; Kosmetikindustrie; Medizinische Tier- und Menschenversuche.
  • Rechtlicher Status der Tiere: welche Tiere haben in welchen normativen Ordnungen welchen Status? Werden sie als Sachen angesehen oder als Mitgeschöpfe oder als Wesen mit eigenen Rechten (und Pflichten)? Wie ist es mit der strafrechtlichen Verantwortung von Tieren? Wie steht es um die Grundrechte von Tieren, etwas von Menschenaffen? Wie steht es mit dem Tötungsverbot im Vergleich zum menschlichen Bereich? Während die Tötung von Menschen grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise erlaubt ist, ist es bei Tieren und Pflanzen genau andersherum. Grundsätzlich ist die Tötung erlaubt, aber es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel verbietet § 44 Abs. I Nr. 1 BNaturschutzG, "wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören".
  • Wo verlaufen heute die Konfliktlinien in Recht und Gesellschaft, was das Töten von Tieren angeht? Hier ist z.B. an das Great Ape Project (GAP) zu denken, das bestrebt ist, Menschenaffen durch eine UN-Deklaration über Tierrechte das Recht auf Leben und Freiheit zuzubilligen:
The Great Ape Project (GAP), founded in 1993, is an international organization of primatologists, anthropologists, ethicists, and others who advocate a United Nations Declaration of the Rights of Great Apes that would confer basic legal rights on non-human great apes: chimpanzees, bonobos, gorillas, and orangutans. The rights suggested are the right to life, the protection of individual liberty, and the prohibition of torture. The organization also monitors individual great ape activity in the United States through a census program. Once rights are established, GAP would demand the release of great apes from captivity; currently 3,100 are held in the U.S., including 1,280 in biomedical research facilities (Great Ape Project, in: en.wikipedia.org).
  • "Convenience euthanasia" is the term we use to describe the euthanasia of a healthy pet whose owner wishes to have him euthanized for personal reasons.

Convenience euthanasia applies primarily to those cases where an owner presents himself/herself at your practice and gives a flimsy excuse for wanting their pet euthanized. The most common lines?

  1. I'm moving and I can’t take her with me.
  2. He's too big so my wife no longer wants him.
  3. We have new furniture.
  4. I lost my job and I can’t afford to keep him.
  5. It's my pet and I have a right to have it euthanized, right?

While some of these reasons might be related to the pet’s behavior (such as furniture clawing), they’re all pretty weak excuses, especially should they meet the second criteria for qualifying as an obvious convenience euthanasia: no attempt made to place said pet in another home. From: Convenience Euthanasia: Hot Topic du Jour (2010)

  • Töten im Schlachthof

In den gewerblichen Schlachtbetrieben in Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2017 4 Mio. Tonnen Fleisch produziert. Das waren 28,6 Mio. Schweine, 1,7 Mio. Rinder (davon >160 000 Kälber) und über 740.000 t Geflügelfleisch, knapp 10.000 t Schaf- und Lammfleisch, knapp unter 1.000 t Pferdefleisch und unter 200 t Ziegenfleisch.

114.688.000 t Schweinefleischproduktion weltweit (Prognose für) 2017.

Brasilien: 3.8 Mio. t Schweinefleisch-Produktion und 9,5 Mio. t Rind- und Kalbfleisch-Produktion pro Jahr

  • Zoo-Tötung

Giraffe Marius wird getötet und verfüttert

Heiße und kalte Tötungen Wie Alexander Mitscherlich (in: Zwei Arten der Grausamkeit) zwischen heißer und kalter Grausamkeit und Jan Philipp Reemtsma zwischen heißer und kalter Gewalt (in: Die Wiederkehr der Hobbeschen Frage) unterschied - derjenigen der Losgelassenen, der Plünderer und Vergewaltiger auf der einen und derjenigen der diszipliniert sich an Aufträge und Pflichten haltenden andererseits - so lassen sich auch heiße und kalte Tötungen unterscheiden (gedacht als Polarität, aber auch als Kontinuum).

Heiß heißt: mit aufgewühlten Gefühlen - Tötung aus Hass, aus besinnungsloser Wut, aus extremer Angst heraus - oder aus übersteigerter Lust. Heiß ist meist überraschend und ungewöhnlich für die Betroffenen Täter und Opfer. Heiß ist z.B. der Lynchmord. Vgl. Garland, David (2005) Penal Excess and Surplus Meaning. Public Torture Lynchings in 20th Century America (pdf)

Kalt heißt: arbeitsteilig und berufs- oder pflichtmäßig, vielleicht mit einer gewissen Befriedigung, weil man es kann und es aushält. Aber eher doch ohne erhöhten Puls und ohne erhöhte Körpertemperatur. Kalt ist vorhersehbar, geplant, begründet, cool in seiner Geschäftsmäßigkeit. Kalt ist eine ruhige, diszipliniert tätige Tötung ohne besondere innere Aufregung. (Die Tötungsarbeit im Vernichtungslager, evtl. aber auch manche kaltblütigen privaten Morde, vgl. Truman Capote, Kaltblütig).

Ein kurzer Film über das Töten Die Dramatik des Films A short film about killing stammt aus dem Gegensatz zwischen dem Verbrechen eines jungen Mannes (heiße Tötung) und der kalten Grausamkeit seiner Hinrichtung. Im Film von K. Kieslowski werden zwei schreckliche Tötungen gezeigt. Die eine ist unmotiviert und unentschuldbar, die zweite kalt, präzise und irgendwie als Vergeltung oder Abschreckung legitimiert. Der erste Mord ist "far more gruesome", aber der zweite "easily more horrifying because of our complicity in it. We see all the preparations being made"; Ein kurzer Film über das Töten (1989) in: de.wikipedia. Ausschnitt auf YouTube

Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kälte/Hitze und der Machtrelation zwischen Täter und Opfer? Tötet es sich von oben nach unten leichter und kälter (und von unten nach oben schwerer und heißer)?

Auschwitz Der Prozess der Zivilisation (Norbert Elias) hat einerseits die heiße Gewalt zurückgedrängt (Affektkontrolle). Er hat aber keine wirksamen Schranken gegen die kalte Gewalt der Tötungsarbeit errichtet: siehe Auschwitz.

"Auf mich wirkte diese Vergasung beruhigend“

Der Kommandant von Auschwitz, Höß, der das größte Vernichtungslager einrichtete und von 1940 bis 1943 leitete, hat im polnischen Gefängnis eine Autobiographie „Meine Psyche. Werden, Leben und Erleben“ geschrieben, der der nachstehende Auszug entnommen ist. Höß wurde 1947 vom polnischen Obersten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Nach dem Willen des RFSS (Reichsführer SS Himmler. Die Red.) wurde Auschwitz die größte Menschen-Vernichtungs-Anlage aller Zeiten. Als er mir im Sommer 1941 persönlich den Befehl erteilte, in Auschwitz einen Platz zur Massenvernichtung vorzubereiten und diese Vernichtung durchzuführen, konnte ich mir nicht die geringsten Vorstellungen über die Ausmaße und die Auswirkungen machen. Wohl war dieser Befehl etwas Ungewöhnliches, etwas Ungeheuerliches. Doch die Begründung ließ diesen Vernichtungsvorgang richtig erscheinen. - Ich stellte damals keine Überlegungen an -- ich hatte den Befehl bekommen -- und hatte ihn durchzuführen. Ob diese Massenvernichtung der Juden notwendig war oder nicht, darüber konnte ich mir kein Urteil erlauben, soweit konnte ich nicht sehen. Wenn der Führer selbst die "Endlösung der Judenfrage" befohlen hatte, gab es für einen alten Nationalsozialisten keine Überlegungen, noch weniger für einen SS-Führer. "Führer befiehl, wir folgen" -war keinesfalls eine Phrase, kein Schlagwort für uns. Es war bitter ernst gemeint. - Es wurde mir seit meiner Verhaftung wiederholt gesagt, daß ich ja diesen Befehl hätte ablehnen können, ja daß ich Himmler hätte über den Haufen schießen können. -- Ich glaube nicht, daß unter den Tausenden von SS-Führern auch nur einer einen solchen Gedanken in sich hätte aufkommen lassen können. So etwas war einfach ganz unmöglich. Wohl haben viele SS-Führer über manchen harten Befehl des RFSS gemeckert, geschimpft, aber ausgeführt haben sie jeden. - Der RFSS hat manchem SS-Führer durch seine unerbittliche Härte bitter weh getan, aber nicht einer, glaube ich fest, hätte es gewagt, sich an ihm zu vergreifen, auch nicht in den geheimsten Gedanken. Seine Person als RFSS war unantastbar. Seine grundsätzlichen Befehle im Namen des Führers waren heilig. An denen gab es keine Überlegungen, keine Auslegungen, keine Deutungen. Bis zur letzten Konsequenz wurden sie durchgeführt und sei es durch bewußte Hingabe des Lebens, wie es nicht wenige SS-Führer im Kriege taten ...

Bevor aber die Massenvernichtung der Juden begann, wurden in fast allen KL (Konzentrationslagern. Die Red.) 1941/42 die russischen Politruks und politischen Kommissare liquidiert ... Solche herausgefundenen politischen Funktionäre der Roten Armee kamen nun auch zur Liquidierung nach Auschwitz. Die ersten kleinen Transporte wurden durch Exekutions-Kommandos der Truppe erschossen.

Während einer Dienstreise hatte mein Vertreter, der Schutzhaftlagerführer Fritzsch, zur Tötung Gas verwendet. Und zwar das Blausäurepräparat Cyclon B, das zur Ungeziefervertilgung im Lager laufend gebraucht wurde und vorrätig lag. Nach meiner Rückkehr meldete er mir dies, und beim nächsten Transport wurde wiederum dies Gas benutzt.

