Guatemala

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Die landwirtschaftlich geprägte ("Hochlandkaffee") Republik Guatemala (Náhuatl: Quauhtlemallan = Ort mit vielen Bäumen) zieht mit ihren kulturhistorischen, landschaftlichen und klimatischen Reizen ("Land des ewigen Frühlings") in jedem Jahr mehr als eine Million Touristen an. Angrenzend an Mexiko, Belize, Honduras und El Salvador verfügt das Land zudem sowohl über eine karibische als auch eine pazifische Küste. Die Marlin Goldemine, die größte Tagebaumine Mittelamerikas, ist Gegenstand von Konflikten zwischen indigener Bevölkerung und den Interessen des Konzerns Goldcorp.

In Guatemala leben 21 von den Maya abstammende Ethnien, die insgesamt rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Zwei Nicht-Maya-Ethnien sind die Xinka und die Garifuna. Hinzu kommen noch die Nachfahren der Kolonisatoren einerseits und verschiedene Einwanderergruppen andererseits, darunter auch nicht wenige aus Deutschland.

In sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht sind die von den Maya abstammenden Ethnien benachteiligt. Sie stellen in der tief gespaltenen guatemaltekischen Sozialstruktur im wesentlichen die in Armut lebende Landbevölkerung dar.

Wichtige Posten in Regierung und Verwaltung haben die Ladinos (= Mestizen; Nicht-Indigenen) inne. Die tatsächliche Macht und Effizienz der Regierung und Verwaltung, also des Staatsapparates, sind allerdings eher begrenzt. Parallel zu den staatlichen Strukturen, teilweise mit ihnen verwoben, teilweise auch quer zu ihnen liegend, existieren oligarchische Nuklei, darunter insbesondere die gelegentlich als "G8" bezeichneten einflußreichen Familien, von denen es gelegentlich heißt, dass sie die eigentlichen Herrscher über Guatemala seien. Zu den - ebenfalls mit den anderen Eliten verwobenen - weiteren Kräften, die die Geschicke des Landes bestimmen, gehören zudem noch die Organisationen des illegalen Waffen und vor allem des illegalen Drogenhandels. Letzterer hat im Gefolge der bewaffneten Drogenkonflikte im benachbarten Mexiko seit 2007 zugenommen. In dem Maße, in dem die mexikanische Regierung ihren Drogenkrieg intensivierte, wurde das guatemaltekische Hinterlang zum Schauplatz gewaltförmiger Konkurrenz zwischen mexikanischen und guatemaltekischen Gruppen - was wiederum die gewaltförmige Intervention von Militär und Polizei Guatemalas in Verbindung mit der DEA provozierte. Die Regierung führt 42% der registrierten Kriminalität in Guatemala auf den Einfluss des Drogenhandels zurück (Januar 2011).Zusammen mit den Nachwirkungen des Bürgerkriegs von 1960-1996, der mindestens 75 000 Todesopfer gefordert hatte und dessen Wunden noch lange nicht verheilt sind, haben die Ausläufer des mexikanischen Drogenkriegs die Homizidrate im Lande auf über 40 pro 100.000 Einwohner und Jahr hochschnellen lassen (2010: 41 Homizide auf 100.000 Einwohner; das entspricht täglich einem Dutzend vorsätzlicher Tötungen; vgl. Romero 2011; Jehle 2012).

Polizei und Justiz beginnen in weniger als drei Prozent aller Homizidfälle überhaupt mit Ermittlungen. Von den Straftaten, die vor Gericht kommen, bleiben 98% ohne Strafe. Ein UN-Beobachter wurde mit den Worten zitiert: "Guatemala ist ein gutes Land für Morde, denn Morde werden nicht bestraft" (vgl. Oehrlein 2012). Auch die Aufarbeitung der Vergangenheit erweist sich als schwierig. Die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) erhält keine uneingeschränkte Unterstützung.

