Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Moralische Panik''' (von englisch: Moral Panic), beschreibt ein Phänomen, bei dem eine soziale Gruppe oder Kategorie aufgrund ihres Verhaltens von der breiten Öffentlichkeit als Gefahr für die moralische  Ordnung der Gesellschaft gekennzeichnet wird. Ziel der öffentlichen Aufruhr ist die Unterbindung des als Bedrohung empfundenen Verhaltens auf langfristige Sicht. Die dabei entstehende öffentliche Dynamik wird durch eine sensationsfokussierte Medienberichterstattung und privat organisierte Initiativen begleitet. Eine moralische Panik weist in ihrer Verlaufsform einen [[Spiraleffekt]] <ref Name= "Thomson"> Thomson, Kenneth: '' Why the Panic? - The History and Meaning of the Concept'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 8-22 </ref> auf. Dieser zieht sich folgendermaßen hin: Zunächst entstehen Befürchtungen über das Verhalten einer sozialen Gruppe oder Klasse, welche als Bedrohung der gesellschaftlichen Werte bzw. der moralischen Ordnung eingeordnet werden. Diese Bedrohung wird daraufhin in einer sensationslüsternen Berichterstattung von den Medien rezipiert und unterstützt dadurch das Ausmaß der gesellschaftlichen Befürchtung. An diesem Punkt folgt eine Reaktion von Autoritäten oder einflussreichen Meinungsmachern,die zur Unterbindung des Verhaltens aufrufen. Letztendlich führt die moralische Panik zu einer Verstärkung der sozialen Kontrolle und der Verringerung der Wahrscheinlichkeit für einen normativen Wertewandel.<ref Name= "Thomson" />
'''Moralische Panik''' (von englisch: Moral Panic), beschreibt ein Phänomen, bei dem eine soziale Gruppe oder Kategorie aufgrund ihres Verhaltens von der breiten Öffentlichkeit als Gefahr für die moralische  Ordnung der Gesellschaft gekennzeichnet wird. Ziel der öffentlichen Aufruhr ist die Unterbindung des als Bedrohung empfundenen Verhaltens auf langfristige Sicht. Die dabei entstehende öffentliche Dynamik wird durch eine sensationsfokussierte Medienberichterstattung und privat organisierte Initiativen begleitet. Eine moralische Panik weist in ihrer Verlaufsform einen [[Spiraleffekt]] <ref name= "Thomson8"> Thomson, Kenneth: '' Why the Panic? - The History and Meaning of the Concept'' In: ''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 1-22 </ref> auf. Dieser zieht sich folgendermaßen hin: Zunächst entstehen Befürchtungen über das Verhalten einer sozialen Gruppe oder Klasse, welche als Bedrohung der gesellschaftlichen Werte bzw. der moralischen Ordnung eingeordnet werden. Diese Bedrohung wird daraufhin in einer sensationslüsternen Berichterstattung von den Medien rezipiert und unterstützt dadurch das Ausmaß der gesellschaftlichen Befürchtung. An diesem Punkt folgt eine Reaktion von Autoritäten oder einflussreichen Meinungsmachern,die zur Unterbindung des Verhaltens aufrufen. Letztendlich führt die moralische Panik zu einer Verstärkung der sozialen Kontrolle und der Verringerung der Wahrscheinlichkeit für einen normativen Wertewandel.<ref name= "Thomson8"/>


'''Inhaltsverzeichnis'''
'''Inhaltsverzeichnis'''
== '''Geschichte und Bedeutung''' ==
== '''Geschichte und Bedeutung''' ==
