Dunkelfeld: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Begriff des Dunkelfelds (engl.: „dark figure“, „dark field“; port.: „cifra escura“; span.: „cifra negra“; frz.: „champ obscure“; ndl.: „verborgen criminaliteit“) bezeichnet die im Dunkeln gebliebene, nicht aufgedeckte Devianz oder Kriminalität. Gelegentlich wird (aus der Labeling Perspektive) bestritten, dass der Begriff überhaupt sinnvoll sei, da es ein Dunkelfeld unentdeckter Kriminalität gar nicht geben könne.  
Der Begriff des '''Dunkelfeldes''' (engl.: „dark figure“, „dark field“; port.: „cifra escura“; span.: „cifra negra“; frz.: „champ obscure“; ndl.: „verborgen criminaliteit“) bezeichnet die im Dunkeln gebliebene, nicht aufgedeckte [[Devianz]] oder [[Kriminalität]]. Gelegentlich wird (aus der [[Labeling Approach|Labeling Perspektive]]) bestritten, dass der Begriff überhaupt sinnvoll sei, da es ein Dunkelfeld unentdeckter Kriminalität gar nicht geben könne.  


==== Definition(en) ====
== Definition(en) ==


Der Begriff „Dunkelfeld“ wird in der Literatur uneinheitlich verwendet. Allen gemein sind aber diejenigen Aspekte, welche sich aus dem Wort selbst ergeben:   
Der Begriff „Dunkelfeld“ wird in der Literatur uneinheitlich verwendet. Allen gemein sind aber diejenigen Aspekte, welche sich aus dem Wort selbst ergeben:   
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*„Feld“ deutet an, dass es sich auf einen bestimmten abgrenzbaren Aspekt einer übergeordneten Kategorie oder Größe bezieht
*„Feld“ deutet an, dass es sich auf einen bestimmten abgrenzbaren Aspekt einer übergeordneten Kategorie oder Größe bezieht


Ferner stimmen alle Definitionen darin überein, dass es sich beim Dunkelfeld um Erscheinungen handelt, die sich auf die Sichtbarkeit und Sichtbarmachung kriminellen Verhaltens beziehen. In diesem Sinne bezieht sich das Dunkelfeld auf die Diskrepanz zwischen einer objektiv vorhandenen Realität und dem erkannten, benannten, registrierten oder bearbeiteten Teil derselben. Es beschreibt daher eine objektiv vorhandene Realität, über die sämtliche personen- und sachbezogenen realitätsbeschreibenden Informationen fehlen. Deshalb ist die „angenommene“ Realität auch nicht sichtbar, ihr tatsächliches Vorhandensein kann, bzw. wird, lediglich vermutet (vgl. [[Sack]], 1985). Je nach Verwendung des Begriffs lässt sich dieses Paradox jedoch auch auflösen. So können politische Morde, die während einer Diktatur unentdeckt blieben, später aufgedeckt und bestimmten Tätern zugeordnet werden. Dann lässt sich sagen, dass sie während der Erstellung der polizeilichen Statistiken im Dunkelfeld geblieben waren und erst mit gewissem zeitlichen Abstand ins Hellfeld gehoben wurden. Rückblickend kann man dann sogar sagen, welche personen- und sachbezogenen Informationen während der Diktatur im Dunkelfeld geblieben waren.  
Ferner stimmen alle Definitionen darin überein, dass es sich beim Dunkelfeld um Erscheinungen handelt, die sich auf die Sichtbarkeit und Sichtbarmachung kriminellen Verhaltens beziehen. In diesem Sinne bezieht sich das Dunkelfeld auf die Diskrepanz zwischen einer objektiv vorhandenen Realität und dem erkannten, benannten, registrierten oder bearbeiteten Teil derselben. Es beschreibt daher eine objektiv vorhandene Realität, über die sämtliche personen- und sachbezogenen realitätsbeschreibenden Informationen fehlen. Deshalb ist die „angenommene“ Realität auch nicht sichtbar, ihr tatsächliches Vorhandensein kann, bzw. wird, lediglich vermutet (vgl. [[Fritz Sack]], 1985). Je nach Verwendung des Begriffs lässt sich dieses Paradox jedoch auch auflösen. So können politische Morde, die während einer Diktatur unentdeckt blieben, später aufgedeckt und bestimmten Tätern zugeordnet werden. Dann lässt sich sagen, dass sie während der Erstellung der polizeilichen Statistiken im Dunkelfeld geblieben waren und erst mit gewissem zeitlichen Abstand ins Hellfeld gehoben wurden. Rückblickend kann man dann sogar sagen, welche personen- und sachbezogenen Informationen während der Diktatur im Dunkelfeld geblieben waren.  




