Hangtäter

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Als Hangtäter wird ein Straftäter bezeichnet, der nicht nur wiederholt Straftaten begangen hat, sondern auch einen Hang (= eine intensive, tief verwurzelte, eingeschliffene Neigung) zu Straftaten hat, die ihn kraft Übung (Gewohnheit) oder charakterlicher Veranlagung immer wieder straffällig werden lässt.

Im deutschen Strafrecht ist der Begriff im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung relevant. Nach § 66 des Strafgesetzbuches ordnet das Gericht die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Weitere (formelle) Voraussetzungen sind -verkürzt formuliert-, dass das Gericht den Täter wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, der Täter bereits zuvor zu zwei Freiheitsstrafen von jeweils mindestens einem Jahr verurteilt wurde und er dafür mindestens zwei Jahre im Vollzug gewesen ist.

Allgemeines zum Begriff

Der Begriff Hang ist ein Rechtsbegriff. Das Gericht hat ihn im Rahmen einer Gesamtwürdigung -nach sachverständiger Beratung- unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände festzustellen. Die Frage, wann jemand in diesem Sinne als Hangtäter handelt, ist schwierig. Denn ein objektiv feststellbarer Befund, wie er der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zugrunde liegt, ist beim Hangtäter regelmäßig nicht gegeben. Der durch das Gericht anzuhörende Sachverständige hilft hier nur begrenzt weiter. Als Psychiater ist er seiner Ausbildung nach zwar befähigt, eine Sucht oder eine psychiatrische Erkrankung zu diagnostizieren, nicht jedoch einen Hang, der aus psychischer Konstitution oder sozialpsychologischer Kondition nicht linear ableitbar ist. Zum Hang gehört nach der gesetzgeberischen Vorstellung aber jedenfalls mehr als die bloße Rückfälligkeit (vgl. Rissing-van-Saan/Peglau in: LK, § 66, Rn 114 ff.).

Der Hangbegriff in der Rechtsprechung

Hang in diesem Sinne ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts eine „psychologische Tatsache“ (BVerfG vom 23.08.2006 - 2 BvR 226/06). Er wird vom Bundesgerichtshof definiert als „ein eingeschliffener innerer Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt“ (Urteil vom 11.09.2002 - 2 StR 193/02) sowie als eine „auf charakterlicher Anlage oder durch Übung erworbene intensive Neigung zu Rechtsbrüchen“ (5 StR 395/10). Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (2 StR 193/02). Die Ursachen des Hanges sind also grundsätzlich unerheblich. Sie können in bewussten Entscheidungen liegen („Berufs“-Verbrecher) oder in charakterlich verfestigten dissozialen oder rechtsfeindlichen „Einstellungen“ (Fischer, § 66, Rn 25). Hangtäter kann auch derjenige sein, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag und jeder erneuten Versuchung zum Opfer fällt (BGH vom 13.09.1989 - 3 StR 150/89).

Was eine fest eingewurzelte Neigung ist, wird in der Rechtsprechung nicht näher ausgeführt. Selbst Gelegenheitstaten oder Augenblickstaten (ähnlich wie Nottaten oder Konfliktstaten) können im Einzelfall auf einen inneren Hang zurückgeführt werden (BGH vom 12.12.1979 - 3 StR 436/79). Dies sei etwa dann der Fall, wenn die Taten ihre Ursache darin hätten, dass der Täter dazu neige, mit einer neuen strafbaren Handlung auf einen äußeren Tatanstoß in Situationen zu reagieren, in denen andere Personen Auswege fänden und dem Anreiz zur (Aggressions-)Tat widerstünden (BGH vom 23.02.1994 - 3 StR 679/93). In einem solchen Fall gebe der Täter einem ihm innewohnenden Hang zu Straftaten nach (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, § 66, Rn 28). Auch eine im Affekt begangene Straftat könne auf dem Hang zu erheblichen Straftaten beruhen, wenn diese und die vorangegangenen Taten insgesamt Ausdruck innerer Spannungen des Täters seien, die ihn zu Straftaten besonders bereit machten (BGH bei Kinzig, 1998, 14). Die Annahme eines Hanges ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregungen die Tat allein verursacht haben. Im Zweifel ist dabei allerdings zugunsten des Angeklagten zu entscheiden (3 StR 436/79).

