Jugendbewährungshilfe

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Die Jugendbewährungshilfe ist, in Abgrenzung zur Bewährungshilfe für Erwachsene, die Bewährungshilfe für straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende, die auf der Grundlage des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) einer/m Bewährungshelfer/in unterstellt worden sind. In den meisten Bundesländern ist die Jugendbewährungshilfe keine eigenständige Institution (vgl. § 113 JGG), sondern Teil der Bewährungshilfe, die häufig ihrerseits organisatorisch in die Sozialen Dienste der Justiz eingegliedert ist (Ausnahmen: Berlin und Hamburg). Die Bewährungshelfer/innen sind i.d.R. Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen/innen des öffentlichen Dienstes.

Die Probanden (im Alter von 14 bis 25 Jahren) sind hauptamtlichen, im Einzelfall auch ehrenamtlichen Bewährungshelfern/innen unterstellt (gem. § 24 Abs. 1 JGG). Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht wird durch die Jugendbewährungshilfe (in Verbindung mit der Jugendhilfe - SGB VIII)am konsequentesten und nachhaltigsten in der Justizielle Straffälligenhilfe umgesetzt.

Geschichte

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstanden in Deutschland aufgrund der starken Zunahme der Jugendkriminalität die ersten Jugendgerichte. Am 01.07.1923 trat das Jugendgerichtsgesetz (JGG) in Kraft, in dem erstmals die anfängliche Strafaussetzung zur Bewährung gesetzlich geregelt war und sich die besondere Bewertung jugendlicher Straftäter durchsetzte. Das JGG wurde als Erziehungsstrafrecht konzipiert und das Subsidiaritätsprinzip fand Einzug in das Gesetz. Die Jugendgerichte wurden gesetzlich verankert und erstmals konnte die Vollstreckung einer Haftstrafe vom Jugendrichter zur Bewährung ausgesetzt werden. Da der/die zur Bewährung Verurteilte danach ohne Betreuung blieb, war eine hohe Misserfolgsquote die Folge. Eine Reaktion auf die Bewährungsversager war die zunehmende (Verordnung vom 28.11.1940) und später gänzliche Abschaffung der Bewährung (Reichjugendgerichtsgesetz 1943).

Nach dem Ende des II. Weltkrieges, der wieder einen akuten Anstieg der Jugendkriminalität und Jugendverwahrlosung mit sich führte, berief 1949 das Hauptjugendamt Berlin eine Tagung zum "Stand und Neuordnung der Jugendgerichtsbarkeit" ein. Dort wurde u.a. die praktischen Erprobung von Bewährungshilfe mit dem Ziel ihrer gesetzlichen Fixierung gefordert. Die Schwierigkeit lag in der Sicherstellung einer hinreichenden Aufsicht. Die damalige Senatorin und Leiterin des Hauptjugendamtes initiierte daraufhin besondere Planstellen für hauptamtliche (Jugend)Bewährungshelfer. Zur Erprobung der Bewährungshilfe wurde noch vor der gesetzlichen Einführung dieser Institution der erste hauptamtliche (Jugend)Bewährungshelfer der Bundesrepublik im Oktober 1950 in Berlin tätig. 1951 begann dann aus Mitteln des Bundesjugendplans der Aufbau der Bewährungshilfe in Deutschland.

Am 04.08.1953 trat die Neufassung des JGG in Kraft, welche sich wieder vorrangig an der Ent-wicklung der Jugendlichen orientierte. Es erfolgte die Wiedereinführung der Strafaussetzung zur Bewährung neben der Aussetzung des Restes der Jugendstrafe. Dies bedeutet die Einrichtung der Bewährungshilfe, die nach dem Vorbild des englischen Probationssystems (lateinisch „probare“, sich in Freiheit „bewähren“) ausgelegt wurde. Das Gesetz über die Bewährungshelfer für Jugendliche und Heranwachsende vom 25.11.1954 fixierte ihre Ressortierung bei der für das Jugendwesen zuständigen Senatsverwaltung (diese Zuordnung wurde in der Gesetzesnovellierung vom Februar 2001 wieder aufgehoben; vgl. § 8 JugBewHelfG).

Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) vom 30.08.1990 wurden neue ambulante Maßnahmen (u.a. Betreuungsweisung gem. § 10 Abs. 1 Pkt. 5 JGG) und die regelmäßige Aussetzung zur Bewährung der Jugendstrafe bis zu 2 Jahren (§ 21 Abs. 2 JGG) festgelegt. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.12.2007 definierte erstmalig das Ziel des Jugendstrafrechts (§ 2 Abs. 1 JGG), das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten und damit die Vielfalt und Flexibilität des JGG auch für die Betreuungs- und Unterstellungsformen zu vergrößern.

Funktionen und Selbstverständnis der Jugendbewährungshilfe

Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht bildet für die Jugendbewährungshilfe die Grundlage ihrer Tätigkeit. Ihre Arbeit ist an der, noch in der Entwicklung befindlichen Persönlichkeit des Täters orientiert. Sie steht mit den Probanden in einem sogenannten Zwangskontext, der neben der Hilfefunktion (s. § 24 Abs. 3 Sätze 1 und 3 JGG) auch die Kontrollfunktion (s. § 24 Abs. 3 Satz 2; § 25 Sätze 3 und 4 JGG) beinhaltet. Ein für die Hilfebeziehung förderliches Vertrauensverhältnis ist unter diesen Bedingungen nicht einfach zu erreichen. Für einen fachlich-inhaltlichen Einfluss auf die Jugendstrafverfahren sind umfassende Kenntnisse der Entwicklungsbesonderheiten in der Jugendphase durch die Bewährungshelfer erforderlich. Die jungen – in der Entwicklung befindlichen - Probanden sollen zu einer dauerhaften Veränderungsmotivation ihres delinquenten Verhalten befähigt und bei der Bewältigung der Alltagsprobleme im sehr dynamischen Jugendalter unterstützt werden.

Wichtige Ziele sind hierbei die Resozialisierung und die Vermeidung erneuter Straffälligkeit. Dafür benötigt die Jugendbewährungshilfe ein vielfältiges Netzwerk von Hilfe- und Betreuungsangeboten, um die Probanden/innen in ihren multiplen und entwicklungstypischen Problemlagen qualifiziert unterstützen zu können. Im Jugendalter spielen die Lebensfelder „Eltern/Herkunftsfamilie“, „Schule“ und „Peergroups“ eine herausragende Bedeutung bei der Identitätsbildung und der Bewältigung der Statusinkonsistenz junger Menschen. In Abgrenzung zur Bewährungshilfe für Erwachsene erfolgt in der Jugendbewährungshilfe vorrangig ein pädagogischer Zugang unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten und weiterer Bezugspersonen (§ 24 Abs. 3 JGG). Damit das gesetzlich verankerte Recht der jungen Menschen auf Förderung der Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit umgesetzt werden kann, bestehen unterstützende Angebote im Rahmen der Jugendhilfe (§ 2 SGB VIII), die in Kooperation mit den öffentlichen und freien Trägern von den Probanden der Jugendbewährungshilfe genutzt werden können.

Grundlagen

Das Gericht unterstellt die Probanden i.d.R. für zwei Jahre (vgl. § 22 JGG; nachträgliche Änderung gemäß § 24 Abs. 2 JGG) der Aufsicht und Leitung eines/r haupt- oder ehrenamtlichen Bewährungshelfers/in. Die Bewährungs- oder Unterstellungszeit kann bis zu einem Höchstmaß von insgesamt vier Jahren verlängert (gemäß §§ 22 Abs. 2, 26 Abs. 2 Pkt. 2 JGG) bzw. nachträglich auf 1 Jahr (gemäß § 22 Abs. 2 JGG) verkürzt werden. In den Fällen des § 21 Abs. 2 (Strafaussetzung von mehr als einem Jahr Jugendstrafe) darf die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden.