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Die Definitionen a, e und f sind am gebräuchlichsten. ([[Schwind]], 1975, auch. Rupprecht, 1995, [[Pfeiffer]]/[[Scheerer]], 1979)
Die Definitionen a, e und f sind am gebräuchlichsten. ([[Schwind]], 1975, auch. Rupprecht, 1995, [[Pfeiffer]]/[[Scheerer]], 1979)


==== Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt? ====
== Begriffsgeschichte ==


Der Dunkelfelddiskurs steht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Kriminalstatistiken, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als [[Hellfeld]] bezeichnet wird), gewissermaßen die Folie schufen, vor welcher sich die Frage aufdeckte, wie es wohl um Umfang und Erscheinungsformen der nicht registrierten Kriminalität bestellt sei.
Der Dunkelfelddiskurs steht im Zusammenhang mit der Entwicklung der [[Kriminalstatistik]]en, da diese als Sammelstation für offiziell registrierte Kriminalität (welche als [[Hellfeld]] bezeichnet wird), gewissermaßen die Folie schufen, vor welcher sich die Frage aufdeckte, wie es wohl um Umfang und Erscheinungsformen der nicht registrierten Kriminalität bestellt sei.


Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als [[Delikt]] und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht.
Hierbei ist der Hinweis von Bedeutung, das es aus erkenntnistheoretischer Sichtweise problematisch ist, das Dunkelfeld als die Gesamtheit der nicht registrierten Kriminalität zu bezeichnen, denn Kriminalität ist keine Eigenschaft an sich, sondern ein Verhaltensattribut, das in einem Selektions- und Definitionsprozess von Seiten der offiziellen sozialen Kontrolle konstituiert wird. Daher ergibt sich die Frage, wie man ein vermutetes Verhalten als [[Delikt]] und dessen Protagonisten als Straftäter bezeichnen kann, wenn das Wissen um beide Aspekte den gesetzlich dazu berufenen Institutionen des Rechtsapparates nicht zur Verfügung steht.
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Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. [[Quetelet]] 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die [[Kriminologie]] war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe [[Quetelet]] 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über [[Verbrechen]] aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. [[Schwindt]] 2001)
Bereits die frühen Denker der Kriminologie, (z.B. [[Quetelet]] 1836, Ferri 1896) hatten keinen Zweifel daran, dass die in den Kriminalstatistiken  ausgewiesenen bekannt gewordenen, ab- und verurteilten Straftaten und –täter nur einen Bruchteil der tatsächlich existierenden Kriminalität darstellten. (Heinz, 1972) Die [[Kriminologie]] war eine lange Zeit von der Annahme geprägt, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld gäbe. So formulierte Adolphe [[Quetelet]] 1869 in seinem Werk „Physique sociale ou essai sur le développement des facultés de l'homme“, dass dieses (konstante) Verhältnis notwendig sei, da ansonsten alles was bis dato über [[Verbrechen]] aufgrund der statistischen Unterlagen ausgesagt wurde falsch und absurd sei. (vgl. [[Schwindt]] 2001)
   