Ein Tag in Guatemala

Was Donnerstag, den 20.01.2011, in Guatemala alles geschah (laut La Prensa vom 21.01.2011: 12):

  • In der Hauptstadt (Zone 12, Ciudad Real 1) erscheinen zwei Männer auf einem Sportplatz und beginnen zu schießen. Resultat sind zwei Tote und 18 Verletzte, darunter ein zehnjähriger Junge. In Zone 24 wird ein 19jähriger Hilfsarbeiter eines Busunternehmens erschossen. Ebenfalls in der Hauptstadt (13 Avenida y 7a calle) wird der 19 Jahre alte Luis Alberto Ajanel Pos getötet.
  • In Santo Tomás de Castilla wird Luis Fernando Pacheco (30) erschossen, während er Brot verteilt.
  • Auf dem Friedhof von Huehuetenango wird die 34 Jahre alte Aura Leticia Montejo López getötet.
  • In Escuintla werden zwei Frauen- und eine Männerleiche mit Spuren von Folter und Kopfschüssen in einem Auto aufgefunden; an einem anderen Ort in demselben Gebiet werden die Leichen von zwei 41 und 45 Jahre alten Männern gefunden.
  • In Mixco werden 50kg Kokain beschlagnahmt. Im Bundesstaat Chiquimula werden drei Drogenhändler verhaftet, Waffen (M-4, AK-47) und Substanzen beschlagnahmt (einer der drei war ein Ex-Offizier der Streitkräfte). In Zone 13 der Hauptstadt werden zwei Angestellte eines Busunternehmens wegen der Erpressung ihrer Firma verhaftet.

Aus dem Politikteil derselben Zeitung: In der Hauptstadt bereitet man sich auf den Prozess gegen einen Ex-Präsidenten sowie einen Ex-Finanz- und einen Ex-Verteidigungsminister vor. Zwei andere ehemalige Minister waren einige Tage zuvor zugunsten eines Antrags auf Hausarrest aus der U-Haft entlassen worden.

Kriminalität

Herrscht in Mittelamerika Krieg oder Frieden? Auf der Oberfläche natürlich Frieden. Aber trotzdem sterben in Guatemala (39,9 Morde pro Jahr und 100 000 Einwohner), in El Salvador (41,2) und Belize (44,7) mehr Menschen eines gewaltsamen Todes als in manchen Kriegsgebieten. Honduras hat die höchste Mordrate der Welt (90,4). Mit Ausnahme von Venezuela (zweiter Platz mit 53,7) liegen die fünf Länder mit den weltweit höchsten Mordraten also in Zentralamerika.

Die Hauptstadt

Guatemala-Stadt selbst hat gut eine Million Einwohner, der Großraum drei bis fünf Millionen. Sie ist in 21 Zonen eingeteilt. In Zone 10 befinden sich die großen internationalen Hotels, Luxus-Diskotheken und einige elegante Shopping Center - hier ist die Präsenz von Polizei und Militär fast erdrückend. In den Zonen 13, 14 und 15 sowie an Teilen der Carretera de Salvador leben die wohlhabendsten Bürger, darunter eine Vielzahl von Multimillionären. Während meiner Zeit in Guatemala im Januar 2011 las ich, dass auch in den wohlhabenden Zonen kleinere Delikte erheblich zugenommen hätten: Fussgänger in Zone 14 auf der Avenida Las Américas (bis zur 10. Avenida, von der 3. bis zur 6. Straße), die jahrelang unbelästigt geblieben waren, klagten über nahezu alltäglich gewordene Angriffe, Erpressungen und Raubüberfälle (Geldbörsen, Turnschuhe, iPods etc.), bzw. das Aufbrechen von Kraftfahrzeugen. Sie meldeten die Delikte allerdings kaum jemals der Polizei (González 2011). Zone 1 fand Erwähnung, weil dort eine Frau verhaftet wurde, die im Auftrag ihres Mannes - der zu einem Netzwerk von Schutzgelderpressern gehörte, die mindestens sieben Parlamentsabgeordnete bedrohten - Geld vom Abgeordneten Byron Chacón von der Partei Unidad Nacional de la Esperanza abholen wollte (Prensa Libre, 21.01.2011: 10).

