Schulenstreit: Unterschied zwischen den Versionen

101 Bytes entfernt ,  08:52, 16. Okt. 2015
keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(5 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
::Diese Seite wird als Prüfungsleistung bearbeitet von Tim K., bitte nicht zusätzlich verändern.


'''Der Schulenstreit im 19. Jahrhundert''' (auch ''„Paradigmenstreit“'' oder ''„Anlage-Umwelt-Streit“'' genannt) entfachte sich über die Frage nach den Entstehungsbedingungen kriminellen Verhaltens aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen der italienischen und französischen Schule.  
'''Der Schulenstreit im 19. Jahrhundert''' (auch ''„Paradigmenstreit“'' oder ''„Anlage-Umwelt-Streit“'' genannt) entfachte sich über die Frage nach den Entstehungsbedingungen kriminellen Verhaltens aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen der italienischen und französischen Schule.  
Zeile 17: Zeile 16:
[[Datei:VonVerbrechenundStrafen.jpg|200px|thumb|right|Abb. 2: [[Cesare Beccaria]] gilt als Begründer der Kriminologie.]]
[[Datei:VonVerbrechenundStrafen.jpg|200px|thumb|right|Abb. 2: [[Cesare Beccaria]] gilt als Begründer der Kriminologie.]]
[[Datei:Cesare_Lombroso.jpg|200px|thumb|right|Abb. 3: [[Cesare Lombroso]] war ein Anhänger der italienischen Schule, welche die ''"Anlage"'' des Täters für Kriminalität verantwortlich machte.]]
[[Datei:Cesare_Lombroso.jpg|200px|thumb|right|Abb. 3: [[Cesare Lombroso]] war ein Anhänger der italienischen Schule, welche die ''"Anlage"'' des Täters für Kriminalität verantwortlich machte.]]
[[Datei:Alexandre_Lacassagne.jpg|200px|thumb|right|Abb. 4: [[Alexandre Lacassagne]] war ein Anhänger der französische Schule, welche die ''"Umwelt"'' des Täters für Kriminalität verantwortlich machte.]]
[[Datei:Alexandre_Lacassagne.jpg|200px|thumb|right|Abb. 4: [[Alexandre Lacassagne]] war ein Anhänger der französischen Schule, welche die ''"Umwelt"'' des Täters für Kriminalität verantwortlich machte.]]


Im Mittelalter galt das [[Verbrechen]] als Sünde und Beleidigung des als allmächtig begriffenen Gottes, wodurch der Verbrecher nicht nur seinen Seelenfrieden verwirkte, sondern in der Gesellschaft auch als krank bzw. "unnormal" galt. Um das soziale Leben, dessen Normen, Institutionen und Werte vor dem Einfluss des kranken "Abweichlers" zu schützen, musste dieser durch oftmals grausame Behandlungen korrigiert werden.<ref>Becker, 1995, S. 147 ff.</ref> Ein Interesse an den Ursachen des abweichenden Verhaltens bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Im Mittelalter galt das [[Verbrechen]] als Sünde und Beleidigung des als allmächtig begriffenen Gottes, wodurch der Verbrecher nicht nur seinen Seelenfrieden verwirkte, sondern in der Gesellschaft auch als krank bzw. "unnormal" galt. Um das soziale Leben, dessen Normen, Institutionen und Werte vor dem Einfluss des kranken "Abweichlers" zu schützen, musste dieser durch oftmals grausame Behandlungen korrigiert werden.<ref>Becker, 1995, S. 147 ff.</ref> Ein Interesse an den Ursachen des abweichenden Verhaltens bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Zeile 49: Zeile 48:
[[Gabriel Tarde]] (* 12.03.1843 in Sarlat; † 13.05.1904 in Paris) und [[Alexandre Lacassagne]] (* 17.08.1843 in Cahors; † 24.09.1924 in Lyon) gehören zu den Vertretern der französischen Schule, welche die Gesellschaft, also das Umfeld in dem die Menschen leben, für Kriminalität verantwortlich machen.<ref>Sebald, 2008, S. 100</ref>
[[Gabriel Tarde]] (* 12.03.1843 in Sarlat; † 13.05.1904 in Paris) und [[Alexandre Lacassagne]] (* 17.08.1843 in Cahors; † 24.09.1924 in Lyon) gehören zu den Vertretern der französischen Schule, welche die Gesellschaft, also das Umfeld in dem die Menschen leben, für Kriminalität verantwortlich machen.<ref>Sebald, 2008, S. 100</ref>


Im Gegensatz zu Lambroso hat Lacassagne das Milieu des Täters für die Entstehung des Verbrechens verantwortlich gemacht (sog. Milieutheorie). Diese Annahme wird durch den bekannt gewordenen Ausspruch von Lacassagne deutlich: ''„Jede Gesellschaft hat die Verbrecher, die sie verdient!“''<ref>Übersetzung aus dem Französischen: ''„les Sociétés ont les criminels qu'elles méritent!“''; Lacassagne, Coutagne, & Garraud, 1886, S. 183</ref>
Im Gegensatz zu Lambroso hat Lacassagne das Milieu des Täters für die Entstehung des Verbrechens verantwortlich gemacht (sog. Milieutheorie). Diese Annahme wird durch den bekannt gewordenen Ausspruch von Lacassagne deutlich: ''„Jede Gesellschaft hat die Verbrecher, die sie verdient!“<ref>Übersetzung aus dem Französischen: ''„les Sociétés ont les criminels qu'elles méritent!“''; Lacassagne, Coutagne, & Garraud, 1886, S. 183</ref>''