   
[[Quetelet]] ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der [[Anzeigebereitschaft]] der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
[[Adolphe Quetelet]] ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der [[Anzeigebereitschaft]] der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:
*criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
*criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
*criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
*criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
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Den Einzug in den deutschen Sprachgebrauch hielt das Dunkelfeld durch den japanischen Staatsanwalt Oba im Jahre 1908 in seiner deutschen Dissertation. Er verwendete zunächst den Begriff „Dunkelziffer“. Dies tat er aufgrund eines Übersetzungsfehlers, da er den im Englischen verwendeten Begriff „Dark Number“ mit „Dunkelziffer“ und nicht mit „Dunkelzahl“ übersetzte. Eine Ziffer ist ein geschriebenes Zeichen, dass für eine Zahl steht. Trotzdem hielt der Begriff „Ziffer“ Einhalt in die deutsche Literatur und wird mitunter bis heute verwendet. Im Jahre 1956 setzte sich Hans von Hentig in seinem gleichnamigen Werk mit der „Psychologie der Einzeldelikte“ auseinander und wies hierbei darauf hin, dass der Begriff Dunkelziffer suggerieren würde, dass diese exakt zu bestimmen wäre, was nicht möglich ist. Er schlug den Begriff „Dunkelfeld“ vor, welcher heute von der überwiegenden Zahl der Autoren verwendet wird.
Den Einzug in den deutschen Sprachgebrauch hielt das Dunkelfeld durch den japanischen Staatsanwalt Oba im Jahre 1908 in seiner deutschen Dissertation. Er verwendete zunächst den Begriff „Dunkelziffer“. Dies tat er aufgrund eines Übersetzungsfehlers, da er den im Englischen verwendeten Begriff „Dark Number“ mit „Dunkelziffer“ und nicht mit „Dunkelzahl“ übersetzte. Eine Ziffer ist ein geschriebenes Zeichen, dass für eine Zahl steht. Trotzdem hielt der Begriff „Ziffer“ Einhalt in die deutsche Literatur und wird mitunter bis heute verwendet. Im Jahre 1956 setzte sich Hans von Hentig in seinem gleichnamigen Werk mit der „Psychologie der Einzeldelikte“ auseinander und wies hierbei darauf hin, dass der Begriff Dunkelziffer suggerieren würde, dass diese exakt zu bestimmen wäre, was nicht möglich ist. Er schlug den Begriff „Dunkelfeld“ vor, welcher heute von der überwiegenden Zahl der Autoren verwendet wird.


==== Zusammenhänge mit anderen Begriffen ====
== Zusammenhänge mit anderen Begriffen ==


=====Hellfeld=====
===Hellfeld===
Als Hellfeld bezeichnet man diejenige [[Kriminalität]], welche bei den offiziellen Behörden bekannt geworden ist und dadurch in den Kriminalstatistiken erfasst wird.  
Als Hellfeld bezeichnet man diejenige [[Kriminalität]], welche bei den offiziellen Behörden bekannt geworden ist und dadurch in den Kriminalstatistiken erfasst wird.  
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das sog. Hellfeld nicht eine objektive Verbrechenswirklichkeit abbildet, da z.B. Justizirrtümer, die in den Statistiken als kriminielle Handlungen erfasst werden, verfälschend wirken.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das sog. Hellfeld nicht eine objektive Verbrechenswirklichkeit abbildet, da z.B. Justizirrtümer, die in den Statistiken als kriminielle Handlungen erfasst werden, verfälschend wirken.


=====Dunkelzifferrelation=====
===Dunkelzifferrelation===
Da eine Angabe über die Größe des Dunkelfeldes als absolute Zahl nicht sinnvoll, bzw. nicht möglich ist, wurde versucht zumindest ein Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld, im Format 1:x (eine registrierte Tat zu x nicht registrierten Taten),  anzugeben.
Da eine Angabe über die Größe des Dunkelfeldes als absolute Zahl nicht sinnvoll, bzw. nicht möglich ist, wurde versucht zumindest ein Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld, im Format 1:x (eine registrierte Tat zu x nicht registrierten Taten),  anzugeben.