In den Zonen 18, 19, 22 und 24 leben die Armen. Dort ereignen sich die meisten der wöchentlich ca. 25 registrierten Tötungsdelikte von Guatemala-Stadt.

In Zone 11 wurde 2011 der Unternehmer und ehemalige Abgeordnete der Patriotischen Partei (PP) im Beisein seiner Ehefrau während eines Supermarkteinkaufs durch vier Schüsse in den Unterleib getötet. Im Jahr zuvor war er vor einem anderen Einkaufszentrum einem bewaffneten Angriff unverletzt entkommen (González 2011a). Am 21.01.2011 fand man in derselben Zone eine Frauenleiche mit Kopfschuss auf der Straße, eine Frauenleiche im Kofferraum eines gestohlenen Wagens und zwei weitere erschossene Frauen an einer Kreuzung. Bei dem Angriff von vier Männern wurden weitere 8 Personen verletzt, von denen eine im Krankenhaus starb. Der Bruder von einer der beiden erschossenen Frauen war im Oktober 2010 erschossen worden.

Mixco

Eine besonders hohe Kriminalitätsbelastung weist auch die an die Hauptstadt angrenzende Stadt Mixco auf (darin u.a. die Siedlung Milagro). Als eine Art Elendsgebiet mit hoher Kriminalität gelten auch die Siedlungen an der Schnellstraße Calzada San Juan.

In Mixco führte ein Programm zur Verbesserung der Sicherheit unter Leitung des Bürgermeisters Mixco, Amílcar Rivera, und mit Unterstützung des Innenministeriums sowie der USA im Jahre 2010 zum Rückgang der Tötungsdelikte um 22% (Rigalt 2011).

Im Januar 2011 beschlagnahmte die Polizei (División Especializada en Investigaciones Criminales) in einer Werkstatt in Mixco 50 kg Kokain im Werte von 5 Millionen Quetzales (500 000 Euro).

Huehuetenango

Am 19.08.2010 wurde ein Paar gelyncht, von dem angenommen worden war, das es zu einer Gruppe gehörte, die Raubüberfälle durchführte. Am 07.12.2010 wurde auch einer der vermeintlichen Entführer der Anthropologin Emilia Quan getötet. Am 21.01.2011 wurden drei Personen von einer Menge von 5000 Personen gelyncht, von denen angenommen worden war, das sie einen jungen Mann zu Erpressungszwecken entführt hatten. Der junge Mann war entkommen, nachdem er gezwungen worden war, sich eine Grube zu schaufeln, in der man ihn festhalten wollte. Zu den Gelynchten gehörten ein junger Mann (18), ein 32 Jahre alter Mann und ein Angehöriger der örtlichen Polizei (Castillo 2011).

Der Landesteil Alta Verapaz

In dem mit ca. 1 Million Einwohnern dünn besiedelten und an Mexiko grenzenden Landesteil Alta Verapaz wurde Mitte Dezember 2010 für zunächst 30 Tage, dann für weitere 30 Tage bis Mitte Februar 2011 der Ausnahmezustand ausgerufen, um dem Militär, der Polizei und der DEA den Kampf gegen dort tätige Drogenhändler zu erleichtern.

