Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Disproportionalität'''(''Disproportionality'')
'''Disproportionalität'''(''Disproportionality'')
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Disproportionalität beschreibt die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und objektiven Ausmaß der Gefahr. Folgendes Zitat benennt diese Unverhältnismäßigkeit in ihrem Kern: ''"Objective molehills have been made into subjective mountains."''<ref>Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56 </ref> Der [[Aspekt der Disproportionalitä]] ist umstritten, da es sich hierbei um eine Größe handelt, die praktisch nicht messbar ist. Kritiker gehen davon aus, dass Disproportionalität sozial konstruiert ist und objektiv gesehen eine leere Hülle darstellt.-> Bezug Yehuda Die empirische Validität ist folglich fragwürdig. Yehuda und Goode zufolge kann ein gewisses Ausmaß an Disproportionalität allerdings anhand einer Gegenüberstellung von empirischen Datenmaterial und den im öffentlichen Diskurs geführten Aussagen festgestellt werden. In der Feststellung von Disproportionalität ist es sinnvoll zwischen aktuellen [[(z.B. Drogenmissbrauch)]] und zukünftigen (z.B. Klimawandel) Bedrohungen zu unterscheiden.<ref name="Indicators of the Moral Panic" />  
Disproportionalität beschreibt die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und objektiven Ausmaß der Gefahr. Folgendes Zitat benennt diese Unverhältnismäßigkeit in ihrem Kern: ''"Objective molehills have been made into subjective mountains."''<ref>Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56 </ref> Der [[Aspekt der Disproportionalitä]] ist umstritten, da es sich hierbei um eine Größe handelt, die praktisch nicht messbar ist. Kritiker, vor allem Vertreter des Konstruktivismus<ref group="Anmerkung">Siehe für weitere Informationen: Joseph . Schneider and John. J. Kitsuse: 'Studies in the Sociology of Social Problems, 1989, Norwood, NJ oder Woolgar, Steve/ Pawluch, Dorothy:''Ontological gerrymandering:the anatomy of social problems explanations'', Social Problems, 32, 1985, S. 213 -27, http://epl.scu.edu/~stsvalues/readings/OntologicalGerrymandering.pdf, aufgerufen am 16.07.12 aus Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Indicators of the Moral Panic'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 37</ref> gehen davon aus, dass Disproportionalität sozial konstruiert ist und objektiv gesehen eine leere Hülle darstellt.<ref name="Indicators of the Moral Panic" /> Die empirische Validität ist folglich fragwürdig. Yehuda und Goode zufolge kann ein gewisses Ausmaß an Disproportionalität allerdings anhand einer Gegenüberstellung von empirischen Datenmaterial und den im öffentlichen Diskurs geführten Aussagen festgestellt werden. Beispielsweise konnten die Wissenschaftler anhand eines Vorfalls im israelischen Parlament von 1982 die Vorlegung übertriebener Zahlen aufzeigen. In diesem Zusammenhang legten ein Parlamentsmitglied und Repräsentanten der Polizei Zahlen darüber vor, dass die Hälfte aller israelischen Gymnasiasten Haschisch konsumieren. Daten aus systematischen Erhebungen blegten einen Haschischkonsum bei 3-5% der Schüler. <ref name="Criteria of Diproportionality">:Goode, Erich/ Ben- Yehuda Nachman: ''Criteria of Disproportionality'' In: ''Moral Panics: the social construction of deviance'', 1994, Blackwell Publishing, Malden S. 43</ref> Diese Vergleich deutet darauf hin, dass im Kontext von Diskursen über anweichendes Verhalten Daten verwendet werden, welche die besorgte Stimmung unterstützen. Des Weiteren weisen Goode und Yehuda auf das Vorliegen einer Disproportionalität hin, sobald extreme Besorgnis über eine Problematik besteht, die im Vergleich zu einer anderen Problematik aber wesentlich geringer ist.<ref name="Criteria of Diproportionality"/>  In der Feststellung von Disproportionalität ist es außerdem sinnvoll zwischen aktuellen [[(z.B. Drogenmissbrauch)]] und zukünftigen (z.B. Klimawandel) Bedrohungen zu unterscheiden.<ref name="Indicators of the Moral Panic"/>  
=== Votalität ===
=== Votalität ===
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Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''Folk Devils and Moral Panics'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dabei verständigen sie sich im öffentlichen Rahmen mit den betroffenen Personen in ihrem Wahlkreis. Im Fall von ''Clacton'' wurden Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurden somit auf nationaler, politischer Ebene diskutiert.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"/> Aufgrund der Diskussion in diesem politischen Rahmen können Gesetzesveränderungen hervorgebracht werden. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren ''"Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />  
Stanley Cohen stellt in seinem Buch ''Folk Devils and Moral Panics'' fest, dass Politiker ein ausgeprägtes Interesse an Störungen bzw. Unruhen in ihren eigenen Wahlkreisen zeigen. Dabei verständigen sie sich im öffentlichen Rahmen mit den betroffenen Personen in ihrem Wahlkreis. Im Fall von ''Clacton'' wurden Berichte über Gespräche zwischen lokalen Politikern und Personen aus der Bevölkerung an das Innenministerium gesendet. Daraufhin erhielt die Diskussion über die Thematik Einzug in das britische Unterhaus und wurden somit auf nationaler, politischer Ebene diskutiert.<ref name= "Actors in the Drama of the Moral Panic"/> Aufgrund der Diskussion in diesem politischen Rahmen können Gesetzesveränderungen hervorgebracht werden. Die Rolle der Politiker besteht zudem darin sich auf der Seite der ''Guten'' zu positionieren ''"Politicians and other groups alligned themselves against a devil and on the side of angels (...)“''.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />  
=== Soziale Bewegungen ===
=== Soziale Bewegungen ===
'''Soziale Bewegungen'''
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Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als [[''moral entrepeneurs'']] <ref>Becker, Howard S.:''Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance'', 1963, New York Free Press S.147 </ref>. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. Sie werden auch als [[''geminal social movements'']], sogenannte [[''Grasswurzelbewegungen'']] aufgefasst.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />
Moralische Panik kann die Entstehung von Kampagnen und Aktionsgruppen hervorrufen. Diese Gruppen bilden sich aus der Bevölkerung heraus und werden auch als [[''moral entrepeneurs'']] <ref>Becker, Howard S.:''Outsiders: Studies in the Sociology of Deviance'', 1963, New York Free Press S.147 </ref>. Diese Gruppen bewerten die bereits existierende Rechtsmittel zur Unterbindung des devianten Verhaltens als ineffektiv. Sie werden auch als [[''geminal social movements'']], sogenannte [[''Grasswurzelbewegungen'']] aufgefasst.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" />
== Erklärungsansätze ==
== Kritik ==
== Literatur ==
== Weblinks ==
== Einzelnachweise ==
== weitere Merkmale ==
== weitere Merkmale ==
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Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].
Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].


