Policía Nacional Civil (PNC)

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Die auf der Grundlage des Friedensabkommens von 1996 im Jahre 1997 gegründete Policía Nacional Civil (PNC) ist eine Polizei im mittelamerikanischen Staat Guatemala. Ihr gehören (im Mai 2010) 22.223 Polizisten an (89% Männer). In Guatemala-City kamen 5.000 Polizisten auf 3 Millionen Einwohner. Der seit Januar 2012 amtierende Präsident Otto Pérez Molina plant eine Aufstockung der zur Zeit unterbesetzten Polizeikräfte auf 32.000 Mann innerhalb der nächsten vier Jahre. Die PNC führt ihre Patrouillen oft gemeinsam mit Armeeangehörigen durch. In diesen Fällen sind die Soldaten mit einer Armbinde mit der Aufschrift SC (Seguridad Ciudadana)gekennzeichnet.

Geschichte der PNC

Die Policía National Civil besteht zu einem Großteil aus Offizieren der ehemaligen Polizei Guatemalas der Policía Nacional. Von den 19.000 Offizieren wurden 11.000 nach einer drei monatigen Umschulung in die neu gegründete PNC übernommen. Obwohl viele von ihnen an Entführungen, Folter und Morden während des Bürgerkrieges (1960-1996) beteiligt waren. Nach Ende des Bürgerkrieges wandelte sich die Ausrichtung der inneren Sicherheit. Ab der 60ger Jahre wurde das Konzept der Seguridad nacional verfolgt. Es beinhaltete den Schutz des Staates im Kontext des kalten Krieges. Dieses Konzept wurde politisch und technisch stark von den USA unterstützt. Bürger des linksoppositionellen Spektrums wurden als Staatsfeind definiert und systematisch verfolgt, gefoltert und getötet. Diese Verbrechen lassen sich nachlesen in einem insgesamt 80 Millionen Seiten starke Archiv, dass 2005 in einem verlassenen Polizei Gebäude in Guatemala Stadt gefunden wurde. Es beinhaltet neben den detaillierten Angaben über die allgemeinen Vorgehensweise der Polizei in den Jahren 1982 bis 1997, auch genaue Aufzeichnungen darüber, wer wann wo verhaftet, überwacht, entführt, gefoltert und ermordet wurde. Nach dem Friedensabkommen aus dem Jahre 1996 wurde die PN aufgelöst und es entstanden zwei neue Konzepte der inneren Sicherheit. Zum einen das Konzept der Seguridad publica, zum Schutze der öffentlichen Sicherheit vor Naturkatastrophen, Verkehrsunfällen und Umweltschäden. Und zum Zweiten das Konzept der Seguridad ciudadana, welches im Zentrum der neuen Ausrichtung der inneren Sicherheit steht. Es beinhaltet den Schutz des Bürgers vor Sicherheitsrisiken, die durch absichtliches menschliches Handeln entstehen. Besonders wichtig innerhalb dieses Konzeptes ist der Schutz des einzelnen Bürgers vor Gewalt und Kriminalität.


Aufgabe der PNC

Die Aufgabe der Policía National Civil ist der Schutz der Gemeinschaft und aller Personen vor illegalen Aktivitäten, der Respekt und der Schutz der menschlichen Würde und die Aufrechterhaltung aller Gesetze und aller Rechte aller Personen. Diese Aufgabe soll ohne Korruption bewältigt werden. Bei der Ermittlung und Strafverfolgung spielt die PNC eine untergeordnete Rolle. Verantwortlich hierfür ist das Ministerio Publico, das Staatsanwaltschaftsbüro. Die PNC kann jedoch auf eigene Initiative Ermittlungen einleiten, wenn es sich um Straftaten gemäß dem Legalitätsprinzip handelt. Dies sind Straftaten, bei denen keine Klage eines privaten Bürgers notwendig ist um eine Ermittlung einzuleiten, wie etwa bei Mordfällen. Das Justizsystem entscheidet letztendlich nur über Fälle, die ihm vom Staatsanwaltschaftsbüro präsentiert werden. Viele Menschenrechtsverletzungen durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure und die Abwehr von Gefahren wie intrafamiliärer und sexueller Gewalt gehören nicht zum Kern des Sicherheitskonzeptes und werden daher kaum in der Praxis berücksichtigt. Der seit Januar 2012 amtierende Präsident, Otto Pérez Molina, ein ehemaliger General, hat jedoch den Kriminellen den Kampf angesagt und fünf neue Einsatzgruppen innerhalb der PNC geschaffen. Diese sollen Auftragsmorde, Morde an Frauen, Entführungen, Erpressungen und Raubüberfälle verhindern und aufklären.