Kriminalität der Mächtigen

  • 1954 wurde der rechtmäßige Präsident von Guatemala auf Betreiben der USA (CIA in Kooperation mit oppositionellen guatemaltekischen Militärs; Operation PBSUCCESS) gestürzt und durch den Diktator Carlos Castillo Armas ersetzt. Er und sein Nachfolger Ydígoras, ebenfalls aus den Reihen des guatemaltekischen Militärs, machten Reformen rückgängig und waren für zahlreiche Massaker verantwortlich.
  • Der Bürgerkrieg (1960-1996) forderte mindestens 70.000 (evtl. bis zu 200.000) Menschenleben. Etwa eine Million Menschen wurden zu Flüchtlingen. Ein Absolvent der School of the Americas, Präsident General Efrain Ríos Montt, verlieh dem Bürgerkrieg durch die Bekämpfung der indigenen Bevölkerung Züge eines Genozids. Ganze Landstriche wurden flächendeckend bombardiert.
  • 1989 wurde die us-amerikanische Nonne Dianna Ortiz von guatemaltekischem Militär entführt, vergewaltigt und gefoltert. 1995 wurden ihr von einem US-Gericht in einem Verfahren gegen den Ex-Verteidigungsminister Guatemalas 5 Millionen US-Dollar Schmerzensgeld zugesprochen.
  • Am 11.09.1990 wurde die guatemaltekische Anthropologin Myrna Mack [1] vor ihrem Büro in Guatemala-Stadt durch 27 Messerstiche getötet. 2004 wurde ihren Hinterbliebenen von der Regierung eine Entschädigung gezahlt. Bei den Tätern hatte es sich um Angehörige des Militärs gehandelt. Ihre Schwester Helen Mack Chang [2] [3] gründete nach der Tötung von Myrna Mack die Myrna Mack Stiftung [4] und engagierte sich für die Menschenrechte in Guatemala. Sie wurde im Januar 2011 von Präsident Alvaro Colom zur Regierungsbeauftragten für die Polizeireform ernannt.
  • Am 26.04.1998, zwei Tage, nachdem Bischof Juan José Gerardi seinen Bericht über Folter und andere Verbrechen unter dem Titel "Guatemala. Nunca Más" [5] veröffentlicht hatte, wurde er von drei Angehörigen des Militärs (und einem priesterlichen Gehilfen) getötet. In dem Verfahren gegen die Täter mussten sich erstmals in der guatemaltekischen Geschichte Militärs vor einem ordentlichen (zivilen) Gericht verantworten.
  • Seit Ende 2007 ist auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der UNO und der Regierung eine Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala mit der Aufdeckung und Sanktionierung staatlicher Korruption und Gewalt befasst. Polizeibeamte und Staatsanwälte aus 25 Staaten unter der Leitung von Francisco Dall'Anese, dem Generalstaatsanwalt von Costa Rica, haben es dazu gebracht, dass der Ex-Präsident Alfonso Portillo, ein Sohn des Ex-Diktators Rios Montt, sowie ein Ex-Verteidigungsminister, zwei Ex-Innenminister, ein Gefängnisdirektor und drei nationale Polizeichefs und zwei Kommandeure der Anti-Drogen-Polizei sich vor Gericht verantworten müssen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Kommission seit Ende 2010 mit unvermutet starkem innenpolitischen Widerstand zu kämpfen hat. Tatsächlich verfügt "The International Commission Against Impunity in Guatemala" (CICIG) als unabhängige Ermittlungsbehörde über ungewöhnliche Befugnisse und hat es vermocht, tausende von Polizeibeamten aus dem Amt zu entfernen. Dutzende korrupter Beamter und Geschäftsleute wurden verhaftet. Die Kritik wurde besonders laut, als Ermittlungen Ende 2010 auch zu Verfahren gegen einen Sohn des Ex-Diktators Rios Montt und gegen eine Anzahl von Ex-Ministern geführt hatten.
  • Am 21.01.2011 begann ein Strafprozess gegen den Ex-Präsidenten Alfonso Portillo und den Ex-Verteidigungsminister Eduardo Arévalo Lacs wegen strafbarer Bereicherung im Amt (Alvarado 2011).

Banden

Die Banden (pandillas), bzw. Jugendbanden (pandillas juveniles) sind ein Teil der gesellschaftlichen Realität Guatemalas zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Ihre Strukturen und Aktivitäten sind von einer früher unbekannten Brutalität. Sie wird häufig mit der Tatsache in Verbindung gebracht, dass die Hauptakteure ihre "Lehrzeit" in den Bandengebieten in den USA (v.a. von Los Angeles) zugebracht und die dortigen Methoden bei ihrer Rückführung durch die US-Behörden in ihre Heimatländer mitgebracht und weiterentwickelt hätten. 2011 wurde bekannt, dass von den 1,5 Guatemalteken in den USA mehr als die Hälfte über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt und von Abschiebung bedroht ist (Villasenor 2011).