Bestimmte Verhaltensweisen im Prozess, die auf eine Gesinnungsänderung schließen lassen (z. B. ein Geständnis), können das Vorliegen eines verfestigten Hangs in Frage stellen (BGH vom 07.03.2006 - 3 StR 37/06) . Ein Hang ist denkbar, wenn die Tat durch Alkoholeinfluss, einen erregbaren, explosiblen Charakterzug, milieubedingte Persönlichkeitszüge, ein unverschuldetes Leiden oder Altersrückbildung mitbewirkt wurde (vgl. Kinzig, 1998, 14). Insgesamt sei - so Kinzig - zu konstatieren, dass der Bundesgerichtshof die Verhängung der Sicherungsverwahrung nicht nur auf den beharrlichen, zu gefährlicher Aktivität neigenden Straftäter beschränke. Vielmehr ziehe er sie auch für den passiv-antriebsschwachen Delinquenten in Betracht.

Nähere Begründung des Hanges durch die Rechtsprechung - eine empirische Analyse

Das Vorliegen eines Hanges hat das Gericht in seinem Urteil darzulegen. In die dabei vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ist dessen Persönlichkeit mit allen kriminologisch wichtigen Tatsachen einzubeziehen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erfordert die Feststellung eines Hanges eine umfassende Vergangenheitsbetrachtung (1 StR 645/10). Ein System zur Einstufung als Hangtäter ist von der Rechtsprechung nie entwickelt worden. In erster Linie geht sie von der abzuurteilenden Tat und denjenigen früheren Taten aus, die mit ihr zusammen die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung erfüllen (Kinzig, 1998, 15).

In einer umfassenden Untersuchung hat Kinzig (1998, 16 ff.) 318 Urteile mit Anordnungen von Sicherungsverwahrung - ganz überwiegend aus den Jahren 1981 bis 1990 - ausgewertet, wobei besonders von Interesse war, wie die Gerichte die Subsumtion unter das Merkmal Hang zu erheblichen Straftaten vornehmen. Danach haben die Vorstrafen und Vortaten für die Begründung und Feststellung des Hanges die größte Bedeutung. In 89 % der untersuchten Urteile wurde die Vordelinquenz als Begründungselement für die Zubilligung des Hangs herangezogen. Interessanterweise - so Kinzig- wurden die Vorstrafen in fast allen Fällen auch zur Schärfung des Strafmaßes herangezogen. Die Vorstrafen erfüllen damit bei der Bestrafung gefährlicher Rückfalltäter eine dreifache Funktion. Einerseits trügen sie zur Begründung der Strafschärfung, andererseits zur Erfüllung der formellen, aber auch zur Begründung der materiellen Voraussetzungen (des Hanges) für die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei. In mehr als ⅔ ihrer Urteile stellten die Gerichte zusätzlich auf den Rückfall ab. Dabei würden die Gerichte am häufigsten derart formulieren, dass der Täter seit Jahren immer wieder rückfällig werde bzw. er eine hohe Rückfallgeschwindigkeit aufweise. Demgegenüber wurde der Hang in fast ⅔ aller Fälle auch damit begründet, dass der bisher erlittene Strafvollzug keine resozialisierende Wirkung auf den Täter ausübte. Dabei hätten die Gerichte in ihrer Argumentation das Problem gänzlich unberücksichtigt gelassen, ob der derzeitige Strafvollzug überhaupt etwas für die Rückfallverhinderung leiste oder nicht im Gegenteil, wie manche behaupten würden, sogar zum Rückfall beitrüge (vgl. Kinzig 1998, 17). In knapp einem Drittel der Fälle wurde der Hang damit begründet, dass der Täter eine ergangene Warnung, vornehmlich den Umstand der Begehung der Straftat trotz der vorherigen Androhung der Sicherungsverwahrung, missachtet habe. In fast allen Fällen wurden zur Begründung des Hangs auch Charakterisierungen benutzt, die die Biographie oder die Persönlichkeit des Täters betrafen. Am häufigsten wurde der Täter als „hartnäckiger Rechtsbrecher“, als „Gewohnheits-“, als „Berufsverbrecher“ oder als ein Mensch mit einem „eingeschliffenen kriminellen Verhaltensmuster“ oder einer „Tendenz zur kriminellen Spezialisierung“ beschrieben, der die Zeit in Freiheit immer zu Straftaten nutze. Danach folgten Bezeichnungen der Persönlichkeit als „labil“, „verführbar“, „haltlos“, „willensschwach“; besonders Gewalttäter seien außerdem im Urteil als „gefühlsarm“ und „rücksichtslos" bezeichnet worden, als Personen, die schwere Taten „aus nichtigem Anlass“ verübt hätten. In vielen Fällen wurde auch auf die Sozialbiographie des Täters abgestellt. So wurden das bisherige Schul-, Arbeits- oder Sozialverhalten, die Frühkriminalität und das schlechte Elternhaus des Täters bzw. dessen defizitäre Erziehung angeführt. In einem Urteil sei das Gericht sogar von einem „angeborenen Hang“ ausgegangen (Kinzig 1998, 17, 18). Des Weiteren wurde zur Begründung des Hangs auf mangelnde Kritikfähigkeit bzw. Verdrängung der begangenen Straftaten, Aggressivität und Persönlichkeitsstörungen hingewiesen, wobei oft angeführt wurde, dass eine Therapie nicht erfolgversprechend bzw. eine längere Zeitdauer für die Sozialisierung des Täters erforderlich sei. In etwa einem Fünftel aller Urteile hätte sich der Hang auch daran gezeigt, dass der Täter trotz guter Bedingungen, wie einer (neuen) stabilen privaten Beziehung, wieder straffällig geworden sei. In fast 90 % der Urteile bezogen sich die Gerichte bei der Begründung des Hanges -so Kinzig- ausdrücklich auf die Ansicht der Gutachter.