Die Vergasung wurde in den Arrestzellen des Blocks 11 durchgeführt. Ich selbst habe mir die Tötung, durch eine Gasmaske geschützt, angesehen. Der Tod erfolgte in den vollgepropften Zellen sofort nach Einwurf. Nur ein kurzes, schon fast ersticktes Schreien, und schon war es vorüber. So recht zum Bewußtsein ist mir diese erste Vergasung von Menschen nicht gekommen, ich war vielleicht zu sehr von dem ganzen Vorgang überhaupt beeindruckt.

Stärker erinnerlich ist mir die bald darauf erfolgte Vergasung von 900 Russen im alten Krematorium, da die Benutzung des Blocks 11 zuviel Umstände erforderlich machte. Es wurden einfach noch während des Entladens mehrere Löcher von oben durch die Erd- und Betondecke des Leichenraumes geschlagen. Die Russen mußten sich im Vorraum entkleiden und gingen aUe ganz ruhig in den Leichenraum, da ihnen gesagt wurde, sie würden da entlaust.

Der ganze Transport ging gerade genau in den Leichenraum. Die Tür wurde zugeschlossen und das Gas durch die Öffnungen hineingeschüttet. Wie lange diese Tötung gedauert hat, weiß ich nicht. Doch war eine geraume Weile das Gesumme noch zu vernehmen. Beim Einwerfen schrien einige "Gas", darauf ging ein mächtiges Brüllen los und ein Drängen nach den beiden Türen. Diese hielten aber den Druck aus. Nach mehreren Stunden erst wurde geöffnet und entlüftet. Da sah ich nun zum ersten Male die Gasleichen in der Menge. Mich befiel doch ein Unbehagen, so ein Erschauern, obwohl ich mir den Gastod schlimmer vorgestellt hatte. Ich stellte mir darunter immer ein qualvolles Ersticken vor. Die Leichen waren aber durchwegs ohne jegliche Verkrampfung. Wie mir die Ärzte erklärten, wirkte die Blausäure lähmend auf die Lunge, die Wirkung wäre aber so plötzlich und so stark, daß es nicht zu den Erstickungserscheinungen wie z. B. durch Leuchtgas oder durch allgemeine Luftentziehung des Sauerstoffs fuhre.

Über die Tötung der russischen Kriegsgefangenen an und für sich machte ich mir damals keine Gedanken. Es war befohlen, ich hatte es durchzuführen. Doch ich muß offen sagen, auf mich wirkte diese Vergasung beruhigend, da ja in absehbarer Zeit mit der Massenvernichtung der Juden begonnen werden mußte, und noch war weder Eichmann noch mir die Art der Tötung dieser zu erwartenden Massen klar. Durch Gas sollte es wohl sein, aber wie und was für ein Gas? Nun hatten wir das Gas und auch den Vorgang entdeckt. Der Spiegel 6/1979

Kurze Zeit danach kam Eichmann zu mir nach Auschwitz. Er weihte mich in die Pläne der Aktionen in den einzelnen Ländern ein. Die Reihenfolge vermag ich nicht mehr genau anzugeben. Zuerst sollte für Auschwitz Ostoberschlesien und die daran angrenzenden Teile des Generalgouvernements in Frage kommen. Gleichzeitig und dann je nach Lage fortgesetzt die Juden aus Deutschland und der Tschechoslowakei. Anschließend der Westen, Frankreich, Belgien, Holland. Er nannte mir auch ungefähre Zahlen der zu erwartenden Transporte, die ich aber nicht mehr nennen kann. Wir besprachen weiter die Durchführung der Vernichtung. Es käme nur Gas in Frage, denn durch Erschießen die zu erwartenden Massen zu beseitigen wäre schlechterdings unmöglich und auch zu große Belastung für die SS-Männer, die dies durchführen müßten, im Hinblick auf die Frauen und Kinder.

Eichmann machte mich bekannt mit der Tötung durch die Motoren-Abgase in Lastwagen, wie sie bisher im Osten durchgeführt wurde. Dies käme aber für die zu erwartenden Massen-Transporte in Auschwitz nicht in Frage. Die Tötung durch Kohlenoxyd-Gas durch Brausen in einem Baderaum, wie die Vernichtung der Geisteskranken an einigen Stellen im Reich durchgeführt wurde, erfordere zu viel Baulichkeiten; auch wäre die Beschaffung des Gases für die großen Massen sehr problematisch. Wir kamen in dieser Frage zu keinem Entscheid. Eichmann wollte sich nach einem Gas, das leicht zu beschaffen wäre und keine besonderen Anlagen erfordere, erkundigen und mir dann berichten. Wir fuhren ins Gelände, um den geeigneten Platz festzulegen. Wir hielten das Bauerngehöft an der Nord-West-Ecke des späteren Bauabschnittes III Birkenau für geeignet. Es war abgelegen, gegen Einsicht durch umliegende Waldstücke und Hecken geschützt und nicht zu weit von der Bahn entfernt. Die Leichen sollten auf dem angrenzenden Wiesenplan in tiefen langen Gruben untergebracht werden. An ein Verbrennen dachten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir berechneten, daß man in den dort vorhandenen Räumlichkeiten ungefähr 800 Menschen gleichzeitig nach Gasdichtmachung durch ein geeignetes Gas töten könnte. Dies entsprach auch der späteren Kapazität. Den Zeitpunkt des Beginnes der Aktionen konnte mir Eichmann noch nicht sagen, da alles noch in Vorbereitung wäre und der RF-SS noch nicht den Anfang befohlen hatte.

Eichmann fuhr nach Berlin zurück, um dem RF-SS über unsere Besprechung zu berichten. Einige Tage später schickte ich durch Kurier einen genauen Lageplan und eine genaue Beschreibung der Anlage an den RF-SS. Eine Antwort bzw. einen Bescheid hierüber habe ich nie bekommen. Späterhin sagte mir Eichmann einmal, daß der RF-SS damit einverstanden sei.

Ende November war in Berlin bei der Dienststelle Eichmann eine Dienstbesprechung des gesamten Judenreferates, zu der auch ich hinzugezogen wurde. Die Beauftragten Eichmanns in den einzelnen Ländern berichteten über den Stand der Aktionen und über die Schwierigkeiten, die der Durchführung der Aktionen entgegenstanden, wie Unterbringung der Verhafteten, Bereitstellung der Transport-Züge, Fahrplankonferenz u. ä. Den Beginn der Aktionen konnte ich noch nicht erfahren. Auch hatte Eichmann noch kein geeignetes Gas aufgetrieben.

Im Herbst 1941 wurden durch einen geheimen Sonderbefehl in den Kriegs-Gefangenenlagern die russischen Politruks, Kommissare und besondere politische Funktionäre durch die Gestapo ausgesondert und dem nächstgelegenen Konzentrationslager zur Liquidierung zugeführt. In Auschwitz trafen laufend kleinere Transporte dieser Art ein, die durch Erschießen in der Kiesgrube bei den Monopol-Gebäuden oder im Hof des Blocks 11 getötet wurden. Gelegentlich einer Dienstreise hatte mein Vertreter, der Hauptsturmführer Fritsch, aus eigener Initiative Gas zur Vernichtung dieser russischen Kriegsgefangenenverwendet und zwar derart, daß er die einzelnen im Keller gelegenen Zellen mit den Russen vollstopfte und unter Verwendung von Gasmasken Cyclon B in die Zellen warf, das den sofortigen Tod herbeiführte. Das Gas Cyclon B wurde in Auschwitz durch die Firma Tesch u. Stabenow laufend zur Ungezieferbekämpfung verwendet, und es lagerte daher immer ein Vorrat dieser Gasbüchsen bei der Verwaltung. In der ersten Zeit wurde dieses Giftgas, ein Blausäurepräparat, uns durch Angestellte der Firma Tesch u. Stabenow unter größten Vorsichtsmaßnahmen angewandt, später wurden einige SDGS-Sanitätsdienstgrade als Desinfektoren bei der Firma ausgebildet, und es haben dann diese die Gasverwendung bei der Entseuchung und Ungezieferbekämpfung durchgeführt. Beim nächsten Besuch Eichmanns berichtete ich ihm über diese Verwendung von Cyclon B, und wir entschlossen uns, bei der zukünftigen Massenvernichtung dieses Gas zur Anwendung zu bringen...

1941 kamen die ersten Judeneinlieferungen aus der Slowakei und dem oberschlesischen Gebiet. Die nichtarbeitsfähigen wurden im Vorraum des Krematoriums vergast auf einen Befehl Himmlers, den er mir persönlich gab. Ich wurde nach Berlin im Juni 1941 zu Himmler befohlen, wo er dem Sinne nach ungefähr folgendes sagte: Der Führer hat die Lösung der Judenfrage in Europa befohlen. Es bestehen im Generalgouvernement schon einige sogenannte Vernichtungslager (Belzec bei Rawa Ruska, Ost-Polen; Treblinka bei Małkinia am Flusse Bug und Wolzek bei Lublin). Diese Lager unterstanden den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei unter der Führung höherer Sipo-Offiziere und Wachmannschaften. Diese Lager sind aber wenig leistungsfähig und können auch nicht weiter ausgebaut werden. Ich habe selbst das Lager Treblinka 1942 im Frühjahr besucht, um mich über die Verhältnisse zu informieren. Die Vernichtungen wurden auf folgender Methode ausgeführt: Es waren kleine Kammern in Stubengröße, die durch Zuleitungsrohre mit Gas von Automotoren beschickt wurden …

aus: Broszat, Martin, Hg. (1963) Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höss. München: dtv. (S. 157 ff.) Vgl. auch Ein Sonderbefehl für Höss.