Die Jugendbewährungshilfe überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Einhaltung des Bewährungsplanes und (gemäß § 38 Abs. 2, S. 5 JGG in Zusammenarbeit mit der JGH) zusätzliche Weisungen und Auflagen. Dazu berichtet der/die Bewährungshelfer/in dem Gericht in festgelegten Zeitabschnitten (Erstbericht, Zwischenberichte, Schlussbericht) über den Entwicklungsverlauf der Bewährungsaufsicht (verbindliche und verlässliche Einhaltung von Terminen und Vereinbarungen, Veränderungen bzw. Stabilisierungen in den verschiedenen Lebenslagenbereichen). Diese Berichte können auch Verstöße gegen den Bewährungsplan beinhalten. Dem Gericht müssen aber nur solche Verstöße mitgeteilt werden, die als „gröblich“ und „beharrlich“ anzusehen sind (§ 25 S. 4 JGG). Das bedeutet, dass nur das dem Gericht mitgeteilt werden muss, was die Bewährung ernsthaft gefährdet; dies gilt selbst bei Straftaten. Im Schlussbericht äußert sich die Jugendbewährungshilfe zu den Fragen des Straferlasses, der Strafmakelbeseitigung oder eines möglichen Widerrufs. Die Jugendbewährungshilfe hat sich an die gesetzlichen Widerrufsgründe des § 26 Abs. 1 JGG zu halten.

Die Anordnung der Führungsaufsicht (§ 7 JGG i.V.m. § 67c Abs. StGB) ist als eine Maßregel der Besserung und Sicherung im Jugendstrafrecht möglich. Tritt sie in Kraft (§§ 68 – 68g StGB), handelt es sich (im Gegensatz zur Bewährungsaufsicht) um Straftäter mit einer (überwiegend) ungünstigen Sozialprognose und einer erhöhten Gefährlichkeitseinschätzung. Hier überwiegt der Überwachungsaspekt. Die Übernahme der Führungsaufsicht durch die Jugendbewährungshilfe impliziert jedoch, dass die helfende und betreuende Funktion in diesem Kontext (§ 24 Abs. 3 JGG) ebenfalls besteht. Die Führungsaufsicht dauert mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Das Gericht kann die Höchstdauer abkürzen.

Die Betreuungsweisung als eine Erziehungsmaßregel im Jugendstrafverfahren (§ 10 Abs. 1 Pkt. 5) kann neben der Jugendgerichtshilfe oder neben freien Trägern der Jugendhilfe ebenfalls von der Jugendbewährungshilfe übernommen werden. Im Gegensatz zum Erziehungsbeistand im Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 30 SGB VIII) dominieren im Jugendstrafrecht (neben dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung) die Verpflichtung und die Verbindlichkeit. Es ist ein Kontroll- und Sanktionsdruck vorhanden. In der Jugendhilfe dagegen besteht der Grundsatz der Freiwilligkeit bei der Annahme einer Hilfe gemäß § 30 SGB VIII. Im Gegensatz zu einer Bewährungsaufsicht hat der Gesetzgeber bei einer Weisung gemäß § 10 Abs. 1 Pkt. 5 JGG die Förderung der Erziehung und nicht die Leitung und Überwachung in den Vordergrund gestellt. Die Übernahme von Betreuungsweisungen durch Jugendbewährungshelfer erfordert eine hohe fachliche Differenzierung der eigenen Tätigkeit. In der Literatur wird dieser Betreuungskontext auch kritisch bewertet. Eine Betreuungsweisung wird i.d.R. für ein Jahr verhängt. Eine Verkürzung bzw. Verlängerung dieser richterlichen Weisung ist möglich (§ 11 JGG).