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Auf das Phänomen ''Moral Panic'' wurde erstmalig von dem britischen Soziologe Jock Young im Jahr 1971 Bezug genommen.<ref Name="Thomson" /> Dieser stellte einen Zusammenhang zwischen der, mit Befürchtungen geführten Diskussion über einen Anstieg der statistischen Daten zum Missbrauch von Drogen und dem verstärkten Aufgebot von Polizeieinsätzen sowie dem Anstieg von gerichtlichen Verurteilungen in diesem Bereich her. <ref>Young,Jock:The role of the Police as Amplifiers of Deviancy, Negotiators of Reality and Translators of Fantasy:Some consequences of our present system of drug control as seen in Notting Hill, In:Cohen,Stanley: Images of Deviance, Penguin Books,Harmondsoworth,1971 S.27-62 </ref> Systematisch führte [[Stanley Cohen]] in seinem 1972 veröffentlichten Werk [[''Folk devils and Moral Panics'']] in das Konzept der moralischen Panik ein. Darin fokussiert er hauptsächlich die Reaktion der [[Medien]] und das Verhalten der politischen sowie öffentlichen Akteure von Jugendlichen, sogenannten [[''Moods and Rockers'']], in den 1960-er Jahren in Großbritannien.<ref Name= "Thomson" />
Auf das Phänomen ''Moral Panic'' wurde erstmalig von dem britischen Soziologe Jock Young im Jahr 1971 Bezug genommen.<ref name="Thomson8"/> {{Rp|7}}Dieser stellte einen Zusammenhang zwischen der, mit Befürchtungen geführten Diskussion über einen Anstieg der statistischen Daten zum Missbrauch von Drogen und dem verstärkten Aufgebot von Polizeieinsätzen sowie dem Anstieg von gerichtlichen Verurteilungen in diesem Bereich her. <ref> Young, Jock: ''The role of the Police as Amplifiers of Deviancy, Negotiators of Reality and Translators of Fantasy'' In: Some consequences of our present system of drug control as seen in Notting Hill, In: Cohen,Stanley: ''Images of Deviance, Penguin Books, Harmondsoworth'', 1971 S.27-62 </ref> Systematisch führte [[Stanley Cohen]] in seinem 1972 veröffentlichten Werk [[''Folk devils and Moral Panics'']] in das Konzept der moralischen Panik ein. Darin fokussiert er hauptsächlich die Reaktion der [[Medien]] und das Verhalten der politischen sowie öffentlichen Akteure von Jugendlichen, sogenannten [[''Moods and Rockers'']], in den 1960-er Jahren in Großbritannien.<ref Name= "Thomson8"/>{{Rp|7}}


=== Stanley Cohen: ''Folk Devils and Morals Panics'' ===
=== Stanley Cohen: ''Folk Devils and Morals Panics'' ===
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'''[[Stanley Cohen]]: ''Folk Devils and Moral Panics'''
In ''Folk Devils and Moral Panics'' analysiert Stanley Cohen den Ausbruch einer moralischen Panik ausgelöst durch das [[deviant]]e Verhalten jugendlicher Gruppen in britischen Kleinstädten. Auslöser der Panik war ein aufsehenerregender Straßenkampf in ''Clacton'', einem Küstenort in Großbritannien. Am Karsamstag im Jahr 1964 wurde ''Clacton'' Schauplatz einer Aufruhr von Jugendlichen. Es fand ein Streit darüber statt, dass ein Barbesitzer die Bedienung einer Gruppe Jugendlicher verweigerte. Daraufhin entwickelte sich ein Handgemenge, ein Pistolenschuss wurde abgegeben und eine Scheibe im Wert von 500 Pfund zerbrach. Die Polizei inhaftierte im Folgenden ca. 100 Jugendliche aufgrund missbräuchlichen Verhaltens gegenüber der Polizei.<ref name=''The Inventory''> Cohen Stanley,''The Inventory''In: Folk Devils and Moral Panics, 2002, Routledge, London, S.16-34 </ref> Die Reaktion der britischen Medien auf diesen Vorfall war enorm. Bis auf die britische [[''Times'']] befand sich das Ereignis auf allen Titelseiten bedeutungsvoller Tageszeitungen. Auf den Spiraleffekt zurückgehend folgten Bezeichnungen der jugendlichen Gruppen, als ''Mods and Rockers'' und deren Deklaration als gefährliche ''Folk Devils''.<ref> Thomson, Kenneth: ''The Classic Moral Panic - Mods and Rockers'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 31 f.</ref> Cohen geht bei seiner Analyse von einem [[Stufenmodell]] aus, welches aus dem Bereich des [[''Katastrophenverhalten'']] stammt. Demzufolge ereignete sich bei den Vorfällen in ''Clacton'' zunächst eine anfänglich, als deviant charakterisierte Phase, welche in eine Stufe der Beständigkeit überging. In diesem Zusammenhang analysiert Cohen die Rolle der Medien nach drei Kriterien.  