''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als grundsätzlich böse charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der ''[[Labeling Theory]]'' wiederfinden. .<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" /> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann. (siehe auch (Lancaster 23)
''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als etwas grundsätzlich böses charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der ''[[Labeling Theory]]'' auffinden.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" /> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann.<ref=name "Lancaster">Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref>


Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, die vor, während und nach Naturkatastrophen auftreten, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.<ref>Cohen Stanley,''The Control Agents''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)</ref>  
Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, welche sich vor, während und nach Naturkatastrophen heranbilden, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.<ref>Cohen Stanley,''The Control Agents''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)</ref>  


Eine Logik, welche die Dynamik der moralischen Panik außerdem tangiert, liegt in der [[Tabuisierung]] von Handlungen. Sobald Handlungen tabuisiert werden scheint eine kollektive Übereinstimmung darüber zu bestehen.<ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref> <ref group=Anmerkungen> siehe auch: A.R. Radcliffe- Brown, „Taboo“ in Reader in Comparative Religion, ed. William A. Lessa and Evon Z. Vogt Evanston Ill. :Harper and Row 1979, S.46-56 < /ref>
Eine Logik, welche die Dynamik der moralischen Panik außerdem tangiert, liegt in der [[Tabuisierung]] von Handlungen. Sobald Handlungen tabuisiert werden scheint eine kollektive Übereinstimmung darüber zu bestehen.<ref name="Lancaster"/> <ref group=Anmerkungen> siehe auch: A.R. Radcliffe- Brown, „Taboo“ in Reader in Comparative Religion, ed. William A. Lessa and Evon Z. Vogt Evanston Ill. :Harper and Row 1979, S.46-56 </ref>