Kriminologische Prognose

Aus dem Hang muss sich eine ungünstige Prognose ergeben, nämlich die bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass von dem Täter weitere erhebliche Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (Fischer, § 66, Rn 33). § 246a der Strafprozessordnung schreibt die Zuziehung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung zwingend vor, soweit damit zu rechnen ist, dass die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet wird. Das Gesetz geht davon aus, dass für die notwendige Persönlichkeitsbeurteilung und -prognose die eigene Sachkunde des Gerichts in keinem Fall ausreicht (Fischer in KK, § 246a, Rn 1). Die Frage des Gerichts an den Gutachter lautet dann, ob der Angeklagte aus empirischer (forensisch-psychiatrischer; kriminologischer) Sicht als Hangtäter anzusehen ist (vgl. de Boor, 1981, 176). Als Sachverständige kommen Psychiater sowie Psychologen in Betracht. Empfohlen werden auch Kriminologen (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, § 66, Rn 39 sowie Fischer in KK, § 246a, Rn 3).

Der Hangbegriff in der Literatur

Der Hangbegriff hat in der Literatur stärkste Kritik erfahren. Ein Hang sei durch wissenschaftliche Methoden nicht messbar, lediglich eine juristische Fiktion, ein Konstrukt, das nicht empirisch belegbar und im Sinne rationaler Theoriebildung erklärbar sei. Die Voraussetzungen des Hangs und damit die Klientel der Sicherungsverwahrung könnten nach wie vor nicht exakt erfasst werden. Es gäbe keine präzise Definition, sondern nur Tautologien wie „Neigung zur Wiederholung“, „Berufsmäßigkeit“, „fest eingewurzelte Neigung“, „eingeschliffener innerer Zustand“ (vgl. Kinzig 1998, 15). Ferner sei auch den begutachtenden Psychiatern die Bedeutung des Hanges weitgehend unklar, wobei Kinzig (1998, 15) in diesem Zusammenhang auf die Frage des Psychiaters Mende an den Kriminologen Schüler-Springorum: "Was ist eigentlich ein Hang?" hinweist (vgl. Schüler-Springorum 1989, 147).