Aufgaben

Im Jugendstrafverfahren ist die Jugendbewährungshilfe, in Abgrenzung zur Bewährungshilfe für Erwachsene, Verfahrensbeteiligte gem. § 48 JGG.

vor einer (erneuten) Verurteilung

Begeht ein Jugendlicher oder Heranwachsender, der einem/r Jugendbewährungshelfer/in unterstellt wurde, erneut eine Straftat, welche zu einem Strafverfahren führt, kann das unterschiedliche Aufgaben nach sich ziehen. Führt die Straftat ersichtlich nicht zu einem Widerruf, kann (in Zusammenarbeit mit der JGH; vgl. § 38 Abs. 2 Satz 8 JGG) eine Diversionsmaßnahme angeregt werden. Dagegen besteht bei der Gefahr eines Widerrufs die Aufgabe im Aufzeigen ambulanter Handlungsalternativen (u.a. andere Weisungen oder Auflagen, Verlängerung der Bewährungsaufsicht und/oder –zeit, Unterstellung unter einen anderen Jugendbewährungshelfer) gegenüber der rechtlich nachrangigen Vollstreckung der Jugendstrafe.

nach der Verurteilung

Die zentrale und gesetzlich geregelte Aufgabe des/r Jugendbewährungshelfer/in ist es, den nach Jugendstrafrecht Verurteilten „helfend und betreuend zur Seite“ zu stehen (§§ 24 Abs. 3 Satz 1, 105 Abs. 1 JGG). Dies gilt bei der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung (§§ 21 – 26a JGG), der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 27 – 30 JGG) und in den Verfahren bei (nachträglicher) Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung (§§ 57 – 61b JGG). Die Bestellung erfolgt durch den Jugendrichter. (§ 25 Satz 1 JGG) für die Dauer von höchstens zwei Jahren (§ 24 Abs. 1 Satz 1 JGG). Diese Entscheidung (§ 24 Abs. 2 JGG) kann vor Ablauf der Unterstellungszeit aufgehoben oder verändert (Verlängerung bis zu vier Jahren; Verkürzung auf ein Jahr; Unterstellung erneut anordnen) werden. Das Ziel der Hilfe und Betreuung ist eine Stabilisierung der Lebenssituation der Probanden durch das Erlernen neuer - nicht delinquenter - Bewältigungsfähigkeiten und der damit verbundenen Minimierung des Rückfallrisikos. Die Jugendbewährungshelfer sollen dem Erziehungsgedanken des JGG folgend die Erziehung der jungen Straftäter fördern und möglichst mit den Erziehungsberechtigten zusammenarbeiten. Das kann alle Lebenslagen der Probanden betreffen (u.a. Familie, Freundeskreis, Wohnen, Finanzen/Schulden, Suchtmittelmissbrauch, gesundheitliche oder psychische Auffälligkeiten, Aufenthaltsstatus). Der Aufbau einer Veränderungsbereitschaft und einer anhaltenden Veränderungsmotivation der Probanden sind der erste Schritt für die Entwicklung eigener normkonformer Problemlösungsstrategien. Neben der Unterstützungsfunktion besteht die Kontrollfunktion. Dazu zählt die Überwachung von richterlichen Weisungen und Auflagen sowie erfolgten Zusagen und Anerbieten der Probanden. Verstöße dagegen werden dem Gericht gemeldet, soweit sie als „gröblich und beharrlich“ einzustufen sind. Der Berichtspflicht muss der/die Jugendbewährungshelfer/in nachkommen.