In ''Folk Devils and Moral Panics'' analysiert Stanley Cohen den Ausbruch einer moralischen Panik ausgelöst durch das [[deviant]]e Verhalten jugendlicher Gruppen in britischen Kleinstädten. Auslöser der Panik war ein aufsehenerregender Straßenkampf in ''Clacton'', einem Küstenort in Großbritannien. Am Karsamstag im Jahr 1964 wurde ''Clacton'' Schauplatz einer Aufruhr von Jugendlichen. Es fand ein Streit darüber statt, dass ein Barbesitzer die Bedienung einer Gruppe Jugendlicher verweigerte. Daraufhin entwickelte sich ein Handgemenge, ein Pistolenschuss wurde abgegeben und eine Scheibe im Wert von 500 Pfund zerbrach. Die Polizei inhaftierte im Folgenden ca. 100 Jugendliche aufgrund missbräuchlichen Verhaltens gegenüber der Polizei.<ref name=''The Inventory''>Cohen Stanley,''The Inventory''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.16-34)</ref> Die Reaktion der britischen Medien auf diesen Vorfall war enorm. Bis auf die britische [[''Times'']] befand sich das Ereignis auf allen Titelseiten bedeutungsvoller Tageszeitungen. Auf den Spiraleffekt zurückgehend folgten Bezeichnungen der jugendlichen Gruppen, als ''Mods and Rockers'' und deren Deklaration als gefährliche ''Folk Devils''.<ref> Thomson, Kenneth: ''The Classic Moral Panic - Mods and Rockers'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 31 f.</ref> Cohen geht bei seiner Analyse von einem [[Stufenmodell]] aus, welches aus dem Bereich des [[''Katastrophenverhalten'']] stammt. Demzufolge ereignete sich bei den Vorfällen in ''Clacton'' zunächst eine anfänglich, als deviant charakterisierte Phase, welche in eine Stufe der Beständigkeit überging. In diesem Zusammenhang analysiert Cohen die Rolle der Medien nach drei Kriterien.  
# Übertreibung und Verzerrung: Cohen kann in den Medienberichten ein breite Verwendung von melodramatischem Vokabular und sensationslüsternen Schlagzeilen erkennen. Außerdem schrieben die Zeitungen fälschliche Aussagen. Beispielsweise veröffentlichte eine Zeitung, dass die Fenster aller Diskotheken zerbrochen waren. Faktisch gab es in ''Clacton'' aber nur eine Diskothek bei der nur einzelne Fenster zu Bruch gegangen waren. <ref Name="The role of the Media"> Thomson, Kenneth: ''The Role of the Media'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 33 f.</ref>
# Übertreibung und Verzerrung: Cohen kann in den Medienberichten ein breite Verwendung von melodramatischem Vokabular und sensationslüsternen Schlagzeilen erkennen. Außerdem schrieben die Zeitungen fälschliche Aussagen. Beispielsweise veröffentlichte eine Zeitung, dass die Fenster aller Diskotheken zerbrochen waren. Faktisch gab es in ''Clacton'' aber nur eine Diskothek bei der nur einzelne Fenster zu Bruch gegangen waren. <ref Name="The role of the Media"> Thomson, Kenneth: ''The Role of the Media'' In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 33 f.</ref>
# Prognosen: Die Zeitungen meldeten Prognosen über mögliche Wiederholungen und Ausbreitungen solcher Unruhen. Dabei gingen sie sogar von Verschlimmerungen der Situation und einer Bedrohung des Frieden aus.<ref Name="The role fo the Media"/>  
# Prognosen: Die Zeitungen meldeten Prognosen über mögliche Wiederholungen und Ausbreitungen solcher Unruhen. Dabei gingen sie sogar von Verschlimmerungen der Situation und einer Bedrohung des Frieden aus.<ref Name="The role of the Media"/>  
# Symbolisierungen: Zudem fand eine Symbolisierung der vermeintlichen Täter statt. Beispielsweise wurden Schlüsselsymbole wie Haarschnitte oder Kleidungsstile ihrer neutralen Konnotation entnommen und mit negativen Assoziationen belegt. Dies wurde auch daran ersichtlich, dass es vor den Ereignissen in ''Clacton'' eine Berichterstattung über [[''Hooligans'']] oder [[''Gang Fights'']] gab. Bisher hatte diese regulär und ohne hohe Besorgniserregung stattgefunden.  