Nach Dannhorn (2010, 367) bezeichnet der Hang im Falle des § 66 StGB als besondere Eigenschaft eines Menschen dessen innere Einstellung zur Begehung schwerer Straftaten (Entschlossenheit zur Begehung von Straftaten oder zumindest Bereitschaft dazu bei sich bietenden Gelegenheiten). Diese innere Einstellung könne sich allmählich entwickeln, könne aber auch schon bei der ersten schweren Straftat vorhanden sein. Ferner bestehe weder ein innerer Zwang zur Fortsetzung des Verhaltens, noch träten bei Beendigung des Verhaltens besondere physische oder psychische Probleme auf. Die zu beurteilende innere Einstellung des Betroffenen ergäbe sich einerseits aus seiner Persönlichkeit, andererseits aus Besonderheiten seines delinquenten Verhaltens (Dannhorn 2010, 368).

De Boor (1981, 176 ff.) lässt es letztlich offen, ob es den Hangtäter wirklich gibt oder ob der Begriff nur einer verbalen Alibifunktion für die Tatsache der Rätselhaftigkeit der Kriminalität, vor allem aber der vielfältigen Rückfallkriminalität dient. Seiner Ansicht nach könnte man aber diesen kriminologischen Tätertyp - falls es ihn als Realtypus geben sollte - als einen Menschen charakterisieren, bei dem eine konstante, wenn auch überwiegend latente, endogene Bedürfniskonstellation besteht, die - analog zum Befriedigungsdruck bei physiologischen Bedürfnissen - zum Handeln zwingt, um den Zustand des Spannungsausgleichs, die sogenannte Homöostase (inneres Gleichgewicht) herbeizuführen. Der Hangtäter wäre also de Boor zufolge ein Wesen, dessen „inneres Milieu“ zum Ausgleich von Spannungen im System die Begehung von spezifischen Straftaten ebenso imperativ verlangt wie der Organismus Bedürfnisbefriedigung in anderen Bereichen erzwingt (z. B. Hunger-Durststillung). Bei den als Hangtäter bezeichneten Personen beruht nach Ansicht de Boors die endogene Bedürfniskonstellation auf schweren Mängeln in einem oder mehreren Existenzialbereichen, wobei vier Existenziale zu unterscheiden sind:

  1. das Sein (die somatische oder psychische Realität des Individuums),
  2. das Haben (die Summe aller materiellen Güter),
  3. das Gelten (die soziale Anerkennung) sowie
  4. der Bereich der Liebe (aktive Liebesfähigkeit und pathisches Geliebtwerden).

Nahezu jedes Delikt lasse sich auf ein Minus in einem oder mehreren dieser vier Bereiche zurückführen. Schwerste Verbrechen (Mord, Totschlag) würden immer auf Defekten in allen vier Bereichen beruhen. Wer körperlich und psychisch "gesund" sei, Vermögen besitze, in angesehener sozialer Position arbeite und im sexuellen Bereich glücklich sei, könne niemals einen Mord begehen (de Boor, 1981, 177). Eigene Untersuchungen de Boors an 135 Probanden, die wegen eines Tötungsdeliktes begutachtet worden seien, hätten die Defizittheorie im Bereich dieser Delinquenz weitgehend bestätigt. Die Defizite seien immer im Verlauf der frühkindlichen Entwicklung entstanden; es könne daher keinen „angeborenen Hang“ geben (de Boor, 1981, 177, 178). Da schwerste Defizite im Bereich der Existenziale den völligen Ausgleich ungestillter Urbedürfnisse unmöglich machen würden, sei, so de Boor, der Wiederholungszwang - gerade nach Verbüßung langer Haftstrafen, die die Defekte und Defizite noch verstärken würden - so lange programmiert, bis die biologische Aktivität des Täters im höheren Lebensalter nachlasse. De Boor hält daher die Sicherungsverwahrung für die hiervon Betroffenen für notwendig. Zur Begründung sollte das Gericht jedoch nicht den Hang des Täters anführen, sondern die soziale Bedeutung der geradezu naturgesetzlich gegebenen - von der Person nicht steuerbaren - unbewussten psychischen Vorgänge hervorheben, die dem Versuch der Kompensation tiefwurzelnder Defizite durch Straftaten dienen. Da niemand für die Defizite haftbar gemacht werden sollte, die zu einer Zeit entstanden wären, in der die Person zur Selbstgestaltung des eigenen Schicksals keinen personalen Beitrag habe leisten können, erfordere die Beurteilung der „Schuld“ solcher Täter - mit der Notwendigkeit sichernder Maßnahmen - eine andere Beurteilung (de Boor, 1981, 178).

Ein rechtsstaatlich normiertes Maßnahmenrecht könne diese Fälle unverschuldeter Gefährlichkeit (Antisozialität) phänomengerechter lösen als das dogmatische Schuldstrafrecht, das - geradezu wie hypnotisiert - auf die Schuldfähigkeit und die Tatschuld schaue, ohne die innere - pathische - Lebensgeschichte zu berücksichtigen, die - bei Anwendung der Theorie der endogenen Bedürfniskonstellation und der sie begründenden Defizite im Bereich anthropologischer Existenziale - geradezu naturgesetzlich zur Straftat, vor allem aber zur Kontinuität von Straftaten führe; ein Phänomen, das die Strafrechtswissenschaft mit dem griffigen, aber substanzarmen Etikett Hangtäter versehen habe (de Boor, 1981, 178).

Aus kriminologischer Sicht wäre es nach Ansicht de Boors empfehlenswert, den Begriff des Hangtäters zu vermeiden und lediglich vom „gefährlichen Rückfalltäter“ zu sprechen. Die Begriffe „Rückfall“ und „gefährlich“ würden sich im Rahmen des menschlichen Erkenntnisvermögens durch Zahl und Art der Straftaten durch die Gerichte feststellen lassen. Soweit mit dem Adjektiv „gefährlich“ (auch) die Zukunftsprognose anvisiert werde, könne der Sachverständige in der Hauptverhandlung dann etwas zur Wahrheitsfindung beitragen, wenn er nach Defiziten im Bereich der vier anthropologischen Existenziale forschen würde, die für das - objektive - Scheitern des Betroffenen kausal wären und es auch in Zukunft blieben (de Boor, 1981, 179).

Statistik

Am 31.03.1965 betrug die Gesamtzahl der sicherungsverwahrten Hangtäter 1430, am 31.03.1970: 718. Die Zahl der Sicherungsverwahrten entwickelte sich wie folgt (jeweils zum 31.03): 1975: 337; 1980: 208; 1985: 190; 1990 (früheres Bundesgebiet): 182; 1995: 183; 2000: 219; 2005: 350; 2006: 375; 2007: 427; 2008: 448; 2009: 491; 2010: 536; 2011: 504.

Demgegenüber verbüßten am 31.03.1965 insgesamt 48.143 Personen eine Freiheits- bzw. Jugendstrafe in einer deutschen Justizvollzugsanstalt; im Jahre 1975 waren es 34.271, 1985: 48.212, 1995: 46.333, 2000: 60.579, 2006: 64.137, 2010: 60.157 und 2011: 59.563 Personen, die (jeweils zum 31.03.) eine Freiheits- bzw. Jugendstrafe verbüßten (Quelle: Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Strafvollzug, Fachserie 10, Reihe 4.1, 2011, 12).

Literatur

  • Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage; Laufhütte/van Saan/Tiedemann (Hrsg); Berlin 2010. (zit: Bearbeiter in LK)
  • Thomas Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 58. Auflage, Verlag C. H. Beck, München 2011. (zit: Fischer)
  • Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Auflage, Verlag C. H. Beck, München 2010. (zit: Bearbeiter in Schönke/Schröder)
  • Jörg Kinzig, Der Hang zu erheblichen Straftaten - und was sich dahinter verbirgt. NStZ 1998, Heft 1, S. 14 ff..
  • Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Auflage; Rolf Hannich (Hrsg); München 2008. (zit: Bearbeiter in KK)
  • Wolfgang de Boor, Zum Begriff des Hangtäters. ZSW, 2. Jahrgang Heft 7, 8/1981, S. 176 ff..
  • Horst Schüler-Springorum, Sicherungsverwahrung ohne Hang?. MschrKrim 1989, S. 147 ff..
  • Reinhold Dannhorn, Zum Zustand des Angeklagten bei einem Hang nach § 66 StGB. NStZ 2010, Heft 7, S. 366 ff.

Weblinks