Terrorliste: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Terrorliste''' nennt man ein amtliches Verzeichnis von Personen und/oder Organisationen, die wegen der mutmaßlich von ihnen ausgehenden terroristischen Risiken besonderen Überwachungs- und/oder Boykottmaßnahmen unterworfen werden.  
'''Terrorliste''' nennt man ein amtliches Verzeichnis von Personen und/oder Organisationen, die wegen der mutmaßlich von ihnen ausgehenden terroristischen Risiken besonderen Überwachungs- und/oder Boykottmaßnahmen unterworfen werden.  


Auf Terrorlisten im engeren Sinn - zu nennen sind hier insbesondere die [[Terrorliste der Vereinten Nationen]] und die [[Terrorliste der EU]] - befinden sich die Taliban, Al-Kaida, Osama bin Laden und darüber hinaus noch Hunderte von weiteren als terroristisch eingeschätzten Personen und Organisationen. Zweck der Terrorlisten im engeren Sinne ist der totale wirtschaftliche Boykott mittels Finanzrestriktionen (Einfriergebot; Bereitstellungsverbot). Im Fall der UNO-Terrorliste kommen noch umfassende Reisebeschränkungen hinzu (Reiseverbot).  
Auf Terrorlisten im engeren Sinn - zu nennen sind hier insbesondere die [[Terrorliste der Vereinten Nationen]] und die [[Terrorliste der EU]] - befinden sich die Taliban, Al-Kaida, Osama bin Laden und darüber hinaus noch Hunderte von weiteren als terroristisch eingeschätzten Personen und Organisationen. Zweck der Terrorlisten im engeren Sinne ist der totale wirtschaftliche Boykott mittels Finanzrestriktionen (Einfriergebot; Bereitstellungsverbot). Im Fall der UNO-Terrorliste kommen noch umfassende Reisebeschränkungen hinzu (Reiseverbot).
 


*Das Einfriergebot bedeutet: die Konten der Betroffenen werden eingefroren; sie können ihre Immobilien nicht mehr veräußern etc.
*Das Einfriergebot bedeutet: die Konten der Betroffenen werden eingefroren; sie können ihre Immobilien nicht mehr veräußern etc.
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* die generelle Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes bei Fragen, die zu diesem Themenkomplex gehören.  
* die generelle Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes bei Fragen, die zu diesem Themenkomplex gehören.  


Vorsätzliche Verstöße gegen die Sanktionsvorschriften von Terrorlisten werden in Deutschland nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, in besonders schweren Fällen nicht unter zwei Jahren. Der Versuch ist strafbar. Bei fahrlässigem Handeln kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Die Verletzung von Mitteilungspflichten u.ä. wird nach § 70 AWV grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Folgen für die Betroffenen: "Wer einmal auf der Liste steht, hat kaum mehr eine Chance auf ein normales Leben. Er ist quasi vogelfrei, wird politisch geächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozial isoliert. Das gesamte Vermögen wird eingefroren, alle Konten und Kreditkarten werden gesperrt, Barmittel beschlagnahmArbeits- und Geschäftsverträge faktisch aufhoben; weder Arbeitsentgelt noch staatliche Sozialleistungen dürfen noch ausbezahlt werden; hinzu kommen Passentzug und Ausreisesperre sowie Überwachungs- und Fahndungsmaßnahmen. Mit Verweis auf die Terrorliste werden Wohnungsdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Festnahmen begründet. Zu den Fernwirkungen zählen die Verweigerung von Einbürgerungen und Asylanerkennungen sowie der Widerruf des Asylstatus von Mitgliedern oder Anhängern gelisteter Gruppen" (Gössner 2009).
 
Strafen bei Verletzung der Sanktionsvorschriften: Vorsätzliche Verstöße gegen die Sanktionsvorschriften von Terrorlisten werden in Deutschland nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, in besonders schweren Fällen nicht unter zwei Jahren. Der Versuch ist strafbar. Bei fahrlässigem Handeln kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Die Verletzung von Mitteilungspflichten u.ä. wird nach § 70 AWV grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit geahndet.