Probleme der inneren Sicherheit

In Guatemala tauchen viele Probleme der inneren Sicherheit auf. Allen voran steht eine hohe Rate an Gewaltverbrechen, die zum jetzigen Zeitpunkt fast so viele Tote fordert wie in den Zeiten des Bürgerkrieges. 2011 waren es nach einem Bericht von Amnesty International über 5600 Opfer. Die Gründe hierfür sind tief in der Gesellschaft verankert und hängen damit zusammen, das die Verbrechen aus den Bürgerkriegsjahren und auch aus der Zeit danach nur sehr langsam oder gar nicht aufgearbeitet und verurteilt werden. Amnesty International bezeichnet die Regierung Guatemalas als einen „Corporate Mafia State“. Dies sind Staaten, in denen die Sicherheit der Bürger gefährdet ist, aufgrund der Verstrickungen des Organisierten Verbrechen mit der wirtschaftlichen und politischen Elite sowie mit den staatlichen und privaten Sicherheitskräften. Ein weiteres großes Defizit der inneren Sicherheit ist die Missachtung der Menschenrechte von sozialen Gruppen, die als „Tätergruppen“ definiert sind, wie zum Beispiel Gang Mitglieder oder Migranten. Das Konzept der „Mano Dura“, zu deutsch, harte Hand, das der jetzige Präsident Otto Pérez Molina anstrebt, beinhaltet weitere repressive Ansätze und eine Verschärfung des Strafrechtes oft unter Benachteiligung der Bürgerrechte. Menschenrechtsbeobachter warnen, das dieses Vorgehen die Stigmatisierung und die soziale Desintegration dieser Gruppen fördert.


Gewaltphänomen

Ein besonders großes Problem der inneren Sicherheit ist das Gewaltphänomen in Guatemala. Das Land verzeichnet eine der höchsten Mord- und Entführungsraten der Welt. Im Vergleich: während in Deutschland 2009 ein Mordopfer auf 100.000 Einwohner kam, waren es in Guatemala 47 . Nahezu täglich werden Fahrer von öffentlichen Transportmitteln angegriffen. Bis Juli 2012 waren 57 Fahrer, 30 Hilfskräfte und 36 Passagiere ermordet worden. Neben den Angriffen auf das öffentliche Verkehrsnetz sind Frauenmorde, Ermordungen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und extra legale Hinrichtungen besonders häufig. Diese extra legalen Hinrichtungen, werden von der Öffentlichkeit oft als „soziale Säuberungen“ bezeichnet. Sie werden von Polizisten oder dem Militär toleriert oder durchgeführt. Betroffen sind in erster Linie männliche Jugendliche die vermeidliche Gang Mitglieder sind. Die meisten dieser Morde werden nie aufgeklärt.