=====Dunkelfeldforschung=====
===Dunkelfeldforschung===
Die „Erhellung“ des Dunkelfeldes hat sich die „Dunkelfeldforschung“ zur Aufgabe gemacht. Das Ziel der Dunkelfeldforschung war und ist es, wirklichkeitsnahe und von den Strukturen der offiziellen Sozialkontrolle unabhängige Daten zu Umfang, Struktur, Entwicklung und Entstehungsbedingungen von Kriminalität zu erhalten. Auf die Dunkelfeldforschung wird vertiefend im nächsten Abschnitt eingegangen.
Die „Erhellung“ des Dunkelfeldes hat sich die „Dunkelfeldforschung“ zur Aufgabe gemacht. Das Ziel der Dunkelfeldforschung war und ist es, wirklichkeitsnahe und von den Strukturen der offiziellen Sozialkontrolle unabhängige Daten zu Umfang, Struktur, Entwicklung und Entstehungsbedingungen von Kriminalität zu erhalten. Auf die Dunkelfeldforschung wird vertiefend im nächsten Abschnitt eingegangen.


=====Absolutes vs. relatives Dunkelfeld=====
===Absolutes vs. relatives Dunkelfeld===
Kann das Dunkelfeld weder durch die Kriminalstatistiken noch durch die Dunkelfeldforschung erfasst bzw. aufgehellt werden, wird es als "absolut" bezeichnet.
Kann das Dunkelfeld weder durch die Kriminalstatistiken noch durch die Dunkelfeldforschung erfasst bzw. aufgehellt werden, wird es als "absolut" bezeichnet.


Der Begriff "relativ" kennzeichnet dagegen ein Dunkelfeld, welches nicht durch die Kriminalstatistiken erfasst, aber durch die Dunkelfeldforschung aufgehellt werden kann.
Der Begriff "relativ" kennzeichnet dagegen ein Dunkelfeld, welches nicht durch die Kriminalstatistiken erfasst, aber durch die Dunkelfeldforschung aufgehellt werden kann.


=====Anzeigeverhalten=====
===Anzeigeverhalten===
Das Anzeigeverhalten der Bevölkerung ist für die Dunkelfeldproblematik von immenser Bedeutung, denn 90% der in der Polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Straftaten sind auf Anzeigen von Privatpersonen zurückzuführen. Daher ist das Anzeigeverhalten ein maßgeblicher Faktor, der die Differenz zwischen tatsächlich verübten und registrierten Straftaten bestimmt. Die Erforschung des Anzeigeverhaltens ist daher auch ein wesentlicher Teil der Dunkelfeldforschung. Dabei konnte die Annahme bestätigt werden, dass das Anzeigeverhalten unter anderem von temporalen, deliktspezifischen und individuellen Einflüssen abhängig ist.
Das Anzeigeverhalten der Bevölkerung ist für die Dunkelfeldproblematik von immenser Bedeutung, denn 90% der in der Polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Straftaten sind auf Anzeigen von Privatpersonen zurückzuführen. Daher ist das Anzeigeverhalten ein maßgeblicher Faktor, der die Differenz zwischen tatsächlich verübten und registrierten Straftaten bestimmt. Die Erforschung des Anzeigeverhaltens ist daher auch ein wesentlicher Teil der Dunkelfeldforschung. Dabei konnte die Annahme bestätigt werden, dass das Anzeigeverhalten unter anderem von temporalen, deliktspezifischen und individuellen Einflüssen abhängig ist.


==== Zusammenhänge in der materiellen Realität ====
== Zusammenhänge in der materiellen Realität ==


Am offensichtlichsten ist der Einfluss des Dunkelfeldes auf die materielle Realität wohl anhand der Dunkelfeldforschung zu erkennen, jener Wissenschaft, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Dunkelfeld zu durchleuchten und empirisch messbar zu machen. Dabei gibt es eine Reihe von Ansätzen, welche sich im Laufe der Zeit stark verändert haben:  
Am offensichtlichsten ist der Einfluss des Dunkelfeldes auf die materielle Realität wohl anhand der Dunkelfeldforschung zu erkennen, jener Wissenschaft, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Dunkelfeld zu durchleuchten und empirisch messbar zu machen. Dabei gibt es eine Reihe von Ansätzen, welche sich im Laufe der Zeit stark verändert haben:  


