Legalisierende Entkriminalisierung

Cannabis in Uruguay: Mehrere Staaten experimentieren mit Alternativen zur prohibitionistischen Drogenpolitik - und oft steht dabei die Cannabispolitik im Vordergrund. So auch in Uruguay, dem ersten Staat, der sich zur Ersetzung der Prohibition durch eine umfassende (restriktive) Regulation entschloss. Die Entkriminalisierung von Cannabis war insofern "echt" oder "rein" im Sinne Wolfgang Nauckes (1984), als sie die Straftaten nicht nur zu Ordnungswidrigkeiten herabstufte, sondern das Verbot insgesamt aufhob. Diese "legalisierende Entkriminalisierung" (im Gegensatz zu einer bloß transformierenden) beabsichtigte und bewirkte allerdings keine liberale Regulation (ähnlich der Alkoholpolitik in vielen west- und mitteleuropäischen Staaten), sondern eine ausgesprochen restriktive Regulation - mit staatlichen Lizenzvergaben, staatlicher Registrierung von Konsumenten und extremer Selektivität der Verkaufsstellen (16 Apotheken im ganzen Land). Im einzelnen ergibt sich vier Jahre nach Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes in Uruguay folgendes Bild: Das von der regierenden Frente Amplio (FA) verantwortete Marihuana-Gesetz Uruguays vom 10.12.2013 erlaubt

  • den Kauf von (pro Person und Monat) bis zu 40 Gramm Marihuana in Apotheken
  • den nicht-kommerziellen Anbau von bis zu sechs Cannabis-Pflanzen pro Person (bzw. von bis zu 99 Pflanzen für Marihuana-Clubs mit 15 bis 45 Mitgliedern). Bis Mitte 2017 hatten sich ca. 7000 Personen in das entsprechende amtliche Register eintragen lassen (NYT 19.7.2017)
  • den kommerziellen Anbau nach Lizenzvergabe durch die Regierung (bis Mitte 2017 hatten zwei Unternehmen entsprechende Lizenzen erhalten; der Anbau erfolgt auf militärischem Gelände ohne Zugang für die Öffentlichkeit)

seit Mitte Juli 2017 den Apothekenverkauf an registrierte Konsumenten; nur 16 Apotheken sind beteiligt (Mitte 2017), keine größere Apothekenkette. Grund: ökonomisch, gelegentlich auch politisch. Nur 5000 registrierte Konsumenten für den Apothekenkauf (von 3,5 Mio. Einwohnern). Hohe Sicherheitsanforderungen kosten viel Geld. Die 5-Gramm-Päckchen (vier Sorten) kosten ca. $ 6,60 (€ 5).

Restriktionen: (1) Anbau und Handel werden von einer staatlichen Kommission kontrolliert, um die Einschleusung von illegal angebautem Marihuana in den legalen Markt zu verhindern, (2) Konsumenten müssen sich in ein Register eintragen, (3) Minderjährige und Ausländer erhalten durch das Gesetz keinen legalen Zugang zu Marihuana.

  • Eine alle bisher verbotenen Drogen umfassende (=allgemeine) Regulation statt Prohibition: eine legalisierende Entkriminalisierung aller bislang illegalen Genussdrogen einschließlich Heroin, Kokain, Metamphetamin usw. würde bedeuten, dass neben Konsum, Besitz und Erwerb von kleinen Mengen für persönlichen Gebrauch auch der Erwerb größerer Mengen, die Vermarktung, der Vertrieb und die Herstellung im Rahmen der Legalität ermöglicht werden. Eine solche umfassende Entkriminalisierung und Regulierung unter Beachtung von Jugendschutz, Arbeitsschutz usw. (analog der der liberalen Alkoholgesetzgebung in Ländern West- und Mitteleuropas) entspräche dem Stand der Forschung und wird von Rechtsphilosophen wie Douglas Husak in seinem Buch Drugs and Rights und von Henner Hess (Tabak-Modell) vertreten.
Die Global Commission on Drug Policy (GCDP) mit Sitz in Genf will alle Aspekte der Drogenpolitik diskutieren, beschränkt sich aber bezüglich konkreter Reformforderungen zunächst einmal auf die Entkriminalisierung von Konsumenten: "In June 2011, the commission said: "The global war on drugs has failed, with devastating consequences for individuals and societies around the world." The emphasis in drug policy on harsh law enforcement over four decades has not accomplished its goal of banishing drugs and has in fact spawned wide, dramatic eruptions of violence, the report continued. By way of alternative, the GCDP report "advocates decriminalizing drug use by those who do no harm to others." - At yearend 2017, member George Shultz and Pedro Aspe reaffirmed the message of the commission in a New York Times op-ed."
  • Eine drogenspezifische (nur Cannabis betreffende) Regulation statt Prohibition: eine legalisierende Entkriminalisierung von Cannabis gab es zuerst in Uruguay. Seit dem 1.1.2018 auch in Kalifornien. Vom Anbau bis zum Konsum ist alles legalisiert.

Transformierende Entkriminalisierung

  • Sektorale de jure Entkriminalisierung der Konsumsphäre für Konsumenten aller Drogen: Portugal.
  • Sektorale de facto Entkriminalisierung der Konsumsphäre für Konsumenten aller oder mancher Drogen: NL

Scheinbare Entkriminalisierung

  • Kriminalrechtlich gestützte Therapeutisierung der Konsumsphäre (Motivierung zur Behandlung durch beibehaltene gesetzliche Strafdrohung)


Weblinks

Siehe auch