Verdeckte Ermittlung

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Als polizeiliche Maßnahme ist die verdeckte Ermittlung im Rahmen der Kriminologie dem Bereich der Polizeiforschung zuzuordnen. Daneben besitzt sie als Mittel der Kriminalitätsbekämpfung insbesondere Bezüge zur Organisierten Kriminalität. Sie umfasst verschiedene heimliche Maßnahmen von Sicherheitsbehörden repressiver und präventiver Art. Ihr Sinn besteht in der Informationsbeschaffung, um entweder verdächtige Täter zu überführen oder Gefahren zu verhindern. Sie sind verdeckt, da sie während der Durchführung ohne Wissen des Betroffenen bleiben. Der Grund für die Heimlichkeit liegt darin, dass die Maßnahme ansonsten gefährdet und/oder der Zweck vereitelt würde. Deshalb soll nach Beendigung der Maßnahme im Hinblick auf den Eingriff in das entsprechende Grundrecht in der Regel der Betroffene darüber benachrichtigt werden. Arten der Maßnahmen können z.B. der Einsatz des Verdeckten Ermittlers (repressiv gem. § 110a StPO; präventiv z.B. in § 20 I Nr. 2 PolG NW) oder von V-Männern, der Große und Kleine Lauschangriff und andere Abhörmaßnahmen (etwa gem. § 100a StPO Überwachung der Telekommunikation) sein. Sie stellen schon aufgrund ihrer Heimlichkeit staatliche Eingriffe in Art. 1 und 2 GG dar, so dass für ihre Rechtmäßigkeit zwingend eine Rechtsgrundlage vorhanden sein muss. Solche lassen sich in der StPO und in den Landespolizeigesetzen finden.

Einsatz verdeckt ermittelnder Personen

Der Einsatz verdeckt ermittelnder Personen in der deutschen Kriminalgeschichte lässt sich nur bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. So wurden schon 1742 Lohnlakaien und Wirte in Berlin zur Beobachtung und Meldung von der Polizei verpflichtet. Im 19. Jahrhundert wurde dieses polizeiliche Vorgehen in der Literatur erstmals kritisiert und diskutiert. Strengere Auflagen für den Einsatz von Vigilanten waren die Folge. Wurde die geheime Arbeit bisher von Privatpersonen betrieben, finden sich Anfang des 19. Jahrhunderts erste Anzeichen für Kriminalbeamte in Zivil. Auch diese Maßnahme wurde nach kritischer Beurteilung durch Erlasse beschränkt. Der Spitzeleinsatz artete aber später in der GESTAPO in der Beschattung politisch gefährlicher Gesellschaftsgruppen (z.B. Sozialdemokraten, Juden) immer mehr aus, welcher dann 1949 durch das „Trennungsgebot“ beendet wurde. Spitzel sollten seitdem nur zur Kriminalitätsbekämpfung dienen. Bei dem Einsatz verdeckt operierender Personen heute muss zwischen dem Verdeckten Ermittler, dem V-Mann, dem UCA („under-cover-agent“) und dem Informanten streng unterschieden werden. Im Zuge der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) wurden 1992 durch das OrgKG in die Strafprozessordnung erstmals klare Regeln für den Einsatz umstrittener Ermittlungsmethoden eingeführt wie für den Einsatz des Verdeckten Ermittlers. Zuvor wurde der Einsatz solcher Personen gewohnheitsrechtlich für zulässig erachtet und ohne strafprozessuale Konkretisierung durchgeführt. Verdeckte Ermittler sind seit 1992 gem. § 110a II StPO „Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Sie dürfen unter der Legende am Rechtsverkehr teilnehmen“. Unter der Legende ist es dem Beamten ermöglicht, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, zu klagen und verklagt zu werden, sich darunter in öffentlichen Büchern und Registern eintragen zu lassen usw. Diese Legaldefinition findet sich auch in den einschlägigen Landespolizeigesetzen. Ihr Einsatz ist jedoch im Unterschied zur StPO auf die Gefahrenabwehr und vorbeugenden Straftatenbekämpfung bezogen. Beamte, die nur einmalig oder gelegentlich unter einem Decknamen auftreten, z.B. ein Polizeibeamter als Scheinkäufer zum einmaligen Erwerb von Heroin, fallen nicht darunter. Die Aufgabe des Verdeckten Ermittlers besteht darin, Mitglied in einer Gruppe zu werden oder mit Personen in Kontakt zu kommen, von denen vermutet wird, dass von ihnen schwere Straftaten ausgehen oder drohen. Voraussetzung für den zulässigen Einsatz des Verdeckten Ermittlers ist das Vorliegen eines Verdachts, d.h. die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte einer Straftat. Welcher Natur die entsprechende Straftat nur sein kann, ist in § 110a I S.1 StPO numerisch in einem abschließenden Katalog aufgeführt. Die amerikanische Bezeichnung des Verdeckten Ermittlers als „under-cover-agent“ (UCA) um-fasst Polizeibeamte, die ohne einen konkreten Ermittlungsauftrag langfristig in die kriminelle Szene eingeschleust werden. In Deutschland ist eine von einem konkreten Ermittlungsauftrag unabhängige Maßnahme dieser Art allerdings unzulässig. V-Leute(Vertrauenspersonen) sind im Gegensatz zu den Verdeckten Ermittlern Privatpersonen, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit sind, diese als Informanten bei der Strafverfolgung vertraulich zu unterstützen. Sie besitzen mangels ihrer Zugehörigkeit zu einer Behörde keine staatlichen Befugnisse, dürfen also keine Zwangsmittel anwenden. Auch ihre Identität wird grundsätzlich geheimgehalten. Meist sind sie Mitglieder der zu überwachenden, verdächtigten Szene. Gesetzlich geregelt ist der strafprozessuale Einsatz von V-Leuten im Gegensatz zum Gefahrenabwehrrecht nicht, was aber nicht notwendig den Schluss der Unzulässigkeit der Heranziehung als Informanten oder Zeugen zur Folge haben soll. Im Schrifttum wird eine Gesetzesgrundlage hinsichtlich ihrer Grundrechtsrelevanz jedoch gefordert. Ein Informant der Polizei ist eine Privatperson, die gegen Zusicherung der Vertraulichkeit seitens der Strafverfolgungsbehörden bereit ist, vereinzelt und eben nicht dauerhaft Informationen preiszugeben. Der Einsatz verdeckt ermittelnder Personen wird kontinuierlich mit unterschiedlichen Problemdarstellungen kritisiert. Umstritten ist die Notwendigkeit des Einsatzes oben dargestellter Personen. Es sei allgemein anerkannt, dass die Strafverfolgungsorgane insbesondere im Bereich der OK ohne den Einsatz verdeckt operierender Personen nicht auskommt. Die konspirative Vorgehensweise und Abschottung der Organisation bedingen praktisch die Notwendigkeit heimlicher Maßnahmen. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, die Maßnahme der Verbrechensbekämpfung hänge davon ab, inwieweit im Einzelfall die im Hintergrund agierenden Personen überführt werden können. Die rechtspolitische Fragestellung muss demnach nicht lauten, ob der Einsatz generell zulässig ist, sondern in welchen rechtlichen Grenzen der verdeckt Ermittelnde zugelassen werden kann. Das muss im Einzelfall entschieden werden. Dagegen zeigt sich mittlerweile, dass sich der Einsatz des Verdeckten Ermittlers nicht bewährt. Die straffe Organisation ermögliche selten die gezielte Einschleusung einer Person. Diese würde zusätzlich dadurch erschwert, dass es sich überwiegend um ausländische Tätergruppen handele. Darüber hinaus sei ferner durch die Gewaltbereitschaft der Organisationsmitglieder eine erhebliche Gefährdung für Leib und Leben des Ermittelnden zu befürchten. Insofern müsste der Maßnahme die Notwendigkeit und damit ihre Verfassungsmäßigkeit abgesprochen werden. Darüber hinaus besteht die Kritik an dem möglichen strafbaren Verhalten verdeckt Ermittelnder. Die personellen Einsatzgruppen geben sich nicht als ihre wahre Person zu erkennen, um eine Observation aus der verdächtigten Gruppe heraus durchzuführen, bis genügend Beweise vorliegen, um evtl. eine Festnahme herbeizuführen. Um als echtes Mitglied der observierten Gruppe oder als Partner einer verdächtigen Einzelperson zu gelten, kann es notwendig sein, die Aktivitäten der Gruppe oder der Person zu unterstützen bzw. dieses zumindest vorzugeben. Daraus ergibt sich das dem Einsatz eines solchen Mittels immanente rechtliche Problem der Begehung oder Verursachung von Straftaten unmittelbar oder mittelbar durch den Staat. Eine weitere Problematik besteht in der Tatveranlassung durch den sog. agent provocateur (franz. (der eine Straftat) provozierende Spitzel). Zur Überführung eines Verdächtigen fungiert der Beamte dabei als Lockspitzel, der ersteren zur Fortsetzung oder zur Begehung einer weiteren Straftat ermuntert. Die Strafbarkeit des Verdeckten Ermittlers entfällt meist mangels Vorsatzes hinsichtlich der Vollendung der Tat. Problematisch ist allerdings der Fall, in dem der mutmaßliche Verdächtige, der zu einer Tat provoziert werden soll, eine unverdächtige und nicht tatgeneigte Person ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird diese Person, die sich schließlich doch zur Straftat hinreißen lässt, - wenn auch milder - bestraft. Das Europäische Gericht der Menschenrechte (EMGR) entschied entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), dass ein solcher Einsatz mir anschließender Verwertung der Ergebnisse im Strafverfahren einen schweren Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens bedeute. Dieses Prinzip habe so einen großen Stellenwert, dass es nicht mal für die Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität geopfert werden dürfe. Trotz dieser Grundsatzentscheidung bleibt die deutsche Rechtssprechung bei ihrer Auffassung, im Urteil solle der Verstoß aber besonders festzustellen sein. Der Unverdächtige wird auf diese Weise zu Zwecken staatlicher Verfolgung instrumentalisiert. Des weiteren soll mit einem solchen Einsatz nicht selten das Herausfordern von Ermittlungserfolgen verbunden sein. Die staatliche Legitimation für einen verdeckten Einsatz ergibt sich nur durch den Erfolg des Ermittlers. Auch der V-Mann, der nicht selten für seine Dienste eine Gegenleistung erhält und diese Vorteile bewahren will, steht unter einem Erfolgsdruck. Damit besteht die Gefahr einer Erfolgsproduktion. Ein Spitzel ist somit eher bereit, den Verdächtigten nachhaltiger als nötig zu einer Straftat zu veranlassen, um einen Ermittlungserfolg zu garantieren. Auf diese Weise können Lockspitzel faktisch auch bisher unverdächtige Personen in Straftaten verwickeln. Damit einher geht der Vorwurf der mangelnden Kontrollmöglichkeit des verdeckt Ermittelnden seitens der Polizei oder des Staates. Da die Legitimation verdeckter Ermittlungen eng mit der Organisierten Kriminalität verknüpft ist, entsteht gerade beim Einsatz in diesen Verbrechensbereich das Problem der Verdachtsschöpfung. Die OK ist geprägt von Abschottung. Zur Erleichterung der Ermittlungsarbeit der Polizei fehlt es dadurch an der notwendigen Beteiligung möglicher Opfer. Entweder bestehen schon keine individuellen Opfer aufgrund der Art des Delikts (z.B. Wirtschaftskriminalität) oder das Opfer schweigt aufgrund von Gewalt oder Drohung. Die Kenntnisnahme von Verdächtigen innerhalb des Organisierten Verbrechens kann demnach nur durch verdeckte Ermittler erfolgen. Diese können durch Beobachtung oder mittäterschaftliche Beteiligung Einblick in das Leben einer oder mehrerer Personen nehmen. Dabei schöpfen sie erstmalig einen konkreten Verdacht. Der Verdachtsmoment als eigentliche Voraussetzung für den Einsatz des verdeckt Ermittelnden, d.h. der Verdacht muss vor Beginn der Maßnahme bestehen, ergibt sich infolge der eigenartigen Struktur der OK somit meist erst nach dem Einsatz. Aus diesem Grund handelt es sich bei dieser Ermittlungsmaßnahme aus der StPO nicht mehr um eine rein repressive, sondern wird durch den zeitlich früheren Einsatz um ein präventives Mittel, das rechtlich somit unrechtmäßig wäre. Damit einher geht die Gefahr der Verallgemeinerung des Verdachts. Es tauchen immer wieder Fälle auf, in denen bisher unverdächtige Personen zu Straftaten angestiftet werden. Statt eines Verdachts, also statt hinreichender Anhaltspunkte hinsichtlich einer begangenen Straftat, liegt dann nur eine Gefahr hinsichtlich möglicher künftiger Delikte oder ein Risiko aufgrund sozialer Merkmale und Lebenslagen vor. Die Vorfeldermittlung macht dadurch jeden Bürger zum tauglichen Gegenstand polizeilichen Misstrauens. Zudem ist problematisch, dass immer wieder Fälle in der Öffentlichkeit auftreten, in denen die Polizisten durch gegenseitige Infiltrierung von Informanten zu Handlangern mafiaähnlicher Organisationen bzw. erpresst werden. Der Verdeckte Ermittler wird somit durch den Kontakt mit Mitgliedern dieser Organisationen in strafbare Handlungen verwickelt.

Weitere polizeiliche Maßnahmen

Neben dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers bestehen noch weitere heimliche polizeiliche Maßnahmen. So gestattet § 100a StPO den Strafverfolgungsbehörden die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation. Die Überwachung und damit die Einschränkung der Privatsphäre darf nur im Falle eines Anfangsverdachtes hinsichtlich einer der im Katalog enumerativ aufgeführten Taten angeordnet werden. Die Norm existiert schon seit 1968, bezog sich aber nur auf zwei Delikte des Strafgesetzbuches. Der Straftatenkatalog wurde aber nach und nach, so auch 1998 im Rahmen der Bekämpfung der OK, erweitert. Zwischen 1990 bis 1999 stiegen die Anordnungen laut der Netzbetreiber von 2.494 auf 12.651 Telefonüberwachungen. Laut der Max-Planck-Studie von 2003 zur Effizienz der stetig zunehmenden Telekommunikationsüberwachung wird in Deutschland im Vergleich zu anderen demokratischen Ländern der Welt deutlich stärker abgehört. Nur 38% der überwachten Anschlüsse gehörten den Beschuldigten, 60% gehörten Dritten. Von letzteren besaßen 20% ein Zeugnisverweigerungsrecht (Ehegatten, nahe Angehörige). Zwar waren bei 60% der untersuchten Verfahren Ermittlungserfolge zu verzeichnen, doch nur in 17% wurden unmittelbare Erfolge erzielt. Mit 38% lag der größte Erfolg in mittelbaren Erkenntnissen, also auf vorwiegend von Dritten begangenen Straftaten. Für diese Erkenntnisse wäre eine Anordnung der Telekommunikationsüberwachung mangels eines Verdachtes nicht zulässig gewesen. Am häufigsten wird die Überwachung bei Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz eingesetzt. Von Rechtstheoretikern wird insbesondere hinsichtlich der Intensität des staatlichen Eingriffs in das Grundrecht nach Art. 10 GG z.B. bei geringen, aber schon strafbaren Mengen Haschisch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme angezweifelt. Die Maßnahme gehe in dieser normierten Form über das Ziel der Verfolgung insbesondere der OK hinaus. Die Telefonüberwachung sei eine polizeiliche Standardmaßnahme und nicht mehr ultima ratio. Dem wird entgegengehalten, dass die in dem Katalog aufgeführten Delikte typische Indikatoren für eine OK seien und deshalb eine Überwachung auch in weniger brisanten Fällen nötig mache. Rechtlich reicht aber eine solche Begründung nicht für einen solchen schweren Eingriff aus. Insoweit wirkt sich die mangelnde klare Definitionsmöglichkeit von der OK auf polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen, die im Falle der Telekommunikationsüberwachung tiefe Grundrechtseingriffe darstellen, aus.

Der Lauschangriff

Lauschangriffe gehören ebenfalls zu den heimlichen polizeilichen Maßnahmen. Man unterscheidet zwischen dem kleinen und dem großen Lauschangriff. Beide sind sowohl als präventiv-polizeiliche als (auf der Grundlage der Polizeigesetze der Länder) auch als repressiv-strafprozessuale Maßnahme (auf der Grundlage der Strafprozessordnung) möglich.

Der „Kleine Lauschangriff“ bezeichnet das technische Abhören innerhalb einer Wohnung im Beisein eines Verdeckten Ermittlers oder sonstigen verdeckt arbeitenden Polizisten (z.B. Tragen oder Installieren von „Wanzen“).

Der Große Lauschangriff (auch: "unbemannte Wanze") bezeichnet das heimliche Abhören von Gesprächen innerhalb einer Wohnung mit Hilfe von technischen Mitteln. Umfasst wird damit auch das vorherige Betreten der Wohnung zur Installation des technischen Abhörgerätes. Der Einsatz des Großen Lauschangriffs erhöht die Intensität und Zeitdauer des Belauschens und den Umfang der abzuhörbaren Räume.

Damit wird jener nach herkömmlichen Maßstäben "unantastbare" Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der staatlichen Gewalt entzogen ist, tangiert. Um ihn zu ermöglichen, wurde 1998 das Grundgesetz (Art. 13, Unverletzlichkeit der Wohnung) geändert.

Auch § 100c wurde im Zuge des OrgKG 1998, also zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens, in die StPO eingeführt. Wie bei der Telefonüberwachung gilt hier mit Blick auf die Katalogtaten des § 100c StPO die Kritik, dass viele der Straftaten über den Bezug zur OK hinausreichen. Darüber hinaus wird die Effektivität zur Ermittlung gegenüber der OK angezweifelt. Professionelle Verbrecher würden sich der Situation anpassen und geeignete Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Schon vor der Beschlussfassung zum Großen Lauschangriff war ein solches Verhalten innerhalb der Szene üblich. Problematisch ist insoweit, dass für die Anwendung der Überwachungsmaßnahme nur die Alltagskriminalität übrigbleibt, zu deren Aufklärung die Norm gerade nicht erlassen wurde.

Das BVerfG erklärte den Großen Lauschangriff im März 2004 teilweise für verfassungswidrig (§100c I Nr.3 StPO). Danach müssen höchstpersönliche Gespräche des Betroffenen und solche mit engsten Vertrauten von der Maßnahme ausgeschlossen werden, um dem Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung und Menschenwürde gerecht zu werden.

Nach den Jahresberichen der Bundesregierung an den Bundestag wurden Wohnräume abgehört in zehn Verfahren (2004), sieben Verfahren (2005), drei Verfahren (2006), bzw. elf Verfahren (2007). Jährlich werden ca. fünf Millionen Ermittlungsverfahren geführt (FAZ 20.09.08: 4).

Literatur

  • Baron, Richard, Zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Einsatzes verdeckt ermittelnder Personen und Vorschlag einer umfassenden gesetzlichen Regelung, Diss. Hamburg 2002
  • Meyer-Goßner, Lutz, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, Kommentar, 47. Auflage, München 2004 (zu §§ 100a, 110a StPO)
  • Narr, Rolf-Dieter, Die arme Verfassung, Verfassungsschutz, V-Leute und NPD-Verbot, in: CILIP 71 (1/2002), S.76f.
  • Niehaus, Holger, Katalogtatensysteme als Beschränkungen strafprozessualer Eingriffsbefugnisse, Diss. Münster, 2001
  • Pinkenburg, Hartmut, Polizeiliche Informationsbeschaffung und Privatssphäre, Dargestellt am sogenannten Großen Lauschangriff, Diss. Hannover 1999
  • Riehle, Eckart, Verdacht, Gefahr und Risiko, Der V-Mann: ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer anderen Polizei?, in: KrimJ 1/1985, S.44f.
  • ders., Verdeckte Polizeiarbeit – nur eine weitere polizeiliche Befugnis? Zur Problematik von V-Leuten und „under cover agents“, in: KrimJ 1992, 4.Beiheft, S.60f
  • Roggan, Fredrik, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, Bonn, 2003
  • Schröder, Norbert, Der Einsatz Verdeckter Ermittler nach Polizeirecht, Diss. Köln, 2000
  • Wessel, Jan, Organisierte Kriminalität und soziale Kontrolle, Auswirkungen in der BRD, Diss. Wiesbaden 2000
  • Über die Max-Planck-Studie zur Effizienz der Telekommunikationsüberwachung (http://www.heise.de/ct/03/12/048)
  • Zur Entscheidung des BVerfG zum Großen Lauschangriff

(http://www.bundesverfassungsgericht.de/bverfg_cgi/pressemitteilungen/text/bvg04-022)


Weblinks