Das könnte nach bekanntem Muster zu einer weiteren Verschärfung der Situation in Guatemala führen, wenn die Illegalen zurückgeschickt werden sollten. Die Banden bieten ihre Dienste vor allem den Drogenkartellen an, und zwar sowohl als Verbindung zum Verbrauchermarkt als auch als Auftragskiller (sicarios).

  • Erpressungsaktionen gegen Busunternehmen: Buseigentümer verbinden sich mit anderen Buseigentümern und kämpfen mit Erpressung und Tötungsdelikten gegen andere Gruppen von Busunternehmern. Ziel ist die Übernahme von Bussen und deren Einkünften aus Fahrpreisen und Subventionen. Gelegentlich gibt es auch unter den Busfahrern solche Zusammenschlüsse und Aktivitäten. Schließlich gibt es auch Banden (pandillas) von außerhalb, die sich mit Erpressungen einmischen. Erpressungen gegenüber Busunternehmen fordern in Guatemala deshalb immer wieder Todesopfer. 2009 starben 365 Busfahrer und Passagiere durch Tötungsdelikte. Im Januar 2011 richteten sich Erpressungen vor allem gegen das Busunternehmen Rutas Quetal. Am 03.01.11 tötete eine Granatenexplosion in einem Bus dieses Unternehmens auf der Calzada San Juan neun Menschen; am 15.01.11 wurde in einem Bus ein Neunzehnjähriger mit zwei Granaten festgenommen; am 18.01.11 wurden der 27 Jahre alte Jairo Jefferson Barrios Yantuche und sein 18 Jahre alter Angestellter Alfredo Benjamin Mejía erschossen, nachdem Jairo - der Eigentümer und zugleich Fahrer eines Busses der Gesellschaft war - getötet. Die Bande hatte in einem Erpresserschreiben 8000 Quetzales (ca. 800 Euro) gefordert und damit gedroht, nacheinander alle Familienmitglieder zu töten. Die Täter griffen zuerst den Angestellten an; als der um Hilfe rief und Jairo dazu kam, töteten sie erst den Angestellten und dann Jairo (Lara 2011).
  • Die Maras sind zahlenmäßig, wirtschaftlich und ideologisch besonders bedeutende Jugendbanden (pandillas juveniles). In Guatemala wie auch in Honduras und El Salvador sind vor allem die Mara salvatrucha und die Mara 18 aktiv.

Institutionen

Wegen Verwicklung in Straftaten wurden (von 2000-2007) mehr als 1600 Polizisten und in den Jahren 2007/08 112 Staatsanwälte entlassen (Oehrlein 2012).

Polizei

Die Polizei gilt als weithin korrupt und gewalttaetig. Zwei Tage, nachdem der Innenminister wegen Korruptionsverdachts entlassen worden war, wurden im Maerz 2010 der Polizeichef des Landes und ein weiterer Top-Drogenbekaempfer wegen Verdachts der Verwicklung in einen grossen Diebstahl konfiszierten Kokains verhaftet. Im Januar 2011 wurde Helen Mack als Regierungsbeauftragte für die Reform der zivilen Polizei (Polícia Nacional Civil; PNC) vereidigt. Die Arbeit der achtköpfigen Kommission zielt auf die Professionalisierung und interne Kontrolle der Polizei sowie auf die Erhöhung ihrer Effizienz ab, verfolgt 17 Ziele und ist auf zehn Jahre angelegt (Menchú 2011). Im Januar 2011 kaufte die Regierung in großem Umfang Waffen für die Ausrüstung der Polizei (8000 Pistolen, 3000 Gewehre, 5000 Tränengasgranaten, einige Millionen Munitionseinheiten etc.) von der Firma IWI (Israel Weapons Industries). Die Anschaffung war wegen verschiedener Umstände (Verzicht aus Ausschreibung, Involvierung von Waffenhändlern geringer Reputation, hoher Kommissionsbeträge, Parzellierung der Anschaffung, Erlass der Mehrwertsteuer usw.) kritisiert, aber dennoch durchgeführt worden (K.R. 2011).