=====Blind- und Erfahrungsschätzungen=====
==Blind- und Erfahrungsschätzungen==
Eine systematisch durchgeführte Dunkelfeldforschung begann erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Hiervor gab es lediglich so genannte Blind- und Erfahrungsschätzungen, die im beträchtlichen Maße in ihren Aussagen variierten. Anschaulich lässt sich das z.B. an den geschätzten Dunkelzifferrelationen für Abtreibung zeigen: Heindl 1929, 1:1000; Sauer 1933, 1:2000, Meyer 1941, 1:100; Wehner 1952, 1:300. Hierbei ist zu beachten, dass Wehners Schätzung eine andere Definition des Dunkelfeldes zugrunde lag als den anderen, nämlich Definition a, bei den anderen Definition f (siehe: Definition des Dunkelfeldes) (Schwind, 1975) Die Schwäche der Blind- und Erfahrungsschätzungen liegt daher in ihrer geringen Validität.
Eine systematisch durchgeführte Dunkelfeldforschung begann erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Hiervor gab es lediglich so genannte Blind- und Erfahrungsschätzungen, die im beträchtlichen Maße in ihren Aussagen variierten. Anschaulich lässt sich das z.B. an den geschätzten Dunkelzifferrelationen für Abtreibung zeigen: Heindl 1929, 1:1000; Sauer 1933, 1:2000, Meyer 1941, 1:100; Wehner 1952, 1:300. Hierbei ist zu beachten, dass Wehners Schätzung eine andere Definition des Dunkelfeldes zugrunde lag als den anderen, nämlich Definition a, bei den anderen Definition f (siehe: Definition des Dunkelfeldes) (Schwind, 1975) Die Schwäche der Blind- und Erfahrungsschätzungen liegt daher in ihrer geringen Validität.


=====Das Experiment=====
==Das Experiment==
Hierunter wird eine wiederholbare Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen verstanden, wodurch eine zuvor aufgestellte Hypothese, überprüft werden soll. [[Schwind]] bezeichnet ein solches Vorgehen in der empirischen Sozialforschung als durchaus üblich, weist aber darauf hin, dass sich dieses Vorgehen in der Dunkelfeldforschung nicht durchsetzen konnte, da die Kontrolle über alle möglichen Variablen und Störeinflüsse unmöglich erscheint. ([[Schwind]], 2001)
Hierunter wird eine wiederholbare Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen verstanden, wodurch eine zuvor aufgestellte Hypothese, überprüft werden soll. [[Schwind]] bezeichnet ein solches Vorgehen in der empirischen Sozialforschung als durchaus üblich, weist aber darauf hin, dass sich dieses Vorgehen in der Dunkelfeldforschung nicht durchsetzen konnte, da die Kontrolle über alle möglichen Variablen und Störeinflüsse unmöglich erscheint. ([[Schwind]], 2001)


