Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Ausdrucksform'''
'''Ausdrucksform'''
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Mittels der Untersuchung von [[fünf Segmenten]] aus dem Bereich der Akteure versucht Stanley Cohen die praktische Ausdrucksform einer moralischen Panik zu skizzieren.
Anhand der Untersuchung von Akteuren versucht Stanley Cohen die praktische Ausdrucksform einer moralischen Panik zu skizzieren und fasst diese in fünf Segmenten zusammen.
=== Medien ===
=== Medien ===
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Medien stellen in der Verbreitung von öffentlicher, moralischer Erregung eine Kernposition dar. Dabei funktionieren sie nach ihren eigenen Spielregeln. Zunächst ist wichtig zu beachten, dass die Informationsgewinnung in modernen Gesellschaften über den zweiten Weg verläuft. Dies bedeutet, dass die Informationen von politischen und kommerziellen Beschränkungen geformt werden bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Zitat von Cohen benennt diesen Umstand: ''"(…) this means that the information has been subject to alternative definitions of what constitutes news and how it should be gathered and presented."'' <ref name="Mass Media">Cohen Stanley: ''Deviance and Moral Panics'' In: Folk Devils and Moral Panics , 2002, Routledge, London, S.1-16 </ref>. Die [[Medienberichterstattung]] weist zudem hohe Auswirkungen auf die emotionale Gefühlslage ihrer Leserschaft auf. Meist hinterlässt sie in der Darstellung ihrer Geschichten unklare Gefühlslagen, welche für den weiteren Verlauf einer moralischen Panik wesentlich sind. Darüber Hinaus sind Medienberichten von der Herstellung von Mythen ([[''myth-making'']]) gekennzeichnet und folgen einem stereotypen Muster. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Enter Stanley Cohen'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 f. </ref>
Medien stellen in der Verbreitung von öffentlicher, moralischer Erregung eine Kernposition dar. Dabei funktionieren sie nach ihren eigenen Spielregeln. Zunächst ist wichtig zu beachten, dass die Informationsgewinnung in modernen Gesellschaften über den zweiten Weg verläuft. Dies bedeutet, dass die Informationen von politischen und kommerziellen Beschränkungen geformt werden, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Zitat von Cohen benennt diesen Umstand: ''"(…) this means that the information has been subject to alternative definitions of what constitutes news and how it should be gathered and presented."'' <ref name="Mass Media">Cohen Stanley: ''Deviance and Moral Panics'' In: Folk Devils and Moral Panics , 2002, Routledge, London, S.1-16 </ref>. Die [[Medienberichterstattung]] weist zudem hohe Auswirkungen auf die emotionale Gefühlslage ihrer Leserschaft auf. Meist hinterlässt sie in der Darstellung ihrer Geschichten bei den Lesern unklare Gefühlslagen, welche für den weiteren Verlauf einer moralischen Panik wesentlich sind. Darüber Hinaus sind Medienberichten von der Herstellung von Mythen ([[''myth-making'']]) gekennzeichnet und folgen einem stereotypen Muster. <ref> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Enter Stanley Cohen'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 24 f. </ref>
Die mediale Berichterstattung steht auch in Verbindung mit einem statistisch, erfassetn Anstieg von devianten Verhalten in der Gesellschaft. Hierbei stellt [[''Leslie T. Wilkins'']] in seinem Buch: ''"Social deviance: social policy, action and research"'' eine Reaktionsverkettung zwischen der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Reaktion und dem Anstieg von Devianz her. <ref> Wilkins, Leslie T.:'' A general Theory of Deviance'' In: Social deviance: social policy, action and research, 1964, London Travistock, Kap.4, S.45-104 </ref>
Die mediale Berichterstattung steht auch in Verbindung mit einem statistisch, erfassten Anstieg von devianten Verhalten in der Gesellschaft. Hierbei stellt [[''Leslie T. Wilkins'']] in seinem Buch: ''"Social deviance: social policy, action and research"'' eine Reaktionsverkettung zwischen der medialen Berichterstattung, der gesellschaftlichen Reaktion und dem Anstieg von Devianz her. <ref> Wilkins, Leslie T.:'' A general Theory of Deviance'' In: Social deviance: social policy, action and research, 1964, London Travistock, Kap.4, S.45-104 </ref>
=== Öffentlichkeit ===
=== Öffentlichkeit ===
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Um von einer moralischen Panik zu sprechen muss die Öffentlichkeit ihr Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe ausdrücken. Nicht alle Medienberichte lösen eine moralischen Panik aus. Eine zentrale Voraussetzung besteht darin, dass innerhalb der Gesellschaft eine Unsicherheit und ein damit einhergehendes, latentes Potenzial zum Ausbruch einer extremen Besorgnis existieren.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman:''Actors in the Drama of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden, S.24-28 </ref>  
Um von einer moralischen Panik zu sprechen muss die Öffentlichkeit ihre Besorgnis über das Verhalten einer Gruppe ausdrücken. Nicht alle Medienberichte lösen eine moralische Panik aus. Eine zentrale Voraussetzung besteht darin, dass innerhalb der Gesellschaft eine Unsicherheit und ein damit einhergehendes, latentes Potenzial zum Ausbruch einer extremen Befürchtung bereits existieren.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"> Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman:''Actors in the Drama of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden, S.24-28 </ref>  