Korruption und Straffreiheit

Die Korruption ist eines der größten Probleme der inneren Sicherheit Guatemalas und eine wesentliche Ursache dafür, dass das organisierte Verbrechen so weit verbreitet ist. Dies führt zu einer Zunahme der Gewalt und dazu, dass ein Großteil der Verbrechen nicht aufgeklärt werden oder gar nicht erst verfolgt werden. Woraufhin immer weniger Verbrechen angezeigt werden, da es wenig Aussichten auf eine erfolgreiche Strafverfolgung gibt. Seit Jahren werden weniger als vier Prozent der Morde aufgeklärt. Infolge dessen steigt auch die Lynch- und Selbstjustiz da die Bürger den staatlichen Sicherheitskräften nicht vertrauen. Es gibt zahlreiche Korruptionsvorwürfe gegen staatliche Akteure. Zum Beispiel wurde 2009 der Direktor der PNC, Porfirio Pérez Paniagua, abgesetzt und verhaftet aufgrund von der Verantwortung für „extralegale Hinrichtungen, Korruptionsvorwürfen und der Führung eines kriminellen Drogennetzwerkes. Jährlich werden hunderte Polizisten entlassen, weil sie selber in kriminelle Aktivitäten verstrickt sind.

Jugendbanden

Die als „Maras“ bekannten Jugendbanden, werden von der guatemaltekischen Regierung für die hohe Gewalt- und Kriminalitätsrate verantwortlich gemacht. Es existieren zwei verfeindete Banden die „Mara Salvatrucha“ und die „Mara 18“, deren Namen auf ihre Ursprünge verweisen. Jedoch handeln die einzelnen Gangs oft lokal, unabhängig voneinander. Die Anzahl der Mitglieder wächst seit 15 Jahren und wird in Guatemala auf 20.000 geschätzt. Ihre Ursprünge liegen bei den Flüchtlingen der Bürgerkriege in El Salvador, Guatemala und Honduras. Ende der 90ger Jahre wurden viele von ihnen aus den Armenvierteln von New York und Los Angeles zurück in ihre Heimatländer deportiert. In denen die zerrütteten, sozialen Strukturen und ihrer kriminellen Vergangenheit ihnen das Einleben schwer machte. Sie schlossen sich in ihrer Perspektivlosigkeit zusammen. Heute sind die Jugendbanden so mächtig und brutal geworden, dass viele die sich gegen sie stellen in Lebensgefahr schweben. Die Brutalität, die von den Banden ausgeht steigt beständig, besonders in Guatemala, Honduras und El Salvador. In diesen Ländern wird seit Jahren verschärft gegen die Jugendbanden vorgegangen und diese reagieren zunehmend mit Gegengewalt. Außerdem wird vermutet, dass die Banden verstärkt mit den mexikanischen Drogenkartellen kooperieren. Ein positives Beispiel ist Nicaragua, hier wird auf Präventivmaßnahmen gesetzt, um das Abrutschen junger Menschen in die Kriminalität zu verhindern. Das Resultat sind sinkende Mitgliederzahlen der Jugendbanden.

Mexikanische Drogenkartelle

Infolge der Verschärfung des Kampfes gegen das Organisierte Verbrechen in Mexiko, wandern die Drogenkartelle zunehmend nach Zentralamerika ab. Aufgrund der hohen Korruptions- und Gewaltrate sind die Regierungen nahezu machtlos und die Drogenkartelle finden begünstigende Strukturen vor. Es werden immer mehr Gesetzte verabschiedet um den Spielraum der Kartelle zu beschränken. So zum Beispiel das Gesetz zur Löschung des Eigentums. Es sieht vor, dass gegen jeden Ermittelt wird, der die legale Herkunft seines Vermögens nicht beweisen kann. Dieses Gesetz, dass 2011 in Kraft getreten ist, gilt nicht nur zur Abschreckung und Bekämpfung der Drogenkartelle sondern auch der tief verankerten Korruption in Guatemala. Doch gerade diese korruptiven Strukturen müssen erst durchbrochen werden, bevor diese Gesetzt erst umfassend in die Tat umgesetzt werden können.