The Act of Killing: Massaker in Indonesien 1965

Sie haben es "gern getan", sie hatten "viel Spaß dabei", es war die aufregendste Zeit ihres Lebens. "Hackmesser" nannten sich die Todesschwadronen, die 1965 in Indonesien ausschwärmten und jeden jagten, den sie für einen Kommunisten hielten. Je nach Schätzung starben dabei bis zu zweieinhalb Millionen Menschen, allein auf Bali töteten die "Patrioten" in zwei Wochen 80.000 Bewohner. Heute sind die Täter hoch geachtete Mitglieder der Gesellschaft; die Nachfolgeorganisation der Todesschwadronen, die paramilitärische Pancasila-Jugend, hat drei Millionen Mitglieder, und wenn sie feiern, sitzt der Vizepräsident in der ersten Reihe.
Wie es zu diesem Staatsverbrechen kam, wurde nie ganz geklärt. Ein Gruppe linksnationaler Militärs hatte geputscht und acht Generäle ermordet. Nach einem erfolgreichen Gegenschlag kam General Suharto an die Macht und rief zur Hetzjagd gegen die Kommunistische Partei auf, angeblich die Drahtzieherin des Putsches. Auch die amerikanische Botschaft hatte ihre Hand im Spiel und lieferte Listen mit "Verdächtigen". Nach dem Genozid unterhielt Deutschland freundschaftliche Beziehungen zum Diktator Suharto, denn er hatte ja keine Christenmenschen, er hatte "nur" Kommunisten ermorden lassen.
Der amerikanische Dokumentarfilmer Joshua Oppenheimer hat nun etwas Unglaubliches getan: Er hat in Indonesien die Mörder aufgesucht und sie gebeten, ihre Taten vor der Kamera nachzuspielen, in allen Details. Anwar Congo, der früher in Medan den Schwarzmarkt für Kinokarten kontrollierte, ist die Hauptfigur in seinem Dokumentarfilm The Act of Killing, im Plauderton gibt der freundliche ältere Herr Auskunft über seine "ruhmreiche Vergangenheit".
Anfangs macht er Witze und ist stolz darauf, dass er noch immer das Vorbild der Jugend ist. "Wir fühlten uns damals als Gangster", sagt er, als freie Männer, "born to be free". Die Kommunisten hätten ihnen die geliebten Hollywoodfilme verbieten wollen, und deshalb hätten sie beseitigt werden müssen. Marlon Brando, Al Pacino, John Wayne – diese Helden "waren unsere großen Vorbilder". Tanzend sei man aus dem Kino gekommen, "ich hatte noch den Takt der Filme in mir, ging rüber zu den Paramilitärs und machte Verhöre".
Tausend Menschen hat Anwar Congo als Führer einer Todesschwadron mit eigenen Händen getötet, darunter viele Chinesen. An manchen Tagen habe er jeden Chinesen umgebracht, der ihm auf der Straße begegnet sei, auch den Vater seiner Freundin. Bei den "Hausbesuchen" schnappte man sich die Kinder, hielt ihnen ein Messer an die Kehle und schrie den Vater an: "Liebst du dieses Kind? Dann gesteh, dass du Kommunist bist!"
Aber es habe auch "Probleme" gegeben, bei den Massakern sei zu viel Blut geflossen, es habe gestunken, und es sei lästig gewesen, ständig "den ganzen Dreck wegmachen zu müssen". Danach habe man die Kommunisten nicht mehr totgeschlagen, sondern mit einer Nylonschnur erdrosselt. Anwar Congo macht es vor, er ist stolz auf das saubere Verfahren, er hat es in einem Mafiafilm gelernt. Sorgfältig legt er seinem Freund die Schnur um den Hals. "Dann haben wir einfach gezogen. So lange, bis der Kopf des Kommunisten auf die Brust sackte."
Einmal spielt die Pancasila-Jugend nach, wie ein Dorf niedergebrannt wird, mitten im uniformierten Mob steht der groß gewachsene Anwar Congo, ein dunkel gekleideter Schattenmann, der aussieht, als habe ihn die Hölle wieder ausgespuckt. Eine Massenhysterie bricht aus, alle brüllen durcheinander. "Vernichtet die Kommunisten, löscht sie aus, macht keine Gefangenen, hackt ihnen die Köpfe ab!" Einige Teilnehmer werden beim Brandschatzen ohnmächtig, der stellvertretende Sportminister ist zu Gast, er wirkt irritiert und scheint die ausländischen Kameras zu fürchten. "Wir müssen die Kommunisten ausrotten, aber auf die menschliche Art", sagt er beschwichtigend. Und an den Regisseur gewandt: "Nehmen Sie es als Beweis dafür, wie wütend wir werden können." Man glaubt’s ihm sofort.
Am Flughafen trifft Congo seinen früheren Spießgesellen Adi, die beiden Killer fallen sich um den Hals. Später wird Oppenheimer ihn fragen, ob er Kriegsverbrechen begangen habe. Aber Adi, Taxifahrer von Beruf, bleibt eiskalt. "Kriegsverbrechen?" Was das sei, definierten immer die Sieger. "Und ich bin ein Sieger." Dann fragt er, warum sich alle auf "diese Geschichte" stürzten. Die Amerikaner hätten die Indianer ausgerottet, keiner sei zur Rechenschaft gezogen worden. Ob er Albträume habe? "Nein. Wir hatten das Recht, es zu tun. Der Beweis dafür ist, dass wir nie bestraft wurden."
Anwar Congo aber hat Albträume. Er könne nachts nicht mehr schlafen, weil er Menschen beim Sterben zugesehen habe. Vielleicht seien die Albträume die Rache der Toten? Vergeblich habe er versucht, alles zu vergessen – mit Cha-Cha-Cha, Alkohol und Marihuana. Doch die Toten sind nicht tot. "Die Kommunisten kamen nicht in den Himmel, sie blieben auf der Erde, und ihre Geister verfolgen mich." Er wisse, dass es falsch war – "aber ich musste es tun. Ich habe Leute getötet, die nicht sterben wollten. Wir haben sie alle umgebracht." Einmal, als er einem Opfer mit der Machete den Kopf abgeschlagen habe, hätten ihn die offenen Augen des Toten angestarrt – dieser Blick verfolge ihn noch heute. "Warum habe ich ihm nicht die Augen geschlossen?"

Indonesian Mass Killings of 19651966, in: en.wikipedia.org. Auszug:

A headline in U.S. News & World Report read: "Indonesia: Hope... where there was once none". Australian Prime Minister Harold Holt commented in The New York Times, "With 500,000 to 1 million Communist sympathizers knocked off, I think it is safe to assume a reorientation has taken place." .. Time described the suppression of the PKI as "The West's best news for years in Asia," and praised Suharto's regime as "scrupulously constitutional."

Pancasila Youth, in: en.wikipedia.org

The Pancasila Youth (Indonesian: Pemuda Pancasila, PP) is an Indonesian paramilitary organization established by General Abdul Haris Nasution on 28 October 1959 as the youth wing of the League of Supporters of Indonesian Independence. It has been headed since 1981 by Yapto Soerjosoemarno and was one of the semi-official political gangster (preman) groups that supported the New Order military dictatorship of Suharto. The name refers to Pancasila, the official "five principles" of the Indonesian state. Pancasila Youth played an important role in supporting Suharto's military coup in 1965: they ran death squads for the Indonesian army, killing a million or more alleged communists and Chinese Indonesians across the province of North Sumatra, as described in the 2012 documentary The Act of Killing.

Weitere kalte Tötungen

Männer, Frauen, Familie Heiß ist es innerhalb der Familie. Sie ist der gefährlichste soziale Nahraum. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet. Bei 46% der weiblichen gegenüber 19% der männlichen Opfer kommen TäterInnen aus der Verwandtschaft. (Erhitzung des kleinfamiliären Binnenklimas.) Das höchste Risiko droht bis zu 10 Jahren von den Eltern, bis 30 Jahre von Bekannten, bis 50 Jahre vom Ehepartner, bis 60 Jahre von den eigenen Kindern, und danach wieder von Bekannten. Entsprechend ist der wesentlich Tatort die Wohnung, nicht die Straße. Tötungskriminalität ist „ganz überwiegend Männerkriminalität“ – der Anteil der Frauen beträgt 12-15% (bei über 50% Anteil an der Wohnbevölkerung). Frauen töten selten und dann hauptsächlich Familienangehörige, während Männer häufiger auch gegenüber Bekannten und Fremden zu Tätern werden. Täter und Opfer gehören überwiegend dem gleichen sozialen Nahraum an; die Tötung ist das vielleicht persönlichste Verbrechen überhaupt. Nur in 12-20% der vollendeten Tötungen gab es keinerlei Vorbeziehungen zwischen Täter und Opfer – nur in 11% der Fälle weiblicher Täter.

Heiß ist es deshalb auch in Bezug auf störende Dritte oder störende Ehepartner: Der Eifersuchtsmord ist vielleicht das gefährlichste Gefühl der Welt (Profil, Österreich).