Private Sicherheitsdienste

Es gibt eine Vielzahl von privaten Sicherheitsdiensten. Die unterste Stufe ist die Beschäftigung eines wenig oder gar nicht ausgebildeten bewaffneten Wachmannes, der sich für ein geringes Gehalt (2011: 2000 Quetzales im Monat = 200 Euro) mit einem furchterregenden Gewehr vor ein Geschäft stellt.


Militär

Die nach internationalen Vorbildern geschaffene Eliteeinheit des Militärs namens Die Kaibiles ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass (Ex-) Angehörige sich individuell und kollektiv für den illegalen Drogenhandel nützlich machten - unter anderem als Experten für Auftragsmorde. Am 12.03.2012 wurde ein Ex-Angehöriger der Kaibiles zu 6060 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil bezog sich auf seine Rolle in dem Massaker (1982) von 201 Maya-Bauern in dem Dorf Dos Erres während des Bürgerkriegs. Pedro Pimentel Ríos gehörte zu einer Gruppe von 17 Soldaten, die dieser Tötungen angeklagt waren. Für jedes Opfer erhielt er 30 Jahre. Dazu noch 30 Jahre für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Pimentel war im Juli 2011 aus den USA deportiert worden, wo er als Hausmeister in Santa Ana (Kalifornien) gearbeitet hatte. Im August 2011 waren weitere vier ehemalige Soldaten wegen ihrer Beteiligung an demselben Massaker zu vergleichbaren Strafen verurteilt worden.

Strafvollzug

In Guatemala gibt es keine Todesstrafe. Niemand darf länger als 50 Jahre im Strafvollzug verbringen. Allerdings kann man einen Verurteilten faktisch auch zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilen. Das geschah etwa 2011/2012 in dem Fall des Massakers von Dor Erres, als Angehörige der Kaibiles, die während des Bürgerkriegs dieses Massaker begangenen hatten, zu über 6000 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Das sollte u.a. sicherstellen, dass sie den Rest ihres Lebens in Haft zu verbringen hätten.

Das Strafvollzugsgesetz (Ley del Regimen Penitenciario, decreto numero 33-2006) aus dem Jahre 2006 sieht eine Reihe von strukturellen Neuerungen im Sinne des Stufenstrafvollzugs vor, zu denen eine eingehende Eingangsuntersuchung der Gefangenen (Diagnose, Klassifikation) und eine allmähliche Hinführung zur Entlassung gehört.

Diese und andere Bestimmungen wurden bislang (2011) noch nicht implementiert.

Die monatliche Besuchszeit für Gefangene beträgt 16 Stunden (4 Stunden/Woche).

Alkohol, illegale Drogen und Mobiltelefone sind nicht erlaubt, existieren aber trotzdem im Vollzug. Technisch aufwendige Handy-Blockiersysteme, die das Telefonieren aus der Anstalt nach draußen unmöglich machen sollen, existieren zwar, funktionieren aber nach Angabe von Experten nicht (immer).

In den Jahren 2009 und 2010 wurden von der Staatsanwaltschaft 769 Anzeigen gegen Inhaftierte wegen schwerwiegender Delikte erstattet. Diese Delikte sollen durch den Transport von schriftlichen Botschaften der Inhaftierten an Personen außerhalb der Haftanstalten (mittels Rechtsanwälten) begangen worden sein. Auch die Erpressungsaktionen gegen Busunternehmen sollen mehrheitlich aus den Gefängnissen gesteuert worden sein (Galeano 2011). In demselben Zeitraum gab es 222 Anzeigen gegen Bedienstete im Strafvollzug, hauptsächlich wegen des Einschleusens von Mobiltelefonen und alkoholischen Getränken. Während die Bediensteten entlassen wurden und sich wegen diverser Straftatbestände zu verantworten haben, werden die delinquent gewordenen Inhaftierten je nach Gefährlichkeit in Einzelhaft und/oder in einer der Hochsicherheitsgefängnisse (Fraijanes I, Fraijanes II, El Infiernito) verlegt (Galeano 2011).