=====Die teilnehmende Beobachtung=====
==Die teilnehmende Beobachtung==
Dies ist die im Vorfeld geplante Beobachtung des Verhaltens von Personen in deren natürlicher Umgebung durch einen Beobachter, der an der Interaktion teilnimmt und von den anderen Personen als ein Teil ihres Handlungsfeldes angesehen wird. (vgl. Friedrichs, 1973, nach Müller 1978) Als Beispiele für diese Vorgehensweise könne u.a. genannt werden: Humphrey (1973) der als vermeintlich homosexueller „Aufpasser“ sexuelle Begegnungen in öffentlichen Toiletten beschrieb; Haferkamp (1975) der Mitarbeiter in Gruppen von Ladendieben, Drogenabhängigen und Rockern einschleusen konnte; Kürzinger (1978) der Verkleidet als Polizist beobachten wollte, wie sich der Prozess der Anzeigeerstattung in der Praxis abspielte; [[Schwind]]/ Fetchenhauer (1998) haben zusammen mit Studenten Kaffeefahrten auf kriminelle Praktiken hin überprüft.
Dies ist die im Vorfeld geplante Beobachtung des Verhaltens von Personen in deren natürlicher Umgebung durch einen Beobachter, der an der Interaktion teilnimmt und von den anderen Personen als ein Teil ihres Handlungsfeldes angesehen wird. (vgl. Friedrichs, 1973, nach Müller 1978) Als Beispiele für diese Vorgehensweise könne u.a. genannt werden: Humphrey (1973) der als vermeintlich homosexueller „Aufpasser“ sexuelle Begegnungen in öffentlichen Toiletten beschrieb; Haferkamp (1975) der Mitarbeiter in Gruppen von Ladendieben, Drogenabhängigen und Rockern einschleusen konnte; Kürzinger (1978) der Verkleidet als Polizist beobachten wollte, wie sich der Prozess der Anzeigeerstattung in der Praxis abspielte; [[Schwind]]/ Fetchenhauer (1998) haben zusammen mit Studenten Kaffeefahrten auf kriminelle Praktiken hin überprüft.
Die Kritik an teilnehmenden Beobachtungen beinhaltet sowohl die fehlende Option zur Verallgemeinerung der Ergebnisse, da sich diese nur auf eine kleine Gruppe beziehen, aber auch die praktischen Probleme, welche im Zusammenhang mit dem „verdeckten“ Beobachten stehen. Metzger- Prediger (1974) weist darüber hinaus darauf hin, dass sich der Wissenschaftler bei diesem Vorgehen, hinsichtlich seiner ethisch/ moralischen Verantwortung, dreifach schuldig macht, da er 1. dem Opfer nicht beisteht, 2. seinem Beobachtungsobjekt eine möglicherweise immense Strafe nicht erspart und 3. sich selbst gegenüber Schuldig macht, was seine eigene strafrechtliche Verantwortung betrifft. ([[Schwind]], 2001)
Die Kritik an teilnehmenden Beobachtungen beinhaltet sowohl die fehlende Option zur Verallgemeinerung der Ergebnisse, da sich diese nur auf eine kleine Gruppe beziehen, aber auch die praktischen Probleme, welche im Zusammenhang mit dem „verdeckten“ Beobachten stehen. Metzger- Prediger (1974) weist darüber hinaus darauf hin, dass sich der Wissenschaftler bei diesem Vorgehen, hinsichtlich seiner ethisch/ moralischen Verantwortung, dreifach schuldig macht, da er 1. dem Opfer nicht beisteht, 2. seinem Beobachtungsobjekt eine möglicherweise immense Strafe nicht erspart und 3. sich selbst gegenüber Schuldig macht, was seine eigene strafrechtliche Verantwortung betrifft. ([[Schwind]], 2001)


=====Befragung=====
==Befragung==
Die Befragung ist heutzutage das gebräuchlichste Verfahren der empirischen Sozialforschung um das Dunkelfeld aufzuhellen. Diese werden entweder in mündlicher Form im Rahmen von Interviews persönlich oder per Telefon oder in schriftlicher Form per Post durchgeführt.  
Die Befragung ist heutzutage das gebräuchlichste Verfahren der empirischen Sozialforschung um das Dunkelfeld aufzuhellen. Diese werden entweder in mündlicher Form im Rahmen von Interviews persönlich oder per Telefon oder in schriftlicher Form per Post durchgeführt.  
Grundsätzlich lassen sich Befragungen in Täter-, Opfer-, und Informantenbefragungen unterteilen. Mitunter werden die Verschiedenen Grundtypen auch kombiniert, dann spricht man von „kombinierten Befragungen“.  
Grundsätzlich lassen sich Befragungen in Täter-, Opfer-, und Informantenbefragungen unterteilen. Mitunter werden die Verschiedenen Grundtypen auch kombiniert, dann spricht man von „kombinierten Befragungen“.  
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Abschließend ist festzuhalten, dass die Kombination, der Vergleich, die Abwägung und die differenzierte Interpretation, sowohl der Erkenntnisse der offiziellen Kriminalstatistiken als auch der Ergebnisse der Dunkelfeldforschung, die bis dato beste Möglichkeit darstellen, die Kriminalitätswirklichkeit mit den uns heute zur Verfügung stehenden Mitteln, zu beschreiben.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Kombination, der Vergleich, die Abwägung und die differenzierte Interpretation, sowohl der Erkenntnisse der offiziellen Kriminalstatistiken als auch der Ergebnisse der Dunkelfeldforschung, die bis dato beste Möglichkeit darstellen, die Kriminalitätswirklichkeit mit den uns heute zur Verfügung stehenden Mitteln, zu beschreiben.