  • Frauen als Täter: Kury, Helmut et al. (2015) Women and Children as Victims and Offenders: Background, Prevention, Reintegration. Suggestions for Succeeding Generations (Volume 1). Springer
  • Kompisch, Kathrin (2008) Täterinnen: Frauen im Nationalsozialismus. Böhlau Verlag, Köln, Weimar.
  • Wenn Frauen töten (Deutschlandfunk)

Krieg

  1. Waffen: atomare, biologische, chemische, herkömmliche
  2. Akteure: Scharfschützen, Drohnenpiloten, ...
  3. Lernprozesse: töten lernen
  4. Folgen: Kombattanten töten, Zivilisten töten, Zivilisten sterben lassen
  5. Normative Restriktionen: Völkerrecht

(Eser 2011): Versucht man zu ermitteln, worin die weithin als geradezu selbstverständlich angenommene Lizenz zum Töten im Krieg ihren letzten Grund haben könnte, muss man sich in der wechselvollen Geschichte des modernen Völkerrechts umsehen. Zunächst galt nach der mittelalterlichen Lehre vom „gerechten Krieg“ die Tötung eines Feindes nur als erlaubt, wenn die kriegerische Auseinandersetzung erstens aus gerechtem Grund, zweitens mit guter Absicht und drittens vom Herrscher autorisiert war. Dem darin liegenden „Gerechtheitserfordernis“, das leicht von jeder Seite in Anspruch genommen werden konnte, meinte man dann mit der angeblichen „Indifferenz“ des Völkerrechts und der damit einhergehenden Vorstellung eines beiderseits gerechten Krieges“ begegnen zu können, was schließlich zum „ius ad bellum“ als freiem „Recht zum Krieg“ führte.

Für den damit eingeräumten „selbstgerechten“ Krieg brauchte es nur noch darum zu gehen, die grundsätzlich zulässige Kriegsführung hinsichtlich ihrer Mittel bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen, wie dies für das „ius in bello“ schließlich durch die Haager Landkriegsordnungen geschehen ist. Nachdem bereits damit das aus der souveränen Selbstbestimmung der Staaten abgeleitete „freie Kriegsführungsrecht“ eingeschränkt war, wurde es schließlich durch die Charta der Vereinten Nationen einem grundsätzlichen Gewaltverbot unterworfen. Dieses Verbot gilt zwar nicht ausnahmslos, wie insbesondere nicht bei Wahrnehmung des „naturgegebenen Rechts zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“; gleichwohl wird damit militärische Gewaltanwendung begründungsbedürftig und damit, so die Hoffnung, auch die Opferung von Menschenleben eingeschränkt.

Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklung von einem „selbstgerechten Kriegsrecht“ zu einem „rechfertigungsbedürftigen“ Konfliktvölkerrecht wird aber in der Praxis von Militär und Justiz weiterhin ungerührt nach dem Motto „kriegerische Tötungslizenz soweit nicht ausdrücklich verboten“ verfahren. Eine Erklärung dafür könnte in einer Verknüpfung eines quasi naturrechtlich gedachten Kriegsrechts mit der Souveränitätslehre zu finden sein. Wenn man, wie immer wieder zu lesen ist, das Recht zur Tötung von Menschen als von der Kriegsbefugnis „impliziert“ oder als dem bewaffneten Konflikt „innewohnend“ ansieht, dann liegt es nahe, Töten als ein geradezu selbstverständliches Mittel des Krieges zu verstehen.

Die Berechtigungen müssen begründet sein: Eine solche „Selbstverständlichkeit“ wäre jedoch allenfalls dann hinzunehmen, wenn aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Verbots von Tötung im Krieg deren Erlaubtheit abgeleitet werden könnte. Dies würde aber voraussetzen, dass auf völkerrechtlicher Ebene das Leben im Kriegsfall prinzipiell rechtlos wäre und erst durch das Verbot seiner Vernichtung Rechtschutz erlangte. Wie eine solche primäre Rechtlosigkeit von Leben mit seiner menschenrechtlichen Garantie zu vereinbaren wäre, ist nicht ersichtlich - es sei denn, dass man für den Kriegsfall das Leben von vornherein aus dem menschenrechtlichen Schutzbereich ausnimmt, wie man dies offenbar den einschlägigen Konventionsgarantien meint unterstellen zu können. Soll dem nicht so sein, so wird man auch auf völkerrechtlicher Ebene besonderer Ermächtigungsnormen für die Vernichtung von menschlichem Leben bedürfen. Solche Ermächtigungen werden aber nicht einfach den begrenzenden Verbotsnormen zu entnehmen sein, wie es sie bislang ausschließlich gibt.

Wenn ich der weitverbreiteten Annahme eines der staatlichen Souveränität inhärenten Kriegsführungsrechts und einer daher fraglos hinzunehmenden Tötungslizenz entgegentrete, dann nicht etwa deshalb, weil ich so weltfremd wäre zu meinen, dass dem Töten im Krieg generell die Rechtmäßigkeit abzusprechen sei. Eine Privatperson muss sich gegen einen rechtswidrigen Angriff erforderlichenfalls mit tödlicher Folge verteidigen dürfen, und Gleiches muss auch für ein angegriffenes Land und für die zur Verteidigung eingesetzten Soldaten gerechtfertigt sein. Wohl aber müssen solche Berechtigungen zur Tötung von Menschen begründet und in ihren Voraussetzungen und Grenzen gesetzlich umschrieben sein.

Die Rechtfertigung des Tötens - drei Grunderfordernisse seien angedeutet.

  1. Erstens: Militärische Gewaltanwendung mit möglichen Todesfolgen kann vorneherein nur dann legitimierbar sein, wenn und soweit sie unter Beachtung des Gewaltverbots autorisiert ist.
  2. Zweitens: Um autorisierbar zu sein, muss - über formale Souveränitätsbehauptung hinaus - ein gewichtiger Grund vorliegen, dessen Zielsetzung nicht außer Verhältnis zu möglichen Verlusten an Menschenleben stehen darf. Dafür wären die in allgemeinen Notwehr- und Notstandskonzepten enthaltenen Verteidigungs- und Abwägungskriterien als Richtpunkte heranzuziehen.
  3. Drittens: Um rechtsstaatlichen Erfordernissen zu genügen, sind Eingriffe in das Recht auf Leben durch Ermächtigung zu militärisch erforderlichen Tötungshandlungen so klar wie möglich in gesetzesförmiger Weise zu bestimmen.

Was durch die wohlgemeinte Unterstellung „bewaffneter Konflikte“ schwer eingrenzbarer Art unter das humanitäre Völkerrecht an Kombattantenschutz gewonnen wird, geht andererseits durch kriegsrechtliche Suspendierung des Tötungsverbots verloren. Soll das zudem über internationale Konflikte hinaus auch für nicht-internationale gelten, so bleibt die Erleichterung des Tötens nicht auf „äußere“ Feinde beschränkt, dieser Weg wird dann vielmehr auch gegenüber „inneren“ Feinden eröffnet.

Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, wohin diese Entwicklung schließlich führen könnte, wenn in allem, was heute leichthin als „War“ - wie beispielsweise im „War on Terror“ - bezeichnet wird, ein kriegsübliches Recht zu töten in Anschlag gebracht würde. Die positivrechtliche Konturierung der Rechtfertigung des Tötens im Krieg ist ein elementares Gebot der Sicherheit.

Im Anschluss an Dave Grossman (2009) sind dies die Voraussetzungen für erfolgreiche organisierte Lernprozesse des Tötens:

  1. Drill (= operantes Konditionieren, Dressur, Einüben reflexhaft richtigen Zielens, Schießens und Tötens auch und gerade unter höchstem Stress)
  2. Gehorsam. Es bedarf einer Autorität, die das Töten befiehlt und die unbedingten Gehorsam erwartet. Elemente der Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten, die das Töten befehlen, sind (a) Proximity of the authority figure to the subject, (b) Killer's subjective respect for the authority figure, (c) Intensity of the authority figure's demands (klare und intensive Befehle), (d) Legitimacy of the authority figure's authority and demands
  3. Kameradschaft (reziproke starke Solidarität)
  4. Solidarität der Gesamtgesellschaft (vorbereitende, begleitende und vor allem auch nachherige Unterstützung des Tötenden und seines Handelns durch Politik und öffentliche Meinung).

Sind diese vier Voraussetzungen erfüllt, dann funktionieren die Tötungen nicht nur plangemäß, sondern es werden auch so weit wie möglich psychische Probleme der Tötenden vermieden (PTSD). Siehe auch: Tötologie

  • Tötung von Zivilisten: Hankel Gerd (2011) Das Tötungsverbot im Krieg. Ein Interventionsversuch. Hamburg: Hamburger Edition (Reformvorschlag für das Völkerrecht)]

Scharfschützen:

  1. American Sniper (2014) von Clint Eastwood erzählt die Geschichte von Chris Kyle, dem erfolgreichsten Scharfschützen der USA
  2. Todesschuss. Scharfschützen der israelischen Armee (One Shot). Dokumentarfilm von Nuri Kedar, 2004

Kollateralschäden:

  1. Collateral Murder - oder: Darüber, wie wir unsere menschlichen Tötungsmaschinen züchten..- Spiegel TV

Terrorismen

  • Definition
  • Tötung von Terroristen
  • Tötung durch Terroristen: Terroristen verstehen ihre Taten als Akte der sozialen Kontrolle. Mit ihren Anschlägen definieren sie abweichendes Verhalten und reagieren darauf in vergeltender und präventiver Absicht: Der Terrorismus sieht sich nach Fischer (2014) einem Feld kollektiv generierter und beständig perpetuierter Delinquenz gegenüber, in dem zahlreiche Akteure mehr oder minder verantwortlich scheinen ... zeigt die Handlungslogik des Terrorismus eine deutliche Analogie zu staatlichem Strafen .. der Staat soll dazu angehalten werden, sich in Zukunft normkonform zu verhalten .. oder in seiner Fähigkeit, Unrecht zu begehen, eingeschränkt werden (incapacitation). Zudem ruft der Anschlag Normbrüche ins Bewusstsein, drückt Missbilligung aus und will zeigen, dass der Kampf gegen das Unrecht möglich und erforderlich ist (Normstärkung). Er will Einsicht befördern und Einstellungen ändern (Resozialisation). Terrorismus ist fortgesetzte Pars-Pro-Toto-Sanktionierung exemplarischer Individuen.- Individuelle und kollektive Responsibilisierung (Fischer 2014: 197 f.) - Die terrorismus-typische figurative Verschiebung führt in der Tendenz zu einer Reihe von weiteren Strukturanalogien zu terroristischem Vorgehen: "Die staatliche soziale Kontrolle tendiert nun dazu, ihrerseits partiell kollektivistisch zu werden" (199).
  • Rechtfertigung von Terrorismus: Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen von Georg Meggle, Michael Walzer u.a. führt Uwe Steinhoff (2005: 156-185) zur Kritik der herrschenden politischen Doppelmoral im Namen einer konsequentialistischen politischen Ethik: Die Behauptung, dass Terrorismus niemals gerechtfertigt werden könne, wäre nur unter der Prämisse gültig, dass der direkte Angriff auf unschuldige Zivilisten oder die Inkaufnahme unschuldiger Opfer absolut verboten ist. Im Rahmen einer Verantwortungsethik ist eine solche Prämisse jedoch unplausibel. Terrorismus begründet allenfalls prima facie die Annahme der Illegitimität. Deshalb muss auch ein Staat die hinter dem Anschlag stehenden Gründe zunächst einmal prüfen und darf sie nicht schlechterdings als irrelevant abtun. Selbst wenn so eine Prüfung zu dem Ergebnis der Illegitimität des Anschlags kommt, eröffnet sie die Möglichkeit zu erkennen, dass die Täter womöglich nicht aus schlichter Bosheit, sondern aus Verzweiflung gehandelt haben könnten - einer Verzweiflung, an der man vielleicht nicht ganz unschuldig ist. Das sollte zu einer gewissen Mäßigung von Gegenmaßnahmen führen. Genau das - die Begrenzung des Krieges und der Grausamkeit - ist der Sinn der Lehre vom gerechten Krieg, und nicht die Förderung von Selbstgerechtigkeit und die Erteilung von Freibriefen.

Das für die Rechtfertigung von repressivem Terrorismus genutzte Argument des Notstands trifft bei Lichte betrachtet in höherem Maße zur Rechtfertigung oder Entschuldigung von revoltierendem Terrorismus zu. Dennoch wird des in erster Linie für die Rechtfertigung des Terrorismus der Starken genutzt.

Terrorismus ist keineswegs das Mittel der Schwachen, wie gerne behauptet wird, sondern routinemäßiges Mittel der Starken und eher letztes der Schwachen. Selbst wenn der "war on terror" allen nicht von den Starken ausgehenden Terrorismus aus der Welt schüfe, also den Ausgeschlossenen auch noch das letzte Mittel aus der Hand schlüge, um die Mächtigen den Groll über das Ausgeschlossensein spüren zu lassen, gäbe es - wenn überhaupt - allenfalls ein kleines bisschen weniger Gewalt in der Welt. Mehr Gerechtigkeit gäbe es nicht, im Gegenteil. Es geht bei diesem 'Krieg gegen den Terrorismus', der seinerseits von Staatsterroristen mit terroristischen Mitteln geführt wird, nicht um universelle Werte, sondern um unangefochtene Herrschaft.

Wenn man subnationalen Terrorismus wirklich bekämpfen will, gibt es dazu für die starken Staaten nur drei legitime und zudem gebotene Mittel: Aufgabe der Doppelmoal und Bekämpfung des Staatsterrorismus, von wem auch immer er ausgeht; gezielte Strafverfolgung ... und das endliche Einbeziehen der Ausgeschlossenen.

  • Ambos, Kai (FAZ 4.5.2011) Auch Terroristen haben Rechte
  • Fischer, Michael (2014) Terrorismus und staatliches Strafen: Figurationen der sozialen Kontrolle, in: Henning Schmidt-Semisch & Henner Hess, Hg., Die Sinnprovinz der Kriminalität. Zur Dynamik eines sozialen Feldes. Wiesbaden: Springer VS, 187-202.
  • Fischer, Michael & Pelzer, Robert (2015) Die Logik des Anschlags. Frankfurt/New York: Campus.
  • Steinhoff, Uwe (2005) Moralisch korrektes Töten. Zur Ethik des Krieges und des Terrorismus. Neu-Isenburg: Melzer.
  • Tötung durch Terroristen: IS tötet Geiseln, YouTube

Drohnen und Killer-Robots Mit Drohnen wird im Krieg und in der präventiven und repressiven, bzw. punitiven Terrorismusbekämpfung getötet. Die Besonderheiten und der jüngste Bedeutungszuwachs der Drohnen lassen es sinnvoll erscheinen, dieser Art der Tötung einen eigenen Abschnitt zu widmen.

  • Schirach, Ferdinand von (2015) Terror. Ein Theaterstück und eine Rede. München: Piper.

Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten Die Reaktionen auf Töten und Nicht-Töten sind meist gar nicht messbar. Das gilt für die Reaktionen von Menschen auf die Tötung von Pflanzen und Tieren, aber auch auf die Tötung von Menschen, soweit sie uns nur als kleine Nachrichten aus aller Welt erreichen. J.W. v. Goethe: "Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen/Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,/Wenn hinten, weit, in der Türkei,/Die Völker aufeinander schlagen./Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus/Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;/Dann kehrt man abends froh nach Haus,/Und segnet Fried und Friedenszeiten."

Man sah zu jener unglücklichen Zeit auf den Spitzen der Lanzen und Spieße wie rühmliche Siegeszeichen mehr abgeschnittene Menschenköpfe durch die Straßen tragen, als mein Großvater und seine Vorfahren jemals abgeschlagen hatten. Man sah die entmenschten Horden mehr verstümmelte Leichname über das Pflaster dahinschleppen, als in einem Jahrhundert nach dem Urteil des Kriminalhofes von dem Schafott zur letzten Ruhestätte getragen worden waren. ... Am 17. Januar 1793 wurde endlich das königsmörderische Urteil gesprochen. ...:Ich bin diesen Morgen um acht Uhr aufgebrochen, nachdem ich vorher meine arme Frau, die mich nicht wiederzusehen fürchtete, und meinen Sohn umarmt hatte; ich habe mich mit meinen beiden Brüdern Charlemagne und Louis Martin in einen Fiaker gesetzt. Die Volkshaufen waren in den Straßen so groß, daß nicht mehr viel an neun Uhr fehlte, als wir auf dem Revolutionsplatze anlangten. Gros und Barré, meine Gehilfen, hatten die Guillotine schon auf dem Schafott aufgestellt und alles aufs beste geordnet. Meine Brüder und ich waren gut bewaffnet. Wir hatten unter unseren Regenmänteln außer dem Degen kurze Dolchmesser, in unserem Gürtel vier Pistolen, eine Pulverbüchse und unsere Kugeltaschen. Wir hielten es gar wohl für möglich, daß man versuchen würde, den unglücklichen Fürsten zu befreien, und daß wir nur zu vieler Mittel bedürfen könnten, ihm einen Weg durch die Menge zu bahnen. Als ich auf dem Revolutionsplatze ankam, suchte ich sofort mit den Augen meinen Sohn und bemerkte ihn auf wenige Schritte Entfernung von mir mit seinem Bataillon. Er betrachtete mich mit einem verständlichen Blick und schien mich ermutigen zu wollen, indem er mir mit der Hoffnung schmeichelte, daß ich diesmal nicht würde den Becher bis zur Hefe austrinken müssen. - Ich horchte aufmerksam nach jener Gegend hin, woher der König kommen mußte; nichts entging meiner sorgfältigen Beachtung. Aber vergebens glaubte ich dann und wann in der Ferne ein Geräusch zu vernehmen, welches das Anzeichen eines jener Befreiungsversuche sein konnte, die man mir gestern verkündet hatte.
... dort erschien der königliche Märtyrer. Es wurde mir schwarz vor den Augen, ein förmliches Zittern überfiel meine Glieder; ich warf einen schnellen Blick auf meinen Sohn und sah auch dessen Gesicht leichenblaß werden. Indessen kam der Wagen an. Der König saß hinten rechts, ihm zur Seite ein Priester, sein Beichtiger; auf dem Rücksitz befanden sich zwei Gendarmen. Der Wagen hielt, die Tür öffnete sich; zuerst stiegen die beiden Gendarmen aus, nach ihnen der verehrungswürdige Priester in einer Kleidung, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte, und endlich der König, würdiger, ruhiger und majestätischer, als ich ihn nur je in Versailles und in den Tuilerien gesehen hatte. Als ich ihn sich der Treppe nähern sah, warf ich einen verzweiflungsvollen Blick um mich, überall bemerkte ich nur Soldaten. Das hinter diesen Waffenreihen stehende Volk schien vor Staunen erstarrt zu sein und beobachtete ein düsteres Stillschweigen. Übrigens würde das unaufhörliche Rasseln der Trommeln seine Stimme erstickt haben, wenn es auch einen Ruf des Mitleids hätte ertönen lassen wollen. Wo blieben nun alle jene zahlreichen Retter, die sich tags vorher gemeldet hatten? Charlemagne und ich waren erstarrt; Martin, jünger und entschlossener, trat vor, entblößte ehrfurchtsvoll sein Haupt und bemerkte dem Könige, daß man ihm laut Regel und Vorschrift seine Kleidung abnehmen müsse. »Das ist unnütz, man kann mit mir zu Ende kommen, wie ich da bin.«
Mein Bruder bestand darauf und fügte hinzu, daß es ebenso unerläßlich sei wie das Binden seiner Hände. Diese letzte Mitteilung schien den König noch mehr zu empören und machte ihn bis zur Stirn erröten. »Ach was,« sagte er, »Ihr werdet es nicht wagen, die Hand an mich zu legen! Da nehmt, da ist mein Rock, aber rühret mich nicht an!« Indem er dies sagte, zog er selbst seinen Rock aus.- Charlemagne kam Martin zur Hilfe. Obgleich es ihm schwer wurde, mit diesem erhabenen Opfer zu sprechen, welches ihn mit Blicken betrachtete, die tief in seinem Herzen zu lesen schienen, so sagte er, um nicht die wilden Banden, welche das Schafott umstanden, aufzureizen, zu dem Könige in kaltem Tone, während Tränen seinen Augen entquollen: »Das Binden der Hände, das mein Bruder verlangt, ist unbedingt notwendig. Die Hinrichtung ist ohne dieses unmöglich.« Endlich an meine Pflicht erinnert, flüsterte ich, da ich nicht mehr länger die ganze Verantwortung auf den Schultern meiner Brüder ruhen lassen konnte, in das Ohr des Priesters: »Herr Abbé, ersuchen Sie den König darum, ich bitte Sie inständigst. Während man ihm die Hände binden wird, gewinnen wir Zeit; es ist unmöglich, daß das Volk nicht einem solchen Schauspiele seiner besseren Überzeugung gemäß ein freudiges Ende machen sollte!« Der Abbé wendete sich mit einem traurigen Blicke, in dem sich gleichzeitig Verwunderung, Ungläubigkeit und Fassung aussprachen, zu mir um, neigte sich aber dann zu dem Könige und sagte mit leiser, tiefbewegter Stimme: »Sire, willigen Sie auch in dieses letzte Opfer, durch welches Sie sich im voraus der Belohnung Gottes versichern werden.« Sofort bot der König seine Arme zum Binden dar, während sein Beichtiger ihn das Bild Christi küssen ließ. Zwei meiner Gehilfen banden die Hände, die einst das Szepter geführt hatten. Mir war, als ob dies das Zeichen einer Gesinnungsänderung der Volksmassen werden müßte, welche nun zugunsten des königlichen Opfers ausbräche. Aber es ließ sich nichts vernehmen als das höllische Gerassel der Trommeln. Durch den würdigen Priester unterstützt, stieg der König langsam und majestätisch die Stufen zu dem Schafott hinauf. - »Wollen denn die Trommler gar nicht aufhören?« fragte er Charlemagne. Dieser gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, daß er nichts darüber wisse. Auf der Plattform des Schafotts angekommen, trat der König auf die Seite, wo er die größten Volkshaufen sah, und gab durch eine Kopfbewegung den Trommlern ein befehlendes Zeichen des Schweigens. Diese hörten einen Augenblick auf, und nur wenige rührten noch die Schlägel. Trotz des immer noch vorhandenen Lärms sprach der König mit starker Stimme: »Franzosen, ihr seht euren König bereit, für euch zu sterben. Könnte doch mein Blut euer Glück besiegeln! Ich sterbe ohne Schuld an alledem, dessen man mich angeklagt ...« Er wollte noch weitersprechen, als Santerre, welcher sich an der Spitze seines Generalstabes befand, den Tambouren ein Zeichen gab, worauf deren Trommeln in verstärktem Maße wieder zu rasseln begannen, so daß kein Wort mehr würde verstanden worden sein.- In einem Augenblick war der König auf das verhängnisvolle Brett gebunden, und als das Fallbeil herniederblitzte, konnte er noch die tiefe Stimme des frommen Priesters vernehmen, der ihn bis aufs Schafott begleitet hatte und jetzt folgende Worte sprach: »Sohn des heiligen Ludwig, steig auf zum Himmel!« So hat dieser unglückliche Fürst geendet, den tausend entschlossene Menschen in diesem letzten Augenblicke, wo schon, außer unter der bewaffneten Mannschaft, sich ein wahres Mitgefühl zu regen begann, hätten retten können. Das kleinste Zeichen hätte genügt, um eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen, denn als mein Gehilfe Gros das unter dem Guillotinenbeil gefallene Königshaupt den Umstehenden zeigte, stießen nur einige Rasende ein Triumphgeschrei aus, die Mehrzahl wendete sich ab, von tiefem Schauder und schmerzlicher Zerknirschung ergriffen.«