Weblinks und Literatur

  • Alvarado, Hugo (2011) Juicio contra Alfonso Portillo comienza hoy. Prensa Libre 21.01.2011: 10.
  • Arévalo, Rodolfo (2011) Necesidad de la participación política indígena. Diario de Centro América. Guatemala. 20.01.2011: 9.
  • Arévalo de León, Bernardo (2007) A Twisted Path to Reconciliation? The Historical Clarification Commission in Guatemala. In: Dealing with the Past in Post-Conflict Societies. Ten Years after the Peace Accords in Guatemala and Bosnia-Herzegovina. Schweizerische Friedensstiftung, Heft 1: 12-21.
  • Argueta, Otto (2010) Private Security in Guatemala: The Pathway to Its Proliferation. GIGA Working Paper Nr. 144, Hamburg: GIGA.
  • Argueta, Otto (2011) Private Security in Guatemala: The Pathway to Its Proliferation. Diss.phil. FB Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
  • Castillo, Mike (2011) Turba lincha a tres en Huehuetenango. Prensa Libre, Guatemala, 22.01.2011: 12.
  • Franco, Landelino (2011) Expertengespräche von S. Scheerer mit Prof. Landelino Franco und 10 Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden in Guatemala vom 12.-21.01.2011.
  • Galeano, Gladys (2011) Más de 700 denuncias por haber delinquido desde la cárcel. También se indica que 222 empleados dos administrativos y agentes del SP enfrentan procesos penales. El Periódico, Guamatemala, 20.01.2011: 5.
  • Goldman, Francisco (2010) The Art of Political Murder. Who Killed Bishop Gerardi? Atlantic Books. ISBN-13: 978-1848871953
  • González, Rosmery (2011) Asaltos de rutina en Avenida Las Américas y la zona 14. El Periódico, Guatemala, 20.01.2011: 4.
  • González, Rosmery (2011a) Asesinan a Édgar Almengor, ex diputado del Partido Patriota. El Periódico, Guatemala, 20.01.2011: 4.
  • Guatemala: Nunca Más (1998) Versión resumida. ISBN 84-8377-431-3. D.R. Oficina de Derechos Humanos del Arzobispado de Guatemala.
  • Huhn, Sebastian / Oettler, Anika / Peetz, Peter: Anders, bedroht und bedrohlich – Jugendbanden in Zentralamerika, in: Klimke, Daniela (Hrsg.): Exklusion in der Marktgesellschaft, Wiesbaden 2008, S. 159-171.
  • Jehle, Lena Nicole (2012) Gewaltkultur in Guatemala? Dimensionen von Gewalt und ihrer Verankerung in der guatemaltekischen Gesellschaft. Bachelorarbeit Sozologie (Uni HH).
  • K.R. (2011) Menocal solicitará exoneración de impuestos en compra de armas. El Periódico, Guatemala, 20.01.2011: 3.
  • Lara, Julio F. (2011) Conductor muerto estaba amenazado. Prensa Libre. Guatemala, 19 de enero de 2011: 12.
  • Ley del regimen penitenciario (2011) Decreto numero 33-2006. Resaltados Auxiliares Epigrafes Especiales. Guatemala, C.A.: Ediciones Jurídicas Especiales 2232 8340 6a Av. "A" 15-48 Z.1 5961 3650.
  • Medina Bermejo, Joaquín & Jezreel Asaí Rivera Samuel (1997) 36 anos de Guerra. Los Acuerdos de Paz. Compendio y análisis. Guatemala, C.A. (Eigenverlag) Enthält die Texte der Friedensverträge, die den Bürgerkrieg beendeten.
  • Menchú, Sofía (2011) Reforma policial avanza tras instalación de la Comisión. Diario de Centro América, Guatemala, 20.01.2011: 3.
  • Merino, Juan (2001) Las maras en Guatemala, in: ERIC/IDESO/IDIES/IUDOP, Hg., Maras y Pandillas en Centroamérica, Bd. 1, Managua: UCA Publicaciones, 109-218.
  • Ohrlein, Josef (2012) Alte Besen kehren gut. FAZ 28.01.2012: 6.
  • Oettler, Anika (2004) Erinnerungsarbeit und Vergangenheitspolitik in Guatemala. Frankfurt am Main: Vervuert.
  • Oettler, Anika (2005) Lynchjustiz in Guatemala, in: Basedau, Matthias u.a., Hg., Multiple Unsicherheit. hamburg: DÜI, Schriften des Deutschen Übersee-Instituts Nr. 66: 229-250.
  • Peetz, Peter: "Maras" in Honduras, El Salvador und Guatemala. Die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch Jugendbanden in Zentralamerika, in: Bodemer, Klaus (Hrsg.): Gewalt und öffentliche (Un-)Sicherheit. Erfahrungen in Lateinamerika und Europa, Hamburg 2004, S. 53-94.
  • Reglamento de Prisiones (2011) Acuerdo Ministerial 1604-2006. Resaltados Auxiliares Epigrafes Especiales. Guatemala, C.A., Ediciones Jurídicas Especiales. 6a Av. "A" 15-48, Z.1 2232 8340 5961 3650.
  • Rigalt, Carlos (2011) "Los vecinos tienen temor pero dan la información". El Periódico, Guatemala, 20.01.2011: 6.
  • Romero, Cecibel (2011) Pérez Molina gewinnt Präsidentenwahl: Ein General für Guatemala. In: taz 07.11.2011.
  • Romero, Cecibel (2012) Justiz in Guatemala. Ehemaliger Diktator unter Hausarrest. In: taz 27.01.2012.
  • Romero, Cebibel & Toni Keppeler (2012) Lynchjustiz in Guatemala. Als sie den Polizisten verbrannten. taz 28.01.2012.
  • Villasenor, Claudia Méndez (2011) Preocupa a migrantes persecución y racismo. En 22 estados se preparan leyes similares a las de Misisipi y Arizona. Prensa Libre 21.01.2011: 2.
  • Zeiske, Kathrin (2013) Giftiges Gold. Amnesty Journal 01.2013:34-37.