5. Erklärungsansätze
== Erklärungsansätze ==
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Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
* Risikogesellschaft
* Risikogesellschaft
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]]herangezogen.<ref group="Einzelnachweis">Beck,Ulrich:''Risk Society:towards a new modernity'',1992; Sage, London</ref><ref group="Anmerkung">Zur aktuellen Weiterentwicklung der Theorie über die Risikogesellschaft von Ulrich Beck siehe auch Beck, Ulrich: ''Risikogesellschaft:auf dem Weg in eine andere Moderne, 2010, Suhrkamp, Frankfurt am Main</ref>
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]]herangezogen.<ref group="Einzelnachweis">Beck,Ulrich:''Risk Society:towards a new modernity'',1992; Sage, London</ref><ref group="Anmerkung">Zur aktuellen Weiterentwicklung der Theorie über die Risikogesellschaft von Ulrich Beck siehe auch Beck, Ulrich: ''Risikogesellschaft:auf dem Weg in eine andere Moderne, 2010, Suhrkamp, Frankfurt am Main</ref>
Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. <ref> Thompson,Kenneth:''Risk Society''In:Moral Panics,1998,Routledge,London S.22 < /ref> Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der Kriminalitätsbekämpfung zum Ausdruck kommt. <ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxv </ref> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxvi </ref> Eine Zusammendenken von Risikogesellschaft und moralischer Panik befürwortet David Garland in einem Artikel von 2008. Er sieht in der Beziehung von objektiven Risiken (z.B. Naturkatastrophen, Epidemien, technologische Katastrophen) und subjektiven Risiken (z.B.kriminelles Verhalten, Kindesmissbrauch, schulische Gewalt) interessante Verbindungen. Ihm zufolge endet eine auf objektive Risiken zurückzuführende Panik oft in der Frage nach moralischer Lebensführung.<ref>Garland,David (Garland S.27)
Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. <ref> Thompson,Kenneth:''Risk Society''In:Moral Panics,1998,Routledge,London S.22 </ref> Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der [[Kriminalitätsbekämpfung]] zum Ausdruck kommt. <ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxv </ref> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxvi </ref> Ein Zusammendenken von Risikogesellschaft und moralischer Panik befürwortet [[David Garland]] in einem Artikel: ''On the concept of moral Panic'' von 2008.<ref name="Garland">Garland, David:''On the concept of moral panic'',2008, SAGE, London, S.27,http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.abstract, aufgerufen am 16.07.12 </ref> Er sieht in der Beziehung von objektiven Risiken (z.B. Naturkatastrophen, Epidemien, technologische Katastrophen) und subjektiven Risiken (z.B.kriminelles Verhalten, Kindesmissbrauch, schulische Gewalt) interessante Verbindungen. Ihm zufolge endet eine auf objektive Risiken zurückzuführende Panik oft in der Frage nach moralischer Lebensführung.<ref name="Garland"/>
 
*[[Sozialkonstruktivismus]]:Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien zur Verfügung.<ref group="neue Theorien">Cohen,Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:''Folk Devils and Moral Panics'',2002; Routledge, London S.xxii</ref> Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken vor dem Hintergrund sozialer Konstruktion betrachtet werden. Moralische Panik wird in Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics,2002,Routledge, London, S.xxiii</ref>


*[[Sozialkonstruktivismus]]:Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien zur Verfügung.<ref group="neue Theorien">Cohen,Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:''Folk Devils and Moral Panics'',2002; Routledge, London S.xxii</ref> Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken im Kontext der Herstellung von sozialen Konstruktionen betrachtet werden. Moralische Panik wird in diesem Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics,2002,Routledge, London, S.xxiii</ref>


* [[Diskursanalyse]]
* [[Diskursanalyse]]
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von [[Michel Focault]] wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurseüber Sexualität oder Drogenmissbrauch, als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.<ref>Thompson,Kenneth:''Discourses and Discursive Practices''In: Moral Panics, 1998, Routledge, London, S.24-26 < /ref>
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von [[Michel Focault]] wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse über Sexualität oder Drogenmissbrauch als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.<ref>Thompson,Kenneth:''Discourses and Discursive Practices''In: Moral Panics, 1998, Routledge, London, S.24-26 </ref>


*[[Psychoanalyse]]  
*[[Psychoanalyse]]  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren.<ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref>  23-25
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren.<ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref>  23-25