Die Königin Marie Antoinette wurde von seinem Sohn Henri enthauptet, der seinen Vater de facto seit 1793 vertrat, er selbst wohnte der Hinrichtung nur bei. Später folgten auf der Guillotine eine Reihe prominenter Revolutionäre wie Georges Danton, Camille Desmoulins, Maximilien de Robespierre oder Antoine de Saint-Just, deren Verurteilung Charles-Henri Sanson mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. - Charles-Henri Sanson war ein eifriger Befürworter des Vorschlags des Arztes Joseph-Ignace Guillotin, der einen simplen Mechanismus zum Köpfen für eine humanere Art der Hinrichtung hielt. Er argumentierte damit, dass der Henker nach mehreren abgeschlagenen Köpfen rasch ermüde, das Richtschwert sich abnütze und Anschaffungs- und Erhaltungskosten enorm seien. - Im April 1793 übergab er sein Amt de facto an seinen Sohn Henri Sanson (1767–1840), der es bis zu seinem Tode 1840 insgesamt 47 Jahre innehatte. Er war Revolutionssoldat (Sergent, dann Kapitän der Nationalgarde von Paris, später der Artillerie und Polizei der Tribunale) und Henker, guillotinierte u. a. Marie Antoinette und den Chefankläger Antoine Quentin Fouquier-Tinville (1795). Sein jüngerer Bruder Gabriel (1769–1792), seit 1790 Assistent seines Vaters Charles-Henri und Bruders Henri, war beim Zeigen eines abgeschlagenen Hauptes durch Sturz vom Gerüst zu Tode gekommen. Charles-Henri Sanson selbst starb am 4. Juli 1806 und liegt auf dem Friedhof im Stadtteil Montmartre begraben. Im Familiengrab liegen auch sein Sohn Henri Sanson, dessen Frau Marie-Louise Damidot, der Enkel Henri-Clément Sanson und dessen Frau Virginie-Emilie Lefébure. - Henri-Clément (Henry-Clément) war der sechste und letzte Henker in der Familie. Er übte das Amt seit 1830 als Assistent und offiziell von 1840 bis 1847 aus. Er vollzog 18 Hinrichtungen (darunter die von Pierre-François Lacenaire und Victor Avril 1836) und musste 1847 wegen seiner krankhaften Spielsucht seine Guillotine verpfänden. Als das bekannt wurde, kam er in Haft und musste den Behörden alles darlegen. Der französische Justizminister sah sich gezwungen, die Schulden seines Henkers zu bezahlen. Am 18. März 1847 wurde Henri-Clément Sanson seiner Amtspflichten entbunden. Damit endete die 159 Jahre lange Amtszeit der Familie Sanson als Henker von Paris.

Wie der Titel verrät, erzählt der Text von den letzten Tagen eines Mannes, der zum Tode verurteilt wurde und der in der Zeit, in der er auf seine Hinrichtung wartet, von seinen Gedanken, Erinnerungen und Ängsten schreibt. Während der ganzen Zeit nennt er nicht einmal seinen Namen, noch teilt er uns mit, was genau er getan hat, und wofür man ihn zum Tode verurteilt hat. Nur einmal gibt es eine vage Andeutung, dass er Blut vergossen hat.-Der Mann erzählt uns alles, was er tut, denkt und fühlt: er wird Zeuge der furchtbaren Szene, in der die Sträflinge an Ketten geschmiedet werden, um nach Toulon zu den Galeeren gebracht zu werden; er entdeckt, dass frühere Bewohner seines Kerkers Zeichen an der Wand hinterlassen haben; er erzählt von seinen Erinnerungen an seine Kindheit; er beschreibt, wie die anderen Insassen von Bicêtre ihm Argot beibringen; er beschreibt seine Wachen und den Priester, den man ihm zur Seite gestellt hat. Schließlich ist der Tag gekommen, man bringt ihn für seine letzten Stunden in eine Zelle im Rathaus; dort trifft er auf einen Mann, der an diesem Tag zum Tode verurteilt wurde und nun der nächste sein wird, der sechs Wochen auf seine Hinrichtung wartet. Dieser erzählt ihm von den Galeeren, wo er viele Jahre verbracht hat. Kurz vor seinem Tod bringt man ihm seine dreijährige Tochter Marie, er ist überglücklich, doch wird enttäuscht: das kleine Mädchen erkennt ihn nicht. Es bleiben ihm noch zwei Stunden bis vier Uhr, seiner festgesetzten Todesstunde. - Dann bringt man ihn zum Schafott, kurz vor seiner Hinrichtung erhält er noch die Möglichkeit, diesen Gang zu Papier zu bringen. Noch einmal bettelt er um Gnade, nun hat sich seine Einstellung geändert: Während er am Anfang lieber tausend Tode sterben wollte, als lebenslang zu den Galeeren zu gehen, wäre ihm nun Letzteres lieber. Doch er erhält keine Gnade. Das Buch endet mit den Worten: VIER UHR. (de.wikipedia.org
  • The Green Mile. Spielfilm von Frank Darabont (1999) mit Tom Hanks nach einem Buch von Stephen King:
Der zum Tode verurteilte John Coffey schlägt ein Angebot zur Flucht aus: Er sehnt sich nach dem Tode, da er das Leid auf der Welt und den Umgang der Menschen untereinander nicht mehr ertragen kann. Er hat nur noch einen Wunsch. Er war noch nie in einem Kino und möchte einmal einen Film sehen. Die Wärter erfüllen ihm diesen Wunsch und arrangieren für ihn eine Privatvorführung im Hinrichtungsraum. Gezeigt wird der neueste Fred-Astaire-Film Ich tanz’ mich in dein Herz hinein (Englischer Titel: Top Hat) mit dem berühmten Lied Cheek to Cheek. Am Tage darauf wird John Coffey hingerichtet. Dies wird die letzte Hinrichtung für Paul und seine Kollegen sein, da diese darum bitten, versetzt zu werden. (de.wikipedia)
  • van Dülmen, Richard (1988) Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der Frühen Neuzeit. München: C.H. Beck
Kapitel V: Auf dem Schafott: Verbrechen und Strafen (102-120)
Kapitel VI: Hinrichtungsrituale: Von der Reinigung zur Abschreckung (121-144)
Hinrichtungsrituale 1945: Hinrichtung am Würgegalgen //Deutschland 1945 - Von Frieden keine Spur; Teil 1: 16; Teil 2: 3:30.