Weblinks

Videos

  • Guatemala's out of control crime AlJazeera 06.Juli 2010 [[16]]
  • Harbury, Jennifer (2009) The United States and Torture. From Guatemala to Abu Ghraib (1) 15.März 2009 [[17]]
  • Mara Salvatrucha MS-13 [18]
  • Menschenversuche der US-Regierung in Guatemala in den 1940er Jahren [[19]]
  • Mexico Drug Cartels Hit Guatemala 31.März 2009 AlJazeera [[20]]
  • War on Democracy .. Folter in Guatemala (Sister Ortiz) [[21]]

Fotos

  • Abd, Rodrigo (2006) The Best of Photo Journalism 2006. Honorable Mention. Bilder der Gewalt in Guatemala. [[22]]

Filme

  • V.I.P. - La otra casa (2007) Film des guatemaltekischen Regisseurs Elías Jiménez Trachtenberg über Strafvollzug in Guatemala. Englisch: VIP (Very Important Prisoner) [[23]]; von demselben Regisseur (2003): La casa de enfrente/Das Haus gegenüber. [24]. Film über Korruption und Prostitution in Guatemala.

Redewendung

  • Salir de Guatemala e meterse en Guatepeor.

Notrufe

  • Tourist Assistance Office (ASISTUR) des INGUAT (Guatemalan Tourism Institute), Avenida 1-17, Nr. 7a, Zona 4, Centro Cívico, Guatemala City
  • INGUAT ASISTUR rund um die Uhr: (502) 2421-2810 und (502) 5578-9836. FAX (502) 2421-2891.
  • Im Land die Nummer 1500, um INGUAT Tourist Assistance zu erreichen.
  • Allgemeiner Notruf: 122, 123, 120.


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