Dunkelfeld: Unterschied zwischen den Versionen

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*Die Notwendigkeit eines Dunkelfeldes zeigt sich bei [[Popitz]] am Deutlichsten in dem von ihm aufgezeigten Zusammenhang zwischen Normbruch und Sanktion. Denn die [[Sanktion]] ist der entscheidende Faktor, welcher zur Aufrechterhaltung der Normgültigkeit beiträgt. Das Sanktionssystem wäre aber mit der Fülle der tatsächlich begangenen Normbrüche zweifelsohne überfordert, was zu einem Zusammenbruch führen würde. Nach [[Popitz]] ist daher die Nichtentdeckung von Normbrüchen zur Entlastung der Sanktionskomponente wesentlich. Doch auch wenn das Sanktionssystem diese Mehrbelastung tragen könnte, würden die Sanktion und auch der Normbruch ihren Ausnahmecharakter verlieren, was wiederum die Geltungsstruktur der Normen in Frage stellt, wodurch die Schutzfunktion des Sanktionssystems hinfällig wird. ([[Popitz]], 1968)
*Die Notwendigkeit eines Dunkelfeldes zeigt sich bei [[Popitz]] am Deutlichsten in dem von ihm aufgezeigten Zusammenhang zwischen Normbruch und Sanktion. Denn die [[Sanktion]] ist der entscheidende Faktor, welcher zur Aufrechterhaltung der Normgültigkeit beiträgt. Das Sanktionssystem wäre aber mit der Fülle der tatsächlich begangenen Normbrüche zweifelsohne überfordert, was zu einem Zusammenbruch führen würde. Nach [[Popitz]] ist daher die Nichtentdeckung von Normbrüchen zur Entlastung der Sanktionskomponente wesentlich. Doch auch wenn das Sanktionssystem diese Mehrbelastung tragen könnte, würden die Sanktion und auch der Normbruch ihren Ausnahmecharakter verlieren, was wiederum die Geltungsstruktur der Normen in Frage stellt, wodurch die Schutzfunktion des Sanktionssystems hinfällig wird. ([[Popitz]], 1968)


Die Bedeutung des Dunkelfeldes für die Geltungsstruktur von Normen diskutiert auch Klaus Lüddersen in seiner Schrift „Strafrecht und Dunkelziffer“ (1972) Dabei geht er auf die Funktionen ein, welche dem Dunkelfeld in der Diskussion um das Strafbedürfnis bei einzelnen Delikten zugesprochen werden. So ist das Dunkelfeld:
Die Bedeutung des Dunkelfeldes für die Geltungsstruktur von Normen diskutiert auch Klaus Lüderssen in seiner Schrift „Strafrecht und Dunkelziffer“ (1972) Dabei geht er auf die Funktionen ein, welche dem Dunkelfeld in der Diskussion um das Strafbedürfnis bei einzelnen Delikten zugesprochen werden. So ist das Dunkelfeld:
~- in der Diskussion um den §218 ([[Abtreibung]]) und §175 ([[Homosexualität]]) ein willkommenes Argument um die Gültigkeit dieser Straftatbestände in Frage zu stellen. Denn diese haben keinerlei Überzeugungskraft, wenn die verbotenen Handlungen von „zahllosen Bürgern“ begangen werden und nur Einzelne, wie durch Zufall ausgewählt, bestraft würden.   
~- in der Diskussion um den §218 ([[Abtreibung]]) und §175 ([[Homosexualität]]) ein willkommenes Argument um die Gültigkeit dieser Straftatbestände in Frage zu stellen. Denn diese haben keinerlei Überzeugungskraft, wenn die verbotenen Handlungen von „zahllosen Bürgern“ begangen werden und nur Einzelne, wie durch Zufall ausgewählt, bestraft würden.   
~- im Zusammenhang mit der „Weiße- Kragen- Kriminalität“ ([[white collar crime]]) ein Indiz dafür, das der Strafrechtsapparat teilweise zu grobmaschig gestrickt ist und der Staat progressiver agieren muss.
~- im Zusammenhang mit der „Weiße- Kragen- Kriminalität“ ([[White Collar Crime]]) ein Indiz dafür, das der Strafrechtsapparat teilweise zu grobmaschig gestrickt ist und der Staat progressiver agieren muss.
Das Dunkelfeldargument wird also auf ganz unterschiedliche Art und Weise verwendet. Einmal soll es dazu führen, das Normen gestrichen, auf der anderen Seite verschärft, erweitert oder neu gefasst werden. Und diese Dialektik zeigt sich auch an anderen Stellen in der kriminalpolitischen Diskussion. So widerspricht es der allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellung, wenn nur ganz bestimmte Täter gefasst und Sanktioniert werden, andere aber wiederum unerkannt im Dunkelfeld abtauchen. Dadurch wird auch das oft postulierte Gleichheitsprinzip (z.B. Art. 3 GG) ausgehebelt. Dabei stellt sich die frage, wie man dieser Problematik begegnet. Soll man vor dem Hintergrund eines hohen Dunkelfeldes niemand mehr bestrafen und somit dem Gleichheitsprinzip gerecht werden? Nach Lüddersen zeigt sich diese Tendenz bei der Abtreibung und bei den meisten Sittlichkeitsverbrechen. Oder soll man angesichts eines hohen Dunkelfeldes versuchen, möglichst alle Täter zu bestrafen?  Dieser Trend, so Lüderssen, zeigt sich bei der [[Wirtschaftskriminalität]].  
Das Dunkelfeldargument wird also auf ganz unterschiedliche Art und Weise verwendet. Einmal soll es dazu führen, das Normen gestrichen, auf der anderen Seite verschärft, erweitert oder neu gefasst werden. Und diese Dialektik zeigt sich auch an anderen Stellen in der kriminalpolitischen Diskussion. So widerspricht es der allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellung, wenn nur ganz bestimmte Täter gefasst und Sanktioniert werden, andere aber wiederum unerkannt im Dunkelfeld abtauchen. Dadurch wird auch das oft postulierte Gleichheitsprinzip (z.B. Art. 3 GG) ausgehebelt. Dabei stellt sich die frage, wie man dieser Problematik begegnet. Soll man vor dem Hintergrund eines hohen Dunkelfeldes niemand mehr bestrafen und somit dem Gleichheitsprinzip gerecht werden? Nach Lüddersen zeigt sich diese Tendenz bei der Abtreibung und bei den meisten Sittlichkeitsverbrechen. Oder soll man angesichts eines hohen Dunkelfeldes versuchen, möglichst alle Täter zu bestrafen?  Dieser Trend, so Lüderssen, zeigt sich bei der [[Wirtschaftskriminalität]].  
Hierbei spielt auch der damit aufkommende Vorwurf der Ungleichbehandlung eine Rolle, welcher sich nicht auf die unzureichende Arbeit der Instanzen der sozialen Kontrolle beschränkt, sondern sich auch in der unterschiedlichen Bewertung von zu missbilligendem Verhalten widerspiegelt. Laut Lüddesen zeigt sich hierin für manchen Betrachter der Klassencharakter des Strafrechts.  (vgl. Lüddersen, 1972)
Hierbei spielt auch der damit aufkommende Vorwurf der Ungleichbehandlung eine Rolle, welcher sich nicht auf die unzureichende Arbeit der Instanzen der sozialen Kontrolle beschränkt, sondern sich auch in der unterschiedlichen Bewertung von zu missbilligendem Verhalten widerspiegelt. Laut Lüddesen zeigt sich hierin für manchen Betrachter der Klassencharakter des Strafrechts.  (vgl. Lüddersen, 1972)
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