Klandestiner Gruppen

Klandestiner Gruppen sind kriminelle Netzwerke innerhalb der staatlichen Strukturen. Sie bestehen aus aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Polizei und des Militärs, sowie aus Geschäftsleuten, Privaten Sicherheitsbeamten und anderen Kriminellen. Sie nutzen ihre Verbindung zu den staatlichen Strukturen zur Kontrolle lukrativer illegaler Aktivitäten. Durch dieses interne Netzwerk sichern sie sich vor Strafverfolgung. Ihr Ursprung liegt in paramilitärischen Gruppen und Sicherheitsdiensten, die während des Bürgerkrieges, militärische Spezialeinheiten und Spionageeinheiten unterstützten. Sie waren an geschätzten 200.000 extralegalen Hinrichtungen beteiligt. Schon damals arbeiteten sie außerhalb des Gesetztes unter Straflosigkeit. Ihre Aufgabe waren Auftragsmorde von „Staatsfeinden“, wie zum Beispiel Gewerkschaftsführer und andere oppositionelle Aktivisten. Heute sind es Journalisten, MenschenrechtsverteidigerInnen, RichterInnen und UmweltschützerInnen, welche von klandestiner Gruppen bedroht, verfolgt und getötet werden. Seit 2007 gibt es eine internationale Kommission, welche sich gegen die Straffreiheit in Guatemala einsetzt, die „Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala“, kurz CICIG. Die Kommission erzielte bereits einige Erfolge in der Bekämpfung des organisierten Verbrechens.


Bericht von Amnesty International

2009 veröffentlichte Amnesty International eine überarbeitete Version von einem 2007 erstmals veröffentlichtem Bericht. In diesem Bericht geht es um die Beteiligung der Polizei an Tötungen in Guatemala. Es wird bekannt gegeben das hunderte Anzeigen gegen Polizeibeamte bei verschiedenen Menschenrechtsorganisationen eingegangen sind. Es handelt sich hierbei um extralegale Hinrichtungen, diese vorsätzlichen Tötungen wurden auf Befehl, unter Komplizenschaft oder unter Duldung von staatlichen Behörden durchgeführt. Die getöteten weisen gemeinsame Charakteristika auf, sie sind Mehrheitlich jung und stehen im Verdacht kriminelle Aktivitäten zu planen. Viele von ihnen haben eine kriminelle Vergangenheit und sind bereits mit den Strafrechtssystem in Kontakt gekommen. Die meisten der Opfer stammen aus Marginalisierten oder sozial benachteiligten Stadtvierteln. Das Muster der Tötungen ist in allen Fällen ähnlich. Die Leichen wurden meistens an einsamen Orten gefunden und hatten die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Alle wiesen Verletzungen auf, die oft auf Folter schließen ließen und die meisten von ihnen wurden erwürgt oder aus der Nähe durch einen Kopfschuss ermordet. Auch sind Gemeinsamkeiten in der Strafverfolgung und Ermittlung aufgefallen. So kam es bei allen Fällen zu langen Verzögerungen in der Untersuchung. Oft fehlen Belege, Beweise und Zeugenaussagen oder sie wurden ignoriert. Selbst in den Fällen, in denen es überzeugende Beweise für die, von Polizisten begangenen „extralegalen Hinrichtungen“ an Gangmitgliedern, verdächtigen Kriminellen oder anderen unerwünschten Personen gibt, kommt es nur selten zum Prozess. Amnesty International betont in dem überarbeiteten Bericht von 2009, dass es auch nach der Einrichtung der „internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala“, ungenügend Nachforschungen in der Strafverfolgung betrieben werden. Der UN-Sonderberichterstatter empfiehlt dem Staat Guatemala folgende Verbesserungen:

  • Verbesserung der Institutionen der Strafjustiz, besonders der Polizei und der Staatsanwaltschaft
  • Verbesserung der Zeugenschutzes
  • Verbesserung der Haushaltszuweisung
  • Verbesserung der Finanzpolitik

In dem Bericht von 2012 ist von Fortschritten zu lesen, die besonders mit der Gründung der neuen internationalen Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala zusammen hängen.


Weblinks