Tarde hat die Nachahmung (Imitation) des Sozialen für die Entstehung von Verbrechen verantwortlich gemacht. Von ihm stammt der bekannte Satz: ''„Die anderen sind schuldig, nicht der Verbrecher.“''<ref>Übersetzung aus dem Französischen: ''„Tout le monde est coupable excepté le criminel.“''; Tarde, 1893: zit. nach Seelig/Bellavic 1963, S. 46</ref> Tarde kann aus heutiger Sicht als Wegbereiter der sog. Lerntheorien bezeichnet werden, da er versucht hat, Kriminalität durch Lern- und Nachahmungsprozesse zu erklären.
Tarde hat die Nachahmung (Imitation) des Sozialen für die Entstehung von Verbrechen verantwortlich gemacht. Von ihm stammt der bekannte Satz: ''„Die anderen sind schuldig, nicht der Verbrecher“<ref>Übersetzung aus dem Französischen: ''„Tout le monde est coupable excepté le criminel.“''; Tarde, 1893: zit. nach Seelig/Bellavic 1963, S. 46</ref>.'' Tarde kann aus heutiger Sicht als Wegbereiter der sog. Lerntheorien bezeichnet werden, da er versucht hat, Kriminalität durch Lern- und Nachahmungsprozesse zu erklären.


Tarde und Lacassagne gelten als Vorreiter der soziologischen Kriminalitätstheorien, die nicht das Verhalten einzelner Individuen erklären, sondern die gesellschaftlichen Einflüsse beschreiben, die abweichendes Verhalten begünstigen können.
Tarde und Lacassagne gelten als Vorreiter der soziologischen Kriminalitätstheorien, die nicht das Verhalten einzelner Individuen erklären, sondern die gesellschaftlichen Einflüsse beschreiben, die abweichendes Verhalten begünstigen können.
Zeile 63: Zeile 62:
Dieser sog. [[Kriminalitätstheorien|Mehrfaktorenansatz]] geht davon aus, dass es verschiedene Ursachen gibt, die zu Kriminalität führen können (multikausale Kriminalitätserklärung). Daher wird dieser Ansatz auch als "Kombinationsansatz" bezeichnet.   
Dieser sog. [[Kriminalitätstheorien|Mehrfaktorenansatz]] geht davon aus, dass es verschiedene Ursachen gibt, die zu Kriminalität führen können (multikausale Kriminalitätserklärung). Daher wird dieser Ansatz auch als "Kombinationsansatz" bezeichnet.   


Liszt war der Annahme, dass die sozialen Einflüsse eine weit höhere Bedeutung auf die kriminelle Handlung hätten als die Anlage des Täters. Dies machte Liszt auch mit der bekannten kriminalpolitischen Aussage deutlich, dass ''„eine gute Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik"'' sei.<ref>Von Liszt, 1905, S. 246</ref>
Liszt war der Annahme, dass die sozialen Einflüsse eine weit höhere Bedeutung auf die kriminelle Handlung hätten als die Anlage des Täters. Dies machte Liszt auch mit der bekannten kriminalpolitischen Aussage deutlich, dass ''„eine gute Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik"''<ref>Von Liszt, 1905, S. 246</ref>sei.


Das Verbrechen war für Liszt, ''[...] „wie jede menschliche Handlung, das notwendige Ergebnis aus der teils angeborenen Eigenart des Täters einerseits, der ihn im Augenblick der Tat umgebenden gesellschaftlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse anderseits"''<ref>Von Liszt, 1905, S. 65</ref>.  
Das Verbrechen war für Liszt, ''[...] „wie jede menschliche Handlung, das notwendige Ergebnis aus der teils angeborenen Eigenart des Täters einerseits, der ihn im Augenblick der Tat umgebenden gesellschaftlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse anderseits"''<ref>Von Liszt, 1905, S. 65</ref>.  
Zeile 73: Zeile 72:
Liszt war der Meinung, dass das [[Verbrechen]] wissenschaftlich erforscht werden muss und sich die Strafrechtspflege sowie die Kriminalpolitik an den empirischen Ergebnissen zu orientieren haben.
Liszt war der Meinung, dass das [[Verbrechen]] wissenschaftlich erforscht werden muss und sich die Strafrechtspflege sowie die Kriminalpolitik an den empirischen Ergebnissen zu orientieren haben.


Liszt überlegte, die Strafgesetzbücher von damals durch einen einzigen Paragraphen zu ersetzen: ''„Jeder gemeingefährliche Mensch ist im Interesse der Gesamtheit so lange als nötig unschädlich zu machen.“''<ref>Von Liszt, 1905, S. 80</ref>  
Liszt überlegte, die Strafgesetzbücher von damals durch einen einzigen Paragraphen zu ersetzen: ''„Jeder gemeingefährliche Mensch ist im Interesse der Gesamtheit so lange als nötig unschädlich zu machen“''<ref>Von Liszt, 1905, S. 80</ref>.


Unter anderem gehen:
Unter anderem gehen: