Undercover

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von Tatjana Vukelic


Etymologie

Das Wort Undercover stammt aus dem Englischen und setzt sich aus den Wörtern under (=unter) und cover (=Abdeckung) zusammen [under < ME < AE, verwandt mit dt. unter < IE *ndhos,*ndheri, unter; cover < ME ''coveren'' < AFr couvrir < L cooperire < co-, verstärkend + ''operire'', verbergen < ''*op(i)-'' hinter, gegen + ''*wer'', decken, schutzen]. Undercover agent kann als: der Untergrund-/Geheimagent; der Strohmann oder als verdeckter Ermittler übersetzt werden.

Definition

Mit dem Begriff undercover werden Tätigkeiten, Handlungsweisen und Maßnahmen bezeichnet, die geheim / im Verborgenen stattfinden. Undercover oder "im-Zivil-sein" bedeutet die eigene Identität verstecken, um das Vertrauen von einem Individuum oder Organisation zu gewinnen, zu dem Zweck geheime Informationen herauszufinden. Diese Methode wird von der Polizei und Geheimdienst benutzt. Undercover-Leute tragen keine Uniform, um Entdeckung und Identifizierung als Beamter zu vermeiden.

Geschichte

Seit dem 16. Jahrhundert machten die gerade entstandenen Nationstaaten in Europa von "undercover" Methoden ausgiebig Gebrauch, um ihre politische, militärische und wirtschaftliche Interessen zu schützen. Die Autorität hielte die diplomatische Korrespondenz, rekrutierte Informanten und schickte Spionen, um die geheime Absichten von ihren Feinden und Rivalen zu erfahren. Der erste moderne Polizeiapparat wurde in Paris am Ende des 17. Jahrhunderts geschaffen. Er bezeichnete die öffentliche Ordnung als die Wahrung der politischen Stadtordnung. Ein wichtiges Merkmal davon war die Sammlung von Informationen über potenziell gefährliche Klassen, Familien und Individuen durch "verdeckte" Operationen.

Der Anwendungsbereich verdeckter oder schwer erkennbarer polizeilichen Techniken wurde in den letzten Jahrzehnten deutlich ausgeweitet. Der Einsatz vom polizeilichen Kontrollpotenzial ist für die Kontrollierten nicht oder nur schwer erkennbar. Seit Ende der 70er und Beginn der 80er Jahre bemühen sich die Sicherheitsexperten, der exekutivischen Polizei den Zugang zu verdeckten Techniken auch rechtlich zu ermöglichen, d.h. die Polizei in zunehmendem Maße nachrichtendienstlich auszustatten. Neben der Anwendung von verschiedenen Kontrolltechnologien, die im gleichen Zeitraum an Leistungsfähigkeit enorm zugenommen haben, umfasst die „verdeckte Polizeipolitik“ auch den Einsatz von Spitzeln. Zu unterscheiden ist zwischen dem polizeilichen Spitzel, dem under cover agent (UCA) oder "verdeckten Ermittler" und dem nicht-polizeilichen Spitzel, dem V-Mann, dem polizeilichen „Vertrauensmann“.

Noch vor der Verrechtlichung dieses Bereiches waren der UCA und der V-Mann, zusammen mit den Aktivitäten des Lockspitzels – und „agent provocateurs“ in der Praxis der polizeilichen Kontrolle zu finden. Auch in den 50er oder 60er Jahren gab es V-Leute oder Informanten. Man kann generell behaupten, dass die Polizeiarbeit immer gleichzeitig mit der einen oder anderen Form der Spitzeltätigkeit auftritt. Der Spitzel war vielmehr der informelle Informant einzelner Polizisten oder des Polizei-Reviers vor Ort, nicht systematischer und formalisierter Teil der polizeilichen Kontrollstrategie.

Seit den 80er Jahren wird die Verrechtlichung, die Professionalisierung und systematische Einbeziehung verdeckter Handlungsformen in die polizeiliche Kontrolle gefordert und umgesetzt: spezielle Schulungen für den V-Mann-Führer oder den UCA, aktenförmige Erfassung dieser Arbeitsweise, Verrechtlichung durch V-Mann Richtlinien. Das alles sind sichere Kennzeichen der professionellen und formellen Einbindung verdeckter Arbeit in die Kontrollstrategie.

Undercover in verschiedenen Länder

In den letzten drei Jahrzehnten sind die "undercover" polizeilichen Methoden ein öffentliches Thema in Nordamerika und Westeuropa geworden. Die meiste Diskussionen beschäftigen sich mit dem Charakter eines "notwendigen Übels" dieser Polizeistrategie innerhalb der demokratischen Gesellschaften. Auf der einen Seite ist es in zunehmendem Maße als eine gut funktionierende und sogar notwendige Strategie zu sehen, um schwer kriminelle Probleme zu bekämpfen; auf der anderen Seite ist es eine riskante und gefährliche Aufgabe, die das Eindringen in die Privatsphäre, das Ausnutzen von Vertrauen, die Gefahr von Dritten sowie das Risiko der Polizeikorruption und das Kompromittieren von Gerichtssysteme nach sich zieht.

Viele Länder erlauben die Verwendung von verdeckten Ermittlern, nur, oder in erster Linie, um die Gesetze gegen Drogenhandel durchzusetzen. Viele verdeckte Ermittler dürfen Verbrechen begehen, wenn es nötig für die Geheimhaltung der Ermittlung ist, oder um genügend Beweise für eine Verurteilung zu sammeln.

Die amerikanische Bezeichnung des Verdeckten Ermittlers als under cover agent (UCA) umfasst Polizeibeamte, die ohne einen konkreten Ermittlungsauftrag langfristig in die kriminelle Szene eingeschleust werden. In Deutschland ist eine von einem konkreten Ermittlungsauftrag unabhängige Maßnahme dieser Art allerdings unzulässig. Die Geheimhaltung erfordert ständig neue Geheimhaltungs- oder Verdeckungstechniken. Dass der V-Mann nicht „verbrannt“ werden darf, heißt, Geheimes soll geheim bleiben. Die notwendigen Geheimhaltungs- oder Verdeckungstechniken des eigenen Wissens und der eigenen Identität nehmen auch die Form einer „aggressiven Defensive“ an, oder: aus der unvollständig geführten Akte wird die Aktenfälschung. So kann man auch den "agent provocateur" als Geheimhaltungstechnik interpretieren.

In Deutschland, Verdeckte Ermittler dürfen unter ihrer Scheinidentität (Legende) am Rechtsverkehr teilnehmen, vgl. § 110 a Abs. 2 Strafprozeßordnung; eine Wohnung des Berechtigten betreten (§ 110c StPO) und Zeugen ohne Belehrung nach § 136 StPO befragen. Straftaten dürfen sie - je nach Auftrag - nicht begehen. Der verdeckte Ermittler ist von noeB (nicht offen ermittelnden Beamten) zu unterscheiden, der nur gelegentlich auftritt und keine auf Dauer angelegte Legende besitzt. Der noeB wird nicht in § 110 a Abs. 2 erwähnt.

In Gerichtsprozessen wird die Identität des Ermittlers in der Regel geheimgehalten, da nach § 110b Absatz 3 Satz 3, 96 StPO sowohl die weitere Verwendung unter der falschen Identität als auch Leib und Leben des (unter zutreffender Identität lebenden) Beamten geschützt werden können. Verdeckte Ermittler werden vor Gericht von einem sogenannten Zeugen vom Hörensagen vertreten. Er macht stellvertretend die Aussage des VE. Auf Antrag wird der VE auch abgesetzt vom Gerichtssaal vernommen, die Stimme und sein Aussehen werden technisch verfremdet. Stimme und Bild werden in den Gerichtssaal übertragen.

Kriminologische Relevanz

Die für die Öffentlichkeit verfügbare Informationen über verdeckte polizeiliche Tätigkeit sind gering. Meistens werden sie an Einzelereignissen gewonnen, welche aber auch die Gefahr falscher Verallgemeinerungen enthalten. In den letzten Jahrzehnten wurde der Anwendungsbereich verdeckter oder schwer erkennbarer polizeilicher Techniken erheblich ausgeweitet. Videoüberwachung, Richtmikrophone und Wanzen erweitern das polizeiliche Kontrollpotential.

Verdeckte Polizeiarbeit ist immer mehr als nur eine neue polizeiliche Befugnis, da mit ihr Geheimhaltung institutionalisiert wird; die Geheimhaltung muss zugleich gegen den informatorischen Zugriff von außen (publizistischer, wissenschaftlicher oder bürgerrechtlich kontrollierender Art) abgesichert werden.

Verdeckte Ermittler dürfen keine Straftaten begehen. Das Verwenden eines auf die Legende ausgestellten Ausweisdokuments (Führerschein, Personalausweis, etc.) beinhaltet zwar den Tatbestand der Urkundenfälschung, ist aber rechtlich abgedeckt worden.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Der undercover agent ist von dem nicht offen ermittelnden Beamten zu unterscheiden, der nur gelegentlich auftritt und keine auf Dauer angelegte Legende besitzt. Zu unterscheiden ist auch zwischen dem nicht-polizeilichen Spitzel, dem V-Mann, dem polizeilichen „Vertrauensmann“.

Siehe auch: Verdeckte Ermittlung.

Literatur

  • Aust, Stefan: Mauss. Ein deutscher Agent. Hamburg: Hoffmann und Campe 1988. (Aktualisierte Neuausgabe München: Goldmann 1999) ISBN 3442129575
  • Baron, Richard: Zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Einsatzes verdeckt ermittelnder Personen und Vorschlag einer umfassenden gesetzlichen Regelung, Hamburg, 2002 ISBN 3830007450
  • Fijnaut, Cyrille and Marx, Gary T.: Undercover - police surveillance in comparative perspective, The Hague, 1995 ISBN 9041100156
  • Jüttner, Julia: Mordprozess gegen V-Mann. Von der Zeitbombe zum Killer. Spiegel Online 11.02.2009
  • Mohr, Markus und Viehmann, Klaus: Spitzel. Eine kleine Sozialgeschichte, Berlin / Hamburg, 2004
  • Riehle, Eckart: Verdeckte Polizeiarbeit - nur eine weitere polizeiliche Befugnis? Zur Problematik von V-Leuten und "under cover agents", in: KrimJ 1992, 4. Beiheft, S. 60f
  • Schmidt-Eenboom, Erich: Geheimdienst, Politik und Medien. Meinungsmache Undercover. Homilius, Berlin 2004
  • Schmidt-Eenboom, Erich: Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1998 ISBN 3462027158