       
== Kritik ==
6.Kritik
 
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Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. Breite Kritik streute P.A.J. Waddington 1986 in seinem Artikel ''Mugging as a moral panic: a question of proportion''. Darin greift er die Argumentation der Autoren des Buches '' Policing the Crisis'' an. Diese geht darauf zurück, dass kriminelle Überfälle in Großbritannien von den dort herrschenden Eliten als so bedrohlich deklariert wurden, dass sich daraus eine moralische Panik entwickeln sollte. Diese sollte von der derzeitigen ökonomischen Krise ablenken. Darüber Hinaus bezeichnet Weddington moralische Panik eher als polemisches, denn als analytisches Konzept. (Weddington S. 258) Er geht darauf ein, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität auf nicht messbare Bedingungen zurückzuführen ist. Dadurch besteht kein valides Kriterium, welches eine gültige Aussage über das zeitliche Auftreten einer moralischen Panik wiedergeben könnte. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ (Weddington p. 246)  Die Kritik des Aspektes der Disproportionalität greift Stanley Cohen in seiner überarbeiteten, dritten Auflage von ''Folk Devils and Moral Panics'' nochmals auf. Er argumentiert, dass das Kriterium der Proportionalität mit externen Verbindlichkeiten, wie Menschenrechten, Ziel sozialer Gleichheit oder sozialer Gerechtigkeit gedacht werden muss. (S. xxviii) Zudem geht er darauf ein, dass Messungen über Emotionen auf qualitativer Basis beruhen, welche auf sozialen Konstruktionen beruht. (S. xxix)  
Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. Breite Kritik streute P.A.J. Waddington 1986 in seinem Artikel ''Mugging as a moral panic: a question of proportion''. Darin greift er die Argumentation der Autoren des Buches '' Policing the Crisis'' an. Diese geht darauf zurück, dass kriminelle Überfälle in Großbritannien von den dort herrschenden Eliten als so bedrohlich deklariert wurden, dass sich daraus eine moralische Panik entwickeln sollte. Diese sollte von der derzeitigen ökonomischen Krise ablenken. Darüber Hinaus bezeichnet Weddington moralische Panik eher als polemisches, denn als analytisches Konzept. (Weddington S. 258) Er geht darauf ein, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität auf nicht messbare Bedingungen zurückzuführen ist. Dadurch besteht kein valides Kriterium, welches eine gültige Aussage über das zeitliche Auftreten einer moralischen Panik wiedergeben könnte. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ (Weddington p. 246)  Die Kritik des Aspektes der Disproportionalität greift Stanley Cohen in seiner überarbeiteten, dritten Auflage von ''Folk Devils and Moral Panics'' nochmals auf. Er argumentiert, dass das Kriterium der Proportionalität mit externen Verbindlichkeiten, wie Menschenrechten, Ziel sozialer Gleichheit oder sozialer Gerechtigkeit gedacht werden muss. (S. xxviii) Zudem geht er darauf ein, dass Messungen über Emotionen auf qualitativer Basis beruhen, welche auf sozialen Konstruktionen beruht. (S. xxix)  
Häufig wird dem Konzept der moralischen Panik vorgeworfen, dass es sich dabei um ein werte-beladenes Konzept mit politischem Beigeschmack handelt. (S. xxxi) Cohen gesteht ein, dass das Konzept vor allem in links-liberalen Denkstrukturen Gebrauch findet (S. xxxi) und in der Vergangenheit häufig zur Untergrabung konservativer Ideologien angewendet wurde.(xxxiii) Dennoch geht Cohen davon aus, dass der Begriff neutral ist und in seiner Verwendung auch umgekehrt werden kann. Er definiert den Begriff in diesem Zusammenhang folgendermaßen: ''" (...)the term is not just value-laden but intended to be a critical tool to expose dominant interests and ideologies."''(Cohen S. xxxiii) Anmerkung: Siehe zur aktuellen Auseinandersetzung mit Cohens Überarbeitung auch: Garland, David: On the concept of Moral Panic: Crime, Media, Culture; April 2008, Sage http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.short, aufgerufen am 11.07.12  
Häufig wird dem Konzept der moralischen Panik vorgeworfen, dass es sich dabei um ein werte-beladenes Konzept mit politischem Beigeschmack handelt. (S. xxxi) Cohen gesteht ein, dass das Konzept vor allem in links-liberalen Denkstrukturen Gebrauch findet (S. xxxi) und in der Vergangenheit häufig zur Untergrabung konservativer Ideologien angewendet wurde.(xxxiii) Dennoch geht Cohen davon aus, dass der Begriff neutral ist und in seiner Verwendung auch umgekehrt werden kann. Er definiert den Begriff in diesem Zusammenhang folgendermaßen: ''" (...)the term is not just value-laden but intended to be a critical tool to expose dominant interests and ideologies."''(Cohen S. xxxiii) Anmerkung: Siehe zur aktuellen Auseinandersetzung mit Cohens Überarbeitung auch: Garland, David: On the concept of Moral Panic: Crime, Media, Culture; April 2008, Sage http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.short, aufgerufen am 11.07.12  
== Literatur ==
== Weblinks ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<ref name="Weddington,  P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59<ref>
       




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9.Weblinks
9.Weblinks
10.Einzelnachweise
10.Einzelnachweise
Weddington,  P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59
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