nach der Strafvollstreckung

Die bei der Verurteilung ohne einen Vollstreckung der Jugendstrafe bestehenden Aufgaben der Jugendbewährungshilfe sind prinzipiell auch nach einer Teilvollstreckung bzw. einer Vollverbüßung zu erbringen. Darüber hinaus ergeben sich Aufgaben im Rahmen der Haftentlassung (Entlassungsvorbereitung, Entlassung, Wiedereingliederung). Aufgrund des Zeitpunktes der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (§§ 88 Abs. 6 Satz 1, 22 Abs. 2 Satz 1 JGG) war die Jugendbewährungshilfe in der Vergangenheit i.d.R. selten in die Entlassungsvorbereitung einbezogen. Inzwischen wurden im Rahmen des Übergangsmanagements Kooperationsvereinbarungen zwischen den Haftanstalten und der Jugendbewährungshilfe geschlossen, um eine qualifizierte und nachhaltige Wiedereingliederung und Resozialisierung der Probanden zu ermöglichen. Darüber hinaus können Beratungs- oder Therapiemaßnahmen angeregt oder eingeleitet werden. Im Ergebnis der Tataufarbeitung sind ein Täter-Opfer-Ausgleich oder die Hinzuziehung der Schuldnerberatung möglich. Dabei erfordert das Fallmanagement der Jugendbewährungshelfer eine stabile und regelmäßige Kooperation mit anderen Fachdiensten und Hilfeeinrichtungen. Weiterhin wird eine enge und regelmäßige Kontaktdichte (alle zwei bis vier Wochen) angestrebt. Die Berichtspflicht ist für den/die Bewährungshelfer/in ebenfalls verbindlich.

einzelne Rechtspositionen

Die Jugendbewährungshilfe hat keine Zwangsbefugnisse, aber ein Recht auf Zutritt (§ 24 Abs. 3 Satz 4 JGG) zu den Probanden, dass auch gegenüber Dritten geltend gemacht werden kann. Unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht auch ein Auskunftsrecht gegenüber den Erziehungsberechtigten, den gesetzlichen Vertretern, der Schule und den Ausbildern (§ 24 Abs. 3 Satz 5). Die rechtliche Durchsetzbarkeit ist umstritten und wird in der Literatur teilweise abgelehnt. Befinden sich die Probanden in Untersuchungshaft, besteht ein Recht auf Besuch und Schriftverkehr (§§ 93 Abs. 3, 110 Abs. 2 JGG). Die Jugendbewährungshilfe erhält auf der Grundlage ihres Tätigwerdens eine Ausfertigung des Urteils und des Bewährungsplanes (§ 60 JGG). Sie hat das Recht auf Anwesenheit und Anhörung in der Hauptverhandlung (§§ 48 Abs. 2 Satz 1, 50 Abs. 4 Satz 1 JGG) und ein Anhörungsrecht bei allen richterlichen Entscheidungen, die mit der Aussetzung der Jugendstrafe verbunden sind (§ 58 Abs. 1 Satz 2 JGG). Ein konkretes Antragsrecht, welches bei Ablehnung eines Antrages einen Rechtsbehelf ermöglicht, gibt es bislang aber nicht.

Dagegen besteht aus beruflichen Gründen grundsätzlich kein Zeugnisverweigerungsrecht vor dem Gericht (§§ 53, 53a StPO). Der hauptamtliche Bewährungshelfer bedarf allerdings einer Aussagegenehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde (§ 54 StPO). In der Literatur wird empfohlen von einer gerichtlichen Zeugenvernehmung des/r Bewährungshelfers/in zur Vermeidung zusätzlicher Rollenkonflikte Abstand zu nehmen. In der Ausübung der Tätigkeit unterliegt der hauptamtliche Bewährungshelfer einer Zweiteilung der Dienst- und Fachaufsicht. Es besteht die Dienstaufsicht seiner Anstellungsbehörde (§ 113 JGG) und die fachliche Weisungsgebundenheit an den Jugendrichter (§ 25 Satz 2 JGG).

aktuelle Diskussion

Die Lebenslagen der jungen Menschen sind komplexer und vielfältiger geworden. Die Möglichkeiten für individuelle Lebensentwürfe können ebenso den Ausschluss aus der Gemeinschaft bedeuten, wie eine fehlende Teilhabe an gesellschaftlichen (Zugang zu Bildung und Beschäftigung) und sozialen (u.a. Rolle als Konsument) Prozessen. Dazu kommen die erschwerenden Zugänge für Hilfe- und Leistungsangebote bedürftiger junger Menschen und ihrer Erziehungsberechtigten. Gegenwärtig bilden die Wohnraumversorgung junger Straftäter sowie ihr Zugang zu psycho-sozialen und psychiatrischen Hilfen Schwerpunkte im Resozialisierungsprozess. Dagegen bestehen aktuell Ausbildungs- und Arbeits-/Beschäftigungsangebote für Probanden der Jugendbewährungshilfe. Allerdings sind auch hier Angebote für junge Menschen mit einem hohen Förderbedarf bzw. einer ausgeprägten „Schuldistanz“ noch Mangelware.