==== Kriminologische Relevanz ====
== Kriminologische Relevanz ==
Ganz allgemein ausgedrückt, beschäftigt sich die Kriminologie (unter anderem) mit der Struktur und den spezifischen Charakteristika des Verbrechens. Wie soll sie sich aber hiermit beschäftigen können, wenn nicht einmal quantifizierte Aussagen über das tatsächliche quantitative Ausmaß ihres Forschungsgegenstandes gemacht werden können?!?
Ganz allgemein ausgedrückt, beschäftigt sich die Kriminologie (unter anderem) mit der Struktur und den spezifischen Charakteristika des Verbrechens. Wie soll sie sich aber hiermit beschäftigen können, wenn nicht einmal quantifizierte Aussagen über das tatsächliche quantitative Ausmaß ihres Forschungsgegenstandes gemacht werden können?!?
    
    
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So weisen die offiziellen Statistiken z.B. einen überproportional hohen Anteil von Delinquenten aus den sozial schwächeren Schichten auf. Die Vertreter des [[Labeling Approach]]  führen diese Diskrepanz auf eben jenen Selektions- und Stigmatisierungsprozess zurück, welcher sich zum Nachteil dieser Gesellschaftsschichten auswirkt. (Wittich, 1998) Dieser Ungleichverteilung widerspricht auch die Ubiquitätsannahme, welche besagt, dass Kriminalität in allen Gesellschaftsschichten nahezu gleichmäßig verteilt ist. Und die Dunkelfeldforschung war in der Lage, diese Annahme zumindest für die Kinder- und [[Jugendkriminalität]] zu bestätigen. Generellere Aussagen könne noch nicht getroffen werden, da es nach wie vor, besonders in Deutschland, an regelmäßig durchgeführten, die offiziellen Kriminalstatistiken begleitenden, Dunkelfelduntersuchungen mangelt. (Steffen, 1993)
So weisen die offiziellen Statistiken z.B. einen überproportional hohen Anteil von Delinquenten aus den sozial schwächeren Schichten auf. Die Vertreter des [[Labeling Approach]]  führen diese Diskrepanz auf eben jenen Selektions- und Stigmatisierungsprozess zurück, welcher sich zum Nachteil dieser Gesellschaftsschichten auswirkt. (Wittich, 1998) Dieser Ungleichverteilung widerspricht auch die Ubiquitätsannahme, welche besagt, dass Kriminalität in allen Gesellschaftsschichten nahezu gleichmäßig verteilt ist. Und die Dunkelfeldforschung war in der Lage, diese Annahme zumindest für die Kinder- und [[Jugendkriminalität]] zu bestätigen. Generellere Aussagen könne noch nicht getroffen werden, da es nach wie vor, besonders in Deutschland, an regelmäßig durchgeführten, die offiziellen Kriminalstatistiken begleitenden, Dunkelfelduntersuchungen mangelt. (Steffen, 1993)


==== Literaturhinweise ====
== Literatur ==
 
=== zur Einführung ===
*Filsner, F.: ''Einführung in die Kriminalsoziologie'', Ferdinand Schöning, Paderborn 1983
*Filsner, F.: ''Einführung in die Kriminalsoziologie'', Ferdinand Schöning, Paderborn 1983
*Kaiser, G.: ''Kriminologie 9. Auflage'', C. F. Müller Juristischer Verlag, Heidelberg 1993
*Kaiser, G.: ''Kriminologie 9. Auflage'', C. F. Müller Juristischer Verlag, Heidelberg 1993
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*Schwindt, H. D.: ''Kriminologie'': eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, Kriminalistik Verlag, Heidelberg 2001
*Schwindt, H. D.: ''Kriminologie'': eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen, Kriminalistik Verlag, Heidelberg 2001


==Weiterführende Literatur==
=== Weiterführende Literatur ===


*Heinz, W.: ''Bestimmungsgründe der Anzeigebereitschaft des Opfers'', Inaugural Dissertation, Freiburg 1972
*Heinz, W.: ''Bestimmungsgründe der Anzeigebereitschaft des Opfers'', Inaugural Dissertation, Freiburg 1972
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