Organisierte Kriminalität

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Organisierte Kriminalität (OK)

Allgemeines

In der öffentlichen Diskussion wird Organisierte Kriminalität (OK) häufig mit dem Begriff Mafia gleichgesetzt. Entsprechend wird damit nicht selten das Bild einer geheimbundartigen, im Verborgenen agierenden Gemeinschaft verbunden. Medien, teilweise auch Künstler und Journalisten, projizieren ein von Mythen umranktes Bild in die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Befördert wird dieser Umstand dadurch, dass Strafverfolgungsbehörden und Wissenschaftler von Verschleierungstendenzen und einem großen Dunkelfeld im Bereich der OK sprechen. Somit bewegt sich die Diskussion um Gegenstand, Ausmaß und Gefahren, die der OK zuzurechnen sind, zwischen Dramatisierung und Verharmlosung.

In heutiger Zeit wird der Begriff der "Organisierten Kriminalität" häufig für viele Arten der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten verwendet. Häufig handelt es sich dabei jedoch um gewerbsmäßige Tatbegehungsweisen, die nicht unbedingt unter dem Begriff der OK definiert werden müssen. Bei der Organisierten Kriminalität handelt es sich um syndikatsähnliche Erscheinungsformen, die sich früher fast ausschließlich in den Vereinigten Staaten von Amerika vorfanden.

Definitionen

Unter dem Begriff "Organisierte Kriminalität" versteht man im weitesten Sinne eine besondere Art gemeinschaftlicher krimineller Betätigung, die sich durch eine strenge hierarchiesche Gliederung sowie durch kaufmännisch geplantes und kontrolliertes Vorgehen auszeichnet.


Die offizielle Definition in Deutschland für Organisierte Kriminalität lautet:

Organisierte Kriminalität (Abkürzung OK) ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die Einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig • unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, • unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder • unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.


Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terror, Terrorismus.


Aufbau der Definition OK

Die Definition der OK ist keine Strafrechtsnorm an sich. Die Definition ist für Strafverfolgungsbehörden (Fachdienststellen) gedacht, die im Bereich der OK-Bekämpfung tätig sind und andere Delikte abgrenzen, um gegen die Organisierte Kriminalität vorzugehen.

Entwicklung der OK in Deutschland

Als Vorläufer von Organisierter Kriminalität in Deutschland werden in der Literatur häufig die sog. Ringvereine aufgeführt. Die Ringvereine waren von Straffälligen gegründete, eingetragene Vereine, die offiziell der gegenseitigen Hilfe in sozialen Notlagen und der kulturellen Betätigung dienen sollten. Tatsächlich förderten sie aber auch die kriminellen Aktivitäten ihrer Mitglieder und übten die Funktion einer Standesorganisation aus, die Regeln setzten und auch gewaltsam durchsetzten. 1890 wurde der erste "Reichsverein ehemaliger Strafgefangener" gegründet. Diesem Beispiel folgten bald weitere ähnliche Zusammenschlüsse in Berlin und anderen Städten. 1898 bildeten die Berliner Ganovenvereine einen Dachverband, den "Ring Berlin". Zwischen 1929 und 1933 zählte man in Deutschland 62 Ringvereine mit rund 1600 Mitgliedern. Zu den lukrativsten Marktsegmenten und Deliktsfeldern gehörte neben der Schutzgelderpressung, Zuhälterei, der organisierten Einbruchskriminalität, insbesondere der Kokain- und Waffenhandel. Hierarchisch gegliedert bildete der „Große Ring“ (Berlin) zusammen mit dem „Mitteldeutschen Ring“ (Mittel- und Westdeutschland) und dem „Norddeutschen Ring“ den „Deutschen Ring“, der bis Mitte der 30-er Jahre bestand. Die Nationalsozialisten gingen massiv gegen die Ringvereine und ihre Mitglieder vor. Sie wurden zuerst verboten, ihre Mitglieder verhaftet und viele verstarben in den Konzentrationslagern. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es zwar Versuche, die Vereine wieder ins Leben zu rufen, eine tatsächliche Renaissance gab es allerdings nie. Die Herausbildung von Formen der Organisierten Kriminalität wird von den meisten Autoren mit der Zeit der Prohibition (1919-1933) in den USA in Verbindung gebracht. Die erste tiefgründigere Auseinandersetzung mit dem Begriff „Organized Crime“ erfolgte durch die sog. Chicago-Crime-Commission im Jahre 1919.

Deutschland war nach dem II. Weltkrieg bis Ende der 60ziger Jahre nach Auffassung von Politikern und Kriminalstrategen weithin kein Betätigungsfeld von OK. Der Grund für diese Einschätzung lag im Wesentlichen darin, dass mit dem Begriff Organisierte Kriminalität über viele Jahre fast ausschließlich mafiose Strukturen oder Begriffe, wie „Verbrecher-Syndikat“ verbunden wurden. Diese Formen der Organisation und Begehung von Straftaten wurden jedoch für die damalige Bundesrepublik Deutschland als nicht existent bezeichnet.

Ausgelöst durch die Aufnahme des Begriffes „Organized Crime“ in den kriminalpolitischen Sprachgebrauch der USA und durch einen deutlichen qualitativen und quantitativen Anstieg bestimmter Erscheinungsformen kollektiv begangener Straftaten in Deutschland, wandte man sich hier in den Jahren 1971 bis 1973 erstmalig dem Versuch zu, das Phänomen Organisierte Kriminalität zu beschreiben. 1973 legte Kerner eine Untersuchung zur „professionellen und organisierten Kriminalität“ mit bemerkenswerten Erkenntnissen vor. So stellt er fest, dass einerseits in Deutschland keine konzern- oder syndikatsähnlichen Organisationsformen bekannt seien. Andererseits konstatiert er Anhalte für die Verwischung der tradierten Grenzen zwischen Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität. Wesentliche Veranstaltungen im Bereich der Polizei waren die Arbeitstagung „Organisierte Kriminalität – Phänomen und Bekämpfung“ (13-15.02.1973 an der PFA) und die Arbeitstagung „Organisiertes Verbrechen“ (21.-25.10.1974) beim Bundeskriminalamt. Die wesentlichen Inhalte dieses Diskussionsprozesses lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Organisiertes Verbrechen hat in Deutschland (noch) nicht die Quantität und Qualität der amerikanischen Entwicklung angenommen.

Gleichwohl wurden zunehmend folgende Charakteristika bei kollektiv begangenen Straftaten festgestellt:

  • Auftreten internationaler Tätergruppen (insbesondere bei Delikten des Rauschgifthandels, der Kfz-Kriminalität und des Waffenhandels)
  • Zunehmend straffere Organisation innerhalb der Tätergruppen
  • Planvollere Tatausführung
  • Orientierung an besonders gewinnträchtigen Bereichen
  • Ausüben von Druck auf Zeugen und Mittäter
  • Konspiration
  • Hohes Maß an Mobilität

Zu diesem Zeitpunkt herrschte weitgehend Übereinstimmung darüber, dass Terrorismus eine Erscheinungsform der OK sei.

In den folgenden Jahren entwickelte sich unter Wissenschaftlern und Praktikern ein Meinungsstreit über Existenz und Inhalt von OK. Erste Definitionsentwürfe entstehen. Für die Praxis der Strafverfolgung erwuchs die Notwendigkeit, das OK phänomenologisch zuzuordnen und zu definieren.

Internationale Entwicklung

20 Jhd.Desperados, Mafia


1919 Prohibition (totale Alkoholverbot) Mafia bis dahin nur unter Landsleuten bekannt. Danach finanzielle neue Möglichkeiten durch Alkoholherstellung.


Die in der Prohibitionszeit gut organisierten Banden von Alkoholschmugglern und Händlern suchten sich nach 1933 neue Betätigungsfelder. Sie fanden sie zunächst im Glücksspiel, dem Rauschgiftschmuggel und –handel sowie im Bereich der Prostitution. Die dominierende Rolle italo-amerikanischer Tätergruppen hat ihren Ursprung nicht nur in den 2,1 Millionen italienischen Auswanderern, die bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges in die USA kamen. Sie steht auch in Verbindung der mit der Machtergreifung Mussolinis verbundenen Kampfansage gegen die sizilianische Mafia und die neapolitanische Camorra, die eine Vielzahl ehemaliger Mitglieder dieser Organisation vertrieb.


Phänomenologische und ätiologische Aspekte der Organisierten Kriminalität

Folgt man der Definition der OK und beachtet die Erkenntnisse zu den aktuellen Erscheinungsformen und den bisher durchgeführten Analyseprojekten zu diesem Phänomenbereich, so lässt sich im Ergebnis ein klar umrissenes Oberziel organisierter Gruppierungen feststellten: Die planmäßige Begehung von Straftaten vor dem Motivhintergrund Streben nach Macht und/oder Gewinn.