# Symbolisierungen: Zudem fand eine Symbolisierung der vermeintlichen Täter statt. Beispielsweise wurden Schlüsselsymbole wie Haarschnitte oder Kleidungsstile ihrer neutralen Konnotation entnommen und mit negativen Assoziationen belegt. Dies wurde auch daran ersichtlich, dass es vor den Ereignissen in ''Clacton'' eine Berichterstattung über [[''Hooligans'']] oder [[''Gang Fights'']] gab. Bisher hatte diese regulär und ohne hohe Besorgniserregung stattgefunden.  
Neben den Medien spielt bei der Entwicklung einer moralischen Panik über jugendliches, gewalttätiges Verhalten das Handeln von Politikern und sozialen Gruppen eine bedeutende Rolle. Lokale Politiker wollten die Vorfälle in ''Clacton'' und die damit verbundene Problematik auf national-politische Ebene bringen. Dazu sendeten sie Berichte in das britische Innenministerium sodass der Vorfall und mögliche Konsequenzen letztendlich im Unterhaus diskutiert wurden. Daneben bildeten sich auch lokale Gruppen, die eine effektives Vorgehen gegen das deviante Verhalten forderten. <ref> Thomson, Kenneth: "Social Control Agents and Moral Entrepreneurs" In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 38 </ref>
Neben den Medien spielt bei der Entwicklung einer moralischen Panik über jugendliches, gewalttätiges Verhalten das Handeln von Politikern und sozialen Gruppen eine bedeutende Rolle. Lokale Politiker wollten die Vorfälle in ''Clacton'' und die damit verbundene Problematik auf national-politische Ebene bringen. Dazu sendeten sie Berichte in das britische Innenministerium sodass der Vorfall und mögliche Konsequenzen letztendlich im Unterhaus diskutiert wurden. Daneben bildeten sich auch lokale Gruppen, die eine effektives Vorgehen gegen das deviante Verhalten forderten. <ref> Thomson, Kenneth: "Social Control Agents and Moral Entrepreneurs" In:''Moral Panics'', 1998, Routledge, New York S. 38 </ref>
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Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].
Zwei weitere Aspekte deuten darüber Hinaus auf das Vorhandensein einer moralische Panik hin: die Bestimmung sogenannter [[''folk devils'']] und die Existenz einer [[''Katastrophenmentalität'']].


