Frank Tannenbaum (* 04.03.1893 in Brod, Galizien, damals Österreich-Ungarn; † 01.06.1969 in New York City) war ein US-amerikanischer Soziologe, Historiker und Kriminologe, der als junger radikaler Gewerkschaftsaktivist auch selbst eine Zeit im Gefängnis verbracht hatte. An seinem 21. Geburtstag war er als Anführer einer "Armee der Arbeitslosen" verhaftet worden, die in die katholische Sankt Alphonsus Kirche am West Broadway eindrang, wo sie Lebensmittel und Unterkunft forderte

Die Familie Tannenbaum (Eltern, Frank und zwei jüngere Geschwister) waren 1904/05 in die USA emigriert. Frank ging auf die Abendschule und engagierte sich als junger Mann in der radikalen Gewerkschaftsbewegung der International Workers of the World (bei den sog. Wobblies).

Aufgrund einer Empfehlung seitens des ehemaligen Gefängniswärters in Sing-Sing, Thomas M. Osborne, konnte Tannenbaum ein Studium an der Columbia University aufnehmen. Er machten 1927 einen PhD in Wirtschaftswissenschaften an der Brookings Institution und zog nach Mexiko, wo er u.a. als Berater des mexikanischen Präsidenten Lázaro Cárdenas tätig war.

  • 1932 wurde Tannenbaum Professor für Kriminologie an der Cornell University (1935 dann Professor für lateinamerikanische Geschichte an der Columbia University).
  • 1938 erschien sein Werk "Crime and the Community", in dem er die Bedeutung der sozialen Reaktion auf Abweichung für die Verfestigung devianter Identität betonte.

Werk

Tannenbaums Konzeption der „Dramatisierung des Bösen“ führte zur weiteren Entwicklung des Symbolischen Interaktionismus. Sein kriminologisches Hauptwerk Crime and the Community gilt als die erste Formulierung eines etikettierungstheoretischen Ansatzes.[1] Unter anderem enthält es die diesbezügliche prägnante Formulierung "The criminal becomes bad because he is defined as bad".[2] Allerdings griffen die späteren Vertreter des Labeling-Approaches (E. M. Lemert, Howard S. Becker) vorwiegend nicht direkt auf Tannenbaums Ausführungen zurück, sondern begründeten ihren Ansatz selbständig. Tannenbaum wird daher überwiegend eher als ein Vorläufer denn als eigentlicher Vertreter der kriminalsoziologischen Labeling-Perspektive eingestuft.[3]

Zitate

  • "THE YOUNG DELINQUENT BECOMES BAD BECAUSE HE IS DEFINED AS BAD AND BECAUSE HE IS NOT BELIEVED IF HE IS GOOD"
  • (Getting caught as a turning point):

"THE BOY, NO DIFFERENT FROM THE REST OF HIS GANG, SUDDENLY BECOMES THE CENTER OF A MAJOR DRAMA..."

  • "THE PROCESS OF MAKING THE CRIMINAL, THEREFORE, IS A PROCESS OF TAGGING, DEFINING, IDENTIFYING, SEGREGATING, DESCRIBING, EMPHASIZING, MAKING CONSCIOUS AND SELF-CONSCIOUS; IT BECOMES A WAY OF STIMULATING, SUGGESTING, EMPHASIZING, AND EVOKING THE VERY TRAITS THAT ARE COMPLAINED OF."
  • "THE WAY OUT IS THROUGH A REFUSAL TO DRAMATIZE THE EVIL. THE LESS SAID ABOUT IT THE BETTER. THE MORE SAID ABOUT SOMETHING ELSE, STILL BETTER."

Publikationen von Frank Tannenbaum

  • Wall shadows: a study in American prisons. New York: G.P. Putnam's sons, 1922.
  • Crime and the Community, London 1938.
  • Slave and citizen, New York 1947.
  • Mexiko, the Struggle for Peace and Bread, New York 1951 (dt. 1967).
  • Eine Philosophie der Arbeit, Nürnberg 1954 (zuerst engl. 1951).
  • Ten Keys to Latin America, New York 1963.

Einzelnachweise

  • [1] Siegfried Lamnek, Theorien abweichenden Verhaltens, 7. Aufl., München 2001, S. 219.
  • [2] Frank Tannenbaum, Crime and the Community, London 1938, S. 17.
  • [3] Siegfried Lamnek, Theorien abweichenden Verhaltens, 7. Aufl., München 2001, S. 219.

Weblinks