Machtstreben ist umfassend, also wirtschaftlich und sozial zu verstehen. Es setzt Aktivitäten voraus, die die Erlangung von Einflusspositionen gegenüber Dritten oder eigenen Gefolgsleuten zum Ziel haben. Auch Monopolisierungsbemühungen können darunter fallen.

Gewinnstreben wird nicht im Sinne von „Beutemachen“ verstanden. Gewinnstreben bezieht sich auf wesentliche materielle Vorteile, die planvoll erlangt und gewinnmaximierend verwandt werden. Wesenszug der OK ist die vor der Gewinnerzielung angestellte Überlegung, wie diese Gewinne möglichst effektiv gesichert und effizient vermehrt werden können. Dabei spielen betriebswirtschaftliche Überlegungen wie der Standortfaktor „Strafverfolgung“ eine wesentliche Rolle. Die Bundesrepublik Deutschland war vor der Inkraftsetzung der Geldwäschegesetzgebung 1992 ein profitabler Anlageraum.

Die Bemerkung „Sichtbare oder erkennbare OK ist schlecht Organisierte Kriminalität führt gegebenenfalls gerade vor dem Hintergrund der Bestrebungen der OK in eine ungenaue Betrachtungsweise, die strategische Fehler nach sich ziehen kann. Macht- und Gewinnstreben drängt die OK-Akteure geradezu in das Hellfeld. Im Dunklen bleiben nur die kriminellen Strategien. Sogar ein beträchtlicher Teil der begangenen Straftaten geschieht gezielt in der Öffentlichkeit – allerdings ohne Bezug zur OK-Gruppierung. Ein beredtes Beispiel liefern die Straftaten im Zusammenhang mit dem Nachtleben, Korruption als Sekundärdelikt beispielsweise bei illegaler Kartellbildung oder illegal veranstaltetes Glückspiel.

Im Rahmen insbesondere der institutionellen Betrachtungsweise von OK lassen sich folgende Ziele in Ergänzung zur Definition beschreiben:

  • Aufbau und Erhalt krimineller Strukturen als Operationsbasis für Macht- und Gewinnstreben
  • planvolle Begehung von Primär-Straftaten
  • Konspiration der kriminellen Gesamtstrategie
  • Aufbau und Erhalt von Einflusssphären in Staat und Gesellschaft
  • Unterminierung von staatlichen Abwehrmechanismen, insbesondere von Verdachtsgewinnungsstrategien der Strafverfolgungsbehörden
  • Unterwanderung des demokratischen Rechtssystems durch Übernahme von Systemfunktionen
  • Legitimierung der Primär-Straftaten
  • Legalisierung der Primär-Aktivitäten

Bedeutende Syndikate

Die bedeutendsten Syndikate, für die der Begriff der Organisierten Kriminalität steht:

1. Mafia 2. Cosa Nostra 3. Chinesische Triaden 4. Japanische Jakuza



Probleme

Problematisch bei der Ermittlung in der Organisierten Kriminalität ist die Tatsache, dass die strenge hierarchische Gliederung ein Eindringen von außen in die Organisation sehr erschwert.


Moderne Organisierte Kriminalität

Gerade in unserer Gesellschaft hat sich eine neue Form der organisierten Kriminalität entwickelt. Häufig treten die früheren illegalen Aktivitäten der Organisationen nach und nach in den Hintergrund, um ihr illegal verschafftes Geld in legale Projekte zu steuern. Mit diesem "Erfolg" als legale Geschäftsleute erhalten sie Anerkennung in der Gesellschaft. Somit findet durch diese Aktivitäten eine sogenannte "Geldwäsche" statt und eine Aufklärung wird immer unwahrscheinlicher. die moderne Organisierte Kriminalität ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff: Globalisiertes Verbrechen.

Literatur

Albrecht, Hans-Jörg, 1998, Organisierte Kriminalität – Theoretische Erklärungen und empirische Befunde in Organisierte Kriminalität und Verfassungsstaat, Heidelberg

Bögel, Marion: „Strukturen und Systemanalyse der Organisierten Kriminalität in Deutschland“. In: Kriminologische und sanktionsrechtliche Forschungen, D & H – Verlag, Berlin 1994

Kerner, Hans-Jürgen, 1973, Professionelles und organisiertes Verbrechen, Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes, Wiesbaden

Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss, Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3.Aufl.,1993, S377

Anlage E, Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in der ab 01.05.1991 bundeseinheitlich geltenden Fassung