Moralische Panik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Inhaltsverzeichnis'''
'''Inhaltsverzeichnis'''
<tt>== Geschichte und Bedeutung ==
== Geschichte und Bedeutung ==
=== Stanley Cohen's ''Folk Devils and Moral Panics'' ===
=== Stanley Cohen's ''Folk Devils and Moral Panics'' ===
=== aktuelle wissenschaftliche Bezüge ===
=== aktuelle wissenschaftliche Bezüge ===
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Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
Für das Auftreten einer moralischen Panik existieren mehrere Erklärungsansätze aus unterschiedlichen Theorieperspektiven der Soziologie.  
* Risikogesellschaft
* Risikogesellschaft
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immer fortmodernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]] (1992) herangezogen. Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. (Thomson s.22) Diese drückt sich darin aus, dass laut Cohen eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der Kriminalitätsbekämpfung zum Ausdruck kommt. <ref name="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxv-xxvi</ref> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref name="neue Theorien" />
Ein Erklärungsansatz für die Entwicklung moralischer Panik liegt in der sich immerfort modernisierenden Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird die [[Theorie der Risikogesellschaft]] nach [[Ulrich Beck]]herangezogen.<ref group="Einzelnachweis">Beck,Ulrich:''Risk Society:towards a new modernity'',1992; Sage, London</ref><ref group="Anmerkung">Zur aktuellen Weiterentwicklung der Theorie über die Risikogesellschaft von Ulrich Beck siehe auch Beck, Ulrich: ''Risikogesellschaft:auf dem Weg in eine andere Moderne, 2010, Suhrkamp, Frankfurt am Main</ref>
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von Michel Focault wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse, beispielsweise über Sexualität oder Drogenmissbrauch, als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Prozess des Spiraleffektes eingeführt werden.
Darin wird davon ausgegangen, dass durch die Produktion von erhöhtem Risiko auch das Bewusstsein über mögliche Risiken ansteigt, welches letztendlich zu einer veränderten sozialen und politischen Dynamik führt. (Thomson s.22) Diese Dynamik drückt sich laut Stanley Cohen darin aus, dass eine Kultur der Unsicherheit, Furcht und Schikanierung entsteht, welche auch in Strategien der Kriminalitätsbekämpfung zum Ausdruck kommt. <ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxv </ref> Das globale Ausmaß der sich entwickelnden Risikogesellschaft erzeugt überdies eine neue Kulisse für das Auftreten moralischer Panik.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics, 2002,Routledge, London, S.xxvi </ref>
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls Theorien für die Erklärung: Unter Rückgriff auf Freud steht moralische Panik häufig in Verbindung zu Verdrängung. Dabei wird davon ausgegangen, dass Panik oftmals der Ausdruck für irrationale, soziale, unbewusste Ängste ist. Phantasie bestimmt ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen
 
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren (Lancaster 23-25)
*[[Sozialkonstruktivismus]]:Wissenschaftliche Forschungen aus dem Bereich des Sozialkonstruktivismus stellen brauchbare Modelle zur Untersuchung unterschiedlicher Forderungen einzelner Parteien (Interessengruppen, soziale Gruppen etc.) vor dem Hintergrund der Konstruktion neuer Problemkategorien zur Verfügung.<ref group="neue Theorien">Cohen,Stanley:''Introduction to the Third Edition''In:''Folk Devils and Moral Panics'',2002; Routledge, London S.xxii</ref> Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken vor dem Hintergrund sozialer Konstruktion betrachtet werden. Moralische Panik wird in Zusammenhang als Teil eines Gesamtprozesses sozialer Konstruktion verstanden.<ref group="neue Theorien">Cohen Stanley,''Introduction to the Third Edition''In:Folk Devils and Moral Panics,2002,Routledge, London, S.xxiii</ref>




neue Theorien:
* [[Diskursanalyse]]
Sozialkonstruktivismus: stellt brauchbares Modell zur Verfügung, welches die Untersuchung über die Konstruktion neuer Problemkategorien ermöglicht. Dabei können die Forderungen der Antragssteller und die sozialen Problematiken vor derm Hinteergrund sozialer Konstruktion betrachtet werden.
Auch unter dem diskurstheoretischen Ansatz von [[Michel Focault]] wird versucht das Phänomen moralischer Panik zu erklären. Dabei werden Diskurse,  über Sexualität oder Drogenmissbrauch, als Repräsentanten von Machtkämpfen über moralische Regelungen gesehen. Aufgrund der Vielzahl der in einer modernen Gesellschaft geführten Diskurse können Elemente aus diesen Diskursen von den Medien aufgenommen und somit in den Dynamisierungsprozess einer moralischen Panik eingeführt werden.  


Zudem neue Entwicklungen: kognitive Modelle aus der Psychologie werden in der Erklärung des Zusammenhangs von Moralischer Panik und sozial- problematischen Gruppen populärer. Dabei steht die Sensibilisierung im Vordergrund: Wo wird moralisches Bewusstsein geweckt? Wo wird es gelenkt?
*[[Psychoanalyse]]
Die Psychoanalyse bietet ebenfalls theoretische Instrumente für die Erklärung einer moralischen Panik: Unter Rückgriff auf [[Sigmund Freud]] steht moralische Panik häufig in Verbindung zur Verdrängung von Problematiken oder Konflikten. Dabei wird Panik oftmals als Ausdruck für irrationale, soziale oder unbewusste Ängste aufgefasst. Phantasie bestimmt ebenfalls eine bedeutende Komponente in der Entwicklung moralischer Panik. Durch den Zusatz der Imagination kann Panik innerhalb weniger Bewegungen über mögliche Gefahren ausbrechen
Daraus ergibt sich die Verdichtung von real existierenden Bedrohungen und irrationalen Befürchtungen bedeuten komplexe Entitäten, die die Stofflichkeit moralischer Panik charakterisieren (Lancaster 23-25)


       
6.Kritik


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→ Medientheorien?
Die Validität des theoretischen Konzeptes der moralischen Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. P.A.J. Waddington kritisierte in einem Artikel, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität nicht auf messbare Bedingungen zurückzuführen ist wodurch es kein valides Kriterium besteht, zu welchem Zeitpunkt von einer moralischen Panik gesprochen werden kann. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ (Weddington p. 246)  Auf diese Argumentation hin führen Yehuda und Goode folgende Gegenargumente ein: Zunächst sollte zwischen Bedrohungen, welche auf die Zukunft verweisen und nicht kalkulierbar sind (z.B. Klimawandel, Treibhauseffekt) und auf aktuelles Verhalten basierte und somit kalkulierbare (z.B. Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch) unterschieden werden.
6.Kritik
Die Validität des theoretischen Konzeptes über moralische Panik bleibt von kritischer Seite her nicht unangefochten. P.A.J. Waddington kritisierte in einem Artikel, dass der Begriff der moralischen Panik nicht gelten kann, da der Aspekt der Proportionalität nicht auf messbare Bedingungen zurückzuführen ist wodurch es kein valides Kriterium besteht, zu welchem Zeitpunkt von einer moralischen Panik gesprochen werden kann. Weddington äußert sich dazu folgendermaßen: „ The ´principial difficulty` of the moral panic is in „establishing the comparison between the scale of the problem and the scale of response to it (…).“ (Weddington p. 246)  Auf diese Argumentation hin führen Yehuda und Goode folgende Gegenargumente ein: Zunächst sollte zwischen Bedrohungen, welche auf die Zukunft verweisen und nicht kalkulierbar sind (z.B. Klimawandel, Treibhauseffekt) und auf aktuelles Verhalten basierte und somit kalkulierbare (z.B. Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch) unterschieden werden.
Interpretation der Beziehungen zwischen sozialen Objekten und Wahrnehmung bestimmt gesamtes Feld der Studien über soziale Konflikte
Interpretation der Beziehungen zwischen sozialen Objekten und Wahrnehmung bestimmt gesamtes Feld der Studien über soziale Konflikte


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