Für die Betroffenen ist die Aufnahme auf eine Terrorliste existenzbedrohend. Rolf Gössner (2009) schreibt dazu: "Wer einmal auf der Liste steht, hat kaum mehr eine Chance auf ein normales Leben. Er ist quasi vogelfrei, wird politisch geächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozial isoliert. Das gesamte Vermögen wird eingefroren, alle Konten und Kreditkarten werden gesperrt, Barmittel beschlagnahmArbeits- und Geschäftsverträge faktisch aufhoben; weder Arbeitsentgelt noch staatliche Sozialleistungen dürfen noch ausbezahlt werden; hinzu kommen Passentzug und Ausreisesperre sowie Überwachungs- und Fahndungsmaßnahmen. Mit Verweis auf die Terrorliste werden Wohnungsdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Festnahmen begründet. Zu den Fernwirkungen zählen die Verweigerung von Einbürgerungen und Asylanerkennungen sowie der Widerruf des Asylstatus von Mitgliedern oder Anhängern gelisteter Gruppen."
== Zeugnisverweigerungsrecht ==


Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Aufnahme oder Verbleib auf einer Terrorliste, gegen die Liste selbst oder gegen deren Rechtsgrundlagen sind unterschiedlich, gelten jedoch insgesamt als wenig entwickelt und entsprechen nach weitverbreiteter Ansicht trotz einiger Fortschritte, die seit etwa 2004 erzielt wurden, bislang noch kaum rechtsstaatlichen Anforderungen.
siehe : [[Verweigerungsrechte im Strafverfahren]]


== Literatur ==
== Literatur ==
*Bartmann, Julia (2011) Terrorlisten. Ebenenübergreifende Sanktionsregime zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Stuttgart: Richard Boorberg Verlag
*Hohmann, Harald; Puschke, Marcus (2007) Basiswissen Sanktionslisten. Hintergrund und Praxis der Integration von Sanktionslisten in Ihre Geschäftsprozesse. Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft.
*Hohmann, Harald; Puschke, Marcus (2007) Basiswissen Sanktionslisten. Hintergrund und Praxis der Integration von Sanktionslisten in Ihre Geschäftsprozesse. Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft.
*Pergande, Frank (2009) Die Tücken der Terrorlisten. Deutsche Unternehmen im Visier der Fahnder. FAZ 24.02.09: 3.  
*Pergande, Frank (2009) Die Tücken der Terrorlisten. Deutsche Unternehmen im Visier der Fahnder. FAZ 24.02.09: 3.  
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*BAFA = Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle  (2009) Außenwirtschaftsverkehr mit "Embargo-Ländern". Merkblatt Stand 15.09.09. Eschborn. http://www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/arbeitshilfen/merkblaetter/merkblatt_embargo.pdf (04.11.09).   
*BAFA = Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle  (2009) Außenwirtschaftsverkehr mit "Embargo-Ländern". Merkblatt Stand 15.09.09. Eschborn. http://www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/arbeitshilfen/merkblaetter/merkblatt_embargo.pdf (04.11.09).   
*Berner, Andrea (2008) Personen auf UN- und EU-Terrorlisten. Gefährliche Geschäftspartner. W&S 4/2008: 13, auch unter: http://www.sicherheit.info/SI/cms.nsf/si.ArticlesByDocID/1101078?Open
*Berner, Andrea (2008) Personen auf UN- und EU-Terrorlisten. Gefährliche Geschäftspartner. W&S 4/2008: 13, auch unter: http://www.sicherheit.info/SI/cms.nsf/si.ArticlesByDocID/1101078?Open
*[http://www.bfdi.bund.de/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/2012/14_BFHAbgleichTerrorlisten.html Bundesfinanzhof billigt Beschäftigtenscreenings]
*Macke, Julia (2008) Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. http://www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/Ergebnisse/32_Macke_AG1.pdf
*Macke, Julia (2008) Die Terrorlisten der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. http://www.strafverteidigervereinigungen.org/Strafverteidigertage/Ergebnisse/32_Macke_AG1.pdf
*Müller, Reinhard (2008) Gericht verlangt Rechtsschutz bei Kontoeinfrierungen. FAZ-Net: http://www.faz.net/s/RubF359F74E867B46C1A180E8E1E1197DEE/Doc~E2AF5829C38084F5392A405423B5BAC74~ATpl~Ecommon~Scontent.html
*Müller, Reinhard (2008) Gericht verlangt Rechtsschutz bei Kontoeinfrierungen. FAZ-Net: http://www.faz.net/s/RubF359F74E867B46C1A180E8E1E1197DEE/Doc~E2AF5829C38084F5392A405423B5BAC74~ATpl~Ecommon~Scontent.html
*Nowak, Peter (2002) Die Terror-Liste der EU. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12790/1.html
*Nowak, Peter (2002) Die Terror-Liste der EU. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12790/1.html
*[http://www.heise.de/tp/artikel/32/32899/1.html Nowak, Peter (2010) EU-Terrorlisten teilweise rechtswidrig]
*Seelsorger wendet mit Zeugenaussage in Terrorprozess Beugehaft ab. http://www.123recht.net/article.asp?a=20626&ccheck=1 (26.10.09).
*Seelsorger wendet mit Zeugenaussage in Terrorprozess Beugehaft ab. http://www.123recht.net/article.asp?a=20626&ccheck=1 (26.10.09).

Aktuelle Version vom 27. September 2015, 14:34 Uhr

Terrorliste nennt man ein amtliches Verzeichnis von Personen und/oder Organisationen, die wegen der mutmaßlich von ihnen ausgehenden terroristischen Risiken besonderen Überwachungs- und/oder Boykottmaßnahmen unterworfen werden.

Auf Terrorlisten im engeren Sinn - zu nennen sind hier insbesondere die Terrorliste der Vereinten Nationen und die Terrorliste der EU - befinden sich die Taliban, Al-Kaida, Osama bin Laden und darüber hinaus noch Hunderte von weiteren als terroristisch eingeschätzten Personen und Organisationen. Zweck der Terrorlisten im engeren Sinne ist der totale wirtschaftliche Boykott mittels Finanzrestriktionen (Einfriergebot; Bereitstellungsverbot). Im Fall der UNO-Terrorliste kommen noch umfassende Reisebeschränkungen hinzu (Reiseverbot).

  • Das Einfriergebot bedeutet: die Konten der Betroffenen werden eingefroren; sie können ihre Immobilien nicht mehr veräußern etc.
  • Das Bereitstellungsverbot bedeutet: den Betroffenen dürfen keine wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Keine Kreditgewährung, keine Ausleihe, keine Auszahlung von Sozialleistungen oder Gehältern.

Ausnahmen vom Einfriergebot und vom Bereitstellungsverbot können gewährt werden. Der Rechtsweg ist allerdings in jeder Hinsicht wenig entwickelt. Dies gilt für die Frage der Aufnahme auf eine Terrorliste wie auch für allfällige Ausnahmen von den Sanktionen und die Streichung von einer Liste. Graduelle Unterschiede bestehen aber zwischen den einzelnen Terrorlisten.

Auf Terrorlisten im weiteren Sinne, die häufig auch als "terrorist watch list" oder No Fly Liste bezeichnet werden, befinden sich sehr viel größere Datenmengen. Bei diesen Listen geht es nicht um direkte Sanktionierung oder gar einen umfassenden sozio-ökonomischen Boykott, sondern um erhöhte Aufmerksamkeit und Überwachung.

Als problematisch gelten:

  • die mangelnde Transparenz bei der Frage, wer warum auf eine Terrorliste aufgenommen wird (Listungsverfahren)
  • das fehlende Anhörungsrecht von Personen, die von einer Listung bedroht oder betroffen sind
  • die Intransparenz und mangelnde rechtliche Ausgestaltung des De-Listungsverfahrens zwecks Erreichung der Streichung von einer Terrorliste.
  • die generelle Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes bei Fragen, die zu diesem Themenkomplex gehören.

Folgen für die Betroffenen: "Wer einmal auf der Liste steht, hat kaum mehr eine Chance auf ein normales Leben. Er ist quasi vogelfrei, wird politisch geächtet, wirtschaftlich ruiniert und sozial isoliert. Das gesamte Vermögen wird eingefroren, alle Konten und Kreditkarten werden gesperrt, Barmittel beschlagnahmArbeits- und Geschäftsverträge faktisch aufhoben; weder Arbeitsentgelt noch staatliche Sozialleistungen dürfen noch ausbezahlt werden; hinzu kommen Passentzug und Ausreisesperre sowie Überwachungs- und Fahndungsmaßnahmen. Mit Verweis auf die Terrorliste werden Wohnungsdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Festnahmen begründet. Zu den Fernwirkungen zählen die Verweigerung von Einbürgerungen und Asylanerkennungen sowie der Widerruf des Asylstatus von Mitgliedern oder Anhängern gelisteter Gruppen" (Gössner 2009).

Strafen bei Verletzung der Sanktionsvorschriften: Vorsätzliche Verstöße gegen die Sanktionsvorschriften von Terrorlisten werden in Deutschland nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, in besonders schweren Fällen nicht unter zwei Jahren. Der Versuch ist strafbar. Bei fahrlässigem Handeln kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Die Verletzung von Mitteilungspflichten u.ä. wird nach § 70 AWV grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Zeugnisverweigerungsrecht

siehe : Verweigerungsrechte im Strafverfahren

Literatur

  • Bartmann, Julia (2011) Terrorlisten. Ebenenübergreifende Sanktionsregime zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Stuttgart: Richard Boorberg Verlag
  • Hohmann, Harald; Puschke, Marcus (2007) Basiswissen Sanktionslisten. Hintergrund und Praxis der Integration von Sanktionslisten in Ihre Geschäftsprozesse. Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft.
  • Pergande, Frank (2009) Die Tücken der Terrorlisten. Deutsche Unternehmen im Visier der Fahnder. FAZ 24.02.09: 3.
  • Rechtsschutz für Terrorverdächtige. FAZ 04.09.08: 4.

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