Ästhetik

  • Der Widerstreit zwischen Ästhetik (Sinnlichkeit) und Ethik (Vernunft). Kant, Schiller.
  • Die Ästhetik eines moralwidrigen Objekts. Das Morden als Objekt der schönen Künste. Thomas de Quincey. Der Mörder als schöner Mann betrachtet (Hegel). Der Verbrecher als Künstler.
  • Das Schöne und das Erhabene als Kategorien der Ästhetik. Das extreme Verbrechen als Eindruck der Erhabenheit.
  • Das Erhabene und der politische und soziale Konflikt (Tabuverletzung).
  • Kunst, Provokation, Kriminalität. Flugblatt-Aktion (Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?) der Kommune I. Aktionen des Zentrums für politische Schönheit. Subversive Aktion. Situationistische Internationale.

Die normativen Grenzen des Tötens sind in stetigem Fluss. Bekannte normative Grenzkonflikte betreffen z.B. die Abtreibung, die Todesstrafe, die Sterbehilfe, die Massentierschlachtung, aber auch die Grenzen des Tötens im Krieg z.B. Killer Roboter. Weniger bekannt sind Initiativen wie diejenige des veganen Abolitionismus zur Umprogrammierung von Raubtieren; David Pearce 2009. Dazu auch das Video Gott hat keine Raubtiere erschaffen.

Der Konflikt um die Grenzen legitimen Tötens spiegelt sich in der gesamten kulturellen Sphäre und nimmt im Extremfall die Form von culture wars an.

Künstler spielen eine große Rolle. Man denke u.a. an Anti-Kriegs-Lieder in der Popmusik.

  • Bredekamp, Horst (2008) Der Künstler als Verbrecher. Ein Element der frühmodernen Rechts- und Staatstheorie. München, Carl Friedrich von Siemens Stiftung. (Die Fälle Caravaggio und Cellini)
  • Hoffmann-Curtius, Kathrin (1993) George Grosz: John, der Frauenmörder.
  • de Quincey, Thomas (1827, 1839, 1854/2004) Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet. Berlin: Autorenhaus Verlag.
  • Karlheinz Stockhausens Bemerkungen zum 11. September 2001: „Also was da geschehen ist, ist natürlich – jetzt müssen Sie alle Ihr Gehirn umstellen – das größte Kunstwerk, was es je gegeben hat …“. Er führte dazu aus: :„Daß also Geister in einem Akt etwas vollbringen, was wir in der Musik nie träumen könnten, daß Leute zehn Jahre üben wie verrückt, total fanatisch, für ein Konzert. Und dann sterben. [Zögert.] Und das ist das größte Kunstwerk, das es überhaupt gibt für den ganzen Kosmos. Stellen Sie sich das doch vor, was da passiert ist. Das sind also Leute, die sind so konzentriert auf dieses eine, auf die eine Aufführung, und dann werden fünftausend Leute in die Auferstehung gejagt. In einem Moment. Das könnte ich nicht. Dagegen sind wir gar nichts, also als Komponisten. … Ein Verbrechen ist es deshalb, weil die Menschen nicht einverstanden waren. Die sind nicht in das Konzert gekommen. Das ist klar. Und es hat ihnen niemand angekündigt, ihr könntet dabei draufgehen.“ (Am 19.9.2001 verteidigte Stockhausen seine Äußerung: Er habe im Sinne seiner Opern-Figur Luzifer, des gefallenen Engels, gesprochen; er distanziere sich von dem Anschlag und schließe die Opfer in seine Gebete ein.
  • Baden, Sebastian (2017) Das Image des Terrorismus im Kunstsystem, München: edition metzel www.editionmetzel.de, ISBN 978-3-88960-157-5
  • Hegel, Georg W.F. (1807) Wer denkt abstrakt?
"Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der gebildete. Die gute Gesellschaft denkt darum nicht abstrakt, weil es zu leicht ist, weil es zu niedrig ist, niedrig nicht dem äußeren Stande nach, nicht aus einem leeren Vornehmtun, das sich über das wegzusetzen stellt, was es nicht vermag, sondern wegen der inneren Geringheit der Sache. Das Vorurteil und die Achtung für das abstrakte Denken ist so groß, daß feine Nasen hier eine Satire oder Ironie zum vorauswittern werden; allein, da sie Leser des Morgenblattes sind, wissen sie, daß auf eine Satire ein Preis gesetzt ist und daß ich also ihn lieber zu verdienen glauben und darum konkurrieren als hier schon ohne weiteres meine Sachen hergeben würde. Ich brauche für meinen Satz nur Beispiele anzuführen, von denen Jedermann zugestehen wird, daß sie ihn enthalten. Es wird also ein Mörder zur Richtstätte geführt. Dem gemeinen Volke ist er nichts weiter als ein Mörder. Damen machen vielleicht die Bemerkung, daß er ein kräftiger, schöner, interessanter Mann ist. Jenes Volk findet die Bemerkung entsetzlich: was, ein Mörder schön? wie kann [man] so schlechtdenkend sein und einen Mörder schön nennen; ihr seid auch wohl etwas nicht viel Besseres! Dies ist die Sittenverderbnis, die unter den vornehmen Leuten herrscht, setzt vielleicht der Priester hinzu, der den Grund der Dinge und die Herzen kennt. - Ein Menschenkenner sucht den Gang auf, den die Bildung des Verbrechers genommen, findet in seiner Geschichte schlechte Erziehung, schlechte Familienverhältnisse des Vaters und der Mutter, irgendeine ungeheure Härte bei einem leichteren Vergehen dieses Menschen, die ihn gegen die bürgerliche Ordnung erbitterte, eine erste Rückwirkung dagegen, die ihn daraus vertrieb und es ihm jetzt nur durch Verbrechen sich noch zu erhalten möglich machte. – Es kann wohl Leute geben, die, wenn sie solches hören, sagen werden: der will diesen Mörder entschuldigen! Erinnere ich mich doch, in meiner Jugend einen Bürgermeister klagen gehört [zu haben], daß es die Bücherschreiber zu weit treiben und Christentum und Rechtschaffenheit ganz auszurotten suchen; es habe einer eine Verteidigung des Selbstmordes geschrieben; schrecklich, gar zu schrecklich! – Es ergab sich aus weiterer Nachfrage, daß Werthers Leiden verstanden waren. Dies heißt abstrakt gedacht, in dem Mörder nichts als dies Abstrakte, daß er ein Mörder ist, zu sehen und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm [zu] vertilgen.