''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als etwas grundsätzlich böses charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der ''[[Labeling Theory]]'' auffinden.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" /> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann.<ref=name "Lancaster">Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref>
''Folk Devils'' sind sozial konstruierte Gruppen, die als etwas grundsätzlich böses charakterisiert werden und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Diese Bezeichnung (im engl. auch [[labeling]] genannt) und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen lassen sich auch in den Ausführungen der ''[[Labeling Theory]]'' auffinden.<ref name="Actors in the Drama of the Moral Panic" /> Die soziale Herstellung von etwas grundsätzlich Bösen kann zudem in der Symbolik des [[''Sündenbockes'']]<ref>Sir James George Frazer, The golden bough: A study in Magic and Religion vol. 9, pt. 6, The scapegoat 1920; repr. New York: Elibron Classics, 2005 </ref>  wiedergefunden werden. Diese Symbolik ist der Logik der moralischen Panik ebenfalls inhärent, da die Bezeichnung einer Person oder einer Gruppe als moralische Bedrohung für die Stiftung einer Panik ausschlaggebend sein kann.<ref name="Lancaster">Lancaster, Roger N.: ''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 </ref>


Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, welche sich vor, während und nach Naturkatastrophen heranbilden, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.<ref>Cohen Stanley,''The Control Agents''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)</ref>  
Bei einer Katastrophenmentalität werden Parallelen zum Verhalten bei Naturkatastrophen sichtbar. Dies wird beispielsweise an relevanten Verhaltensweisen, welche sich vor, während und nach Naturkatastrophen heranbilden, deutlich. Beispielsweise treten Vorhersagen über einen bevorstehenden Untergang auf und es findet eine Sensibilisierung für mögliche Signale statt. Zudem werden vermehrt Überreaktionen, Gerüchte über mögliche Ereignisse oder Auslöser von Fehlalarm ersichtlich.<ref>Cohen Stanley,''The Control Agents''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S. 144-48)</ref>  
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*[[Psychoanalyse]]  
*[[Psychoanalyse]]  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt in diesem Kontext ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen  
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren.<ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23- 38 < /ref> 23-25
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren.<ref>Lancaster, Roger N.:''Panic: A Guide to the Uses of Fear" In: Sex Panic and the Punitive State,2011,University of California Press, London, S.23-25 </ref>


== Kritik ==
==Kritik==
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Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. Breite Kritik streute P.A.J. Waddington 1986 in seinem Artikel ''Mugging as a moral panic: a question of proportion''. Darin greift er die Argumentation der Autoren des Buches '' Policing the Crisis'' an. Diese geht darauf zurück, dass kriminelle Überfälle in Großbritannien von den dort herrschenden Eliten als so bedrohlich deklariert wurden, dass sich daraus eine moralische Panik entwickeln sollte. Diese sollte von der derzeitigen ökonomischen Krise ablenken. Darüber Hinaus bezeichnet Weddington moralische Panik eher als polemisches, denn als analytisches Konzept. (Weddington S. 258) Er geht darauf ein, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität auf nicht messbare Bedingungen zurückzuführen ist. Dadurch besteht kein valides Kriterium, welches eine gültige Aussage über das zeitliche Auftreten einer moralischen Panik wiedergeben könnte. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ (Weddington p. 246) Die Kritik des Aspektes der Disproportionalität greift Stanley Cohen in seiner überarbeiteten, dritten Auflage von ''Folk Devils and Moral Panics'' nochmals auf. Er argumentiert, dass das Kriterium der Proportionalität mit externen Verbindlichkeiten, wie Menschenrechten, Ziel sozialer Gleichheit oder sozialer Gerechtigkeit gedacht werden muss. (S. xxviii) Zudem geht er darauf ein, dass Messungen über Emotionen auf qualitativer Basis beruhen, welche auf sozialen Konstruktionen beruht. (S. xxix)  
Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. Breite Kritik streute [[P.A.J. Waddington] 1986 in seinem Artikel ''Mugging as a moral panic: a question of proportion''.<ref name="Waddington"> Weddington,  P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“, In:  The british Journal of Sociology 37,(2), 1986, S. 245-59 < /ref> Darin greift er die Argumentation der Autoren des Buches '' Policing the Crisis'' <ref> Hall, S./ Critcher, C. / Jefferson, T./ Clarke, J./ Roberts, B : 'POlicing te Crisis: Mugging, The State and Law and Order, 1978, Lodon: Macmillan </ref> an. Diese geht darauf zurück, dass kriminelle Überfälle in Großbritannien von den dort herrschenden Eliten als so bedrohlich deklariert wurden, dass sich daraus eine moralische Panik entwickeln sollte. Diese sollte von der derzeitigen ökonomischen Krise ablenken. Darüber Hinaus bezeichnet Waddington moralische Panik eher als polemisches, denn als analytisches Konzept. <ref name="Waddington" /ref> 246 Er geht darauf ein, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität auf nicht messbare Bedingungen zurückzuführen ist. Dadurch besteht kein valides Kriterium, welches eine gültige Aussage über das zeitliche Auftreten einer moralischen Panik wiedergeben könnte. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ <ref name=Waddington /ref> S.246  Die Kritik des Aspektes der Disproportionalität greift Stanley Cohen in seiner überarbeiteten, dritten Auflage von ''Folk Devils and Moral Panics'' nochmals auf. Er argumentiert, dass das Kriterium der Proportionalität mit externen Verbindlichkeiten, wie Menschenrechten, Ziel sozialer Gleichheit oder sozialer Gerechtigkeit gedacht werden muss. <ref name="Einleitung">Cohen, Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:''Folk Devils and Moral Panics'', 2002, Routledge, London, S. vii-xxiv, S. xxii </ref> (S. xxviii) Zudem geht er darauf ein, dass Messungen über Emotionen auf qualitativer Basis beruhen, welche auf sozialen Konstruktionen beruht. (S. xxix)  
Häufig wird dem Konzept der moralischen Panik vorgeworfen, dass es sich dabei um ein werte-beladenes Konzept mit politischem Beigeschmack handelt. (S. xxxi) Cohen gesteht ein, dass das Konzept vor allem in links-liberalen Denkstrukturen Gebrauch findet (S. xxxi) und in der Vergangenheit häufig zur Untergrabung konservativer Ideologien angewendet wurde.(xxxiii) Dennoch geht Cohen davon aus, dass der Begriff neutral ist und in seiner Verwendung auch umgekehrt werden kann. Er definiert den Begriff in diesem Zusammenhang folgendermaßen: ''" (...)the term is not just value-laden but intended to be a critical tool to expose dominant interests and ideologies."''(Cohen S. xxxiii) Anmerkung: Siehe zur aktuellen Auseinandersetzung mit Cohens Überarbeitung auch: Garland, David: On the concept of Moral Panic: Crime, Media, Culture; April 2008, Sage http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.short, aufgerufen am 11.07.12  
Häufig wird dem Konzept der moralischen Panik vorgeworfen, dass es sich dabei um ein werte-beladenes Konzept mit politischem Beigeschmack handelt. (S. xxxi) Cohen gesteht ein, dass das Konzept vor allem in links-liberalen Denkstrukturen Gebrauch findet (S. xxxi) und in der Vergangenheit häufig zur Untergrabung konservativer Ideologien angewendet wurde.(xxxiii) Dennoch geht Cohen davon aus, dass der Begriff neutral ist und in seiner Verwendung auch umgekehrt werden kann. Er definiert den Begriff in diesem Zusammenhang folgendermaßen: ''" (...)the term is not just value-laden but intended to be a critical tool to expose dominant interests and ideologies."''(Cohen S. xxxiii) Anmerkung: Siehe zur aktuellen Auseinandersetzung mit Cohens Überarbeitung auch: Garland, David: On the concept of Moral Panic: Crime, Media, Culture; April 2008, Sage http://cmc.sagepub.com/content/4/1/9.short, aufgerufen am 11.07.12  


== Literatur ==
==Literatur==
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Weddington,  P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59
Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56
== Weblinks ==
== Weblinks ==
== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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8.Literatur
8.
Weddington,  P.A.J. 1986 „Mugging as a moral panic: a question of proportion“ The british Journal of Sociology 37 (2) 245-59
Jones, Brian J./Gallagher Bernard J./III/ and Mc. Falls Jr., Joseph A.: Toward a unified model for social problems theory, In: '' Journal for the Theory of Social Behaviour'' ,Nr. 19, 1989, S. 337 -56
9.Weblinks
9.Weblinks
10.Einzelnachweise
10.Einzelnachweise
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