Die Bemühungen bei der Entwicklung eines strukturierten Übergangsmanagements (zwischen Haft und Bewährung) zeigen inzwischen positive Wirkungen. Die entstandenen Kooperationsvereinbarungen ermöglichen eine frühzeitige Beteiligung der Jugendbewährungshilfe am Entlassungsprozess der Probanden. In den Helferkonferenzen der Haftanstalten erfolgt eine Entlassungsvorbereitung unter Beteiligung der Jugendbewährungshelfer bis zu sechs Monaten vor der offiziellen Entlassung der Probanden. Damit kann ein frühzeitiger und durchgängiger Betreuungsprozess umgesetzt werden. Rückschläge in diesem Kooperationsprozess sind nicht auszuschließen, stellen aber die Notwendigkeit einer engen Betreuung im Übergangszeitraum nicht in Frage.

Neben den typischen Übergangsprozessen in der Jugendphase (u.a. Beendigung der Schule und Beginn des Berufslebens, Verlassen des Elternhauses oder der Betreuten Einrichtung, Aufnahme einer Partnerschaft, Übernahme einer Elternrolle, wechselnde Bezugspersonen und Freundschaften) bestehen für junge Straftäter weitere psychosoziale Konflikte (Inhaftierungen, Strafprozesse, Haftentlassungen, Folgen der Selbst- und Fremdstigmatisierung). Bei der Bewältigung kumulierender Krisen ist die Jugendbewährungshilfe eine notwendige und fachliche Ressource im Resozialisierungsprozess. Mit Hilfe einer „durchgehenden Betreuung“ durch sie sollen auch künftige Beziehungsabbrüche (welche die Probanden seit frühester Kindheit immer wieder erfahren haben, und die zu einer Bindungslosigkeit und -unfähigkeit geführt haben können) während der Betreuungs- bzw. Unterstellungszeit vermieden werden.

In der Arbeit der Jugendbewährungshilfe spielt auch die Risikoorientierung eine Rolle. Untersteht ein Proband der Jugendbewährungshilfe, wurde eine erste prognostische Gerichtsentscheidung hinsichtlich der Risiken der Rückfallwahrscheinlichkeit getroffen (eine andere Voraussetzung liegt bei Führungsaufsichten vor). Für die Umsetzung einer professionellen Bewährungsaufsicht (§ 24 Abs. 3 JGG) bedarf es fachlicher Anamnesen und Diagnosen für prognostische Einschätzungen, die neben dem Hilfebedarf auch eine Einschätzung des Rückfallrisikos beinhalten.

In den Bereichen Risikoorientierung und Risikomanagement besteht seit den letzten 15 Jahren eine intensive Fachdiskussion. Die Standpunkte reichen von „fehlender Kompetenz für die Einschätzung von Rückfallrisiken durch die Jugendbewährungshilfe“ über „Gefährdungseinschätzungen außerhalb der Lebenslagen der Probanden“ bis zu den (schon immer erfolgten) „intuitiven Risikoeinschätzungen der Fachkräfte“, welche an einem individuell diagnostizierten Bedarf ausgerichtete Hilfen und Kontrollen umsetzen. Die Besonderheit der Probanden der Jugendbewährungshilfe besteht auch darin, dass es sich um junge Menschen in einem alterstypischen Entwicklungsprozess (Jugendphase) handelt, durch deren wechselnde Phasen sich eine Zuschreibung als Risikoproband verbietet.

Weblinks

Literaturverzeichnis

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