Motive

  • Zwei Grundarten von Motiven: Um-Zu-Motive und Weil-Motive (Alfred Schütz). "Rache" ist ein Um-Zu-Motiv, das aber noch nichts aussagt darüber, warum der Handelnde die Option "Rache" und nicht die Option "Versöhnung" wählt (er wählt es vielleicht, weil er den Religionsunterricht geschwänzt hatte - oder weil er einer Kultur angehört, in der Rache als ehrenhaft und Versöhnung als unehrenhaft gilt).
  • Töten als soziales Handeln = am vergangenen, gegenwärtigen oder erwarteten Verhalten anderer orientiert - zum Beispiel orientiert sich das Töten am Verhalten anderer, wenn es als Rache für frühere Angriffe, als Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs oder als Vorbeugung gegen künftige Angriffe ausgeführt wird. Dem Handelnden selbst ist der sinnhafte Grund seines Handelns mehr oder weniger bewusst (z.B. Rache nehmen).
  1. Egoismus und Altruismus: Töten kann man egoistisch (für sich selbst und/oder für das eigene Kollektiv) oder altruistisch (für das Wohl Anderer). Egoistisch töten kann man selbstbezogen oder kollektivbezogen. Individual-egoistisch töten kann man defensiv oder offensiv, bzw. expansiv. Defensiv: Erhaltung der Handlungsfähigkeit durch Notwehr, aber auch: gehorsame Tötung auf Befehl (z.B. im Kriegskontext; z.B. Wiederaufnahme der Feindseligkeiten nach dem Weihnachtsfrieden im Dezember 1914 an der Westfront). Egoistisch-expansiv: Machtausübung (Sexualmord), ökonomischer Gewinn (Raubmord; Auftragsmord), berufliche Karriere (in bewaffneten Kollektiven staatlicher, parastaatlicher oder privater Organisation); Kollektiv-egoistisch kann man ebenfalls defensiv oder expansiv töten. Beruflich z.B. im Rahmen der eigenen Karriere in staatlichen, parastaatlichen oder privaten Gewalt-Organisationen (Söldner, Soldaten, Milizen); kollektive Verfolgungen (Pogrom, Massaker, Genozid), nicht-beruflich z.B. in Freizeitgruppen (Der Kick). Kollektiv-egoistisch kann man auch im Bürgerkrieg oder bei einem Genozid töten. Es fallen aber auch ganz andere Phänomene wie Tier- und Menschenopfer in Religionen (René Girard) und Hinrichtungen und extrajudicial killings (Duterte) in diese Kategorie. - Altruistisch töten kann man ebenfalls selbst- oder kollektivbezogen, defensiv oder expansiv.
  2. Töten als Nothilfe (Responsiblity to Protect), finaler Rettungsschuss; Tyrannenmord; Überzeugungstäter (z.B. Sozialrevolutionäre im zaristischen Russland). Die Frage nach dem Warum führt einerseits zu Motiven, andererseits zu Situationen, die hinter den Motiven stehen. Töten kann man aus Angst und Übermut, aus Überforderung und Langeweile, aus Rache und aus Liebe, aus Zynismus und aus Verzweiflung, aus Gehorsam und aus Willkür, aus Pflichtgefühl, Gehorsam oder Widerstandsgeist - und aus Gedankenlosigkeit ebenso wie zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.
  3. Beruf, Pflicht und Gehorsam (Teil des Berufsbilds und der Dienstpflichten): Dausend, Peter (2011) Beruf: Töten. DIE ZEIT.
  1. Hass (extreme Abneigung, Vernichtungswunsch): die Liebe, an der man gescheitert ist (Kierkegaard)
  2. Wut, Affekt
  3. Apathie (Tötung durch Unterlassung)
  4. Spiel, Lust und Vergnügen: Lust zu töten: der sog. Lustmord, Serienkiller, Machtgefühl; Vergnügen: "It gives us a lot of pleasure to kill them"; Freude über Tötungserfolge Anderer: "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten" (Pfarrerstochter und Bundeskanzlerin Angela Merkel, YouTube); Veiel, Andres (2007) Der Kick: Ein Lehrstück über Gewalt: München, DVA.
  5. Rache: Kill Bill (Vol 1 & 2). Spielfilm von Quentin Tarantino (2003/04)
  • Katz, Jack (1988) Seductions of Crime. New York: Basic Books (Kapitel 7 über Righteous Slaughter). Course Notes --- and here is chapter 7 as slide show
  • Kelman, Herbert C. & V. Lee Hamilton (1990) Crimes of Obedience: Toward a Social Psychology of Authority and Responsibility. New Haven: Yale University Press.
  • Milgram, S. (1982), Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität, Reinbek bei Hamburg
  • Milgram, S. (2005 [1965]), Einige Bedingungen von Gehorsam und Ungehorsam gegenüber Autoritäten, in: Neubacher/Walter (Hg.), Sozialpsychologische Experimente in der Kriminologie, Münster, S. 15-42
  • Mills, C. Wright (1940) Situated Actions and Vocabularies of Motive. American Sociological Review Vol. 5, No. 6 (Dec., 1940), pp. 904-913
  • Neubacher, F. (2005), Verbrechen aus Gehorsam - Folgerungen aus dem Milgram-Experiment für Strafrecht und Kriminologie, in: Neubacher/Walter (Hg.), Sozialpsychologische Experimente in der Kriminologie, Münster, S. 43-67.
  • Rasch, Wilfried (1964/1995) Tötung des Intimpartners, Kapitel I, IV, VII.
  • Steinert, Heinz/Treiber, Hubert (1974): Erziehungsziel Soldat. In: E. Klöss/H. Grossmann (1974) Unternehmen Bundeswehr. Zur Soziologie der Streitkräfte. Frankfurt a.M.: Fischer 103–122.

Ursachen Individuelle Gewalt

Kollektive Gewalt Grundstrukturen der Gesellschaft: Konkurrierende Ordnungsformen der Gewalt (Trutz v. Trotha) Aus europäischer Perspektive gilt die konstitutionell-wohlfahrtsstaatliche Ordnung und die staatliche Gewalt-Begrenzung als normal. Doch selbst im Westen gibt es eine Bewegung in Richtung auf eine oligopolistisch-präventive Sicherheitsordnung, in der sich begüterte Akteure im Austausch gegen Geld und Freiheiten (wie z.B. das informationelle Selbstbestimmungsrecht) Schutz erkaufen können.

Abgesehen davon gibt es die

(a) neo-despotische Ordnungsform (agrarische Gesellschaften, offene Gewalt gehört zum Alltag, Typ Somalia

(b) parastaatliche Ordnungsform (Lateinamerika) mit ihrer starken Betonung von Militär und Polizei und selbständig agierenden Milizen

(c) post-akephal-konstitutionelle Ordnungsform (Papua Neuguinea).

  1. Makrosoziale Ursachen für die besondere Stellung der USA in Bezug auf Homizide. Randolph Roth (2009) charts changes in the character and incidence of homicide in the U.S. from colonial times to the present. Roth argues that the United States is distinctive in its level of violence among unrelated adults friends, acquaintances, and strangers. America was extraordinarily homicidal in the mid-seventeenth century, but it became relatively non-homicidal by the mid-eighteenth century, even in the slave South; and by the early nineteenth century, rates in the North and the mountain South were extremely low. But the homicide rate rose substantially among unrelated adults in the slave South after the American Revolution; and it skyrocketed across the United States from the late 1840s through the mid-1870s, while rates in most other Western nations held steady or fell. That surge—and all subsequent increases in the homicide rate—correlated closely with four distinct phenomena: political instability; a loss of government legitimacy; a loss of fellow-feeling among members of society caused by racial, religious, or political antagonism; and a loss of faith in the social hierarchy. Those four factors, Roth argues, best explain why homicide rates have gone up and down in the United States and in other Western nations over the past four centuries, and why the United States is today the most homicidal affluent nation. informative reviews.
  2. Ein inhaltlich begründeter statistischer Zusammenhang zwischen einer Kultur der Ehre (Richard Nisbett & Dov Cohen 1996) und einer hohen Ehrenmord-Rate erlaubt es, von der Kultur der Ehre als einer (Mit-) Ursache für Ehrenmorde zu sprechen. Allerdings ist der Kausalitätsbegriff (Ursachenbegriff) insofern problematisch, als ja nicht jeder, der in einer solchen Kultur lebt oder ihr entstammt, in entsprechenden Konflikten die Lösungsmöglichkeit der Rache wählt (besser also: "Entstehungsbedingungen"). Ähnlich kann man auf eine Kultur des Obrigkeitsstaats (autoritärer Charakter, Erziehung zum Gehorsam) als Bedingungsfeld für crimes of conformity kommen (Milgram et al.) - oder auf entsprechende militärische (Marines) oder polizeiliche Sub-Kulturen.
  3. Spezialfall Massentierschlachtungen: Nach Hirschi (1969) können diejenigen, die hier aktiv sind, ihrem Erwerbs-Motiv durch Tötungen nachgehen, weil sie prinzipiell sowieso dazu fähig sind und weil keine der Bindungen greift, die ihnen diese anthropologische Freiheit nehmen iönnte: weder attachment noch commitment noch involvement noch belief. - Wo attachment vorliegt (Haustier, Pony-Liebe etc.) wird nicht geschlachtet. - Wo belief vorliegt (Ahimsa), wird nicht oder nur unter Befolgung höherer Voraussetzungen geschlachtet....
  4. Varia: (a) Why is it that we are not able to adjust to our environment without destroying it? What's Wrong With Our World? (Alan Watts, YouTube) (b)Horizontale vs. vertikale Tötungs-Gewalt und Versöhnungschancen (Iván Orozco Abad, 2008, spanisch)

Weblinks und Literatur

  • Beine, Karl-Heinz (2011) Krankentötungen in Kliniken und Heimen. 2. Aufl. Freiburg i.Br.: Lambertus
  • Camus, Albert (1949/2014) Die Gerechten, in: ders., Sämtliche Dramen. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt
  • Capote, Truman (1966) Kaltblütig. Wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen.
  • Chinkin, Christine & Mary Kaldor (2017) International Law and New Wars. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Davis, Mike (2005) Vogelgrippe. Hamburg/Berlin: Libertäre A. Rezension in: [2]
  • Enzensberger, Hans Magnus (1964) Die Träumer des Absoluten (Teil 1 und 2), in: ders., Politik und Verbrechen. Frankfurt a.M.
  • Foer, Jonathan Safran (2010) Tiere essen. Köln: K & W. Besprechungen
  • Gudehus, Christian & Michaela Christ, Hg. (2013) Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart & Weimar: J.B. Metzler (mit Beiträgen über Krieg: 32; Gewalt an Tieren: 75, Amok:99; Attentat: 015, Bombardierung: 116, Folter: 122, Hinrichtung: 128, Mord: 141; Verschwindenlassen: 170, Anthropologie: 307).
  • Hankel Gerd (2011) Das Tötungsverbot im Krieg. Ein Interventionsversuch. Hamburg: Hamburger Edition.
  • Kaplan, Howard B.(1980) Deviant Behavior in Defense of Self. New York.
  • Pearce, David (2009) Für eine Neuprogrammierung von Raubtieren
  • Pinker, Steven (2011) The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined. Viking Adult, 2011. dt. Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit. Fischer, Frankfurt am Main 2011. Kurzfassung: Eine Geschichte der Gewalt
  • Popitz, Heinrich (1992) Phänomene der Macht. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) pp. 17; 43-60.
  • Rasch, Wilfried (1995) Tötung des Intimpartners. Bonn: Das Narrenschiff (Reprint von 1964).
  • Sessar, Klaus (1993) Tötungskriminalität, in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch 3. Aufl.: 522 f.
  • Schopenhauers Maxime Neminem laede; imo omnes, quantum potes, juva
  • Schweitzer, Albert (2017) Die Ehrfurcht vor dem Leben: Grundtexte aus fünf Jahrzehnten. München: C.H. Beck (10. Auflage)
  • "Sympathy". Song von Rare Bird auf You Tube ("Sympathy is what we need, my friend ...)
  • Trotha, Trutz v. (2002) Ordnungsformen der Gewalt: oder Aussichten für die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols, in: Boulevard Ecke Dschungel: StadtProtokolle, hrsgg. v. Elisabeth Blum et al., Hamburg: Ed. Nautilus, 2002. S. 164-200
  • Welzer, H. (2007), Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt a. M.


Video

China shot Nuokang drug syndicates You Tube

Siehe auch

Largo São Francisco: Killing Krimpedia