=== [[Polizei]] und [[gerichtlich]]e [[Instanz]]en ===
=== [[Polizei]] und [[gerichtlich]]e [[Instanz]]en ===
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Im öffentlichen und medialen [[Diskurs]] wird eine Unterbindung und stärkere Kontrolle von dem, als bedrohlich deklarierten Verhalten gefordert. Polizei und rechtliche Instanzen gelten dabei als effektive Akteure um das abweichende Verhalten zu unterbinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen. Die Forderungen und der erhöhte Einsatz von polizeilichen sowie gerichtlichen Maßnahmen können Strukturen einer [[Kultur der sozialen Kontrolle]] etablieren.<ref name="social control"> Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase''In: Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S.59-119)</ref> Nach Cohen ist die Reaktion einer Kultur der Kontrolle in drei Elementen geteilt: '''Diffusion, Eskalation und Innovation'''.
Im öffentlichen und medialen [[Diskurs]] wird eine Unterbindung und stärkere Kontrolle von dem als bedrohlich deklarierten Verhalten gefordert. Polizei und rechtliche Instanzen gelten dabei als effektive Akteure um das abweichende Verhalten zu unterbinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen. Die Forderungen und der erhöhte Einsatz von polizeilichen sowie gerichtlichen Maßnahmen können Strukturen einer [[Kultur der sozialen Kontrolle]] etablieren.<ref name="social control"> Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase''In: Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S.59-119)</ref> Nach Cohen ist die Reaktion einer Kultur der Kontrolle in drei Elementen geteilt: '''Diffusion, Eskalation und Innovation'''.


#'''Diffusion''': In diesem Zusammenhang erhält die Stärkung der Zusammenarbeit von Polizeistellen auf regionaler sowie nationaler Ebene und deren verstärkte Verbindungen zu national-agierenden, gerichtlichen Institutionen eine wichtige Bedeutung. Diese führt zu einer Diffusion des devianten Verhaltens auf größerer regionaler Ebene und wird in der Ausweitung von Polizeieinsätzen, polizeilichen Maßnahmen und dem Anstieg von Inhaftierungen ersichtlich.  
#'''Diffusion''': In diesem Zusammenhang erhält die Stärkung der Zusammenarbeit von Polizeistellen auf regionaler sowie nationaler Ebene und deren verstärkte Verbindungen zu national agierenden, gerichtlichen Institutionen eine wichtige Bedeutung. Diese führt zu einer Diffusion des devianten Verhaltens auf breiterer regionaler Ebene und wird in der Ausweitung von Polizeieinsätzen, polizeilichen Maßnahmen und dem Anstieg von Inhaftierungen ersichtlich.  
# '''Eskalation''': Das Ausmaß und die Intensität der Kultur der sozialen Kontrolle kann durch eines, von der breiten Öffentlichkeit geteilten, generalisierten Systems von Überzeugungen über die Auslösenden des abweichenden Verhaltens wesentlich bestimmt werden. Sobald sich vorurteilsbasierte Überzeugungen und Gedanken entwickeln, kann es zu einer Eskalation zwischen der Öffentlichkeit und den Maßnahmen der Polizei kommen.  
# '''Eskalation''': Das Ausmaß und die Intensität der Kultur der sozialen Kontrolle kann durch eines, von der breiten Öffentlichkeit geteilten, generalisierten Systems von Überzeugungen über die Auslösenden des abweichenden Verhaltens wesentlich bestimmt werden. Sobald sich vorurteilsbasierte Überzeugungen und Gedanken entwickeln, kann es zu einer Eskalation zwischen der Öffentlichkeit und den Maßnahmen der Polizei kommen.  
# '''Innovation''': Unter dem Leitsatz ''"new situations need new remedies"'' wird der Einsatz neuer Methoden und Kontrollen in rechtlichen Institutionen gefordert.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic"/> <ref name="social control">Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase'' In: Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S.59-119 </ref> Dieser Teil der Reaktion wird von Cohen als Innovation bezeichnet.  
# '''Innovation''': Unter dem Leitsatz ''"new situations need new remedies"'' wird der Einsatz neuer Methoden und Kontrollen in rechtlichen Institutionen gefordert.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic"/> <ref name="social control">Cohen Stanley,''Reaction: The rescue and Remedy Phase'' In: Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S.59-119 </ref> Dieser Teil der Reaktion wird von Cohen als Innovation bezeichnet.  
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=== Politik und Gesetzgeber===
=== Politik und Gesetzgeber===
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Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''Folk Devils and Moral Panics'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dies kommt oftmals in der Verständigung zwischen Ihnen und betroffenen Personen aus der Bevölkerung im öffentlichen Rahmen zum Ausdruck. Im Fall von ''Clacton'' wurden beispielsweise Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurden somit auf nationaler, politischer Ebene diskutiert.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"/>  Debatten in diesem politischen Rahmen können zu Gesetzesveränderungen führen. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin, sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren. ''"Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />  
Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''"Folk Devils and Moral Panics"'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dies kommt oftmals in der öffentlichen Verständigung zwischen den Politikern und betroffenen Personen aus der Bevölkerung zum Ausdruck. Im Fall von ''Clacton'' wurden beispielsweise Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurden somit auf nationaler politischer Ebene diskutiert.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"/>  Debatten in diesem politischen Rahmen können zu Gesetzesveränderungen führen. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin, sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren. ''"Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />  
=== Soziale Bewegungen ===
=== Soziale Bewegungen ===
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Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als ''[[moral entrepeneurs]]'' <ref> Becker, Howard S.: ''Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance'', 1963, New York Free Press S.147 </ref> bezeichne. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. In ihrer Organisation und Entstehung werden sie auch als ''[[geminal social movements]]'', sogenannte ''[[Grasswurzelbewegungen'']] aufgefasst.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />
Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als ''[[moral entrepeneurs]]'' <ref> Becker, Howard S.: ''Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance'', 1963, New York Free Press S.147 </ref> bezeichne. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. In ihrer Organisation und Entstehung werden sie auch als ''[[geminal social movements]]'', sogenannte ''[[Grasswurzelbewegungen]]'' aufgefasst.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />
 
== weitere Merkmale ==
== weitere Merkmale ==
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